MKL1888:Mosaīk
[817] Mosaīk (v. griech. museion, „den Musen gehörig“, lat. Opus musivum, ital. Musaico, franz. Mosaïque, musivische Arbeit), jede Flächenzeichnung oder Flächenmalerei, welche durch eine Nebeneinanderreihung von festen verschiedenfarbigen Körpern hervorgebracht wird. Wahrscheinlich stammte die Kunst der M. aus dem Orient. Ciampini will die ersten Spuren bei den Persern, Abbé Häffelin bei den Ägyptern gefunden haben. Anfänglich wurde sie nur zur Verzierung der Fußböden benutzt, und zwar begann man mit großen Mustern, welche aus geometrisch zugeschnittenen Scheiben von Stein oder Marmor gebildet wurden (pavimenta sectilia), die aber auch später noch in Gebrauch blieben. Allmählich wurden kleinere Würfel benutzt und die Zeichnung dadurch reichhaltiger, sie blieb aber zunächst auf den Fußboden beschränkt (pav. tendata, lithostrata), der in Tempeln, Säulengängen, Prachtgemächern immer prunkender wurde und in der alexandrinischen Zeit selbst figürliche Darstellung nicht verschmähte. Nun wendete man kleinste Stein- oder Glasflußstifte zur Erreichung feinerer Zeichnung an, behielt jedoch die Bestimmung des Fußbodens im Auge und ahmte im M. entweder Teppichmuster mit breiten Borten (so in dem durch die französische Expedition ausgegrabenen Mosaikfußboden in der Vorhalle des Zeustempels zu Olympia, s. auch Tafel „Ornamente I“, Fig. 45 und 46) oder für Speisezimmer den Abfall der Mahlzeit nach, den man unter den Tisch zu werfen pflegte. Mosaiken dieser Art, oikos asarōtos („ungekehrter Fußboden“) genannt, hatte besonders Sosos von Pergamon in hoher Vollendung ausgeführt. Ein andres, aus dieser Zeit vermutlich stammendes Motiv schildert das berühmte Taubenmosaik aus Hadrians Villa bei Rom, jetzt im kapitolinischen Museum, ein auf dem Boden stehendes Wasserbecken, auf dessen Rändern Tauben sitzen. Erst der alle Grenzen überschreitende Luxus der ersten Kaiserzeit hielt die natürlichen Schranken des M., welches Ornament des Estrichs sein soll, nicht mehr ein, überzog mit M. selbst die Wände und Decken und versuchte sich endlich mit steigendem Erfolg in der Wiedergabe von Gemälden, die schließlich, auf den Boden gelegt, dem Betreten preisgegeben wurden. Über das ältere römische M. sind wir nicht unterrichtet, das spätere ist durchweg von griechischen Motiven abhängig und hat uns verschiedene Gemälde alexandrinischer Zeit in gelungenen Nachbildungen gerettet. Das bedeutendste ist die 1831 in Pompeji in der Casa di Goethe gefundene Alexanderschlacht (s. d.), eins der herrlichsten Kunstwerke dieser Art, jetzt im Nationalmuseum zu Neapel. Das umfangreichste M., welches uns teilweise erhalten ist, befand sich in Präneste (daher das [818] pränestinische genannt) und enthielt eine naturhistorische und ethnographische Darstellung Ägyptens. Ein großes, mehr dekoratives M. mit einem Medusenhaupt in der Mitte, Kentauren, Nereiden etc. darum, aus Otricoli, ist im vatikanischen Museum, ein herrlicher Panther- und Kentaurenkampf aus Hadrians Villa jetzt in Berlin, viele Prachtstücke aus den verschütteten kampanischen Landstädten im Museum zu Neapel. Die Künsteleien der letzten Kaiserzeit führten selbst zur Verwendung kostbarer Edelsteine. Doch ist das Mosaikrelief dem Altertum völlig fremd geblieben, und alle Beispiele sind Produkte moderner Fälschung.
