MKL1888:Marlborough

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marlborough“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 266268
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Marlborough. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 266–268. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marlborough (Version vom 13.01.2024)

[266] Marlborough (spr. mārlbö̆ro), Stadt im nördlichen Wiltshire (England), am Kennet, mit 1845 gegründeter höherer Schule (College), bedeutendem Handel in Korn, Käse, Malz, Steinkohlen und (1881) 3343 Einw.

Marlborough (spr. mārlbö̆ro oder máhlbru), 1) John Churchill, Herzog von, berühmter brit. Feldherr [267] und Staatsmann, geb. 24. Juni 1650 zu Ashe in Devonshire, kam, durch sein vorteilhaftes Äußere empfohlen, in seinem zwölften Jahr als Page an den Hof des Herzogs von York, dessen Mätresse seine Schwester Arabella war, und der ihm im Alter von noch nicht 16 Jahren eine Fähnrichstelle bei der Garde verschaffte. 1672 ging M. als Kapitän im Regiment des Herzogs von Monmouth mit den englischen Hilfstruppen nach den Niederlanden, wo er unter Turenne seine militärische Schule durchmachte. Er diente bis 1677 in der französischen Armee und kehrte sodann nach England zurück, wo er ein Regiment erhielt, 1682 zum Obersten und nach der Thronbesteigung des Herzogs von York 1685 zum Generalmajor und Peer unter dem Titel Baron Churchill von Sundridge[WS 1] ernannt wurde. Bei der Unterdrückung der Empörung des Herzogs von Monmouth (s. d.) zeigte er sich besonders thätig; als Wilhelm von Oranien 1688 in England landete, begleitete M., soeben zum Generalleutnant befördert, den König ins Feld, ging aber am Morgen des 25. Nov. zu Wilhelm über. Er ward darauf zum Grafen von M., zum Mitglied des Geheimen Rats und zum königlichen Kammerherrn ernannt. Von Wilhelm III. mit der Unterwerfung Irlands beauftragt, landete er 25. Sept. 1690 auf der Insel und bemächtigte sich der Plätze Cork und Kinsale. Im Kriege gegen Ludwig XIV. erfocht er den Sieg bei Walcourt, knüpfte aber, da er im militärischen Dienst Ausländer, wie Ginkel und Schomberg, sich vorgezogen sah, geheime Unterhandlungen mit Jakob II. an. Als diese entdeckt wurden, ward er 1692 seiner Ämter entsetzt, in den Tower gebracht und erst nach einer langwierigen Untersuchung freigelassen. Nach dem Frieden von Ryswyk (20. Sept. 1697) versöhnte sich Wilhelm mit ihm, und M. wurde jetzt vom König zum Gouverneur des Herzogs von Gloucester ernannt, in den Geheimen Rat wieder aufgenommen und beim Ausbruch des spanischen Erbfolgekriegs zum Befehlshaber aller britischen Streitkräfte in den Niederlanden (1701) ernannt. Die Thronbesteigung Annas (19. März 1702), die von Marlboroughs Gemahlin völlig beherrscht wurde, machte diesen zum ersten und einflußreichsten Mann in England. An der Spitze des britischen Heers in den Niederlanden begann er den Feldzug von 1702 mit Vertreibung der Franzosen aus Geldern und eroberte Venloo, Roermonde und Lüttich, worauf ihn die Königin zum Marquis von Blandford und zum Herzog von M. ernannte. 