MKL1888:Obstgarten

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 12 (1888), Seite 311314
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Obstgarten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 311–314. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Obstgarten (Version vom 09.05.2021)

[311] Obstgarten, Abteilung des Nutzgartens, in welcher Obstarten angepflanzt und gepflegt werden. Hochstämmige Kronenbäume vertragen sich mit keinem andern Kulturgewächs, müssen also stets in besondern Gärten angepflanzt werden, weil sie dem Erdboden Sonne und Luft entziehen, ohne welche namentlich Gemüse nicht gedeihen. Dagegen können Zwergobstbäume und Beerensträucher mit Vorteil auch im Gemüsegarten gezogen werden. Die Anzucht der Obstbäume geschieht in der Baumschule (s. d.) durch Wildlinge (s. d.) und deren Veredelung (s. Impfung); von dort verpflanzt man sie in kräftigen Exemplaren in den O. Derselbe soll gegen Stürme einigermaßen geschützt sein, aber der freie Luftzug darf in keiner Weise gehindert sein. Jedenfalls ist der O. gegen unberufene Eindringlinge zu schützen und durch Drainierung von stehender Nässe oder zu hohem Grundwasser zu befreien. Die Obstarten wählt man in der Hauptsache nach dem vorhandenen Boden: im lehmigen Sandboden mit ähnlichem Untergrund gedeihen alle Obstarten gut, im sandigen Lehm besonders Äpfel, im fruchtbaren, tiefgrundigen, nicht nassen Sand Birnen, Walnüsse und Maronen, Süßkirschen im warmen, sandigen Gerölle von Kalkstein oder auf ähnlichen Bergen, ebenso Sauerkirschen, die aber schon mehr fetten Boden vertragen, zur Not auch im magersten Boden noch einigen Ertrag liefern; Pflaumen mit ihren nicht tiefgehenden Wurzeln kann man noch auf verhältnismäßig feuchtem, flachem Boden pflanzen. Äpfel-, Birnen-, Süßkirschen- und Walnußbäumen in hochstämmiger Kronenform gebe man 6–8 m Zwischenraum unter sich, den Walnußbäumen, wenn sie allein stehen, noch mehr, weil sie groß und sehr alt werden können. Sauerkirsch- und Pflaumenbäume begnügen sich mit 4–5 m Zwischenraum, den größten stets in gutem, den kleinern in schlechtem Boden, weil sie in ersterm größer werden; der Raum zwischen den Zwergobstbäumen und Beerensträuchern richtet sich nach der Bedeutung der Zwischenkulturen, die mit ihnen gleichzeitig gebaut werden. Zieht man die regelmäßige Form im O. vor, dann pflanze man die Bäume in Reihen und in „Verband“, d. h. die Bäume der einen mitten zwischen die der andern Reihe; man pflanze in hartem Klima, auf nassem, nicht entwässertem Boden und nicht ganz harte Baumarten im Frühjahr, in allen andern Fällen aber im Herbst, am besten bald nach Abschluß des Wachstums, im September, wobei aber die Blätter entfernt werden müssen, weil sie die im Baum befindliche Feuchtigkeit, seine Säfte, verdunsten, ohne daß solche durch die Wurzeln ersetzt werden könnten, welche ihre Thätigkeit erst beginnen, wenn sie neue Spitzen gebildet haben. Dies geschieht allerdings im Frühherbst sehr bald, während im Frühjahr gepflanzte Bäume erst gleichzeitig mit der Entwickelung der Blätter sich von neuem bewurzeln. Auf bindigem oder nassem