Eine besondere Ausbildung erfuhr die M. durch das Christentum schon im Anfang des Mittelalters; dieser Teil der Geschichte der M. kann als die zweite Periode derselben betrachtet werden, welche vom 5.–12. Jahrh. reicht, da die M. später, verdrängt durch die Freskomalerei, nur noch in einzelnen Fällen zur Anwendung kam. Die Ausschmückung der Chornischen, Kuppeln und Seitenwände, auch der Fassaden der Kirchen wurde durch das byzantinische Kaisertum begonnen. Man verwendete meist farbige Glasstifte dazu und, wie auch bei der eigentlichen byzantinischen Malerei, einen Goldgrund, der ebenfalls mit durchsichtigem Glasfluß überzogen war, so daß diese Art der Malerei ebenso glänzend wie dauerhaft in der Wirkung war. In diesen musivischen Malereien lehnte sich die altchristliche Kunst noch entschieden an den antiken Stil an (s. Tafel „Ornamente II“, Fig. 1–4). Zu den frühsten Werken dieser Art gehören die aus der Zeit Konstantins stammenden Mosaiken an den Gewölben des Mausoleums der Constantia bei Rom; sie enthalten zwar bacchische Embleme, jedoch in der Weise der christlichen Symbolik, da der Weinstock auf Christus, als den Herrn im Weinberg, deutet. Bedeutender sind die Mosaiken des Baptisteriums beim Dom zu Ravenna (um 435), welche in der Kuppel die zwölf Apostel, im Mittelbild die Taufe Christi darstellen. Ferner sind zu erwähnen: die Mosaiken in der Grabkapelle der Galla Placidia zu Ravenna, in Santa Sabina und Santa Maria Maggiore zu Rom mit Szenen aus der alttestamentlichen Geschichte, die Mosaiken an dem Triumphbogen der Paulskirche bei Rom mit apokalyptischen Darstellungen, die in der Tribüne von San Cosma e Damiano, welche Christus, zwischen fünf Heiligen schwebend, darstellen (526). Einer etwas spätern Zeit gehören die für die Ausbildung des altchristlichen Stils sehr wichtigen Mosaiken in den Kirchen von Ravenna an, namentlich die in den Baptisterien der Santa Maria in Cosmedin, in Sant’ Apollinare Nuovo und San Vitale (um 550). Ähnlichen Stils sind die Mosaiken, welche unter Justinian in den Kirchen von Konstantinopel ausgeführt wurden; auch an den Wänden des Hauptsaals in seinem Palast ließ er Mosaiken anbringen, welche die Thaten seiner Regierung veranschaulichten. Alle diese Mosaiken zeigen noch Anklänge an die Antike, bis sich im 7. Jahrh. der eigentliche byzantinische Stil vollständig ausbildete, welcher in seiner starren Leblosigkeit und konventionellen Formenbehandlung für die Schöpfungen der Kunst überhaupt stereotyp wurde. Dahin gehören die Mosaiken in der Altartribüne von Sant’ Agnese in Rom (630), in den Baptisterien des Laterans und in San Pietro in Vincoli. Noch mehr zeigt sich der Verfall in den Mosaiken des 9. Jahrh., z. B. in den Kirchen von Santa Cecilia und Santa Maria della Navicella zu Rom. Selbst die äußere Arbeit ist schon sehr roh; die Gestalten sind mit breiten dunkeln Strichen umrahmt, die Flächen der Figuren eintönig und ohne Schattenangabe.