1703 ging er zur Unterstützung des Kaisers nach Deutschland, vereinigte sich mit dem Prinzen Eugen von Savoyen und schlug 2. Juli 1704 die Bayern bei Donauwörth und 13. Aug. die Franzosen unter Tallard bei Höchstädt (Blenheim). Das Parlament schenkte ihm hierfür die Domäne Woodstock, und die Königin ließ ihm daselbst das Schloß Blenheim bauen; der Kaiser erhob ihn zum deutschen Reichsfürsten und verlieh ihm das aus konfiszierten bayrischen Besitzungen gebildete Fürstentum Mindelheim in Oberschwaben. Im Feldzug von 1705 erstürmte M. in den Niederlanden die von Villeroi besetzten Linien (18. Juli). Am 23. Mai 1706 ward letzterer bei Ramillies von M. entscheidend geschlagen, worauf ganz Brabant in die Hände der Verbündeten fiel. Auch der neue französische Feldherr Vendôme verlor an M. Ostende, Dendermonde und Ath. Die Friedensanträge, die Ludwig XIV. durch den Kurfürsten von Bayern machen ließ, wurden auf Antrieb Marlboroughs von der Königin Anna und den Generalstaaten verworfen. Als Karl XII. von Schweden Vorbereitungen traf, welche die Koalition gegen Frankreich zu gefährden schienen, gelang es M. in einer Zusammenkunft in Altranstädt (Frühjahr 1707), denselben zur Neutralität zu bestimmen. 1708 wurden die Franzosen von M. und Eugen bei Oudenaarde (11. Juli) geschlagen, worauf Lille, Gent und Brügge fielen. Noch entscheidender war 1709 die Niederlage des Marschalls Villars bei Malplaquet (11. Sept.), die blutigste Schlacht des Kriegs, deren Folge die Kapitulation von Mons war. Bald darauf aber begann Marlboroughs Stellung zu wanken, zumal zwischen seiner Gemahlin und der Königin ein unheilbares Zerwürfnis ausgebrochen war. Die letztere wünschte die Verleihung eines Regiments an den Obersten Hill, den Bruder der Mrs. Masham, ihrer neuen Favorite; M. schlug es ab und zog sich, als die Königin darauf bestand, nach Windsor zurück, von wo er seine Entlassung eingab. Die öffentliche Stimme nötigte jedoch die Königin, M. wieder zu berufen. Das Parlament bewilligte vermehrte Hilfsgelder, und M. erhielt Holland bei der Allianz vermittelst Auswirkung des Barrieretraktats (s. d.). Er eröffnete mit Eugen den Feldzug von 1710 mit der Einnahme von Mortagne, Douai, Béthune, St.-Venant und Aire. Während seiner Abwesenheit aber erfolgte in England ein Ministerwechsel: nach dem Sturz der mit M. verbundenen kriegslustigen Whigs gelangte die Torypartei ans Ruder. M. behielt zwar noch das Kommando in den Niederlanden, aber mit eingeschränkter Gewalt, und konnte es nicht hindern, daß die neue Regierung, für die infolge der Neuwahlen das Parlament gewonnen war, 8. Okt. 1711 die Friedenspräliminarien mit Ludwig XIV. abschloß. Nach England zurückgekehrt, ward er vom Parlament der Unterschlagung öffentlicher Gelder beschuldigt, worauf die Königin ihn 1. Jan. 1712 seiner Ämter entsetzte, aber, besonders auf die Vorstellungen Eugens, die gerichtliche Verfolgung unterdrückte. M. zog sich verbittert aufs Land zurück und besuchte dann Holland, Belgien und sein ihm vom Kaiser geschenktes Fürstentum Mindelheim, das er jedoch im Utrechter Frieden (13. Juli 1713) ohne Entschädigung wieder verlor. Erst nach dem Tode der Königin Anna kehrte er nach England zurück, wo ihn Georg I. in alle seine Ämter und Würden wieder einsetzte. Vom Schlage getroffen (8. Juni 1716), mußte sich M. jedoch ganz von den Geschäften zurückziehen; er starb auf seinem Landgut Windsor Lodge 17. Juni 1722, ein Vermögen von mehr als 1/2 Mill. Pfd. Sterl. hinterlassend. M. war ein ebenso gewandter Diplomat, dem namentlich eine gewinnende Beredsamkeit zu Gebote stand, wie ein genialer Feldherr, welcher mit persönlichem Mut einen sichern und schnellen Blick verband, der jeden Fehler des Gegners erspähte und zu benutzen wußte. Seine Schattenseiten waren maßloser Ehrgeiz und niedrige Habsucht. Vgl. Coxe, Memoirs of John duke of M. (neue Ausg., Lond. 1847, 3 Bde.; deutsch, Wien 1820, 6 Bde.); Murray, Despatches of the duke of M. (Lond. 1845–46, 5 Bde.); kleinere Biographien von Alison (3. Aufl., das. 1857; deutsch, Frankf. a. M. 1848), Macfarlane (neue Ausg. 1878), Creighton (1879), Saintsbury (1885).

