MKL1888:Peloponnēs

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Peloponnēs“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 816817
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Peloponnēs. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 816–817. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Peloponn%C4%93s (Version vom 25.04.2023)

[816] Peloponnēs (griech. die Peloponnesos), im Altertum Name der südlichen, später Morea (s. d.) genannten Halbinsel Griechenlands, welche durch den Korinthischen Isthmus mit dem Festland zusammenhängt und die Landschaften Arkadien, Achaia, Elis, Messenien, Lakonien, Argolis und Korinth umfaßte. Die in alter Zeit stark bewaldeten und von zahlreichen Gewässern durchschnittenen Gebirge, welche das Land erfüllen, gaben diesem einen rauhen Charakter, und bei der geringen Anzahl ausgedehnterer Ebenen, wie der von Argos, Sparta, Messenien und der im nördlichen Elis, waren die Bewohner mehr auf Viehzucht als auf Ackerbau und nächstdem bei der großen Ausdehnung der tief ins Land einschneidenden Küsten vorzüglich auf Schiffahrt und Handel angewiesen, obwohl in letzterer Beziehung nur die Korinther Erhebliches leisteten. Jetzt ist das Land infolge der Ausrottung der Wälder weniger gesund, heißer und dürrer als im Altertum. Daher ist der Anbau mit Ausnahme der bewässerten Gegenden dürftig; die alten Städte sind meist nur Trümmerhaufen mit wenigen Bewohnern. Die wichtigsten Produkte sind: Oliven, rohe Seide, Baumwolle, Reis, Feigen und andre Südfrüchte, Honig, Wein und Korinthen; außerdem werden Bienenzucht und im Gebirge Viehzucht, Industrie wenig getrieben. Die Halbinsel zählt auf 22,502 qkm (480,65 QM.) (1879) 743,494 Einw. und zerfällt in die fünf Nomen Achaia, Argolis und Korinthia, Arkadien, Elis, Lakonien und Messenien. S. Karte „Griechenland“. – Die ältesten Bewohner des P. waren neben den vorgriechischen (wahrscheinlich illyrischen) Völkern (Kaukonen, Kynuriern, Azanen, Epeiern und Lelegern) vornehmlich zur See von O. her eingewanderte Griechen (Hellenen) oder Pelasger, daher der ältere Name Pelasgia für P. Den lebhaften Verkehr, welchen vorzugsweise Argos mit dem Orient unterhielt, drückt die Sage dadurch aus, daß sie dorthin Danaos aus Ägypten und Pelops aus Kleinasien einwandern läßt. Nach letzterm, dem Stammvater der Atriden, wird die Halbinsel seit dem 7. Jahrh. Pelopsinsel genannt. Auch Ionier wanderten ein und besetzten die Nordküste Ägialeia (später Achaia). Der herrschende Adel, die Achäer, gründete im S. und O. einige Königreiche, wie Argos, Sparta und Pylos in Messenien. Eine völlige Umwälzung brachte die dorische Einwanderung unter Anführung der Herakliden, angeblich 1104 v. Chr., hervor. Die Dorier überwältigten die Achäer und stifteten drei Reiche: Argos als der alte Stammsitz fiel dem ältesten Sohn des Königs Aristomachos, Temenos, Messenien dem Kresphontes, Lakonien den unmündigen Söhnen des Aristodemos, Eurysthenes und Prokles, zu. Von da breitete sich die dorische Herrschaft über Korinth, Sikyon und Phlius aus. Von den Achäern blieb ein Teil als zinspflichtige Periöken unter der Herrschaft der Einwanderer zurück, ein andrer warf sich auf die Ionier im N. des P., verjagte diese und besiedelte das Land unter dem Namen Achaia. In Elis endlich, aus dem die Neliden vertrieben wurden, verschmolz die ursprüngliche Bewohnerschaft (Epeier) mit den unter Oxylos gleichzeitig mit den Doriern eingewanderten Äoliern. An der Spitze dieser Staaten stand bis zur Schlacht bei Leuktra unbestritten der Militärstaat Sparta mit Messenien, das nach wiederholten hartnäckigen Kämpfen und nach tapferer Gegenwehr völlig in seine Gewalt geraten war. Die übrigen, durch