Die dritte Periode fällt mit der Ausbildung der nationalen italienischen Malerei in der romanischen Kunstepoche zusammen. Der erste Fortschritt auf dem Gebiet der M. zeigt sich in den Arbeiten der Tribüne von Santa Maria in Trastevere zu Rom (1140), denen sich die Mosaiken von San Clemente und Santa Francesca Romana anschließen. In dieser Zeit hatte sich eine förmliche Schule griechischer Mosaizisten gebildet, von denen die Mosaiken des Doms zu Salerno (1080) und die in den normännischen Basiliken Siziliens, namentlich in der Kirche Santa Maria dell’ Ammiraglio und in der Schloßkapelle zu Palermo (1140) sowie in der Kathedrale von Cefalù und von Monreale (1174), herrühren, während die am Ende des 10. Jahrh. begonnene Mosaizierung der Markuskirche in Venedig noch das treue Bild des abgestorbenen byzantinischen Stils darbietet. Von spätern, dem 13. Jahrh. angehörigen Mosaiken, welche einen reinern romanischen Charakter zeigen, sind anzuführen: die Arbeiten in der Kapelle San Zeno und in der des rechten Querarms in San Marco zu Venedig, das große M. des Doms von Torcello bei Venedig, ferner die Mosaiken in dem Kuppelgewölbe von San Giovanni zu Florenz, ausgeführt von dem Mönch Jacobus (1225), von Andrea Tafi und dem Griechen Apollonius. Am vollkommensten spricht sich der romanische Stil in den Mosaiken aus, welche die Gewölbe und Lünetten des um die Markuskirche zu Venedig laufenden Umgangs mit Darstellungen aus dem Alten Testament schmücken. Endlich sind noch aus dem Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrh. verschiedene große Mosaikarbeiten zu erwähnen, welche im Stil der Florentiner Schule ausgeführt sind. Dazu gehören: eine Krönung der Maria im Dom zu Florenz und eine Himmelfahrt der Maria im Dom von Pisa, gearbeitet von dem Florentiner Gaddo Gaddi (um 1310), das Tribünenmosaik in der Kirche San Miniato zu Florenz, in San Giovanni in Laterano und Santa Maria Maggiore zu Rom, von Jacobus Turriti, Jac. de Camerino und Rusuti (1300), das M. einer Seitennische in Santa Restituta zu Neapel. In Nordeuropa hatten die antiken Traditionen länger vorgehalten als selbst in Italien. Schon im 11. Jahrh. wird der vielfarbige Schmuck des Bodens erwähnt, und Bernhard von Clairvaux eifert im folgenden gegen figürliche Darstellungen in M. Der Dom zu Hildesheim, St.-Rémy in Reims, die Kathedrale von Canterbury bieten entsprechende Beispiele. In England fand im 13. Jahrh. die erneuerte italienische Technik Eingang. Im Bau des Suger in St.-Denis finden wir indessen bereits verschiedenfarbige Ziegel zu mannigfaltigen Mustern zusammengesetzt. Beispiele von Wanddekorationen mit M. besitzen wir erst aus dem 14. Jahrh. und zwar an dem St. Veitsdom zu Prag die Darstellung des Jüngsten Gerichts, ausgeführt wahrscheinlich durch von Karl IV. aus Italien herbeigezogene Arbeiter. Die einzigen außerdem in Deutschland existierenden Mosaiken sind: die Reliefgestalt der Jungfrau mit dem Kind an der Schloßkapelle in Marienburg und die Marter des Evangelisten Johannes am Dom zu Marienwerder (1380). Inzwischen hatte die Freskomalerei allmählich einen solchen Aufschwung und solche Verbreitung gewonnen, daß dadurch die Mosaikmalerei mehr und mehr in den Hintergrund trat. Ausnahmsweise kam sie wohl noch in Anwendung, z. B. in der innern Kuppel der Peterskirche, welche unter Papst Clemens VIII. gegen Anfang des 17. Jahrh. von Zucchi und Rosetti mit Mosaiken geschmückt wurde. Auch [819] diente sie zuweilen zur Kopierung von Originalgemälden alter Meister, wie noch in neuerer Zeit das Abendmahl Leonardo da Vincis auf Veranlassung Napoleons I. in der Größe des Originals in M. nachgebildet wurde. Im 18. Jahrh. entstand sogar in Rom eine neue Schule Mosaizisten, die bis auf die neueste Zeit insofern wirksam gewesen ist, als sie den modernen römischen Mosaiken, im Gegensatz zu der mehr industriellen Fabrikmosaik der Florentiner, einen mehr künstlerischen Charakter bewahrt hat.