Boden, der aus irgend einer Ursache nicht entwässert werden konnte, pflanzt man am besten nach der Manteuffelschen Methode oben auf die Erde. Gewöhnlich aber pflanzt man in Gruben von 1–1,3 m Durchschnitt und 0,6–1 m Tiefe (näheres s. Baumsatz). Außer den Wurzeln wird auch, im Frühjahr, die Krone beschnitten; diese besteht aus der Fortsetzung des Stammes in der Mitte und aus 4–5 von diesem ausgehenden Mutter- oder Leitästen; was sich außer diesen noch am Stamm befindet, schneidet man weg. Die Nebenzweige der Leitäste verkürzt man, die Spitzen der letztern aber läßt man unberührt, denn sie entwickeln aus ihren Endaugen die ersten Blätter, und diese tragen bedeutend zur schnellen Wurzelbildung und damit zum sichern und schnellen Anwachsen des Baums bei. Ende Juni sind auch die Leitäste um ein Drittel zu verkürzen; der sogen. zweite Trieb entwickelt kräftige Triebe, durch welche die normale Weiterbildung der Krone gesichert wird. Über den neubepflanzten O. legt man vorteilhaft eine Karte an, auf der jeder Baum aufzufinden und mit einer Nummer versehen ist, die auf dieselbe Nummer des Buches verweist, das Namen, Herstammung, Zeit der Pflanzung und der jährlichen Tragbarkeit nachweist, und in dem man die Eigenschaften der Sorte: Reifezeit, Güte, Anwendung (ob für Tafel oder Haushalt), Haltbarkeit der Frucht, Zeit und Widerstandsfähigkeit der Blüte etc., notiert. Nur durch allgemein fortgeführte Aufzeichnungen solcher Art im Buche gelangt man zur Kenntnis und Verbreitung unsrer guten Obstsorten. In Beziehung auf den Schnitt werden die Kronenbäume in den ersten Jahren ganz wie die unten behandelten Pyramiden behandelt, wegen regelmäßiger Fortbildung der Krone und zur Erzielung baldigen Blütenansatzes. Später werden nur dürre und zu dicht stehende Äste herausgeschnitten, wonach die Wunde zu glätten und mit Baumwachs (s. Impfung) zu bedecken ist. Bei großen Wunden thut auch Steinkohlenteer gute Dienste; sogen. Wasserreiser und Wurzeltriebe sind zu entfernen. Die lose Rinde, Moos, Flechten sind abzubürsten, der Stamm und die Hauptäste jeden Herbst mit in Wasser aufgelöster schwarzer Seife zu waschen und mit Kalkmilch zu überziehen. Im Sommer, hauptsächlich im Juni, müssen die Bäume gegossen werden, stets aber in möglichster Tiefe und im Umkreis der Krone, zu welchem Zweck man mit dem Locheisen 6–20 Löcher in den Erdboden stößt und diese wiederholt mit überschlagenem Wasser füllt, dem zur Düngung Kloakendung und bei schlechtem Untergrund, der die Blütenbildung nicht zuläßt, Superphosphat und schwefelsaures Kali zugesetzt werden. Diese Düngung ist im [312] August und September zu wiederholen, und je nach der Größe des Baums wendet man ¼–¾ kg von jeder Dungart an. Alte, sonst aber noch gesunde Bäume kann man durch Abwerfen der Äste nach und nach innerhalb dreier Jahre, stets aber im Frühjahr, verjüngen. Die bald darauf erscheinenden jungen Triebe sind so auszulichten, daß nur wenige an geeigneten Stellen stehen bleiben und die Krone neu bilden. Ist der Baum von schlechter Sorte, so kann er gleichzeitig mit einer bessern versehen („umgepfropft“) werden.

Zwergobstbäume.

