MKL1888:Konfutse

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Konfutse“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 1009
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Konfutse. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 1009. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Konfutse (Version vom 30.07.2021)

[1009] Konfutse (richtiger Khungfutse, lat. Confucius), chines. Weiser und Stifter des in China jetzt allein als orthodox geltenden Religionssystems, stammte aus der Familie Khung, die ihren Stammbaum bis 1121 v. Chr. zurückführt, und wurde 551 v. Chr. in der Stadt Kiufu in der heutigen Provinz Schantung als Sohn eines Soldaten geboren. Im dritten Jahr bereits verlor K. seinen Vater, und die Familie hatte seitdem mit großer Dürftigkeit zu kämpfen. Mit 19 Jahren heiratete er und bekleidete in der nächsten Zeit das Amt eines Aufsehers der öffentlichen Getreidespeicher; mit 22 Jahren trat er als öffentlicher Lehrer auf, mit 30 Jahren „stand er fest“, wie er selbst sagte, und schwankte nicht mehr in seinen Ansichten. Es hatten sich bereits vornehme Jünger um ihn geschart; der Ruf des Meisters wuchs, und an jedem Fürstenhof wurde er mit den höchsten Ehren empfangen. Im J. 500 finden wir ihn im Staate des Fürsten von Lu als Bürgermeister, wo er bis zur Kost herab alles von oben regelte und durch seine Erfolge in Herstellung öffentlicher Ruhe zum Minister, zuerst für öffentliche Arbeiten, dann für Kriminaljustiz, berufen wurde. Mätressenwirtschaft verleidete K. den Aufenthalt daselbst; er zog nach Wei, dann von einem Raubstaat zum andern, wie sie in ihrer Gesamtheit damals China darstellten. Schließlich in den Staat Wei zurückgekehrt, verschied er hier 478 unbeachtet. K. will das Glück der Menschen auf dieser Erde begründen, nicht vom Individuum, sondern vom Staat und der Familie aus. Er fordert deswegen unbedingte Gewalt und Autorität der Ältern und Höhern, von Menschlichkeit und Gerechtigkeit geleitet, und unbedingten, aber kindlichen Gehorsam der Untergebenen. Seine Lehren sind durchaus weltliche, durch Nüchternheit, scharfen Verstand und weltmännische Klugheit ausgezeichnet und enthalten nur die eine Verheißung, daß, wenn ein jeder oder nur die Mächtigen durch ihr wirksames Beispiel die Sittenlehren befolgen, das Dasein der (chinesischen) Menschheit wohl gebessert, ja bis zu den Grenzen der erreichbaren Vollkommenheit erhöhen werden könnte. K. vermied den Namen Gott, wie es scheint, weil eine persönliche Bezeichnung leicht zu grob sinnlichen Vorstellungen führt. Eine Unsterblichkeit der Seele nahm er nicht an; er fand aber den Glauben an eine Fortdauer nach dem Tod vor und wußte den günstigen sittlichen Einfluß des Unsterblichkeitsglaubens zu schätzen. Er lehrt Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit, übte sie aber selbst nicht streng. Den Frauen weist K. eine nach unsern Begriffen erniedrigende Stellung als Dienerinnen des Mannes an. Eigentliche Dogmen hat K. nicht verfaßt, sondern nur in Sittensprüchen, die oft orakelhaft dunkel sind, seine Lehren verkündet. Seine Sittenlehre hat ein stark ausgesprochenes chinesisches Gepräge; seinem Moralgebäude geht jedes ideale Streben ab. Anspielungen auf die Schöpfung oder den Schöpfer, auf eine sittliche Weltordnung, auf irgend eine Vergeltung für gerechte oder ungerechte Handlungen werden vermißt. Dagegen betont K. in Bezug auf den Staat, daß die höchste Glückseligkeit allein durch gutes Beispiel von oben zu erreichen sei; dieses reiche hin, um den Niedern wieder auf den rechten Weg zu bringen, wenn er durch äußere Einflüsse auf Irrwege geraten war. Zu Lebzeiten Konfutses nahmen die Großen des zersplitterten Reichs seine Lehren nicht an, und K. verschied enttäuscht und ohne Hoffnung, daß bessere Zeiten kommen würden. Doch schon gleich nach seinem Tod begann der Kultus seiner Person. Bis 194 hatten sich die Verhältnisse so geändert, daß der Stifter der Han-Dynastie an seinem Grab in Lu einen Stier opferte; im J. 1 n. Chr. wurde er nachträglich in den Herzogsstand erhoben. Seit 54 n. Chr. sind für ihn Opferfeste eingesetzt, und man begann, ihm Tempel zu errichten. Jetzt hat jeder größere Ort seinen K.-Tempel; zu den berühmtesten derselben finden große Wallfahrten statt, und nur des K. Lehre gilt den chinesischen Gelehrten als „der rechte Weg“. Vgl. Legge, Life and teachings of Confucius (4. Aufl., Lond. 1875); Plath, Confucius’ und seiner Schüler Lehren (Münch. 1866–74, 4 Tle.); Faber, Lehrbegriff des Confucius etc. (Lond. 1873); „Confucius. Ta Hio. Die erhabene Wissenschaft“ und „Tchong-Yong. Der unwandelbare Seelengrund“, übersetzt von Plänckner (Leipz. 1875 u. 1878).