MKL1888:Kühlen
[281] Kühlen (Abkühlen), die absichtliche Herbeiführung von Temperaturerniedrigung. Jeder erhitzte Körper nimmt, wenn er der Wärmequelle, durch die er die höhere Temperatur erhielt, entzogen wird, allmählich die Temperatur seiner Umgebung an, indem er durch Leitung und Strahlung Wärme abgibt. Ist die Strahlung gegen den freien Himmelsraum nicht beschränkt, so kann der Körper selbst unter die Temperatur seiner Umgebung erkalten. Feuchte Körper und Flüssigkeiten kühlen auch ab, wenn die Verdunstung nicht gehindert wird, Gase und Dämpfe bei Verminderung des auf ihnen lastenden Druckes. In der Technik handelt es sich um Regelung der Abkühlung und zwar in der Regel um Beschleunigung, seltener um Verzögerung derselben. Die Abkühlung starrer Körper beschleunigt man durch Begießen mit Wasser, durch Einwerfen in Wasser (wobei auch Eis angewandt werden kann) oder in andre Flüssigkeiten, wenn schlechteres oder besseres Wärmeleitungsvermögen in Betracht kommt. In dieser Weise werden Metalle gehärtet, andre weich gemacht, manche Körper, wie Feuerstein, Quarz, in ihrer Struktur gelockert, [282] um sie leichter zerkleinern zu können (Abschrecken). Härte erzielt man durch K. auch beim Glas (Hartglas) und Eisenguß (Hartguß). Um beschädigte Ringgeschütze auseinander zu nehmen, erhitzt man sie und bringt in das innere Rohr flüssige Kohlensäure, durch deren Verdunstung das Rohr so schnell und stark abgekühlt wird, daß es aus den umgebenden, noch heißen Ringen herausgezogen werden kann. Sehr allgemein kühlt man Bestandteile von Öfen, z. B. das Mauerwerk durch Anbringung hohler Räume, in welchen Luft zirkuliert, oder die Düsen an metallurgischen Gebläsen durch fließendes Wasser.
Häufig handelt es sich bei starren Körpern um eine Verzögerung der Abkühlung, durch welche meist die Molekularstruktur der Körper geändert werden soll. Dies geschieht hauptsächlich bei der Darstellung von Thon- und Glaswaren, welche ohne eine solche geregelte langsame Kühlung sehr spröde werden. Man erreicht die langsame Abkühlung durch sorgfältigen Verschluß des Ofens oder durch Einstellen in
Fig. 2. | Fig. 1. |
Fig. 1 u. 2. Lawrencescher Kapillarkühler. |
geheizte Räume (Kühlofen), die ebenfalls dicht verschlossen werden, um jede kühlende Luftströmung zu verhindern. Für kontinuierlichen Betrieb benutzt man Kühlöfen, die aus einem sehr langen, an einem Ende mit einer Feuerung, am andern Ende mit einem Zugschornstein versehenen Kanal bestehen. Durch diesen Kanal wird die abzukühlende Ware auf einer auf Schienen laufenden Wagenreihe allmählich von dem heißen nach dem kalten Ende hin vorwärts gezogen, bis sie, hierbei langsam abgekühlt und endlich völlig erkaltet, den Kühlkanal verläßt. Während man also den Ofen an dem heißen Ende beständig neu beschickt, wird an dem kalten Ende gekühlte Ware ohne Unterbrechung herausgenommen. In andern Fällen verhindert man Abkühlung durch Umhüllungen, welche eine ruhende Luftschicht einschließen, oder durch Bedeckungen mit schlechten Wärmeleitern, wie wollene Gewebe oder Filz, Schlackenwolle, Asche etc. Diese Verhinderungsmittel der Abkühlung werden auch auf Flüssigkeiten angewandt, besonders auf Lösungen, aus welchen man möglichst große, gut ausgebildete Kristalle erhalten will, sowie auf Röhren, in welchen Dampf fortgeleitet werden soll.