Die Zwergobstbäume zeigen gewöhnlich ein schwächeres Wachstum und reichlichern Blütenansatz. Ihre Behandlung durch den Schnitt (Formbäume) ist folgende: Die Pyramide soll in der Mitte einen kräftigen Stamm haben, von dem in der Entfernung von 35 cm untereinander die Leitäste sich entwickeln; diese werden, von unten angefangen, im Frühjahr so kurz geschnitten, daß jedes Auge zum Austreiben kommt, der Stamm über einem Auge, das verspricht, denselben gerade nach oben fortzusetzen, die obern Leitäste kürzer als die untern, so daß schon dadurch die Pyramidenform hergestellt wird. Sollte sich irgendwo eine Lücke zeigen, so kann durch einen Einschnitt bis ins Holz über einem in der Lücke befindlichen Auge der fehlende Zweig hervorgelockt werden. Zu stark treibende Organe können durch Herabbinden oder durch kurzen Schnitt, also über einem schwachen Auge, zu mäßigem Wachstum gezwungen werden. Ende Mai werden sämtliche Augen ausgetrieben haben; die Seitentriebe der Leitäste werden nach und nach entspitzt (pinziert), die obern kurz, die untern etwas länger, ebenso die jungen Triebe des Stammes, die werdenden Leitäste, um die Pyramidenform festzuhalten und dadurch den Saft in die untern Organe zu leiten; die jungen Triebe zur Fortsetzung des Stammes und der Leitäste werden nicht entspitzt. Die entspitzten Triebe werden nun 1–2 Seitentriebe bilden; um diese zu gunsten der zu Blütenknospen bestimmten untern Augen zu schwächen, werden ihnen Anfang Juni bis Ende Juli 3, 4, 5 Blätter genommen, je nachdem sie weiter wachsen, aber niemals die Spitze, weil deren Verlust ein drittes Austreiben verursachen würde. Während im Frühling die Leitzweige wie im vorigen Jahr verkürzt werden, schneidet man die Seiten- (Blüten-) Zweige über dem untersten kräftigen Auge des jüngsten Triebes; mit dem Entspitzen, bez. Entblättern wird wie im vorigen Jahr verfahren. Die Flügel- und Kronpyramide wie auch der Trauerbaum werden an Draht gezogen, ebenso der Spalierbaum; er unterscheidet sich von der Pyramide durch die Stellung seiner Äste, welche nicht in einer Spirallinie um den Stamm stehen, sondern paarweise, möglichst einander gegenüber rechts und links die möglichst wagerechten Leitäste bilden, während auch hier die Fortsetzung des Stammes eine gerade Richtung annehmen soll; die Entfernung der Astpaare unter sich soll hier 25–30 cm betragen. Der Frühjahrsschnitt der Leitzweige ist ähnlich wie bei den Pyramiden: die untern lang, die obern kürzer, bis sie ihre Grenzen erreicht haben und dann miteinander durch Impfung vereinigt werden können. Die Frühjahrstriebe dürfen dagegen hier beinahe gleich lang entspitzt werden, weil deren Wachstum bei der wagerechten Richtung der Äste ein ziemlich gleichmäßiges sein wird. Die Anwendung dieser Regeln auf die Schnurbäumchen (horizontale Guirlanden) ergibt sich von selbst. Die Sommerbehandlung der Pfirsichspaliere, nach ihnen auch der Aprikosen und andrer Steinobstspalierbäume sollte etwas sorgfältiger ausgeführt werden, ist aber ganz einfach: Die Frühjahrstriebe der Seitenaugen entspitze man baldigst auf drei Augen; von den daraus wachsenden zwei Sommertrieben wird der untere auf drei, der obere auf fünf Augen entspitzt, was zur Folge haben wird, daß ersterer nicht mehr, letzterer aber an der Spitze noch einmal austreiben und auf seiner ganzen Länge Doppel-, d. h. Blüten- und Blattknospen bilden wird. Etwanige dritte Triebe werden im nächsten Frühjahr über dem Astring abgeschnitten und der untere Zweig mit seinen drei Augen wie der vorjährige behandelt, während der obere, nachdem er seine Früchte gereift hat, weggeschnitten wird. Walnuß- und Maronenbäume werden nur so viel beschnitten, als zur Bildung der Krone nötig.

Kübel- und Topfkultur, Krankheiten.

