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MKL1888:Komisch

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Komisch“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Komisch“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 9 (1887), Seite 979
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Komisch. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 979. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Komisch (Version vom 15.04.2022)

[979] Komisch (griech.) heißt nach Aristoteles ein Ungereimtes (eine Thorheit), das unschädlich (sowohl für den Thoren als für uns selbst) ist. Der Eindruck desselben ist infolge der erstern Eigenschaft ein angenehmer (durch das Bewußtsein eignen Besserwissens und dem Thoren überlegener Klugheit), infolge der letztern kein unangenehmer (da das Unschädliche uns weder ein Mitgefühl, sei es nun Mitleid oder Schadenfreude, noch Furcht für uns selbst einflößt). Dasselbe ist wesentlich Verstandes-, keineswegs, wie das Erhabene (s. d.), Vernunft- oder, wie das Tragische (s. d.) oder Tragikomische (s. d.), Gemütssache. Lebhafter Sinn für das Komische muß daher weder mit gleicher Ehrfurcht vor dem Erhabenen noch mit warmem Gefühl für das Unglück verbunden sein; religiösen und gefühlvollen Menschen kann es um seiner (wenigstens scheinbaren) Herz- und Gefühllosigkeit willen frivol erscheinen. Grundlage desselben ist jederzeit ein Kontrast zwischen der Thorheit, die k., und der Klugheit, welcher sie k. erscheint (Sancho Pansa, der einen seichten Graben für einen Abgrund hält und zitternd über demselben an einem Ast schwebt, ist für den ruhigen Zuschauer k.); da aber beide nur verschiedene Grade der Einsicht sind, so folgt, daß das Einsichtslose (die leblose Natur, das Tier, das unmündige Kind, der Geisteskranke) nur insofern k. erscheinen kann, als ihm die mangelnde Einsicht von dem lachenden Zuschauer untergeschoben (das Leblose beseelt, das Person- und Verstandlose persönlich und mit Verstandesfähigkeit ausgerüstet gedacht) wird. Unverschuldete Thorheit (Unwissenheit) ist daher ebensowenig k. wie körperliche Gebrechlichkeit (unverschuldetes Ungeschick). Da das Komische wesentlich Persönlichkeit voraussetzt, so leuchtet ein, daß es von denjenigen Künsten, welche, wie die Musik und die Baukunst, die Darstellung des Persönlichen ausschließen, selbst ausgeschlossen, dagegen in der Plastik, Malerei (komisches Genrestück) und Poesie (komisches Lied, komisches Epos, komischer Roman, komisches Drama oder Komödie) am Platz ist. Je nachdem die beiden Glieder des Kontrastes (Klugheit und Thorheit) an verschiedene Personen (Kluge und Dumme) verteilt oder in einer und derselben Person vereinigt sind, wird das Naiv- oder Objektiv-Komische und das Bewußt- oder Subjektiv-Komische unterschieden; bei jenem erscheint die komische Person andern, bei diesem sich selbst k., ergötzt sich an ihrer eignen Thorheit, um welcher Verwandtschaft mit dem (guten) Humor (s. d.) willen letztere Art des Komischen das Humoristisch-Komische heißt. Je nachdem der zur Einsicht in die Thorheit des Belachten erforderliche Grad von Einsicht ein höherer oder niedrigerer ist („der Engel lacht über den Menschen, der Erzengel über den Engel und Gott über alle“, Jean Paul), wird das Fein- oder Hochkomische und das Grob- oder Niedrigkomische unterschieden. Unterarten des Feinkomischen sind das Lächerliche und die humoristische Posse, des Niedrigkomischen das Burleske und der possenhafte Humor; jene beiden belächeln, diese beiden belachen wir. Die Auflösung des Komischen erfolgt, wie die des Tragischen (s. d.), durch Aufhebung des Kontrastes, indem das anscheinend Thörichte als verständig, die anscheinende Thorheit als Spielmaske der Klugheit (Hamlets verstellter Wahnsinn) erkannt wird. Vgl. Jean Paul, Vorschule der Ästhetik (2. Aufl., Stuttg. 1813); Ruge, Neue Vorschule der Ästhetik (Halle 1834); Vischer, Über das Erhabene und Komische (Stuttg. 1837); Bohtz, Über das Komische und die Komödie (Götting. 1844); Hecker, Die Physiologie und Psychologie des Lachens und des Komischen (Berl. 1873); Speyer, Über das Komische und dessen Verwendung in der Poesie (das. 1877); ferner die Werke über Ästhetik von Carriere, Vischer, Zimmermann u. a.