Flüssigkeiten werden abgekühlt, indem man durch Anwendung metallener Gefäße die Wärmeableitung, durch Vergrößerung der Oberfläche die Ausstrahlung und durch Luftzug die Verdunstung befördert. So sind die Kühlschiffe der Brauereien und Brennereien sehr große, flache metallene Gefäße, welche in hohen Räumen oder selbst unter freiem Himmel aufgestellt werden, und in denen die Maische eine verhältnismäßig dünne Schicht bildet. Die Verdunstung befördert man auf diesen Schiffen durch kräftige Ventilationsvorrichtungen, auch durch Gebläse, oder indem man die Oberfläche der Flüssigkeit durch ein Rührwerk beständig erneuert. Sehr allgemein werden Flüssigkeiten mit Eis gekühlt, welches man, wo eine schwache Verdünnung mit Wasser nicht schadet, direkt in die Flüssigkeit werfen kann. In andern Fällen stellt oder hängt man mit Eis gefüllte Blechgefäße in die zu kühlende Flüssigkeit. Auf sehr einfache Weise kann man Flüssigkeiten in jedem beliebigen Gefäß, z. B. Bier im Faß, kühlen, indem man dünnwandige, lange, walzenförmige Blechbüchsen mit Eis füllt und in die Flüssigkeiten einhängt. Beschleunigt wird die Kühlung, wenn man die Flüssigkeit mit der Büchse beständig umrührt. Dies Prinzip findet auch in größerm Maßstab, z. B. in Spiritusfabriken, Anwendung, wo man zum K. der Maische ein Rührwerk benutzt, welches aus Metallröhren konstruiert ist. Während das Rührwerk in Thätigkeit ist, strömt beständig kaltes Wasser durch dasselbe. Anstatt das kühlende Mittel in die Flüssigkeit zu bringen, kann man auch umgekehrt die warme Flüssigkeit in dünnwandigen Blechgefäßen mit möglichst großer Oberfläche in kaltes Wasser, in zerstoßenes Eis oder in Kältemischungen stellen. Hierauf beruhen die Eisapparate der Konditoreien. Bisweilen wendet man große Kessel oder Pfannen mit doppeltem Boden an und kann in den Raum zwischen beiden Böden sowohl Dampf zum Erhitzen als kaltes Wasser zum K. leiten. Wird gleichzeitig ein kühlendes Rührwerk angebracht, so ist die Wirkung eine sehr kräftige. Anstatt aber das Wasser zwischen zwei Metallflächen einzuschließen, kann man es auch aus einem rund um den obern Rand sich erstreckenden durchlöcherten Rohr frei an der äußern Wand eines gewöhnlichen Kessels herabrieseln lassen. In diesem Fall wirkt das Wasser nicht nur durch Leitung, sondern auch durch Verdunstung, also viel energischer.
Sehr allgemein benutzt man Kühlapparate, bei welchen die zu kühlende Flüssigkeit und das Kühlwasser in entgegengesetzter Richtung sich bewegen, so daß die zu kühlende Flüssigkeit zuerst mit schon erwärmtem, zuletzt aber mit ganz kaltem, frisch zufließendem Wasser in Berührung kommt (Gegenströmung). Hierher gehört z. B. der Lawrencesche Kühler (Fig. 1 u. 2). Die zu kühlende Flüssigkeit, z. B. Milch, fließt aus dem Gefäß a in die Rinne b und aus dieser durch feine Löcher auf die vordere und hintere Wand des Kühlkastens bc und sammelt sich unten wieder in einer Rinne. Das Kühlwasser strömt dagegen aus f durch d in den Kühlkasten und verläßt denselben wieder durch e, um bei g abzufließen. Die Wirksamkeit dieses Apparats beruht wesentlich auf der Form der Kühlflächen, welchen der Apparat den Namen Kapillarkühler verdankt. Wie der Durchschnitt zeigt, sind die Kühlflächen wellig gebogen und die Vertiefungen zwischen den Wellen sehr eng. Hierdurch wird ein Teil der herabfließenden Milch durch Kapillarattraktion festgehalten, durch die nachfließende Milch aber teilweise wieder mit fortgerissen, [283] so daß der abwärts gehende Strom, durch viele Hindernisse aufgehalten, sehr verzögert wird. Ein kleiner Kühlkasten von nur 27,5 cm Breite und 38 cm Höhe kühlte 4 Lit. Wasser von 62° in 1,5 Minute auf 15° ab, während 20 L. Kühlwasser von 14° den Apparat durchflossen.