Mit der Gründung dieser römischen Schule hebt die vierte Periode der Mosaikmalerei an, welche einen dem der frühern Periode ganz unähnlichen Charakter angenommen hat. Beide, die heutige römische und die florentinische M., beschäftigen sich, außer (in Rom) mit Nachbildung älterer Meisterwerke, nur noch mit kleinern Arbeiten, und zwar die römische mit musivischen Verzierungen von Schmuckgegenständen, wie Broschen, Halsbändern etc., die florentinische mit Herstellung musivischer Tischplatten, Thürpfosten, Kamine, Vasen u. dgl. Das technische Verfahren ist ebenfalls bei beiden wesentlich verschieden. In Rom ist seit längerer Zeit eine offizielle Fabrik im Vatikan errichtet, aus welcher namentlich für Kirchen zahlreiche Werke hervorgehen. In Venedig gründete Salviati eine große Glasmosaikfabrik, die sich auch mit Nachbildung großer Werke der Malerei befaßt und bei wesentlich vervollkommter Technik einen großen Aufschwung genommen hat. – Auch in der arabischen und maurischen Baukunst spielt die M. eine große Rolle bei der Bekleidung von Wänden und Fußböden durch glasierte Thonplatten und Ziegel, die zu geometrischen Mustern verbunden wurden (s. Tafel „Ornamente II“, Fig. 7 u. 13).
Bei der mittelalterlichen M. wurden die darzustellenden Gegenstände auf die Putzfläche gemalt und die Glaspasten an Ort und Stelle fertig eingefügt. Dies Verfahren wird jetzt dadurch ersetzt, daß der Künstler das ganze Bild in seinem Atelier auf einem horizontalen Boden aus den Pasten zusammensetzt, wobei ein Verbessern fortwährend möglich ist, und dann mit starkem Papier überklebt. Das auf diese Weise zu einem Ganzen vereinigte Werk wird hierauf in einzelne Stücke zerschnitten, welche numeriert, verpackt, versendet, am Verwendungsort auf die Rüstung geschafft und dort ihren Nummern entsprechend in den weichen Mörtel gedrückt werden. Nach Erhärtung des Mörtels wird das Papier abgeschabt, die störende Helligkeit der weißen Mörtelfugen dadurch gedämpft, daß die einzelnen Teile in ihrer Hauptfarbe übermalt werden, und dann das Ganze abgewaschen, wobei die Farbe an dem Mörtel haften bleibt. Von dem Festhalten der Pasten überzeugt man sich durch mäßiges Anschlagen mit dem Hammer. Das größte derartige seit dem Mittelalter ausgeführte Werk sind die nach zweijähriger Arbeit von Salviati, welchem man auch die Herstellung der nach A. v. Werners Karton ausgeführten Mosaiken der Berliner Siegessäule verdankt, vollendeten Mosaiken an der Kuppel des Münsters zu Aachen. Man hat sich hierbei streng an die geringen Reste des ursprünglichen Bildes angeschlossen, welches die im 4. Kapitel der Offenbarung St. Johannis enthaltene Vision darstellt. Fast in allen größern Städten Europas haben Salviati u. Komp. außerdem Glasmosaiken ausgeführt, in Deutschland besonders zum Schmuck von Häuserfassaden, da das Glasmosaik durch seine Wetterfestigkeit den Vorzug vor jeder Malerei verdient. In Frankreich sind große Dekorationen in Glasmosaik von Salviati und andern venezianischen Ateliers in der Pariser Oper, in der Apsis des Pariser Pantheons und in der Kathedrale zu Marseille ausgeführt worden. Vgl. B. Bucher, Geschichte der technischen Künste, Bd. 1 (Stuttg. 1876, mit Litteraturnachweisen); Gerspach, La mosaïque (Par. 1881). Die musivische Technik, d. h. das Zusammensetzen von verschiedenfarbigen Plättchen zu dekorativen Mustern, ist auch auf andre Materialien als Glas und Stein ausgedehnt worden, so besonders auf Holz und Leder. Die Holzmosaik (Marketerie) hat ihre höchste künstlerische Ausbildung in der Intarsia (s. d.) erfahren (s. Tafel „Ornamente III“, Fig. 14; Tafel IV, Fig. 14 u. 15). Die Ledermosaik wird vornehmlich von der modernen Buchbinderei und Albumfabrikation geübt.