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MKL1888:Kohlenstoff

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kohlenstoff“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Kohlenstoff“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 920921
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Kohlenstoff. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 920–921. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kohlenstoff (Version vom 04.10.2024)

[920] Kohlenstoff (Carboneum) C, chemisch einfacher Körper, tritt in drei Modifikationen auf: tesseral kristallisiert als Diamant, monoklinisch kristallisiert als Graphit und amorph als Kohle. Die erste Modifikation findet sich nur als Diamant und kann künstlich erhalten werden, wenn man Paraffinöl (Kohlenwasserstoff) nebst Knochenöl, welches stickstoffhaltige Basen enthält, und einem Alkalimetall in einem starkwandigen verschlossenen Gefäß erhitzt. Hierbei bildet sich Cyanmetall, und K. scheidet sich in der Kristallform des Diamanten aus. Graphitartiger K. findet sich als Graphit, auch im Roheisen, in Blasenräumen der Eisenschlacken, in Höhlen der Gestellsteine der Hochöfen; auch entsteht er bei Zersetzung von Cyanverbindungen. Amorpher K. scheidet sich mehr oder weniger rein beim Erhitzen organischer Verbindungen unter Abschluß der Luft aus und bildet die Kohle, welche meist noch Wasserstoff und Sauerstoff, oft auch Stickstoff und mineralische Stoffe enthält. Hierher gehören Koks, Gaskohle (Retortengraphit), Ruß, Holzkohle, Knochenkohle etc. Der K. ist in allen drei Modifikationen geruch- und geschmacklos, das spezifische Gewicht des Diamanten ist 3,5, das des Graphits 2,1–2,3. Er ist in allen Lösungsmitteln unlöslich, unschmelzbar, bei Abschluß der Luft feuerbeständig, während er, an der Luft erhitzt, bei gewöhnlicher Temperatur völlig indifferent und an der Luft unveränderlich, zu Kohlensäure verbrennt, am schwersten der Diamant, am leichtesten der amorphe K. Auch durch Oxydationsmittel kann der K. zu Kohlensäure oxydiert werden, mit Übermangansäure gibt er [921] Mellithsäure und Oxalsäure; er verbindet sich in hoher Temperatur mit Schwefel zu Schwefelkohlenstoff, mit Stickstoff aber nur, wenn ein Körper zugegen ist, mit welchem sich das entstehende Cyan vereinigen kann. Vielen Sauerstoffverbindungen entzieht der K. Sauerstoff; er reduziert z. B. Metalloxyde, gibt mit Schwefelsäure schweflige Säure, mit Phosphorsäure Phosphor etc. Das Atomgewicht des Kohlenstoffs ist 11,97, er ist vierwertig, und seine Oxydationsstufen sind Kohlenoxyd CO und Kohlensäure CO2. Der reine K. spielt in der Natur nur eine untergeordnete Rolle, dagegen sind seine Verbindungen die Grundlage alles organischen Lebens. Alle Pflanzen und Tiere bestehen aus Verbindungen des Kohlenstoffs mit Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff, während ihr Gehalt an mineralischen Substanzen untergeordnet ist. Gehen die Organismen zu Grunde, so werden ihre Bestandteile in der Regel durch Fäulnis- und Verwesungsprozesse zersetzt, und es entstehen einfachste Verbindungen: Kohlensäure, Wasser und Ammoniak. Diese Verbindungen sind aber neben gewissen mineralischen Stoffen die einzigen Nahrungsmittel der Pflanzen, welche in den chlorophyllhaltigen Zellen unter dem Einfluß des Lichts alle organische Substanz aus Kohlensäure und Wasser bilden. Die Pflanzensubstanz gelangt zum Teil als Nahrung in den tierischen Organismus und wird hier mannigfach modifiziert, in Blut und Fleisch verwandelt, schließlich durch den Atmungsprozeß und durch die Fäulnis der Exkremente wieder in Kohlensäure und Wasser verwandelt. Große Mengen K. entziehen sich zeitweise diesem Kreislauf, indem sie als fossile Kohle abgelagert oder an Kalk gebunden werden und als kohlensaurer Kalk (Kalkstein, Marmor) weitverbreitete Gesteine bilden. Aber auch die fossile Kohle wird schließlich wieder oxydiert (in Kohlensäure verwandelt), und die Kohlensäure des Kalksteins wird in Freiheit gesetzt, wenn der letztere unter der Einwirkung von Kieselsäure sich in Kieselgestein verwandelt. Diamant galt lange Zeit für eine reine Art Bergkristall, Averami und Targioni zeigten aber seine Verbrennlichkeit im Brennpunkt eines kräftigen Brennspiegels, und Lavoisier wies 1773 die Bildung von Kohlensäure bei der Verbrennung des Diamanten nach. Mackenzie fand 1800, daß Diamant ebensoviel Kohlensäure gibt wie dasselbe Gewicht Kohle oder Graphit, welch letzterer früher mit Molybdänglanz verwechselt wurde, bis Scheele 1779 seine wahre Natur erkannte. Die künstliche Darstellung des Diamanten gelang zuerst 1880 Ballantyne Hannay in Glasgow. Vgl. Baeyer, Über den Kreislauf des Kohlenstoffs (Berl. 1869).