Bei andern Kühlapparaten fließt die zu kühlende Flüssigkeit durch Röhren, während das Kühlwasser, in entgegengesetzter Richtung strömend, die Röhren umspült. Hierher gehört der bei Destillationsapparaten angewandte Liebigsche Kühlapparat, welcher im obern Teil die Dämpfe abkühlt und verdichtet und dann noch im untern Teil das Destillat kühlt. Beim Nägelischen Röhrenkühler ist ein langes, dünnwandiges kupfernes Rohr wiederholt gebogen, so daß ein Schlangenrohr mit mehreren gerade verlaufenden Teilen entsteht. Diese letztern stecken konzentrisch in weitern eisernen Röhren, welche unter sich wieder durch Stutzen verbunden sind. Die zu kühlende Flüssigkeit tritt bei c (Fig. 3) in das enge Rohr ein und verläßt es bei d, während das Kühlwasser bei a in das weite Rohr ein- und bei b austritt, also der Flüssigkeit in dem engen Rohr entgegenströmt. Man legt auch das vielfach gewundene Kühlrohr in einen flachen Kasten und bringt zwischen je zwei Windungen des Rohrs eine von der Wandung des Kastens ausgehende Zunge an, so daß die an einem Ende des Kastens eintretende zu kühlende Flüssigkeit gezwungen wird, die Röhren, durch welche in entgegengesetzter Richtung kaltes Wasser fließt, möglichst lange zu berühren. Das gleiche Resultat wird erzielt, wenn man die zu kühlende Flüssigkeit durch die Röhren und das Kühlwasser durch den Kasten fließen läßt. In diesem Fall kann man eine energischere Kühlung durch Anwendung von Eis erreichen. Auch bei Röhrenkühlern kann man die Verdunstungskälte zur Anwendung bringen, indem man die warme Flüssigkeit von unten nach oben durch ein System horizontaler Röhren strömen läßt, während auf die oberste Röhre kaltes Wasser tropft, welches, durch sägeartige Ansätze verteilt, alle Röhren gleichmäßig benetzt. Lediglich durch Verdunstungskälte wirkt der Siemenssche Treppenkühler, bei welchem die warme Flüssigkeit (Maische) in einem kastenartigen Behälter in dünner Schicht über mehrere geneigt liegende Treppen fließt, während ein Ventilator einen kräftigen Luftstrom über die herabfließende Flüssigkeit bläst. Auf Wärmebindung durch Verdunstung beruhen auch die Alcarrazas oder Kühlkrüge (s. d.), durch deren poröse Wandung beständig Wasser sickert und auf der Oberfläche verdunstet, so daß das in den Krügen enthaltene Wasser kühl bleibt. Da die Verdunstung mit der Oberfläche der Flüssigkeit wächst, so findet eine sehr energische Abkühlung statt, wenn man die Flüssigkeit zu Tropfen zerteilt in einem luftigen Raum herabfallen läßt.
Gase und Dämpfe werden abgekühlt, indem man sie durch Röhren leitet, welche entweder nur von der Luft oder von kaltem Wasser umspült werden. Die Luftkühlung findet hauptsächlich in der Leuchtgasfabrikation, die Wasserkühlung bei Destillationen (s. oben) Anwendung. Eine sehr energische Abkühlung von Dämpfen wird auch erreicht, wenn man in den Behälter, welchen sie durchströmen, kaltes Wasser in feiner Verteilung einspritzt, so daß sich die kleinsten Teilchen des Wassers und des Dampfes innig miteinander berühren.
Soll in geschlossenen Räumen, Kellern etc. eine niedrige Temperatur erhalten werden, so ist hierauf schon bei der Anlage Rücksicht zu nehmen, um möglichste Unabhängigkeit von der Jahreszeit zu erreichen; außerdem wendet man Ventilationsvorrichtungen an, erreicht aber in allen Fällen nur eine Temperatur, welche der mittlern Jahrestemperatur des betreffenden Ortes gleichkommt. Stärkere Abkühlung kann nur durch Anwendung von Eis erreicht werden, mit welchem man an die Keller anstoßende Kammern füllt. Dadurch, daß man in letztern das Eis höher aufschichtet, als der Scheitel des Kellergewölbes reicht, erzielt man eine kontinuierliche Luftströmung, indem die kalte Luft herabsinkt und die wärmere Luft in den Eisraum oder zu den Ventilationsöffnungen hinausdrängt. Am vorteilhaftesten lagert man das Eis unmittelbar über dem Keller und zwar nach Brainards System auf gewelltem Metallblech, so daß eine möglichst große Kondensationsfläche entsteht. Unter
Fig. 3. | |
Nägelischer Kühlapparat. | |
den Kanten des Blechs sind kleine Rinnen befestigt, in denen sich aus den im Keller enthaltenen Dämpfen kondensiertes Wasser sammelt, welches zusammen mit dem Schmelzwasser des Eises abfließt und anderweitig zum K. benutzt wird. Die Temperatur eines solchen Kellers beträgt konstant 4–5°. Auf den Schiffen, welche zum Transport frischen Fleisches aus Amerika nach Europa dienen, wird die Luft zwischen den Eiskammern und den Räumen, in welchen sich das Fleisch befindet, durch eine Ventilationsvorrichtung in beständiger Zirkulation erhalten.
Sicherer als die Benutzung des Eises ist die Anwendung von Eismaschinen, wobei man eine sehr stark abgekühlte Flüssigkeit durch ein in dem abzukühlenden Raum befindliches Röhrensystem leitet. Besonders aber eignet sich zur Abkühlung von Räumen die Kaltlufterzeugungsmaschine, welche stark komprimierte und dann abgekühlte Luft ausströmen läßt. Indem sich die Luft ausdehnt, bindet sie sehr viel Wärme und erzeugt eine ungemein niedrige Temperatur; zugleich aber wirkt die Maschine auch ventilierend, da sie einen beständigen Luftwechsel herbeiführt.