Die Obstbaumzucht in Kübeln und Töpfen liefert die köstlichsten Früchte mit größerer Sicherheit, wenn auch nicht in gleicher Menge wie im O. Man pflanzt hierzu zweijährige oder schon tragbare, auf schwach treibende Unterlagen veredelte Bäumchen in mäßig große Töpfe (20–30 cm oberer Weite), später in größere, selbst in Kübel mit einer Mischung von Mistbeet- und Lauberde mit Ziegel- und Kalksteinstückchen, Holzkohlen und Sand zur Lockerung, auf welche zur Zeit des Wachstums Kuhfladen gelegt werden, oder die durch Gießen mit vergornem Dungwasser (Abtrittsdung, Hornspäne, Knochenmehl, Guano u. a. in Wasser) genügend Nahrung erhält. Während des Sommers stehen die Bäumchen, bis an den Rand der Töpfe im Erdboden oder in Asche versenkt, auf einem sonnigen, vor starken Winden geschützen Platz und werden im übrigen, namentlich beim Beschneiden, wie Zwergobstbäume behandelt (s. oben). Im Winter stellt man sie an einem vor Temperaturwechsel geschützen Ort auf, im Keller, in einer Eisgrube, auch im Freien, bedeckt aber in letzterm Fall die Töpfe mit Laub; bis nach der Blütezeit bleiben sie auf einem gegen starke Sonne, Winde und Nachtfröste geschützen Ort oder müssen durch andre Mittel vor diesen verwahrt werden. Hauptsache: reichliches Gießen während des Wachstums, Bespritzen während des ganzen Sommers zweimal täglich, Schutz vor Frühjahrsfrösten und durch zweckmäßiges Beschneiden gleichmäßige Verteilung der Trieb- und Blütenknospen. Verpflanzen geschieht wie bei andern Topfgewächsen. Sorten: Pfirsiche: Amsten, Early Crawford, Georg IV. Aprikosen: frühe Moorpark, von Nancy. Süßkirschen: Elton, Luzien, große Prinzessin. Sauerkirschen: Ostheimer Weichsel, Schattenmorelle, Süßweichsel von Olivet. Pflaumen: gelbe und Rangheris Mirabelle, Anna Späth, gelbe Alutscha-Arik (vom Kaukasus). Birnen: Amanlis, Clairgeaus, Diels Butterbirne, Esperens Bergamotte. Äpfel: virginischer Rosenapfel, Orléans-, Pariser Rambour- und Oberdiecks Reinette, Goldparmäne. Traubensorten: Diamant-, Muskat-, Pariser und früher Gutedel, Malinger, früher Burgunder, früher Malvasier. Von Stachel- und Johannisbeeren die besten, großfrüchtigen Sorten. Feigen, die nur bei viel Feuchtigkeit und viel Nahrung sich gut entwickeln: große violette, frühe weiße, Kennedy Castle. Feigensträucher werden am besten im trocknen Keller überwintert.

Den Krankheiten der Obstbäume muß man zuvorzukommen suchen, denn sie zu heilen, ist schwer, wenn nicht unmöglich. Dem Frostschaden an empfindlichen Baumarten beugt man vor bei den Spalierbäumen durch Decken mit Stroh oder Fichtenreisig [313] und der Wurzeln auf dem gefrornen Boden mit Laub, strohigem Mist u. dgl. Die Frostplatten an unsern gewöhnlichen Obstbäumen verhindert man durch oben schon erwähnten Anstrich mit Kalkmilch (durch die weiße Farbe). Den späten Winter- (Mai-) Frösten begegnet man in großem Maßstab mit künstlicher Wolkenbildung durch Anzünden und langsames Brennen geteerten Torfs in kleinen Häufchen, mit denen man das zu schützende Feld umgibt; einzelne Bäume oder Sträucher schützt man durch Leinwand- und andre Decken oder durch Aufhängen zahlreicher Strohhalme. Über Brand, Krebs und Gummifluß s. d. Auch die Feinde aus dem Tierreich werden dem gesunden Obstbaum weniger schaden als dem kranken. Über Ernte und Aufbewahrung des Obstes s. d.

Geschichte des Obstbaues.

