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MKL1888:Mecklenburg

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Mecklenburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 385393
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Mecklenburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 385–393. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Mecklenburg (Version vom 07.07.2023)

[385] Mecklenburg (hierzu Karte „Mecklenburg“), richtiger nach Etymologie und Aussprache Meklenburg, deutsches Territorium im ehemaligen niedersächs. Kreis, an der Ostsee, im übrigen von den preußischen Provinzen Pommern, Brandenburg, Hannover, Schleswig-Holstein (Lauenburg) und dem Gebiet von Lübeck umschlossen, zerfällt in die beiden Großherzogtümer M.-Schwerin und M.-Strelitz, von denen ersteres ein abgeschlossenes Ganze bildet, letzteres aber aus zwei voneinander getrennten Teilen, nämlich dem Herzogtum Strelitz oder dem Stargardschen Kreis, östlich, und dem Fürstentum Ratzeburg, nordwestlich von M.-Schwerin, besteht. Das Großherzogtum M.-Schwerin (siebenter Staat im Deutschen Reich) erstreckt sich von 53°4′–54°22′ nördl. Br. und von 10°36′–13°11′ östl. L. v. Gr. Zwei Parzellen, Rossow und Netzeband-Schöneberg, liegen in der preußischen Provinz Brandenburg und eine Enklave, Ahrensberg, im Strelitzschen. Das Großherzogtum besteht aus dem Herzogtum Schwerin oder dem Mecklenburgischen Kreis, dem Herzogtum Güstrow oder dem Wendischen Kreis, dem Rostocker Distrikt, dem Fürstentum Schwerin und der Herrschaft Wismar und hat einen Flächeninhalt von 13,303,77 qkm (241,61 QM.). Von den beiden Bestandteilen des Großherzogtums M.-Strelitz (des neunten Staats im Deutschen Reich) erstreckt sich das Herzogtum Strelitz von 53°9′–53°47′ nördl. Br. und von 12°40′–13°57′ östl. L., das Fürstentum Ratzeburg von 53°40′–54°54′ nördl. Br. und 10°45′–11°5′ östl. L. Der Flächeninhalt beträgt 2929,50 qkm (53,2 QM.).

[Physische Beschaffenheit.] Der natürlichen Beschaffenheit des Landes nach bildet M. einen Teil der norddeutschen Tiefebene und ist daher Flachland, das aber in der Richtung von SO. nach NW. von einem breiten, niedrigen, einzelne Seitenverzweigungen aussendenden Landrücken durchzogen wird, der die Wasserscheide zwischen den nordwärts zur Ostsee und südwärts zur Elbe abgießenden Gewässern bildet und wegen seiner zahlreichen Seen (s. unten) Mecklenburgische Seenplatte genannt wird. Die höchsten Punkte sind: in M.-Schwerin die Hoheburg im Schlemminer Wald unweit Bützow (144 m), der Kühlungsberg bei Diedrichshagen (128 m) und der Ruhner Berg bei Marnitz (178 m); in M.-Strelitz der Helpter Berg unweit Woldegk (179 m). Der Boden besteht zum größern Teil aus fruchtbaren Strecken mit schwerem Lehmboden und aus Heiden und Waldungen, zum kleinern Teil aus sandigen Strecken und Torfmooren; am ergiebigsten ist der nordwestliche Teil des Landes, zwischen der Ostsee, Wismar und dem Dassower Binnensee. Die mecklenburgische Ostseeküste hat von

[Ξ]

MECKLENBURG
-SCHWERIN UND -STRELITZ.
Maßstab 1 : 850 000.

[386] der Lübeckschen Halbinsel Priwall bis zur Halbinsel Fischland eine Länge von 104 km, mit den Krümmungen von 185 km. Meerbusen sind der Busen von Wismar, die Große Wiek, östlich von der Insel Poel, welche durch die Meerenge Breitling vom Festland geschieden ist, das Salzhaff, zwischen der Halbinsel Wustrow und dem Kontinent, Kroy auf letztgenannter Halbinsel und die Reede von Warnemünde. Die Küste ist größtenteils flach, durch Sanddünen gedeckt, nur an einzelnen Stellen (bei Doberan und westwärts von Wismar) steil abfallend. Bei Doberan (s. d.) zieht sich längs des Meers der Heilige Damm hin. Die Flüsse des Landes ergießen sich entweder in die Ostsee oder durch die Elbe in die Nordsee. Zur Ostsee fließen ab: die Trave an der Grenze von Ratzeburg, mit der Stepenitz, welche sich durch die Radegast und Maurin verstärkt; die Warnow, welche die Mildenitz und die schiffbare Nebel aufnimmt und bei Warnemünde den Breitlingsee bildet; die Recknitz, welche in den Ribnitzer Binnensee mündet; die Peene, welche den Malchiner und den Kummerower See durchfließt und die Trebel aufnimmt. Die Elbe berührt nur auf kurze Strecken, bei Dömitz und Boitzenburg (20 km), das m.-schwerinsche Gebiet, nimmt aber aus demselben folgende Flüsse auf: die Stecknitz (Delvenau), Grenzfluß gegen Lauenburg; die Boize; die Sude, aus dem Dümmerschen See abfließend; die Schmarr; die Schale, einen Abfluß des Schalsees; die schiffbare Elde, den Müritz- und Plauer See durchfließend und bei Dömitz mündend, nachdem sie die Stör, den Abfluß des Schweriner Sees, und die Löcknitz aufgenommen; endlich die Havel. Von Kanälen sind zu bemerken: der Neue Kanal, aus der Elde unterhalb Garwitz geleitet, mit dem die Stör aufnehmenden Störkanal zusammentreffend und durch die Kreuzschleuse mit dem bis Ludwigslust zum Holzflößen benutzten Ludwigsluster Kanal in Verbindung stehend; der Friedrich Franz-Kanal, in Verbindung mit dem Neuen Kanal diesen und den Störkanal mit der Elde verbindend; der Fahrenhorster Kanal, eine Krümmung der Elde umgehend; der Müritz-Havelkanal, mittels mehrerer Seen die Havel mit dem Müritzsee vereinigend; die sogen. Neue Elde, von Eldena abwärts bis Dömitz die Krümmung des Eldeflusses (Alte Elde) abschneidend. Man zählt in M.-Schwerin 329, in M.-Strelitz 132 Landseen (wobei die kleineren, unter 750 m Länge, nicht mit gerechnet sind), deren Gesamtareal auf über 770 qkm (14 QM.), wovon 710 qkm auf M.-Schwerin kommen, angeschlagen wird, und von denen die Mehrzahl auf der Mulde des oben genannten Höhenzugs liegt. Die bedeutendsten Seen sind der Schweriner, Sternberger, Krakower, Altschweriner und Müritzsee, durch die Elde mit dem Kölpiner, Fleesen-, Malchower und Petersdorfer See in Verbindung stehend; der Plauer, Specker, Zierker und Luzinsee, mit dem Zanzen-, Karwitzer und Dretzsee verbunden; der Galenbecker und Tollensesee, mit dem Lieps- und dem Wanzkaer See zusammenhängend; der Malchiner, Kummerower, Teterower, Dümmersche und Schalsee (zum Teil); ferner der Dassower Binnensee, durch die Mündungen der Trave und der Stepenitz gebildet; der Breitling, durch die Mündung der Warnow gebildet, und der Ribnitzer Binnensee, mittels des Saaler Boddens mit der Ostsee verbunden. Von Mineralquellen sind zu nennen: die Eisenquellen bei Doberan, Goldberg und Parchim, die Bittersalz- und Schwefelquelle am Heiligen Damm bei Doberan, die Kochsalzquellen zwischen Bokup und Konow, bei Sülten und Sülze, von denen aber nur die letztere benutzt wird. Besuchte Seebäder sind auf dem Heiligen Damm bei Doberan, zu Warnemünde und Boltenhagen.

Das Klima ist gemäßigt; der Unterschied zwischen der mittlern Temperatur des wärmsten und des kältesten Monats betrug in Schwerin während des Zeitraums 1853–86: 18,0°, in Wustrow auf dem Fischland 17,9° C. Während desselben Dezenniums war die Temperatur in Graden nach Celsius:

  im Winter Frühling Sommer Herbst Jahr
in Schwerin 0,2 6,9 16,9 8,6 8,2
in Wustrow 0,1 6,1 16,7 9,0 8,0

Der Frühling ist im Vergleich zu dem nordwestlichen Deutschland kalt, im April und Mai herrschen oft rauhe Nordostwinde; die Sommerhitze wird durch die Nähe der Ostsee gemäßigt, im Herbst aber übt diese einen erwärmenden Einfluß aus. Die jährliche Regenmenge vermindert sich nach der Ostsee hin in auffallender Weise und betrug in Wustrow in dem Zeitraum 1865–86: 47,4, in Marnitz 61,4 cm.

