MKL1888:Lamettrie

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lamettrie“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Lamettrie“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 430
Mehr zum Thema bei
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Lamettrie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 430. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lamettrie (Version vom 16.02.2022)

[430] Lamettrie, Julien Offray de, franz. Philosoph, geb. 23. Dez. 1709 zu St.-Malo, studierte unter Boerhaave in Leiden Medizin und wurde Arzt im Regiment des Herzogs von Grammont, mit dem er der Schlacht bei Dettingen und der Belagerung von Freiburg beiwohnte. Die Beobachtung, welche er hier während einer Erkrankung machte, daß nämlich die geistige Kraft, welche wir Seele nennen, mit dem Körper schwinde, veranlaßte ihn zur Abfassung seiner „Histoire naturelle de l’âme“ (Haag 1745, neue Aufl. 1748), welche wegen des darin vertretenen Materialismus und Atheismus verbrannt wurde. Dasselbe Schicksal hatte seine gegen die Ärzte gerichtete Schrift „La politique du médecin Machiavel“ (Amsterd. 1746). Von der Geistlichkeit wie von den Ärzten verfolgt, begab sich L. nach Holland, konnte sich aber infolge seiner Schriften: „La faculté vengée“ (1747; später unter dem Titel: „Les charlatans démasqués“, Par. 1762) und „L’homme-machine“ (Leiden 1748; neue Ausg., Par. 1865; deutsch, Leipz. 1875) auch hier nicht halten und fand endlich ein Asyl bei Friedrich II., der ihn als seinen Vorleser anstellte und ihm eine Stelle in der Akademie gab. Noch schrieb L.: „L’homme-plante“ (Potsd. 1748) und ein witziges Pasquill auf Boerhaave, Linné und andre Gelehrte: „Ouvrage de Pénélope, ou le Machiavel en médecine“ (Berl. 1748, 2 Bde.; 1750, 3 Bde.); ferner: „Les animaux plus que machines“ (das. 1750); „Reflexions philosophiques sur l’origine des animaux“ (das. 1750); „L’art de jouir“ (das. 1751); „Vénus métaphysique ou essai sur l’origine de l’âme humaine“ (das. 1752) u. a. Er starb 11. Nov. 1751 in Berlin. Friedrich II. schrieb ihm selbst ein „Éloge“ (Haag 1753) und ließ seine „Œuvres philosophiques“ (Berl. 1751, 2 Bde.; neue Aufl. 1796, 3 Bde.) herausgeben. Eine Ehrenrettung Lamettries, des übelberufenen Stimmführers des französischen Materialismus, unternahm Du Bois-Reymond in einem Vortrag über ihn (Berl. 1875). Vgl. auch Quépat, Essai sur L. (Par. 1873), und Lange, Geschichte des Materialismus (neue Ausg., Iserl. 1887), dessen Untersuchungen zu einer gerechtern Würdigung Lamettries den Anstoß gaben.