2) Sarah Jennings, Herzogin von, Gemahlin des vorigen, Tochter von Richard Jennings, geb. 29. Mai 1660, kam, zwölf Jahre alt, in die Dienste der Herzogin von York, wo sie die Freundin der Prinzessin Anna ward. Mit körperlichen und geistigen Vorzügen begabt, hatte sie die angesehensten englischen Großen zu Bewerbern um ihre Hand; sie reichte dieselbe aber 1678 dem jungen Churchill. [268] Von der Prinzessin Anna ward sie darauf zur Ehrendame ernannt und gewann deren Gunst in dem Grade, daß die Prinzessin nach Wilhelms III. und Marias Thronbesteigung einen offenen Bruch mit dem Königspaar und die Entfernung aus dem Palast der von Wilhelm verlangten Entlassung der Lady M. vorzog. Nach Annas Thronbesteigung übten Lady M., zur ersten Ehrendame und Großgarderobemeisterin ernannt, und ihr Gemahl den größten Einfluß auf die Königin aus. Doch kam es nun bisweilen zu Mißhelligkeiten zwischen den Freundinnen, und der Übermut der Herzogin und die fast despotische Herrschaft, die sie über die Königin ausübte, machten dieser endlich ihre Gesellschaft unerträglich. Lady M. mußte daher 1711 alle ihre Ämter niederlegen, verließ den Hof und sah Anna nie wieder. Nach dem Tod ihres Gemahls lebte sie in gänzlicher Zurückgezogenheit. Sie starb 29. Okt. 1744 in London. Auch ihr Gemahl bediente sich oft in politischen Angelegenheiten ihres Rats. Sie teilte mit demselben die Fehler des Ehrgeizes und der Habsucht. Ihre Briefe erschienen unter dem Titel: „Letters of Sarah duchess of M.“ (Lond. 1875). Vgl. „Histoire secrète de la reine Zarah et des Zaraziens, ou la duchesse de M. démasquée“ (Haag 1708–12, 2 Bde.). Sarah M. gebar ihrem Gemahl vier Töchter, von denen die älteste, Henriette, den Herzogstitel von M. erbte, der nach ihrem Tod (1733) auf den Sohn ihrer Schwester Anna, Charles Spencer (s. M. 3), überging.

3) Charles Spencer, Graf von Sunderland, Herzog von, Enkel von M. 1), kommandierte in der Schlacht von Dettingen (1743) eine Gardebrigade und ward 1758 zum Befehlshaber der britischen Hilfstruppen bei der Armee des Prinzen Ferdinand von Braunschweig im Siebenjährigen Krieg ernannt, starb aber 28. Okt. d. J. in Münster.

4) George Spencer-Churchill, sechster Herzog von, Urenkel des vorigen, geb. 27. Dez. 1793, stellte 1830 als Mitglied des Unterhauses aus Verdruß über das Zustandekommen der Katholikenemanzipation einen Antrag auf allgemeines Stimmrecht, widersetzte sich aber später dennoch der Parlamentsreform. Er starb 1. Juli 1857.

5) John Winston Spencer-Churchill, siebenter Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 2. Juni 1822, trat im April 1844 für den von seinem Vater abhängigen Flecken Woodstock ins Parlament, mußte aber sein Mandat nach Jahresfrist niederlegen, weil er sich den Freihandelsbestrebungen Peels angeschlossen hatte. 1847 wurde er mit Zustimmung seines Vaters von neuem gewählt. Nach dessen Tod 1857 trat er ins Oberhaus ein, erhielt 1866 bei Bildung des Toryministeriums das Hofamt des Lord-Steward, wurde im März 1867 Präsident des Geheimen Rats, welches Amt er bis zum Sturz des Torykabinetts behielt, und 1876 Vizekönig von Irland. Nach den Neuwahlen von 1880 trat er mit Lord Beaconsfield zurück und starb 5. Juli 1883.

6) George Charles Spencer-Churchill, achter Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 13. Mai 1844, hieß bei Lebzeiten seines Vaters Marquis Blandford, schloß sich der radikalen Partei an, führte ein Wüstlingsleben, ward deshalb von seiner Gemahlin Alberta Hamilton, Tochter des Herzogs von Abercorn, die er 1869 geheiratet, 1883 geschieden und verkaufte nach seines Vaters Tod, um seine Schulden zu decken, 1884 die Familienjuwelen und die wertvollsten Bilder der Blenheimgalerie. Sein jüngerer Bruder ist der einflußreiche Führer der Tories, Lord Randolph Churchill (s. d.).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 554
korrigiert
Indexseite

[558] Marlborough, 6) Charles Spencer-Churchill achter Herzog von, vermählte sich 1888 zum zweiten Mal mit Lilian W. Price, Tochter eines amerikanischen Obersten und Witwe eines Mr. Hammersley in New York.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sunbridge