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MKL1888:Kohlhase

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kohlhase“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Kohlhase“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 922923
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Kohlhase. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 922–923. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kohlhase (Version vom 04.10.2024)

[922] Kohlhase (unrichtig Kohlhaas), Hans, der Held der Kleistschen Novelle „Michael Kohlhaas“, ein Berliner Produktenhändler, geriet auf der Reise nach der Leipziger Messe 1. Okt. 1532 im Dorf Wellaune mit Leuten des Junkers Günther v. Zaschwitz in Streit, mußte aber mit Zurücklassung seiner Pferde der Übermacht weichen, und diese wurden in den Stall des Ortsrichters gebracht. K. mußte in Leipzig seine [923] Waren mit Verlust losschlagen und kehrte nun nach Wellaune zurück, um vom Junker seine Pferde zurückzuverlangen. Dieser erklärte sich zur Herausgabe bereit, wenn K. das Futtergeld im Betrag von 5–6 Groschen erstatte, wozu sich K. aber nicht verstand. K., der infolge der Vernachlässigung seines Geschäfts in Vermögensverfall geriet, nahm nun dem Junker gegenüber, den er als den Urheber seines Unglücks ansah, die Hilfe seines Landesherrn, des Kurfürsten von Brandenburg, in Anspruch, indem er Erstattung des doppelten Wertes seiner Pferde und 150 Gulden für den Schaden, den er durch verspätetes Eintreffen auf der Leipziger Messe erlitten haben wollte, beanspruchte. Zaschwitz dagegen wies nicht nur diese Ansprüche als ungerechtfertigt zurück, sondern verlangte noch ein Futtergeld von 12 Gulden. Schließlich nahm K. die abgetriebenen und dem Tod nahen Tiere, von denen eins auch bald starb, gegen Zahlung von 12 Gulden unter Vorbehalt seiner weitern Forderungen zurück. Nachdem nun nochmalige Vergleichsverhandlungen erfolglos gewesen waren, erließ K., welcher keinen Rechtsschutz fand, einen Fehdebrief, der in Sachsen große Unruhe erregte. Mehrere Feuersbrünste in Wittenberg und umliegenden Dörfern wurden K. schuld gegeben. Auf einem Rechtstag in Jüterbog reinigte sich K. aber durch einen Eid von jenem Verdacht und versprach, die Fehde einzustellen, wenn ihm die Familie des inzwischen verstorbenen Junkers v. Zaschwitz 600 Gulden als Entschädigung zahle. Wiewohl die Familie v. Zaschwitz sich hiermit einverstanden erklärte, so erhob doch der Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen gegen den Vertrag nicht nur Einspruch, sondern ließ auch auf K. fahnden und setzte einen Preis von 100 Thlr. auf dessen Einbringung. Nun begann K. 1535 wirklich die angedrohte Fehde mit einem Einbruch in die Mühle zu Gommig und fing, nachdem nochmals wiederholt, aber vergeblich, gütliche Erledigung der obschwebenden Händel versucht worden war, Wegelagerei an. So kam es denn zu einem förmlichen Kampf zwischen K. und seinen Genossen und Sachsen, dem man auf seiten Brandenburgs unthätig zuschaute, wenn man nicht K. insgeheim begünstigte. Dieser überfiel und plünderte Marzahna, erpreßte bedeutende Summen und gedachte selbst Baruth in Asche zu legen. Für jede Exekution, die an einem seiner Genossen vollzogen ward, nahm er blutige Rache. Erst 2. Jan. 1539 erließ der Kurfürst Joachim II. von Brandenburg eine Aufforderung an seine Behörden, den Sachsen zur Habhaftwerdung Kohlhases behilflich zu sein. Doch niemand wollte sich dazu verstehen. Da jeder Mord und Brand ihm zugeschoben wurde, so stieg die Furcht vor ihm ins Maßlose, und ganz Kursachsen war in Verzweiflung. Ein Versuch, durch Luther einen Vergleich mit Kursachsen herbeizuführen, mißlang. K. war inzwischen immer mehr verwildert und erwählte sich seine Helfershelfer aus dem verworfensten Gesindel. Auf Anraten eines gewissen Georg Nagelschmidt beschloß er zuletzt, seinen eignen Landesherrn zu befehden, um denselben dadurch zu nötigen, mit Sachsen zu brechen. Wirklich glückte es ihm, einen Transport Silber, der aus den mansfeldischen Bergwerken nach Berlin ging, bei dem danach sogen. Kohlhasenbrück bei Potsdam wegzunehmen; er wurde aber nun auf Befehl Joachims II. 8. März 1540 ergriffen und 22. März d. J. vor dem Georgenthor zu Berlin aufs Rad geflochten. Denselben Tod starb sein Genosse Nagelschmidt. Vgl. Burkhardt, Der historische K. und H. v. Kleists Michael Kohlhaas (Leipz. 1864).