[Bevölkerung. Bildungsanstalten.] Die Volkszählung von 1885 ergab in M.-Schwerin eine Bevölkerung von 575,152, während dieselbe 1880: 577,055 betrug, mithin gegen die letzte Zählung eine Abnahme von 1903 oder 0,33 Proz. Bei dieser Verminderung der Bevölkerungszahl waren das Domanium mit 2589, die ritterschaftlichen Güter mit 6372, die Klostergüter mit 315 Seelen beteiligt, während die Städte um 7373 Seelen anwuchsen. Das Land zählte 1886: 42 Städte, 4 domaniale Marktflecken, einen städtischen und 2 ritterschaftliche Flecken, 1018 ritterschaftliche Hauptgüter (darunter 491 Lehngüter und 527 Allodien) in Händen von 631 Gutsbesitzern, ferner 413 Domanial-, Kloster- und städtische Höfe. Die herrschende Religion ist die evangelisch-lutherische. Andersgläubige sind 471 Reformierte (in Bützow), 3866 Katholiken, 2305 Israeliten und 530 Angehörige anderer Glaubensbekenntnisse.

Die Landbevölkerung Mecklenburgs besteht aus germanisierten Slawen; die Bevölkerung der Städte gehört fast ganz und der Adel des Landes vorwiegend dem niedersächsischen Stamm an. Die Mundart des Volkes ist das Plattdeutsche, das in unsrer Zeit durch Fr. Reuters Dichtungen auch in die Litteratur eingeführt ist. Die kleinern Städte sind mit ihrem umfangreichen Ackerbau oft halbe Dörfer, die Dörfer dagegen, auch wo sie Jahrmarktsgerechtigkeit haben, niemals halbe Städte. Die Bauart der ältern Häuser ist die altsächsische, wie in Holstein und Südschleswig, hin und wieder noch mit den Pferdeköpfen (Mulagen) an den Giebelenden. Ganz eigentümlich sind die Verhältnisse des Grundbesitzes in M. Da hier das mittelalterliche Feudalwesen sich forterhalten hat, so ist nur der kleinste Teil des Landes unmittelbar der Staatsgewalt unterworfen; ein großer Teil steht unter der Grundherrschaft der Ritterschaft. In M.-Schwerin kommen auf das landesherrliche Domanium 5456 qkm, auf die Klostergüter 426 qkm, auf die ritterschaftlichen Güter 5945 qkm und auf die Stadtgebiete und Kämmereigüter 1477 qkm. In M.-Strelitz nehmen die Kabinetts- und Domänenbesitzungen 1652 qkm, die ritterschaftlichen Güter 640 qkm ein, und 296 qkm kommen auf die städtischen Besitzungen. Die Zahl der Volksschulen auf dem Land, mit denen größtenteils Industrieschulen verbunden sind, beläuft sich auf 1216; die Zahl der Bürger- und andern öffentlichen Stadtschulen auf 55, der höhern Bürgerschulen auf 6, und hierzu kommen noch 45 Gewerbeschulen für Lehrlinge und Gesellen, deren Errichtung durch Verordnung vom 26. April [387] 1836 vorgeschrieben ist. Zur Bildung von Lehrern bestehen ein großherzogliches Landschullehrerseminar zu Neukloster für die großherzoglichen Domänen und das Seminar für ritterschaftliche Schullehrer zu Lübtheen. Ferner bestehen bei Schwerin eine Idioten-, zu Neukloster eine Blinden-, zu Ludwigslust eine Taubstummenanstalt. Gymnasien sind zu Schwerin, Parchim, Güstrow, Rostock, Wismar, Waren, Doberan; selbständige Realgymnasien zu Schwerin, Güstrow, Ludwigslust, Bützow, Malchin und Rostock; Realprogymnasien zu Grabow und Ribnitz; endlich 5 höhere Töchterschulen. Navigationsschulen sind in Wustrow und Rostock, Navigations-Vorbereitungsschulen zu Dänendorf und Dierhagen; Ackerbauschulen befinden sich zu Dargun und Zarrentin. Landesuniversität ist Rostock, 1419 gestiftet, mit vier Fakultäten. Eine Irrenheilanstalt ist zu Sachsenberg bei Schwerin, eine Heil- und Pfleganstalt zu Rostock.

In M.-Strelitz ergab die Volkszählung von 1885: 98,371 Seelen (1880: 100,269 Einw.), also auch hier gegen die vorige Zählung eine Abnahme der Bevölkerung von 1898 Seelen. M.-Strelitz zählte 9 Städte, 2 Marktflecken, 218 Landgüter oder Höfe (darunter 83 ritterschaftliche Hauptgüter) und etwa 220 Dörfer und Gehöfte. Die herrschende Religion ist ebenfalls die evangelisch-lutherische; Andersgläubige sind wenige Reformierte, 294 Katholiken und 458 Israeliten. Man zählte 1886: 216 Landschulen, 12 Bürger- und Stadtschulen, ein Landschullehrerseminar zu Mirow, 2 höhere Töchterschulen, 3 Gymnasien (zu Neustrelitz, Neubrandenburg und Friedland) und 2 Realschulen (in Neustrelitz und Schönberg).

[Landwirtschaft.] Hauptbeschäftigung der Einwohner bildet die Landwirtschaft. Von dem gesamten Areal sind in M.-Schwerin nur 11,9, in M.-Strelitz 20,9 Proz. nicht bebaut oder sonst landwirtschaftlich nicht benutzt; das Acker- und Gartenland umfaßt in M.-Schwerin 57,1 Proz., die Wiesen 8,2, die Weiden 5,8 und die Waldungen 17 Proz. des Areals; in M.-Strelitz resp. 47,7, 7,1, 3,4 und 20,9 Proz. Der Ackerbau liefert Getreide weit über den Bedarf und eine beträchtliche Quantität zur Ausfuhr. Die Hauptfrucht ist Roggen, doch wird in neuerer Zeit auch immer mehr Weizen gebaut; jener gibt auf den besten Äckern 10-, dieser 10–14-, Gerste 8–12-, Hafer 5–10fältigen Ertrag. Mais wird nur hier und da, Buchweizen aber häufig auf sandigem Boden, oft bis zu 20fältigem Ertrag und darüber, gebaut. In dem Zeitraum von 1878 bis 1883 wurden jährlich durchschnittlich vom Hektar in Tonnen (zu 1000 kg) geerntet:

  M.-Schwerin M.-Strelitz
Roggen 1,42 1,09
Weizen 1,87 1,55
Gerste 1,71 1,50
Kartoffeln 11,42 11,34
Hafer 1,49 1,28

Andre Produkte des Ackerbaues sind: Runkelrüben und Zuckerrüben, Raps und Rübsen (fast auf allen Gütern mit geeignetem Boden), Flachs und Hanf (in geringer Menge), Tabak (1885–86: 330 Ton. Tabaksblätter). Der Gartenbau blüht in den Städten und in den ihnen benachbarten wohlhabendern Dörfern. An mehreren Orten sind Maulbeerbäume angepflanzt. Zur Hebung der Landwirtschaft und mittelbar der Gewerbe bestehen der Verein kleinerer Landwirte und der Mecklenburgische Patriotische Verein, die sich in Zweigvereinen über das ganze Land verteilen, landwirtschaftliche und gewerbliche Ausstellungen veranstalten, Unterstützungen zur Förderung ihres Zwecks verleihen u. dgl. m. Was den Viehstand betrifft, so zählte man 10. Jan. 1883 in beiden Großherzogtümern:

  M.-Schwerin M.-Strelitz Zusammen
Pferde 88146 17280 105426
Rinder 270088 41532 311620
Schafe 939097 188078 1127175
Ziegen 23534 8579 32113
Schweine 225720 35735 261455

