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MKL1888:Mariotte-Gay-Lussacsches Gesetz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mariotte-Gay-Lussacsches Gesetz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 597598
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Mariotte-Gay-Lussacsches Gesetz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 597–598. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mariotte-Gay-Lussacsches_Gesetz (Version vom 25.04.2022)

[597] Mariotte-Gay-Lussacsches Gesetz.[WS 1] Das Mariottesche Gesetz sagt aus, daß bei gleichbleibender Temperatur das Volumen einer bestimmten Gewichtsmenge eines Gases seinem Drucke umgekehrt proportional ist, oder daß das Produkt aus Druck und Volumen unverändert bleibt. Es findet, wenn und bestimmte Anfangswerte des Druckes und Volumens bedeuten, so daß konstant bleibt, seinen Ausdruck durch die Gleichung . Nach dem Gesetz [598] von Gay-Lussac nimmt bei gleichbleibendem Druck das Volumen einer Gasmenge bei der Erwärmung für je 1° C. um seines ursprünglichen Wertes zu, oder es ist, wenn den für alle Gase gemeinschaftlichen Ausdehnungskoeffizienten, die Temperatur in Celsiusschen Graden und das Volumen bei 0° bezeichnet, . Beide Gesetze vereint, werden als M.-G.-L. Gesetz ausgedrückt durch die Gleichung , durch welche der Zustand einer gegebenen Gasmenge in seiner Abhängigkeit von Druck, Volumen und Temperatur erschöpfend gekennzeichnet ist. Man nennt sie deshalb die Zustandsgleichung der Gase. Erwärmt man ein Gas bei gleichbleibendem Volumen (), so sagt uns die Gleichung , daß der Druck des Gases für jeden Grad um seines Anfangswertes zunimmt und bei der Abkühlung für je 1° C. um ebensoviel abnimmt. Der Spannungskoeffizient der Gase ist also dem Mariotte-Gay-Lussacschen Gesetz zufolge gleich ihrem Ausdehnungskoeffizienten. Unter der Voraussetzung, daß das Gesetz für jede beliebige Temperatur gültig bleibt, würde demnach der Druck des Gases Null werden, wenn man dasselbe bis −273° abkühlt. Diese experimentell noch nicht erreichte tiefstmögliche Temperatur nennt man den absoluten Nullpunkt und die von ihm aus in Celsiusschen Graden gezählte Temperatur die absolute Temperatur. Bezeichnet man die absolute Temperatur mit und die entsprechende Angabe des Celsiusschen Thermometers mit , so ist offenbar

oder .

Setzt man letztern Wert statt in den obigen Ausdruck des Mariotte-Gay-Lussacschen Gesetzes ein, so zieht sich dasselbe auf folgende einfache Form zurück: , oder , wenn man die für ein und dasselbe Gas konstante Größe mit bezeichnet. Die Größe wird die Konstante des Mariotte-Gay-Lussacschen Gesetzes genannt, welches sich nun kurz auch in folgender Weise aussprechen läßt: das Produkt aus Druck und Volumen einer bestimmten Gewichtsmenge eines Gases ist stets seiner absoluten Temperatur proportional.

Die Frage, ob das Mariottesche Gesetz streng richtig sei, wurde von Arago und Dulong 1831 bejahend beantwortet, denn bis zu einem Drucke von 27 Atmosphären, welchen sie bei ihren Versuchen anwandten, lagen die Abweichungen vom Mariotteschen Gesetz innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler. Regnault, der später (1847) die Versuche mit genauern Methoden wieder aufnahm, fand, daß Luft, Stickstoff, Kohlensäure bei wachsendem Drucke ihr Volumen etwas rascher vermindern, als das Mariottesche Gesetz verlangt, Wasserstoff dagegen weniger rasch. Auch ergab sich, daß der Spannungskoeffizient dem Ausdehnungskoeffizienten nicht völlig genau gleich ist. Das Verhalten der wirklichen Gase weicht demnach von dem Mariotte-Gay-Lussacschen Gesetz etwas ab, wenn auch nur sehr wenig. Ein Gas, welches diesem Gesetz genau gehorchen würde, nennt man ein ideales oder vollkommenes Gas. Die Abweichungen der Gase von ihrem idealen Zustand sind in neuerer Zeit von Cailletet, Amagat, Winkelmann, Roth u. a. genauer studiert worden; sie nehmen zu mit wachsendem Drucke und sind größer für die leicht koerzibeln Gase als für die schwer kondensierbaren; mit wachsender Temperatur nähern sich alle Gase dem idealen Zustand.

Da das Mariotte-Gay-Lussacsche Gesetz für kein Gas streng richtig ist, hat man gesucht, die einfache Gleichung so zu ergänzen, daß sie das wirkliche Verhalten der Gase darstelle. Die Vorstellungen der kinetischen Theorie der Gase (s. Wärme, Bd. 16, S. 392) gaben hierzu die Anleitung. Von dem ganzen Raume, welchen ein Gas einnimmt, ist ein gewisser konstanter Teil von den Molekülen selbst erfüllt. Da sich die Zusammendrückung und Ausdehnung aber nur auf den von Molekülen freien Raum erstrecken kann, so ist von dem Volumen der Mariotte-Gay-Lussacschen Gleichung eine konstante, von dem Molekularvolumen des Gases abhängige Größe abzuziehen. Die Gase werden ferner nicht nur durch den äußern Druck zusammengepreßt, sondern auch noch durch innere Molekularanziehung, welche um so größer wird, je näher die Moleküle zusammenrücken, und welche, wie van der Waals gezeigt hat, dem Quadrat des Volumens umgekehrt proportional ist. Die nach diesen Gesichtspunkten von van der Waals aufgestellte vollständigere Zustandsgleichung lautet:

,

wo und aus den Versuchen für jedes Gas zu bestimmende Konstante sind. Diese Formel stellt die bisher beobachteten Abweichungen von dem idealen Gaszustand in vollkommen befriedigender Weise dar. Das ideale Mariotte-Gay-Lussacsche Gesetz geht aus ihr hervor, wenn und gesetzt wird.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vgl. Mariottesches Gesetz in Band 11