MKL1888:Marschall

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marschall“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 284285
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Marschall. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 284–285. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marschall (Version vom 16.01.2024)

[284] Marschall (früher Marschalk, mittellat. marescalcus, vom althochd. marah, „Mähre, Pferd“, und scalh, „Diener“), ursprünglich der Hüter einer Koppel Pferde oder einer, der die Aufsicht über die Pferde und über den Stall führte, wie denn noch jetzt Maréchal im Französischen der Hufschmied, auch der Stallmeister heißt. Schon in den frühsten Zeiten der fränkischen Könige stieg der M. zum höhern Hofbeamten (comes stabuli, vgl. Connétable) empor, dessen Funktion im Deutschen Reich seit der Zeit Kaiser Ottos I. eins der großen Erzämter (s. d.) ward. Erblicher Inhaber des Erzmarschallamts (Reichserzmarschall) war der Kurfürst von Sachsen, der, wie die andern fürstlichen Inhaber der Reichserzämter, den damit verbundenen Dienst durch den Erbmarschall verrichten ließ, dessen Würde in der Familie der Grafen von Pappenheim erblich war. Dieser Dienst bestand bei der Kaiserkrönung darin, daß derselbe in einen mächtigen Haferberg hineinritt, um dem neugekrönten Herrn ein silbernes Maß voll Hafer in den Stall zu bringen. Außerdem hatte er bei Reichstagen und bei sonstigen feierlichen Gelegenheiten die Ordnung und das Zeremoniell zu überwachen. Jetzt ist Hofmarschall der Titel eines höhern Hofbeamten, der als Vorsteher des Hofmarschallamts die ganze Haushaltung des Hofs, Küche, Keller, Baulichkeiten etc., sowie das niedere Hofpersonal unter seiner Aufsicht und bei Hoffestlichkeiten die nötigen Anordnungen zu treffen hat (s. Hof, S. 606). Die vormaligen Reichs- und Landerbmarschälle führten bei Versammlungen der Landstände den Vorsitz. Endlich kommen auch bei andern als Hoffestlichkeiten, [285] bei Aufzügen, größern Leichenbegängnissen u. dgl., Marschälle (Festmarschälle) vor, welche entweder dafür zu sorgen haben, daß alles in der gehörigen Ordnung vor sich gehe, oder bloß in feierlichem Kostüm dem Zug vorangehen. Der Deutsche Orden erweiterte zuerst die alte Hofcharge des Marschalls zur vornehmsten Feldherrnstelle, obgleich der eigentliche Titel Feldmarschall (s. d.) erst zur Zeit der „deutschen Reiter“ für den Obersten eines Kavallerieregiments vorkommt. In Frankreich nahm das Wort Maréchal, welches anfangs den unter den Befehlen des Connétable stehenden Intendanten des königlichen Marstalls bezeichnete, sehr bald andre Bedeutung an. Schon unter Philipp August (1180–1223) führte der Oberbefehlshaber der königlichen Truppen zeitweilig jenen Titel. Zur Zeit Ludwigs IX. gab es zwei, später drei, vier und mehr solcher Marschälle, welche zum Unterschied von den Marschällen andrer Lehnsherren Maréchaux de France (Marschälle von Frankreich) genannt wurden und besonders nach der Aufhebung der Connétablewürde 1627 zum höchsten Ansehen gelangten. Unter Heinrich III. ward durch die États-Généraux ihre Zahl auf vier herabgesetzt; doch ward diese Zahl schon von Heinrich IV. und noch mehr von dessen Nachfolgern überschritten, so daß es 1703 unter Ludwig XIV. nicht weniger als 20 Marschälle gab, unter denen auch Seeleute waren. Seitdem schwankte ihre Zahl, bis 20. Juni 1790 der Titel „M. von Frankreich“ ganz aufgehoben wurde. Napoleon I. stellte die Marschallswürde wieder her, indem er Reichsmarschälle (maréchaux d’empire) ernannte. Unter der Restauration wurde der Titel eines Maréchal de camp (Generalmajor) wieder aus der Vergessenheit hervorgezogen, und unter dem Julikönigtum ward durch ein Gesetz vom 4. Aug. 1839 die Zahl der Marschälle von Frankreich in Friedenszeiten auf sechs herabgesetzt, während sie in Kriegszeiten bis auf zwölf vermehrt werden durfte. Napoleon III. stellte das Verhältnis, wie es unter Napoleon I. bestand, wieder her. Das Zeichen der französischen Marschallswürde ist ein azurblauer, mit goldenen Sternen verzierter Stab. Übrigens werden mit dem Namen M. in Frankreich auch noch andre militärische Chargen bezeichnet, wie z. B. bei der Kavallerie Maréchal des logis derjenige Unteroffizier heißt, welcher die Einquartierung seiner Eskadron zu besorgen hat.