Die Pferde gehören zu den kräftigsten Deutschlands; ein Landgestüt ist zu Redesin. Die Rindviehzucht hebt sich immer mehr; Butter wird in bedeutender Menge ausgeführt. Auch die Schafzucht ist hoch entwickelt, und M. steht in der Züchtung reichwolliger und kräftiger Merinoschafe allen andern deutschen Ländern voran. Die Wollproduktion ist bedeutend; der Umsatz auf den inländischen Wollmärkten des Großherzogtums M.-Schwerin betrug 1886: 660,000 kg. Auch die Schweinezucht ist trefflich. Federviehzucht wird allgemein, Bienenzucht nur in einzelnen Gegenden betrieben. Die Fischerei ist der vielen Gewässer wegen ein sehr bedeutender Erwerbszweig. Wildbret kommt in den ausgedehntern Waldungen noch in Menge vor, besonders Hoch- und Schwarzwild. Was die Forstkultur anlangt, so entfallen in M.-Schwerin etwa 46,4 Proz., in M.-Strelitz 68,9 Proz. der gesamten Waldfläche auf die Staatsforsten. Bergbau wird nur auf Braunkohlen bei Malliß in M.-Schwerin betrieben; hier gewinnt man auch Kochsalz zu Sülze. Torf kommt in großer Quantität vor; ein Gipsbruch ist zu Lübtheen in Betrieb. Der Raseneisenstein, welcher sich in den feuchten Niederungen, in Sümpfen der Heidegegenden bildet, wird nur als Baustein benutzt. Im östlichen Teil von M.-Schwerin tritt mehrfach Kreide zu Tage, die gewöhnlich zu Kalk verbrannt wird; Wiesenkalk, Mergel, Ziegel- und Töpferthon sowie Walkererde kommen fast überall vor. Bernstein liefern die Ostsee und der Müritzsee sowie die nahe der Ostsee gelegenen Torfmoore.

[Industrie und Handel.] Die gewerbliche Thätigkeit ist von geringer Bedeutung. Nach der Berufszählung vom 5. Juni 1882 waren in M.-Schwerin nur 23,2, in M.-Strelitz 24,6 Proz. (die Angehörigen inbegriffen) der Bevölkerung in der Industrie, 7,76, resp. 7,92 Proz. in Handel und Verkehr thätig, während auf Land- und Forstwirtschaft, Tierzucht und Fischerei 51, resp. 49,47 Proz. entfielen. Die Industrie beschäftigte insgesamt in M.-Schwerin 55,614 Personen (darunter 24,094 Selbständige für eigne Rechnung), in M.-Strelitz 9794 Personen (darunter 4453 Selbständige). Es gibt Eisengießereien und Bauanstalten für landwirtschaftliche Maschinen, Wagenfabriken, Ziegeleien, Rübenzuckerfabriken (1885–86 Produktion 14,817 Ton. Rohzucker), Branntweinbrennereien, Bierbrauereien (345,300 hl Produktion); Tabaks- und Zigarren-, Strohhut-, Papier-, Wollwarenfabriken, Lohgerbereien etc. Der Handel ist lebhaft, besonders in M.-Schwerin, dessen Lage zwischen der Ostsee und der Elbe, die durch eine nach Hamburg und Berlin führende Eisenbahn verbunden sind, den Verkehr ausnehmend begünstigt. Die wichtigsten Plätze für den auswärtigen Handel sind Rostock mit Warnemünde und Wismar. Bedeutende Wollmärkte werden zu Güstrow, Wismar, Neubrandenburg und Rostock, frequente Pferdemärkte zu Altstrelitz, Rostock und Neubrandenburg abgehalten. Die Einfuhr geschieht größtenteils zur See, die Ausfuhr per Eisenbahn. Die bedeutendsten Ausfuhrartikel sind: Getreide, Mehl, Butter, Mastvieh, Pferde, Schafe, Schweine, Fische, Kartoffeln, Spiritus, Holz, Lein- und Rübsamen, Wolle etc.; Haupteinfuhrartikel: Steinkohlen, Bau- und Nutzholz, Kochsalz, Eisen, [388] Bausteine, Zucker, Kaffee, Wein, Bier, Heringe, Käse, Tabak, Manufaktur- und Industrieerzeugnisse. In M.-Strelitz besteht die Ausfuhr ebenfalls größtenteils in Natur- und landwirtschaftlichen Produkten. M.-Schwerin besitzt gegenwärtig 1600, M.-Strelitz 321 km Chausseen. In ersterm haben die Eisenbahnen eine Länge von 771 km, in letzterm von 181 km. M.-Schwerin hat eine sehr ansehnliche Reederei. Nach amtlichen Angaben besaß Rostock Ende 1885: 298 Seeschiffe von 98,854 Ton. und 5 Nachprahmer und Lichter von 170 T., zusammen 303 Schiffe von 99,024 T.; Wismar 44 Seeschiffe von 23,397 cbm. 1886 liefen zu Warnemünde (Rostock) 986 Schiffe ein und 995 aus, während zu Wismar 467 Schiffe ein- und 470 ausliefen. Als Förderungsmittel für Handel und Verkehr sind zu nennen: die Bank zu Rostock, die Lebensversicherungs- und Sparbank, die Bodenkreditbank zu Schwerin, welche Geldgeschäfte aller Art vermitteln, aber keine Noten ausgeben. Sparkassen gab es Ende 1886 in M.-Schwerin 36, in M.-Strelitz 9, zusammen mit einer Geldeinlage von über 35 Mill. Mk.

[Verfassung und Verwaltung.] Beide Großherzogtümer haben gemeinschaftliche Landstände. Das Grundgesetz ist der Erbvergleich vom 18. April 1755, vereinbart zwischen dem Herzog von M.-Schwerin und seinen Ständen, dem M.-Strelitz durch die Agnitionsakte vom 30. Sept. 1755 beitrat. In M.-Schwerin ist gegenwärtig Regent Großherzog Friedrich Franz III. (seit 15. April 1883), in M.-Strelitz Großherzog Friedrich Wilhelm (seit 6. Sept. 1860). In beiden Ländern ist der Thron nach dem Rechte der Erstgeburt und nach der Linealerbfolge im Mannesstamm erblich. Beide großherzogliche Häuser sind durch Hausverträge von 1701 und 1755 verbunden, und es succediert im Fall des Aussterbens der einen Linie die andre. Beim Erlöschen beider Häuser geht die Thronfolge auf Preußen über. Nach dem Hausgesetz vom 23. Juni 1821 tritt die Volljährigkeit des Großherzogs in beiden Ländern mit vollendetem 19. Lebensjahr ein. Beide Großherzöge bekennen sich zur evangelisch-lutherischen Kirche. Obwohl alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich und allen die Staatsämter auf gleiche Weise zugänglich sind, so haben doch die Rittergutsbesitzer, adlige und bürgerliche, große Real- und Personalvorrechte. Sie besitzen das Landstandsrecht, die Jagdgerechtigkeit und oft auch das Patronatsrecht. Leibeigenschaft und Gutsunterthänigkeit sind 1824 aufgehoben worden. Die Landstände beider Großherzogtümer bilden seit 1523 eine gemeinschaftliche Körperschaft, die „Landesunion“, und bestehen aus der Ritterschaft, zu der alle Besitzer ritterschaftlicher Hauptgüter in dem Mecklenburgischen, Wendischen und Stargardschen Kreis gehören, und der Landschaft, welche 48 landtagsfähige Städte umfaßt. Von der Ritterschaft werden zugleich die Bauern und Hintersassen, von der Landschaft die Bürger der Städte repräsentiert. Beide Stände, Ritter und Landschaft, gliedern sich nach den Kreisen, dem Mecklenburgischen, Wendischen und Stargardschen. Außerhalb der ständischen Verfassung stehen das Fürstentum Ratzeburg und die Städte Wismar und Neustrelitz, welche daher nicht auf dem Landtag vertreten sind. Die Zahl der Gutsherren, welche gegenwärtig Mitglieder der Ritterschaft sind, beträgt im Mecklenburgischen und Wendischen Kreis 631, worunter 295 bürgerliche, im Stargardschen Kreis 49, worunter 17 bürgerliche. An der Spitze der Ritterschaft stehen 3 Erblandmarschälle, je einer für jeden Kreis. Zur Landschaft gehören die Stadt Rostock, 20 Städte im Mecklenburgischen, 20 im Wendischen und 7 im Stargardschen Kreis. Die Ausübung des landstandschaftlichen Rechts geschieht hier durch die Magistrate und zwar durch die Bürgermeister. Jeder Gutsbesitzer hat dasselbe Stimmrecht wie jede einzelne Stadt, doch kann die Landschaft sich zu besonderer Beschlußfassung vereinigen (itio in partes). Das Direktorium der Landschaft führen die drei Vorderstädte, Parchim für den Mecklenburgischen, Güstrow für den Wendischen und Neubrandenburg für den Stargardschen Kreis, dasjenige der Ritterschaft die 3 Landmarschälle und 8 Landräte. Die Landtage werden alljährlich im Spätherbst abwechselnd in den Städten Sternberg und Malchin auf Berufung von seiten der beiderseitigen Landesherren abgehalten. Außerhalb des Landtags vertritt ein engerer Ausschuß von 9 Mitgliedern, nämlich aus 2 Landräten, 4 landschaftlichen und 3 ritterschaftlichen Deputierten bestehend, als ein die gesamte Ritter- und Landschaft vorstellendes, permanentes Kollegium, welches zu Rostock seinen Sitz hat, die gesamten Stände, solange diese nicht versammelt sind. Als repräsentatives Kollegium für private ritterschaftliche Angelegenheiten besteht noch ein engerer Ausschuß der Ritterschaft, ebenfalls zu Rostock. Von den Landtagen verschieden sind die sogen. Konvokations- und Deputationstage: jene sind ad hoc berufene Versammlungen der Stände eines oder des andern der beiden Staaten zur Verhandlung wichtiger und eiliger Sonderangelegenheiten; diese werden aus von den Ständen zu Landeskonventen und gemeinsamen Angelegenheiten Deputierten gebildet, welche nach Bedürfnis zu nicht von der Landesherrschaft ausgeschriebenen Zusammenkünften, und zwar zu allgemeinen Landeskonventen und zu besondern Kreis- und Amtskonventen, zusammentreten. Was die Gemeindeverfassung betrifft, so gibt es außer in den Städten nur noch in dem landesherrlichen Domanium Gemeinden, von denen letztere nur für innere Gemeindeangelegenheiten bestimmt sind; sonst bestehen ländliche Gemeinden bloß in kirchlicher Beziehung. In den Städten ist die Gemeindeverfassung sehr verschieden, namentlich genießen Rostock und Wismar bedeutende Vorrechte. In den Landstädten stehen 1–2 Bürgermeister und das Ratskollegium (Magistrat) an der Spitze der Verwaltung, in den Domanialgemeinden Schulzen, Schöffen und Beiräte. Zur Vertretung der Bürgerschaft wird ein Bürgerausschuß durch Wahl aus der Mitte der Bürger gebildet. Die herrschende Staatskirche ist in ganz M. die evangelisch-lutherische; die reformierte und katholische Konfession werden in kirchlicher Beziehung nur geduldet. Die obersten kirchlichen Behörden sind der Oberkirchenrat für M.-Schwerin und das Konsistorium für M.-Strelitz.

