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MKL1888:Orsīni

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Orsīni“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Orsīni“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 12 (1888), Seite 455456
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Orsīni. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 455–456. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ors%C4%ABni (Version vom 26.08.2022)

[455] Orsīni (Ursini, franz. Ursins), berühmtes röm. Fürstengeschlecht, Rival der Familie Colonna, Anhänger der guelfischen Partei und des Papsttums, das seinen Stammbaum auf den römischen Ritter Vipio Ursinus zurückführt, teilte sich um 1200 durch die drei Söhne des Matthäus Rubeus O. in drei Linien, von denen die jüngste, O.-Gravina, gestiftet [456] von Napoleon O., noch gegenwärtig in Rom blüht und den Fürsten Philipp, geb. 10. Dez. 1842, zum Haupt hat. Jener Matthäus Rubeus oder Rossi war der erste, der als Präfekt von Rom 1154 gegen Kaiser Friedrich I. die Waffen ergriff, wofür ihm der Papst den Titel „Vater des Vaterlandes“ verlieh und ein mit Edelsteinen geziertes Stirnband schenkte, welches der im Orsinischen Wappen befindlichen Binde die Entstehung gegeben haben soll. Johann Cajetan O. bestieg als Nikolaus III. 1277 den päpstlichen Stuhl. Francesco O. ward 1417 zum ersten Grafen, sein Sohn Jacopo O. 1463 zum Herzog von Gravina und Beroald O. 1724 zum deutschen Reichsfürsten und später zum Fürsten des päpstlichen Stuhls ernannt. Andre berühmte Glieder des Geschlechts waren: Niccolò O., Graf von Petigliano, geb. 1442, diente als General dem Haus Anjou in den Kriegen um Neapel, der Republik Siena, dem Papst Sixtus IV., den Florentinern, endlich seit 1495 den Venezianern. Beim Ausbruch des Kriegs mit der Liga von Cambrai als Generalkapitän an die Spitze der venezianischen Heere gestellt, eroberte er Padua und verteidigte es mit Erfolg gegen die kaiserliche Armee. Er starb 1510 in Lunigo bei Vicenza. – Virginio O., Herr von Bracciano, einer der ausgezeichnetsten Feldherren Italiens, ergriff in dem Krieg des Papstes Sixtus IV. mit dem Herzog von Ferrara Partei für den Papst und siegte 1482 bei Campo Morto über die Neapolitaner. In dem Krieg Neapels gegen die Franzosen stand er erst auf seiten der erstern, später (1496) der letztern Macht, geriet aber bei der Kapitulation zu Atella mit seinem Bruder Paolo O. in neapolitanische Gefangenschaft und starb 1497. – Paolo Giordano, geb. 1541, ward 1560 von Pius IV. zum Herzog von Bracciano erhoben, kommandierte 1566 des Papstes Paul IV. Truppen, als die Türken Italiens Küsten bedrohten, und führte in dem Feldzug von 1571 das Kommando über die gesamten italienischen Völker; starb 1585 in Salo am Gardasee. – Anna Maria, Fürstin O., geb. 1643, Tochter des Prinzen de la Trémoille, heiratete zuerst den Fürsten Talleyrand-Chalais, der 1670 starb, dann zu Rom 1675 den Herzog O.-Bracciano, der 1698 starb. Hierauf zur Oberhofmeisterin (camarera-mayor) der jungen Königin von Spanien, ersten Gemahlin Philipps V., ernannt, beherrschte sie diese und durch sie den König und leitete die Regierung Spaniens. Nach dem Tode der Königin (1714) empfahl sie Philipp als zweite Gemahlin Elisabeth Farnese in der Hoffnung, auch bei dieser ihren Einfluß zu behaupten, wurde aber von derselben sofort aus Spanien verwiesen und starb 1722 in Rom. Vgl. Combes, La princesse des Ursins (Par. 1858). – Der Herzog Pietro Francesco O. bestieg 1724 als Benedikt XIII. den päpstlichen Stuhl. Er hatte abermals einen O., Lorenzo, unter dem Namen Clemens XII. zum Nachfolger, der 1740 starb. – Von den O. leitet auch das deutsche Fürstenhaus Rosenberg seinen Ursprung her und nennt sich O. und Rosenberg.

Orsīni, Felice, Graf von, durch ein Attentat auf Napoleon III. bekannt, geb. 1819 zu Meldola in der römischen Delegation Forli, ward Rechtsanwalt, nahm an der Verschwörung der Brüder Bandiera 1844 teil und ward deshalb zu lebenslänglicher Galeerenstrafe verurteilt, 1846 aber begnadigt. 1854 wiederum an Revolutionsversuchen in Italien beteiligt, flüchtete er endlich nach England, wo er Sprachunterricht erteilte und Vorlesungen über italienische Litteratur hielt. Als Leiter eines gegen das Leben Napoleons III., als Verräters an der italienischen Sache, gerichteten Komplotts, welches das Attentat vom 14. Jan. 1858 zu Paris zur Folge hatte, ward er tags darauf verhaftet, vor Gericht gestellt und 13. März d. J. hingerichtet.