Der Obstbau ist so alt wie die Kultur überhaupt. In den Felsengräbern von Beni Hassan in Ägypten finden sich Abbildungen des Acker- und Gartenbaues, und aus dem alten Indien erzählen Megasthenes und Râmâyana vom Lusthain der Stadt Ajodjha und deren Gärten, die zum großen Teil mit dem Mangobaum (Mangifera indica), mit dem feinsten Obst in Ostindien bepflanzt waren. Deutlich ist der O. in der Odyssee und Ilias beschrieben. Besondere Sorgfalt widmete der ältere Kyros (560–529 v. Chr.) dem O., und die großen Heerstraßen, welche die entferntesten Provinzen mit der Hauptstadt verbanden, wurden mit Obstbäumen eingepflanzt. Der Obstbau galt für eine königliche Beschäftigung, und die persischen Könige pflanzten bei feierlichen Gelegenheiten an geweihten Stellen mit eigner Hand Obstbäume. Als Xerxes auf seinem Zug nach Griechenland einen Apfelbaum mit besonders schönen Früchten sah, ließ er ihn mit goldenen Zieraten schmücken. Die alten Römer hatten bei ihren Villen meist einen besondern O. (pomarium). Cato beschreibt 6 verschiedene Birnen- und 2 Äpfelsorten, Columella 7 Äpfel- u. 20 Birnensorten, Plinius kennt schon 25 Äpfel-, 36 Birnen- u. 8 Kirschensorten. Lucullus brachte den veredelten Sauerkirschbaum (Prunus Cerasus L.) mit reifen Früchten von dem zerstörten Kerasus nach Rom. Der Süßkirschbaum (Prunus Avium L.) war schon längst bekannt, und bei den Griechen und Orientalen waren Kirschen von jeher eine beliebte Speise und überall angepflanzt. Die Quitte war bei den Alten als Symbol des Glücks, der Liebe und der Fruchtbarkeit der Aphrodite geweiht, und der Apfel der Venus war unsre Apfelquitte. Der Pflaumenbaum kam zu Catos Zeiten nach Italien, zur Zeit der Kreuzzüge nach Deutschland. Zur Zeit Alexanders d. Gr. wurde der Aprikosenbaum aus Armenien nach Rom gebracht; in Griechenland ist er heute überall angepflanzt und gibt dort ausgezeichnetes Obst. Die Mandeln von Naxos und Cypern waren im Altertum berühmt, die Stadt Mygdale in Oberlydien hat vom Mandelbaum (Amygdalus) den Namen erhalten. Der Pfirsichbaum stammt ebenfalls aus dem Orient und Persien, von wo er nach Griechenland und Rom kam. Durch Cäsar mag die Kenntnis vom Obstbau auch nach Deutschland gekommen sein, und das Salische Gesetz kennt gepfropfte Obstbäume. Karl d. Gr. widmete seinen Obstgärten, namentlich in Ingelheim, große Sorgfalt und ließ auf allen seinen Domänen am Ufer des Mains und seiner Nebenflüsse solche anlegen. 1555 erschien „Das Künstliche Obstgartenbüchlein“ des Kurfürsten August von Sachsen; derselbe Fürst erließ ein Gesetz, wonach jedes junge Ehepaar mindestens zwei Obstbäume pflanzen mußte. Ums Jahr 1600 beschrieb Ollivier de Serres, genannt „der Vater des Landbaues“, in Frankreich 46 Äpfel- und 69 Birnensorten, Parkinson in England in seinem „Paradisus terrestris“ 57 Äpfel-, 64 Birnen-, 62 Pflaumen- und 33 Kirschensorten, Quintinye, „der Vater der Pomologie“ zur Zeit Ludwigs XIV. (1670), 60 Äpfel- und 164 Birnensorten. Knoop in Holland gab 100 Jahre später (1760) in seinem „Hortulanus mathematicus et scientiarum amator“ eine ausführliche Beschreibung eines Teils von Europas Obstsorten heraus. Auch Deutschland, Dänemark, Nordamerika bemühten sich, ihre Obstsorten kennen zu lernen und mit der Einführung besserer