Die oberste Leitung der verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung haben im Großherzogtum M.-Schwerin vier Ministerien (für die auswärtigen Angelegenheiten, für das Innere, für die Justiz, welches zugleich die geistlichen und Schulangelegenheiten umfaßt, und für die Finanzen), die nach der Verordnung vom 10. Okt. 1849 errichtet worden sind, und deren Vorstände das Staatsministerium bilden. Die großherzogliche Militärverwaltung gehört in das Ressort des Militärdepartements, welches unmittelbar unter dem Großherzog steht. Im Großherzogtum M.-Strelitz ist das Staatsministerium zu Neustrelitz die höchste Behörde, repräsentiert durch einen Staatsminister. Der Geschäftskreis der Ministerien wurde in M.-Schwerin durch die landesherrliche Verordnung vom 4. April 1853 näher bestimmt.

[389] Rechtspflege. M.-Schwerin besitzt ein Oberlandesgericht zu Rostock, 3 Landgerichte zu Güstrow, Rostock und Schwerin, 43 Amtsgerichte, eine Landesstrafanstalt zu Dreibergen, ein Zentralgefängnis zu Bützow; M.-Strelitz besitzt ein Landgericht zu Neustrelitz und 9 Amtsgerichte, ein Landarbeits- und Zuchthaus in Strelitz. Das Oberlandesgericht zu Rostock ist beiden Großherzogtümern gemeinsam, ebenso die Schwurgerichtssitzungen zu Güstrow.

Über die Finanzen gelangt in beiden Großherzogtümern nichts an die Öffentlichkeit, und es besteht auch kein allgemeines Staatsbudget. Nach dem Gothaer „Statistischen Jahrbuch“ sind in M.-Schwerin drei Systeme des Finanzwesens zu unterscheiden: die landesherrliche Verwaltung mit einem (1887–88) auf 151/3 Mill. Mk. geschätzten Etat, dessen Einnahmen aus den Erträgnissen der Domänen, aus der ordentlichen Kontribution und aus mit den Ständen zu besondern Zwecken vereinbarten bestimmten Zuschüssen (aus diesen Einnahmen ist die landesherrliche Verwaltung verpflichtet, den eigentlichen Regierungsaufwand, einschließlich der Matrikularbeiträge zur Reichskasse, zu bestreiten); dann der ordentliche Etat der gemeinsamen oder landesherrlich-ständischen Finanzverwaltung mit Einnahmen und Ausgaben von (1887–88) 4,209,000 Mk. (inkl. 174,000 Mk. für Schuldentilgung) und die rein ständische Finanzverwaltung, die über verhältnismäßig nur kleine Mittel zu gebieten hat. Die Schulden des Großherzogtums M.-Schwerin betrugen 1887 für den landesherrlichen Etat 32,895,100 Mk. (wovon für 231/2 Mill. Mk. die Eisenbahnaktiengesellschaft Verzinsung und Amortisation übernommen hat), für die landesherrlich-ständischen Kassen 8,789,800 Mk., im ganzen 412/3 Mill. Mk. Diesen Passiven standen jedoch der Domanialkapitalfonds mit 23,824 Mill., der Elbzollfonds mit 3 Mill., der Kriegskostenentschädigungsfonds mit 180,000 Mk. und die Kapitalien der Renterei mit 2,35 Mill., zusammen 291/3 Mill. Mk., an Aktiven gegenüber. Die Matrikularbeiträge von M.-Schwerin sind (1887–88) auf 1,871,401 Mk., von M.-Strelitz auf 325,173 Mk. veranschlagt. – Zum deutschen Reichsheer stellen beide Großherzogtümer das Grenadierregiment Nr. 89, das Füsilierregiment Nr. 90, das Jägerbataillon Nr. 14, die Dragonerregimenter Nr. 17 und 18 und 4 Batterien des holsteinischen Feldartillerieregiments Nr. 24. Auf M.-Strelitz speziell entfallen davon: das 2. Bataillon des Grenadierregiments Nr. 89 sowie die 6. Batterie der mecklenburgischen Abteilung Nr. 3 des holsteinischen Feldartillerieregiments Nr. 24. Infanterie und Kavallerie gehören der 17. Division und mit der Artillerie dem 9. deutschen Armeekorps an. Die Militärkonvention mit Preußen datiert bei beiden Staaten seit Dezember 1872.

[Wappen, Orden.] Das mecklenburgische Wappen enthält sechs Felder und einen Mittelschild; die erstern zeigen die Wappenzeichen von M. (schwarzer, gekrönter Stierkopf mit silbernen Hörnern im goldenen Grund, s. Tafel „Wappen“), Rostock, Fürstentum Schwerin, Ratzeburg, Stargard, Wenden; der Mittelschild (zur einen Hälfte rot, zur andern golden) zeigt das Zeichen der Grafschaft Schwerin. Das Wappen wird von einem Stier und einem Greif gehalten und von der Königskrone bedeckt. Die Landesfarbe ist rot, gelb und blau; die Landesflagge blau, weiß und rot, wagerecht geteilt. Als Ritterorden ward 1864 der großherzogliche Hausorden der Wendischen Krone von beiden Großherzögen und 1884 vom Großherzog von M.-Schwerin der Greifenorden gestiftet, von denen jeder Großkreuze (mit der Krone in Erz oder in Gold), Großkomture, Komture und Ritter umfaßt (s. Tafel „Orden“, Fig. 6). Als Ehrenzeichen werden verliehen in M.-Schwerin eine Medaille in Gold und Silber, eine Verdienstmedaille in Gold, Silber und Bronze (gestiftet 28. Febr. 1859), ein goldenes Militärdienstkreuz für Offiziere nach 25jähriger Dienstzeit, ein Dienstkreuz für Soldaten nach 10–25jähriger Dienstzeit, ein Militärverdienstkreuz für Auszeichnung im Krieg (1848 gestiftet), eine Landwehrdienstauszeichnung (1874 gestiftet); in M.-Strelitz dieselben Militärdienstkreuze. Die Flagge s. auf Tafel „Flaggen II“. Die Residenzen des Großherzogs von M.-Schwerin sind Schwerin und Ludwigslust, neben denen es noch sechs fürstliche Schlösser gibt; der Großherzog von M.-Strelitz residiert in Neustrelitz und besitzt außerdem noch fünf Schlösser.