ihre Zersplitterung in viele kleine unabhängige Staaten und Städte und deren eifersüchtige Bestrebungen untereinander gelähmt, bildeten zusammen zwar und mit Sparta vereint, wie im Peloponnesischen Krieg, eine bedeutende Macht; einzeln betrachtet aber waren sie politisch nicht hervorragend, mit Ausnahme von Korinth, das neben Sparta wiederholt eine Rolle zu spielen vermochte. Nach der Vernichtung des Achäischen Bundes (146 v. Chr.) wurde der P. unter dem Namen Achaia römische Provinz. Die Römer bezeichneten sogar ganz Hellas als Provincia Achaia. Als Bestandteil des oströmischen Reichs bildete der P. eine eigne, von Strategen verwaltete Provinz. Nachdem er schon zur Zeit der Völkerwanderung von den Goten und Vandalen verheert worden war, wurde er in der zweiten Hälfte des 8. Jahrh. die Beute einwandernder Slawenhaufen, die sich namentlich am Fuß des Taygetos festsetzten. Es entstanden um diese Zeit neben den althellenischen Stadtgemeinden slawische Gemeinwesen, welche sich unter eigentümlicher Stammverfassung zu besondern Distrikten (Zupanien) vereinigten, nach und nach aber von den byzantinischen Griechen unterworfen und gräzisiert wurden. Nur allmählich begann durch die Verschmelzung der slawischen und hellenisch-romäischen Bevölkerung zu einem Ganzen eine regsame Betriebsamkeit und ein lebendiger Verkehr in den Seestädten Moreas, wie der P. damals genannt wurde, so daß dieselben den Versuchen der Araber, im P. festen Fuß zu gewinnen, erfolgreichen Widerstand entgegensetzen konnten. Dagegen erschütterten die Bulgarenstürme auch einen Teil des P. (995), und vom Ende des 11. Jahrh. an suchten die Normannen das Land heim. 1205 gründete Wilhelm v. Champlitte im westlichen Teil vom P. bis zu dem Fuß des Taygetos hin ein fränkisches Fürstentum, das 1209 auf Gottfried v. Villehardouin überging. Der 1261 nach Konstantinopel zurückgekehrte griechische Kaiser Michael VIII. Paläologos eroberte zwar einen Teil des P. zurück, der sodann zwei paläologische Despotate, Patras und Mistra, bildete; das Fürstentum Achaia blieb aber als Lehen des Königreichs Sizilien im Besitz der Familie Villehardouin, bis es 1346 nach Erlöschen des Mannesstamms derselben bei der Menge auftretender Prätendenten den Osmanen leicht wurde, sich des größten Teils des P. zu bemächtigen (1461). Dagegen blieben Modon, Koron, Argos, Napoli di Romania und einige andre wichtige Punkte im Besitz der Venezianer und wurden Veranlassung erbitterter Kämpfe zwischen der Republik Venedig u. den Türken. [817] Erst nachdem alle Kykladeninseln der türkischen Herrschaft einverleibt worden waren, verstand sich Venedig im Frieden von 1540 zur Räumung seiner letzten Besitzungen auf dem griechischen Festland. Der P. bildete seitdem ein türkisches Sandschak mit der Hauptstadt Tripolizza, welches von dem zu Modon residierenden Mora-Bei unter der Jurisdiktion des Beglerbegs von Griechenland verwaltet wurde. Nachdem sich Venedig 1684 dem Bündnis gegen die Pforte angeschlossen, eroberte der venezianische Feldherr Morosini den ganzen P., der durch den Frieden von Karlowitz 1699 förmlich wieder an die Republik Venedig fiel. Aber schon 1714 ward die Halbinsel von den Türken wiedererobert, und der Friede von Passarowitz (21. Juli 1718) bestätigte diese in dem Besitz derselben. Von nun an teilte der P. die Geschicke Griechenlands (s. d., S. 708 ff.). Vgl. Curtius, P., historisch-geographische Beschreibung (Gotha 1851–1853, 2 Bde.); Buchon, Histoire de la domination française aux XIII., XIV. et XV. siècles dans les provinces de l’empire grec (Par. 1840, 2 Bde.); Fallmerayer, Geschichte der Halbinsel Morea (Stuttg. 1830–36, 2 Bde.); Beulé, Études sur le Peloponnèse (2. Aufl., Par. 1875).