Sorten auch deren Pflege zu verbessern. Sickler gab 1794 seinen „Teutschen Obstgärtner“ heraus. Jedenfalls wirkte die Zerstückelung Deutschlands in viele kleine Länder und Ländchen günstig auf den Obstbau. Die Könige, Fürsten und Herren wohnten im Sommer auf ihren ländlichen Besitzungen, im Winter in einer großen Stadt, oft in Paris, von wo sie Obstbäume und Obstreiser, auch die Kenntnis besserer Kulturmethoden (z. B. die Behandlung der Spalier- und andrer Zwergbäume) mit herüberbrachten. Auch haben Erzbistümer, Bistümer und kleinere geistliche Stifter den Obst- u. Weinbau ganz bedeutend gefördert. Im Fürstentum, spätern Herzogtum, der jetzigen Provinz Nassau haben diese kleinen Residenzen lange Zeit als zivilisatorische Knotenpunkte auch für den Obstbau gewirkt, und so konnten dort Christ und Diel beinahe gleichzeitig sich zu hervorragenden Pomologen bilden. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit Kernobst, zwei andre mehr mit Steinobst: das System des Freiherrn Truchseß v. Wetzhausen (1819) ist bis heute noch ebenso unübertroffen wie die 1838 erschienene Klassifikation der Pflaumen von Liegel. Auch die Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen haben viel für den Obstbau ihrer Länder gethan. Friedrich Wilhelm III. ernannte einen Pomologen, den Oberhofbaurat Manges, 1787 zum Direktor der königlichen Gärten, der 1780–1783 in Leipzig eine Klassifikation der Obstsorten hatte erscheinen lassen, in der überall das Bestreben für die Beförderung und Verbesserung des vaterländischen Obstbaues sichtbar ist. Von spätern Pomologen und Obstzüchtern sind zu nennen: Jahn in Meiningen (gest. 1867), v. Flotow in Dresden (gest. 1870), Borchers in Herrenhausen bei Hannover (gest. 1872), André Leroy in Angers (gest. 1875), Oberdieck (s. d.), Lucas (s. d.), Lepère in Montreuil bei Paris, Hardy und Dubreuil in Paris, Baltet in Troyes, Decaisne in Paris (gest. 1882), dessen Abbildungen von Obstsorten, namentlich Birnen, bisher von niemand erreicht wurden, Lauche (s. d.) in Potsdam, de Jonghe in Brüssel, als Züchter neuer Obstsorten bekannt, und Bruun bei Helsingör in Dänemark. Es ist anzunehmen, daß die zahlreichen Lehranstalten für Obstbaumzüchter, die hier und da in Deutschland entstanden sind, im höchsten Grad segensreich wirken werden für die Ausbreitung einer verständigen Obstbaumzucht. In den mittlern Staaten Nordamerikas, in den Distrikten in der Nähe der Großen Seen, werden im Durchschnitt jährlich für 160 Mill. Mk. Äpfel und in Pennsylvanien, Delaware bis Michigan u. a. O. für 240 Mill. Mk. Pfirsiche gebaut, die zum Teil nach Europa versendet werden, meist in gedörrtem Zustand. In Frankreich besaß der Ort St.-Bris, Departement Yonne, noch vor 20 Jahren 10 Hektar völlig unbenutzten Bodens, der später zur Anpflanzung von Obst-, hauptsächlich [314] Kirschbäumen verwendet wurde, die heute einen Ertrag von 100,000 Mk. geben. Ein einziger Garten in Hyères liefert für 30,000 Mk. Pfirsiche, andre Gärten ebendaselbst für 80,000 Mk. Prunellen (Pflaumen). Der Pomolog Baltet in Troyes zieht feine und große Birnen und verkauft das Stück mit 8 Mk., vielleicht dieselben, die in Berlin mit 30–35 Mk. das Stück verkauft werden. Bekannt ist der feine Obst-, namentlich Pfirsichbau