Vgl. Raabe, Mecklenburgische Vaterlandskunde (Wism. 1857–63, 3 Bde.); Boll, Abriß der Mecklenburger Landeskunde (das. 1862); Geinitz, Übersicht über die Geologie Mecklenburgs (Güstrow 1884); Derselbe, Die Seen, Moore und Flußläufe Mecklenburgs (das. 1886); Derselbe, Der Boden Mecklenburgs (Stuttg. 1885); Böhlau, Fiskus, landesherrliches und Landesvermögen in M. (Rostock 1877); Balck, Finanzverhältnisse in M. (Schwer. 1877–78, 2 Bde.); Derselbe, Landschulwesen in M.-Schwerin (Wism. 1880); Büsing, Staatsrecht der Großherzogtümer M. (in Marquardsens „Handbuch des öffentlichen Rechts“, Bd. 3, Stuttg. 1884); Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus M. (Wien 1880, 2 Bde.); die offiziellen „Staatskalender“ und die Veröffentlichungen des Statistischen Büreaus zu Schwerin („Beiträge zur Statistik Mecklenburgs“).

Geschichte.

Zu Tacitus’ Zeit wohnten im heutigen M. Vandalen, darunter eine ihrer Völkerschaften, die Warner (vielleicht an der Warnow). Um die Mitte des 6. Jahrh. nahmen die von den ausgewanderten Vandalen verlassenen Sitze slawische Völker ein: im W. die Obotriten (ihr Hauptort war Michilenburg, dessen Wallreste beim Dorf Mecklenburg südlich von Wismar zu sehen sind), im O. Leutitier (auch Wilzen genannt), im S. Redarier. Karl d. Gr., von dem Obotritenfürsten Witzin gegen die Wilzen zu Hilfe gerufen, zwang 789 letztere zur Unterwerfung. Wie die Wilzen, fielen auch die Obotriten im 9. Jahrh. mehrfach vom fränkischen Reich wieder ab; wenn sie auch wieder unterworfen wurden, so ist dennoch ihre Bekehrung zum Christentum damals nicht gelungen. Erst Heinrich I., der 928–931 die Slawen Mecklenburgs von neuem unterwarf, nötigte vielen die Taufe auf. Otto I. übergab dem Markgrafen Gero die Mark an der Elbe, errichtete die Bistümer Havelberg 946 und Oldenburg 948, welchen auch M. zugeteilt ward, und unterwarf den Obotriten Mistiwoi noch einmal 967. Doch dieser bewog 983 die Slawen zur allgemeinen Empörung, zum Abfall vom Christentum; Herzog Gottschalk (s. Gottschalk 2) stellte dieses 1046 zwar wieder her, wurde aber 1066 ermordet, worauf sein Volk sich den alten Göttern wieder zuwandte. Sein Sohn Heinrich erkannte zwar um 1093 die Lehnshoheit der sächsischen Herzöge an, zwang aber, obwohl selbst Christ, den Seinen den neuen Glauben nicht auf. Kaiser Lothar II. verlieh 1125 das Land an den Herzog Knut Laward von Schleswig, nach dessen Ermordung 1131 sich Pribislav Wagrien, Niklot das Obotritenland aneignete. Erst nach langwierigen Kriegen gelang es 1160 dem Herzog Heinrich dem Löwen von Sachsen, das Land wieder vollständig zu [390] unterwerfen. Er ließ es durch deutsche Kolonisten bebauen, errichtete in Schwerin einen Bischofsitz und gründete mehrere Cistercienserklöster, deren erstes 1170 Doberan war. Jedoch hielt er es für geraten, sich mit Pribislaw, dem Sohn des im Kampf erschlagenen slawischen Fürsten Niklot, zu versöhnen, indem er ihm, nachdem er Christ geworden, 1167 das Obotritenland zurückgab und dessen Sohn Heinrich Borwin mit seiner eignen Tochter Mechthilde vermählte. Schwerin (seit 1166 Stadt) mit seiner Umgebung wurde als Grafschaft dem tapfern Ritter Guncelin von Hagen verliehen. Indem Pribislaw 1170 von Kaiser Friedrich I. die Reichsfürstenwürde erhielt, wurde Mecklenburgs Zugehörigkeit zum Deutschen Reich für alle Zeiten besiegelt. König Waldemar II. begründete seit 1202 die Oberherrschaft Dänemarks über M., was sogar der deutsche König Friedrich II. 1214 bestätigte. Allein die Befreiung von der dänischen Oberherrschaft erfolgte durch den Sieg des Grafen Adolf IV. von Holstein über Waldemar II. bei Bornhövede 22. Juli 1227.

Die erste Landesteilung Mecklenburgs fand 1229 unter Heinrich Borwins vier Enkel statt; damals entstanden die vier Linien Parchim, Rostock, Güstrow und Mecklenburg. Doch gehörten fast zwei Drittel des heutigen M. zu Sachsen, Brandenburg, Pommern, Schwerin, den Bischöfen von Ratzeburg und Schwerin. Die Linie Parchim, von Pribislaw II. gestiftet, erlosch 1315; die zweite, gegründet von Heinrich Borwin III., 1314; die dritte zerfiel 1282 in die Seitenlinien Werle-Güstrow und Werle-Parchim. Beide wurden um 1292 von Nikolaus II. von Parchim wieder vereinigt; 1316 teilten sie sich wieder in Güstrow und Goldberg (Parchim), von der erstern sonderte sich 1337 die Linie Waren ab. Der Zweig in Goldberg erlosch 1354, der in Waren 1426 und die Linie Güstrow, welche 1415 die Lehnshoheit Brandenburgs anerkannt, aber 1418 mit Albrecht V. von M. eine Erbverbrüderung geschlossen hatte, 1436. So blieb denn als einzige der bei der Teilung von 1229 entstandenen Linien die von Mecklenburg übrig. Johann (gest. 1264) hatte sie gestiftet. Sein Sohn Heinrich I., der Pilger, unternahm 1271 eine Fahrt nach dem Gelobten Land, geriet in die Gefangenschaft der Sarazenen und schmachtete darin 26 Jahre. Inzwischen regierte daheim sein Sohn Heinrich II., der Löwe, der beim Tode des Vaters 1302 folgte. Er erwarb durch den Wittmannsdorfer Vertrag 1304 das Land Stargard als brandenburgisches Lehen und 1314 im Einverständnis mit Erich von Dänemark die Stadt Rostock, konnte sich aber im Besitz der Priegnitz und Ukermark, die ihn nach Waldemars von Brandenburg Tod 1319 freiwillig als Herrn anerkannten, nicht behaupten. Dagegen erhielt er 1323 das Land Rostock als erbliches Lehen von Dänemark. Zu gunsten Albrechts II. (s. Albrecht 11) von M. (1329–79) erklärte Kaiser Karl IV. nicht nur die Herrschaft Stargard für ein Reichslehen 1347, sondern erhob auch 1348 ganz M. zum Herzogtum. Albrechts jüngerer Bruder, Johann, begründete 1352 die Nebenlinie Stargard, welche 1471 erlosch, worauf das Land an M. fiel. Albrecht II. vereinigte 1359 die Grafschaft Schwerin wieder mit den mecklenburgischen Landen. Sein zweiter Sohn, Albrecht III., ward 1363 auf den schwedischen Thron berufen und folgte ihm nach dem frühen Tod seiner Brüder und seines Neffen Albrecht IV. 1379 in M. In Schweden von der dänischen Königin Margarete lange Jahre gefangen gehalten, erhielt er erst 1395 die Freiheit und kehrte nach M. zurück, an dessen Regierung er sich bis zu seinem Tod (1412) beteiligte. Sein Sohn Albrecht V. regierte darauf mit seinem Vetter Johann IV. gemeinschaftlich, und beide Fürsten stifteten 1418 die Universität Rostock. Nach ihrem Tod (1422 und 1423) folgten Johanns IV. Söhne Heinrich IV. und Johann V., zunächst unter Vormundschaft ihrer Mutter Katharina. Nachdem 1436 die Besitzungen des Werleschen Hauses und 1471 Stargard heimgefallen waren, regierte Heinrich IV. (Johann V. starb 1442) wieder über ganz M. Wiederholte Streitigkeiten mit Brandenburg wurden 12. April 1442 im Vertrag von Wittstock dahin ausgeglichen, daß Heinrich für sich und seine Nachfolger die Erbhuldigung an Brandenburg leistete. Heinrichs drei Söhne teilten 1480 das Land so, daß der größte Teil des Fürstentums Wenden (die früher Werleschen Besitzungen) an Albrecht VI. fiel, der Rest Magnus II. und Balthasar gemeinschaftlich verblieb. Schon 1483 fiel mit Albrechts Tod Wenden zurück. Nach Magnus’ II. und Balthasars Tod (1503 und 1507) folgten des erstern Söhne Heinrich V., Erich II. und Albrecht VII., von denen Erich schon 1508 starb, worauf die beiden andere Brüder gemeinschaftlich regierten.

Die Streitigkeiten unter den Herzögen und die drohende Kriegsgefahr in den nordischen Reichen veranlaßten 1523 die Prälaten, Ritter und Städte der mecklenburgischen Lande, sich durch eine sogen. Union zu gegenseitigem Schutze zu vereinigen, ein Ereignis, das bis zur Gegenwart Einfluß auf die Geschicke des Landes gehabt hat. Beide Brüder, seit 1524 der Reformation zugethan, traten 1526 dem Torgauer Bund bei und begünstigten die neue Lehre in M. Wenn auch Albrecht schon 1530 zur katholischen Partei zurücktrat, so behauptete sich doch die lutherische Lehre mit Erfolg im Land und wurde 1549 von den Ständen als Landesreligion anerkannt. Albrecht VII. hinterließ 1547 fünf Sohne, von denen nach Heinrichs V. Tod (1552) Johann Albrecht I. die Regierung über ganz M. antrat. Als aber sein Bruder Ulrich Anspruch auf Mitregentschaft machte, kam 1555 mit Bewilligung der Stände wieder eine Landesteilung zu stande, in der letzterer den Westen mit Schwerin, Johann Albrecht den Osten mit Güstrow erhielt. Beide Fürsten gaben dem Land eine neue Kirchen- und Schulverfassung. Um diese Zeit wurden auch alle Klöster (mit Ausnahme der oben erwähnten Landesklöster) und geistlichen Stiftungen eingezogen und größtenteils zu den Domänen geschlagen. Johann Albrecht setzte für M.-Güstrow die Erbfolge nach der Erstgeburt fest. Nach seinem Tod, 1576, regierte Johann VII. zuerst unter Vormundschaft seines Oheims Ulrich, seit 1585 selbständig. Finanzielle Bedrängnisse machten ihn schwermütig und trieben ihn zum Selbstmord 1592. Über seine beiden Söhne Adolf Friedrich I. und Johann Albrecht II. führten Herzog Ulrich, dann Karl von M.-Schwerin die Vormundschaft. Als letzterer jedoch 1610 starb, fiel sein Land an M.-Güstrow, doch verzögerte sich die Teilung zwischen den Brüdern bis 1621; damals erhielt Adolf Friedrich I. M.-Schwerin, Johann Albrecht II. M.-Güstrow, doch blieben die Landtage gemeinschaftlich und wurden abwechselnd in Sternberg und Malchin gehalten. Die Stadt Rostock, Universität, Konsistorium und Hofgericht waren von der Teilung ausgenommen.

Beide Herzöge, während des Dreißigjährigen Kriegs zuerst dem Dänenkönig Christian IV. geneigt, sagten sich 1626 nach der Schlacht bei Lutter von ihm los. Dennoch erhielt sich das Mißtrauen des Kaisers gegen [391] M., und Wallenstein, den nach dem Besitz dieses Landes gelüstete, ließ sich vom Kaiser 19. Jan. 1628 beide Herzogtümer verpfänden, 26. Jan. sogar insgeheim verkaufen. Nachdem er die Stände zur Huldigung (24. März) gezwungen hatte, befahl er den Herzögen, das Land zu räumen, wurde 16. Juni 1629 erblich mit ganz M. belehnt und auch, als er 1630 den Abschied bekam, dieses Besitzes nicht beraubt. Die sich damals beschwerenden Herzöge verwies der Kaiser auf den Rechtsweg. Gustav Adolf setzte sie jedoch wieder in ihre Besitzungen ein, und im Frieden zu Prag (1635) söhnten sie sich mit dem Kaiser aus. Im Westfälischen Frieden mußten sie zwar die Stadt Wismar mit den Ämtern Poel und Neukloster an Schweden abtreten; dagegen wurde die Schwerinsche Linie mit den Bistümern Schwerin und Ratzeburg und der Johanniterkomturei Mirow, die Güstrowsche mit der Komturei Nemerow entschädigt. Dauernder waren die nachteiligen Folgen des Kriegs für die untern Stände des Volkes. Ganze Dorfschaften waren eingegangen, viele Bauern hatten ihre Gehöfte verlassen, die meisten freien Bauern waren zu Fronbauern herabgedrückt worden.

In der Linie M.-Güstrow war auf den Stifter derselben, Johann Albrecht II., 1636 sein Sohn Gustav Adolf gefolgt, der anfangs unter Vormundschaft Adolf Friedrichs I. von M.-Schwerin, seit 1654 aber selbständig regierte. Mit ihm erlosch 1695 die Linie M.-Güstrow. In der Linie M.-Schwerin regierte der Gründer derselben, Adolf Friedrich I., ein eigensinniger Herr, der mit den Ständen und allen Mitgliedern seiner Familie fortwährend im Zwist lag, bis 1658. Sein Sohn Christian Ludwig, der ihm folgte, lebte meist in Paris, während sein Land für des Regenten Anhänglichkeit an den König Ludwig XIV. von Frankreich dadurch büßen mußte, daß Brandenburger, Dänen und Schweden (1675–79) dasselbe feindlich überzogen. 1663 trat er in Paris zur katholischen Kirche über. Als er 1692 kinderlos starb, folgte ihm sein Neffe Friedrich Wilhelm in der Regierung, unbekümmert um die Protestationen seines Oheims, Adolf Friedrichs II. von Strelitz, des einzigen noch lebenden Bruders von Christian Ludwig. Friedrich Wilhelm geriet mit ihm um das 1695 erledigte M.-Güstrow in Streit. Nach jahrelangen Verhandlungen kam 8. März 1701 der Hamburger Teilungsvertrag zu stande, in welchem Adolf Friedrich II. zur Entschädigung das Fürstentum Ratzeburg, die Herrschaft Stargard, die Komtureien Mirow und Nemerow, jährlich 9000 Thlr. aus dem Boitzenburger Zoll nebst Sitz und Stimme auf den Reichs- und Kreistagen, Friedrich Wilhelm dagegen, der als wirklicher Nachfolger der Güstrower Herzöge bezeichnet wurde, das übrige, weit größere Gebiet erhielt. Er und seine Nachfolger hatten allein das Recht, Landtage zu berufen und zu schließen; den Herzögen von Strelitz sollte es nur freistehen, ihre Angelegenheiten auf dem Landtag ebenfalls abzumachen. Das Recht der Erstgeburtserbfolge nach Linien ward für immer festgesetzt. Da Friedrich Wilhelm seinen Wohnsitz zu Schwerin, Adolf Friedrich den seinigen zu Strelitz nahm, so nannten sich fortan die beiden Linien M.-Schwerin und M.-Strelitz.