in Montreuil bei Paris. In Plongartel bei Metz werden jährlich für 600,000 Mk. Erdbeeren verkauft. Die Schweiz führt jährlich für 1 Mill. Mk. Obst allein nach Deutschland aus, und an diesem Export beteiligen sich namentlich die Kantone Thurgau mit 900,000 Obstbäumen, Aargau, St. Gallen, Graubünden, Zürich, Luzern, Bern u. a. Im mittlern Schweden, Gemeinde Kinnekulle in Skaraborgs Län, werden bedeutende Massen Kirschen und Apfelrosen (Hagebutten) gebaut und getrocknet zum Herbstmarkt nach Lidköping gebracht, von wo sie über ganz Schweden versendet werden. In Böhmen schätzt man die Anzahl der Obstbäume auf 16 Mill. und den jährlichen Ertrag auf 10 Mill. Mk. In den gräflich Thunschen Gärten bei Tetschen befinden sich 40,000 tragbare Obstbäume. Böhmen und das kleine Städtchen Werder a. d. Havel versorgen hauptsächlich Berlin mit Obst, letzteres allein für mehr als 1 Mill. Mk. jährlich. Württemberg hat einen vorzüglich organisierten Obstbau mit 9 Mill. Obstbäumen, die außer für den Gebrauch der Besitzer (Gemeinden) für 14 Mill. Mk. Obst liefern; die Gemeinde Kirchheim allein verkauft jährlich für 120,000 Mk. Kirschen und Kirschgeist, für 220,000 Mk. Obst überhaupt, Reutlingen für 100,000 Mk. In Jakümen a. d. U. wurde auf Veranlassung des dortigen Lehrers eine 10 Hektar große Fläche mit Obstbäumen bepflanzt, aus deren Ertrag heute sämtliche Ausgaben der Gemeinde bestritten werden. Löbbecke-Wahndorf, Provinz Sachsen, bepflanzte eine Anhöhe von 1¼ Hektar Fläche von so geringem Boden, daß er zu Ackerland unbrauchbar, mit Süßkirschen, die heute außer dem Lohn für den Aufseher (Hofmeister) jährlich 5000 Mk. einbringen. Im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. werden viel Sauerkirschen gebaut, deren Saft mit 15 Proz. Alkohol versetzt und nach den Tropen in bedeutenden Massen versendet wird. Das Elbthal zwischen Dresden und Meißen hat bedeutenden Erdbeerbau, und von der Station Kötzschenbroda der Leipzig-Dresdener Eisenbahn werden jährlich 50,000 kg Erdbeeren meist nach Berlin versendet. Trotz des nicht unbedeutenden Obstbaues in Deutschland genügt er dem Bedarf doch nicht, denn 1880 wurde für 4,722,000 Mk. frisches und für 7,752,000 Mk. getrocknetes, gepulvertes und eingekochtes Obst ein- und nur für 4 Mill., bez. 639,000 Mk. ausgeführt, wobei frische Zitronen, Apfelsinen u. a. nicht berechnet sind. Frische Weintrauben wurden 1880 für 2,906,000 Mk. ein- und für 21,000 Mk. ausgeführt. Beerenfrüchte, amtlich unter „frisches Gemüse, eßbare Wurzeln, Beeren etc.“ berechnet, zählten oben nicht mit.

Vgl. Lucas, Die Lehre vom Obstbau (mit Medicus, 7. Aufl., Stuttg. 1886); Derselbe, Vollständiges Handbuch der Obstkultur (2. Aufl., das. 1886); Jäger, Obstbau (Hannov. 1871); Bouché, Handbuch des Gemüse- und Obstbaues (Leipz. 1872); Hartwig, Handbuch der Obstbaumzucht (3. Aufl., Weimar 1879); Lucas, Obstbau auf dem Lande (5. Aufl., Stuttg. 1876); Koch, Die deutschen Obstgehölze (das. 1876); Lindemuth, Handbuch des Obstbaues (Berl. 1883); Götting, Der Obstbau (das. 1887); Werck, Kultur der Zwergobstbäume (3. Aufl., Ragaz 1887); Taschenberg und Lucas, Schutz der Obstbäume gegen feindliche Tiere und Krankheiten (Stuttg. 1879); Sorauer, Die Obstbaumkrankheiten (Berl. 1879). S. auch Gartenbau.