Friedrich Wilhelm von M.-Schwerin errichtete mit seiner Ritter- und Landschaft über die zu bestimmende Summe der Landsteuern einen Vergleich, der bald neue Streitigkeiten hervorrief, worin der Herzog gegen die widerspenstigen Ritter selbst preußisches Militär herbeirief. Doch konnte er die Ritterschaft nicht zum Nachgeben zwingen. Sein Bruder und Nachfolger (seit 1713), Karl Leopold, nahm als Verwandter des russischen Hofs für Rußland und Dänemark gegen Schweden an dem Nordischen Krieg teil und stürzte sein Land dadurch in bedeutende Schulden. Darüber kam es 1715 zu neuen Konflikten mit den Ständen, in welchen die Russen dem Herzog beistanden. Als nach deren Abzug 1717 der Streit von neuem ausbrach, ließ Kaiser Karl VI. 1719 durch hannöversche und braunschweigische Truppen die Reichsexekution vollstrecken, und da Karl Leopold sich den Verordnungen der zu Rostock niedergesetzten kaiserlichen Kommission hartnäckig widersetzte, entsetzte ihn der Kaiser 1728 der Regierung und übertrug die Verwaltung des Landes seinem Bruder Christian Ludwig; da sich die Stände dagegen aussprachen, ernannte er diesen 1732 wenigstens zum kaiserlichen Kommissarius, durch welchen Ausweg ihm die Regierung doch erhalten wurde. Ein Aufstand der Bürger und Bauern (1733), die Einmischung Preußens zu gunsten Karl Leopolds blieben erfolglos. Als nach seinem Tod (1747) Christian Ludwig die Regierung definitiv übernahm, suchte er den bisherigen Wirren durch die Aufstellung des Rostocker Erbvergleichs (18. April 1755) ein Ende zu machen. In demselben wurde die Art der Steuererhebung genau bestimmt und festgesetzt, daß die Rittergüter für die ordentliche Landeskontribution mit der Hälfte ihres Areals steuerpflichtig sein und zu den Reichs-, Kreis- und Prinzessinnensteuern den dritten Teil beitragen sollten. Christian Ludwigs Sohn und Nachfolger (seit 1756) Friedrich der Gütige veranlaßte zwar durch seine feindselige Haltung gegen Preußen im Siebenjährigen Krieg Einfälle der preußischen Truppen, traf aber zahlreiche zeitgemäße Reformen, ordnete das Finanzwesen und erhielt im Teschener Frieden 1779 das Privilegium de non appellando, dem aber von der Ritterschaft lebhaft widersprochen wurde. Nach seinem kinderlosen Tod (1785) folgte ihm sein Neffe Friedrich Franz I., welcher 1803 sein Land um Wismar vergrößerte. Er mußte 1808 dem Rheinbund beitreten, beteiligte sich 1813–15 an den Kriegen gegen Frankreich und Dänemark, nahm 1815 den Titel Großherzog an und trat dem Deutschen Bund bei. Die Verfassung erhielt 1817 eine neue Garantie dadurch, daß im Fall des Streits zwischen Fürsten und Ständen ein unabhängiges Schiedsgericht eingesetzt werden sollte. Auf dem Landtag zu Sternberg wurde 1819 die Aufhebung der Leibeigenschaft beschlossen und 18. Jan. 1820 bestätigt. 1822 wurde die Separation der Bauerndörfer im Domanium anbefohlen, jede separierte Bauernhufe sollte womöglich vererbpachtet werden. Der Großherzog Friedrich Franz (s. Friedrich 28) starb 1. Febr. 1837, und da sein Sohn, der Erbgroßherzog Ludwig Friedrich, schon 1819 verstorben war, so hatte er seinen Enkel Paul Friedrich zum Nachfolger. Derselbe starb jedoch schon 7. März 1842. Ihm folgte sein Sohn Friedrich Franz II. (s. Friedrich 29).

In M.-Strelitz herrschten inzwischen Adolf Friedrich II. (1701–1708), Adolf Friedrich III. (1708–1752, Erbauer des Schlosses und Begründer der Residenzstadt Neustrelitz 1726), dessen Neffe Adolf Friedrich IV. (1752–94), der durch die Agnitionsakte vom 30. Sept. 1755 dem Rostocker Erbvergleich beitrat, ein harmloser, gutmütiger Mann, doch von etwas absonderlichen Gewohnheiten, die Fr. Reuter in seinem „Dörchläuchting“ schildert. Ihm folgte sein Bruder Karl (1794–1816), der Vater von Preußens Königin Luise. Der Fürsprache des Königs von Bayern hatte er es zu danken, daß sein Land 1806 von der [392] französischen Okkupation verschont blieb; doch hat es bis 1813, abgesehen von Erpressungen, mehr als 2 Mill. Thlr. für die französische Armee aufbringen müssen. Der Herzog trat 18. Febr. 1808 dem Rheinbund bei, entsagte 1813 demselben und ließ seine Truppen beim schlesischen Heer am Kampf gegen Frankreich teilnehmen. Er nahm 17. Juni 1815 gleichfalls den Titel Großherzog an und erhielt auf dem Wiener Kongreß einen Distrikt im Saardepartement mit 10,000 Seelen. Sein Nachfolger Georg (1816–60, s. Georg 16) verkaufte ihn aber 1819 für 1 Mill. Thlr. an Preußen. In dem Deutschen Bunde, dem M.-Strelitz 1815 auch beitrat, besaß es für die allgemeine Bundesversammlung eine Stimme (M.-Schwerin hatte zwei), für die engere mit M.-Schwerin zusammen die 14. Stimme. Seit 6. Sept. 1860 regiert Georgs Sohn Friedrich Wilhelm (s. Friedrich 31).

Das Jahr 1848 rief auch in beiden M. Unruhen und Verfassungswirren hervor. In zahlreichen Petitionen ward die Einberufung eines außerordentlichen Landtags zur Beratung der Verfassungsreform und eines volkstümlichen Wahlgesetzes begehrt, und die ausweichende Antwort des Großherzogs von M.-Schwerin veranlaßte tumultuarische Auftritte in Schwerin und Rostock. Am 18. März ward endlich die Einberufung eines außerordentlichen Landtags verkündigt und die Zensur aufgehoben; eine umfassendere Proklamation vom 23. März verhieß Volksvertretung beim Bundestag, Reform der Landesvertretung, Vereinigungsrecht, Volksbewaffnung und Umgestaltung der Rechtspflege. Auf dem am 26. April eröffneten außerordentlichen Landtag wurde ein auf allgemeinem Wahlrecht beruhendes Wahlgesetz vereinbart und von den Ständen verlangt, daß die neue Vertretung mindestens dieselben Rechte haben solle wie früher Ritterschaft und Landschaft. Der Landtag wurde 16. Mai geschlossen, und 15. Juli erfolgte die Publikation des Wahlgesetzes. Im Land bildeten sich nun zwei Parteien, eine demokratische und eine konstitutionelle, d. h. streng konservative. Am 31. Okt. trat endlich die verfassungsvereinbarende Versammlung zusammen. Von den 103 Abgeordneten (85 für M.-Schwerin, 18 für M.-Strelitz und das Fürstentum Ratzeburg) gehörten fast zwei Drittel der demokratischen Partei an; doch löste sich von dieser ein linkes Zentrum ab, das der Schweriner Regierung namentlich in der Wahlgesetzfrage namhafte Konzessionen machte. Die deutschen Grundrechte, Bestimmungen über das Domanium und der Grundsatz des Suspensivvetos wurden in die Verfassung aufgenommen und diese 3. Aug. 1849 von der Kammer genehmigt. Die größten Schwierigkeiten machte die Frage der landständischen Union zwischen beiden Großherzogtümern. Am 13. Aug. löste der Großherzog von Strelitz die Kammer auf, wozu das Recht nur dem Großherzog von Schwerin zustand. Daher erklärte die Kammer 19. Aug. die Aufhebung der Union für beide M. für notwendig, und auf ihren Antrieb löste der Großherzog von Schwerin gleichfalls die Kammer 22. Aug. auf, bestätigte aber 23. Aug. das vereinbarte Staatsgrundgesetz für Schwerin.

Außer der Regierung von Strelitz protestierten die Agnaten beider mecklenburgischen Linien, darunter der König von Preußen, gestützt auf den Successionsvertrag von 1442, gegen die neue Verfassung. Auch die adlige Ritterschaft that Einspruch und fand, in Schwerin abgewiesen, eine um so huldvollere Aufnahme in Strelitz. Nachdem sich sowohl die strelitzsche Regierung als die Ritterschaft mit einer Klage an den Bund gewandt, erklärte ein Bundesschiedsgericht (v. Langenn, v. Scheele, Götze) 11. Sept. 1850 die Rechtsbeständigkeit der neuen Staatsverfassung und das Gesetz über die Aufhebung der landständischen Verfassung für nichtig, und der Großherzog von Schwerin wurde angehalten, für 1850 einen Landtag nach dem grundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 zu berufen. Die landständische Union zwischen beiden M. war somit wiederhergestellt. Es begann die Zeit der Reaktion. Zunächst wurde das bisher gemeinsame Konsistorium aufgelöst, das Kirchenregiment über die lutherische Kirche fortan durch zwei Behörden, in Schwerin durch den Oberkirchenrat, in Strelitz durch ein Konsistorium, geübt. Am 9. Okt. erfolgte die Aufhebung der deutschen Grundrechte und 27. Jan. 1851 das Verbot aller Versammlungen zu politischen Zwecken. Am 15. Febr. 1851 trat zu Malchin der allgemeine Landtag wieder zusammen, bei welchem die adlige Ritterschaft im Übergewicht war. Somit war der alte patrimonial-ständische Privilegienstaat mit der Dreiteiligkeit von Landesherrschaft, Ritterschaft und Städten wiederhergestellt. Weiteres über die Landstände s. oben, S. 388. Am 31. Jan. 1852 wurde die Prügelstrafe wieder eingeführt. Die obere Leitung der Staatsverwaltung ward in Schwerin durch Verordnung vom 4. April 1853 neu geordnet, der Wirkungskreis des Staatsministeriums erweitert und diesem kollegialische Beratung empfohlen. Die drückende Lage der Bauern und Tagelöhner, die Schwierigkeiten des Gewerbebetriebs in den Städten riefen seit 1850 eine überaus rege Auswanderung aus beiden M. nach Amerika hervor, die in den Jahren 1852–57 ihre größte Höhe (6000 Menschen) erreichte. Damals trat sogar eine absolute Verminderung der Bevölkerungsziffer ein.

Während der Großherzog von M.-Strelitz beim Ausbruch des österreichisch-preußischen Kriegs 1866 so zögernd auf Preußens Seite trat, daß sein Kontingent gar nicht mehr am Kampf teilnahm, schloß der Großherzog von M.-Schwerin 30. Juni mit Preußen ein Bündnis und stellte ihm sein Kontingent zur Verfügung, das er dann mit preußischen Truppen vereint selbst nach Bayern führte, wo er bis Nürnberg vordrang (s. Preußisch-deutscher Krieg). Dem preußischen Entwurf vom 4. Aug. für einen norddeutschen Bund stimmten beide M. nur zögernd und unter Vorbehalten bei. Am 26. Sept. ward sodann ein außerordentlicher Landtag versammelt und diesem der Bündnisvertrag mit Preußen wie der Entwurf des Wahlgesetzes für den Norddeutschen Bund vorgelegt. Die Mehrheit der deshalb niedergesetzten Kommission befürwortete notgedrungen die Billigung der betreffenden Vorlagen, 11. Aug. 1867 traten beide M. dem Zollverein bei. Die norddeutsche Bundesverfassung bildete natürlich für die Stände Mecklenburgs einen furchtbaren Stein des Anstoßes. Gleichwohl entschied sich der mecklenburgische Landtag 4. Juni 1867 für Annahme derselben u. zwar mit 106 gegen 16 Stimmen. Der Abschluß einer Militärkonvention mit Preußen verzögerte sich bis 31. März 1873.

Nach dem deutsch-französischen Krieg, an dem auch Mecklenburgs Truppen im Verband des 9. Armeekorps einen ruhmreichen Anteil nahmen, und der Begründung des Deutschen Reichs trat die mecklenburgische Verfassungsfrage in ein neues Stadium. Am 19. Okt. 1871 beschloß (ähnlich wie schon 7. Juli eine Delegiertenversammlung von 16 Stadtmagistraten) der landschaftliche Konvent der drei Kreise, in einer Eingabe an beide Landesherren die Notwendigkeit [393] der Verfassungsreform darzulegen. Wichtiger war, daß damals der mecklenburgische Abgeordnete Büsing im Reichstag zu Art. 3 der Reichsverfassung den Zusatz beantragte: „In jedem Bundesstaat muß eine aus den Wahlen der Bevölkerung hervorgehende Vertretung bestehen, deren Zustimmung bei jedem Landesgesetz und bei Feststellung des Staatshaushalts erforderlich ist“, und daß er die Annahme dieses Antrags mit 185 gegen 88 Stimmen erzielte. Schon 7. Dez. forderten beide Großherzöge den Landtag auf, Vertreter zu kommissarisch-deputatischen Verhandlungen über Änderung der bestehenden Verfassung zu erwählen. Dieselben begannen 19. Okt. 1872, führten aber zu keinem Resultat, weil die landschaftlichen Vertreter die Regierungsvorlage als völlig ungeeignet ablehnten. Dennoch setzte die ritterschaftliche Majorität auf dem Landtag die Beratung der Vorlage im Plenum durch und erklärte sich mit ihren Grundprinzipien einverstanden, wogegen die Landschaft nur die Vorschläge der Regierungen in betreff der Gesetzgebung billigte, im ganzen aber den Entwurf ablehnte. Während nun in M. die Frage einstweilen vertagt ward, suchte ein Teil der Bevölkerung durch Petitionen, von denen eine mit 22,600 Unterschriften bedeckt war, den Reichstag zum Einschreiten zu bewegen. Hier ward 28. Mai 1873 jener von Büsing erneuerte Antrag nochmals fast einstimmig angenommen. Dagegen betonte der Großherzog von M.-Schwerin bei Gelegenheit der landwirtschaftlichen Ausstellung in Wismar die berechtigten Eigentümlichkeiten Mecklenburgs, die auch in der Reformfrage zu berücksichtigen seien. Dem Landtag, der 12. Nov. zusammentrat, ward derselbe Verfassungsentwurf wie im vorigen Jahr vorgelegt, aber wiederum von der Landschaft, welche auf der Einführung des Repräsentativsystems bestand, zurückgewiesen. Die Regierungen gaben endlich dem Druck der Landschaft nach und brachten bei Eröffnung eines außerordentlichen Landtags 1. Febr. 1874 eine neue Vorlage ein. Danach sollte der für beide M. gemeinsame Landtag eine einheitliche Versammlung bilden und aus Vertretern des großen Grundbesitzes, der Städte und der Landgemeinden bestehen. Während die Einkünfte des Domaniums dem Großherzog vorbehalten blieben, sollten die Voranschläge der übrigen Einnahmen und Ausgaben dem Landtag jährlich als Staatshaushaltsetat vorgelegt werden. Obgleich bei der neuen Vertretung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wurde, obgleich ferner in den Landgemeinden nur ein kleiner Kreis von Personen, in den Städten nur die Behörden zur Wahl berechtigt sein sollten, so war in dem Entwurf doch das Übergewicht des Großgrundbesitzes ungemein beschränkt. In dem Verfassungsausschuß, dem zunächst die Vorlage zuging, erklärten die Vertreter der Ritterschaft, daß diese niemals auf ihr Virilstimmrecht verzichten werde. Als nur die Landschaft geneigt war, die Verhandlungen auf dem Boden der neuen Vorlage fortzusetzen, die Ritterschaft aber bei ihrer Ablehnung beharrte, schlossen die Regierungen 9. März den Landtag. In der Session von 1875 sprach sich die Ritterschaft unterm 17. Febr. wiederum für Aufrechthaltung von Ritterschaft und Landschaft als politische Korporationen aus und veranlaßte durch dies Votum die Landschaft, die Verhandlungen in der Reformfrage abzubrechen (26. Febr.). Das Ansinnen der Ritterschaft aber, neue Verhandlungen auf Grund eines veränderten Entwurfs zu beginnen, lehnte der Großherzog von M.-Schwerin 13. März ab. Erst 1878 nahm derselbe im Einverständnis mit dem Großherzog von M.-Strelitz die Verhandlungen über die Verfassungsreform wieder auf, fand aber beim Landtag wenig Neigung dazu. Dieser begnügte sich damit, die Verfassungsfrage einer Deputation zu überweisen, und somit harrt diese wichtige Angelegenheit noch der Erledigung. Friedrich Franz II. starb, allgemein betrauert, 15. April 1883. Ihm folgte in M.-Schwerin sein Sohn Friedrich Franz III. (s. Friedrich 30). Dessen jüngerer Bruder, Paul, der, mit einer (katholischen) Prinzessin Windischgrätz vermählt, seine Kinder katholisch erziehen ließ, verzichtete 21. Febr. 1884 auf seine Erbfolgerechte.

Vgl. v. Lützow, Versuch einer pragmatischen Geschichte von M. (Berl. 1827–35, 3 Bde.); Wiggers, Kirchengeschichte Mecklenburgs (Parch. 1840); Boll, Geschichte Mecklenburgs (Neubrandenb. 1855–56, 2 Tle.); Pentz, Geschichte Mecklenburgs (Wism. 1872, 2 Bde.); Wigger, Mecklenburgische Annalen bis 1066 (Schwer. 1860); Ernst, Kolonisation Mecklenburgs im 12. und 13. Jahrhundert (Rostock 1875); Lehsten, Der Adel Mecklenburgs seit dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich (das. 1864); Derselbe, Die Wiederherstellung der Leibeigenschaft in M. (2. Aufl., Kob. 1864); M. Wiggers, Der Vernichtungskampf wider die Bauern in M. (Leipz. 1864); Derselbe, Der mecklenburgische Patrimonialstaat (Magdeb. 1865). Für die ältere Geschichte wichtig: Lisch, Mecklenburgische Urkunden (Schwer. 1837–41, 3 Bde.); „Mecklenburgisches Urkundenbuch“ (das. 1863–86, Bd. 1–14); „Jahrbücher des Vereins für die Geschichte Mecklenburgs“ (das. 1836 ff.).