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MKL1888:Pflanzenhandel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pflanzenhandel“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Pflanzenhandel“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 12 (1888), Seite 962
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Pflanzenhandel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 962. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pflanzenhandel (Version vom 05.04.2024)

[962] Pflanzenhandel, der Handel mit lebenden Pflanzen sowie mit Zwiebeln und Knollen, welcher erst mit der Entwickelung des Eisenbahnwesens größere Dimensionen angenommen hat. Sonst beschränkte sich der Verkehr mehr auf seltene und wertvolle oder durch die Mode begünstigte und oft als Spekulationsobjekte der Liebhaberei für schwindelhafte Preise vertriebene Pflanzen (vgl. Tulpe); gegenwärtig aber hat sich die Massenproduktion auf gewöhnliche, billige Pflanzen geworfen, welche nun in weite Ferne verschickt werden. Die Handelsgärtnerei, welche sonst einen lokalen Halt haben mußte, daher sich an verkehrsreiche Städte band, ist vielfach auf das Land verpflanzt worden, besonders in Gegenden mit günstigen Produktionsbedingungen, wozu besonders gute Heideerde gehört. Zugleich hat sich eine Arbeits- oder vielmehr Pflanzenteilung ausgebildet, indem einzelne Gärtner und Orte nur oder hauptsächlich gewisse Pflanzen ziehen und vertreiben. Die Geschäftsvermittelung bilden seit einigen Jahren gärtnerische Anzeigeblätter, sogen. Offertenzeitungen. Der jetzige P. ist großenteils international und besonders lebhaft zwischen Deutschland, Belgien, Holland, England, Frankreich, Rußland und Nordamerika. Der deutsche P. steht etwa dem von Frankreich gleich, kann sich aber nicht mit dem von Belgien und England messen. Deutschland zieht und exportiert massenhaft grüne Dekorationspflanzen, einschließlich Zimmerpalmen, besonders viele Gummibäume und Dracänen, und für diese und Maiblumenkeime war bis jetzt Berlin der Hauptproduktionsplatz (daher „Berliner Artikel“). Leipzig und Dresden haben namentlich Camellia, Rhododendron, Azalea, Erica („Dresdener Artikel“). In Frankreich herrschen im Export die Baumschulenprodukte und Rosen vor. Nancy liefert Massen von neuen „Florblumen“. Holland hat neben dem weltbekannten Blumenzwiebelhandel die zahlreichsten Baumschulen, mit deren Artikeln es sogar England versieht. Belgien liefert hauptsächlich holzige Topfpflanzen, neue exotische Einführungen und Obstbäume. Der Hauptsitz für den belgischen P. ist Gent. England verbreitet nur seltene Pflanzen in das Ausland, zieht aber für eignen Bedarf Musterzierpflanzen wie sonst kein Land. Eine wichtige Stelle nimmt gegenwärtig die Einführung neuentdeckter Pflanzen und der Orchideen ein. Belgien und England, weniger Deutschland, unterhalten stets reisende Sammler, wovon die Mehrzahl Deutsche sind. Gegenwärtig liefert Japan, nächstdem Mittel- und das westlichste Nordamerika, auch Australien und Afrika die meisten neuen Pflanzen. Gleich wichtig ist der Handel mit künstlich von den Gärtnern neuerzeugten Blumensorten (Fuchsien, Bouvardien, Rosen, Pelargonien etc.). Ferner blüht jetzt der Handel mit abgeschnittenen Blumen, besonders Rosen, vom genuesischen Küstenland, der Riviera, nach Berlin u. a. O. im Winter, mit sogen. Teppichpflanzen, d. h. krautartigen, meist nicht blühenden Pflanzen für sogen. Teppichbeete, welche leicht und schnell anzuziehen sind. Es ist ein Vorzug des Geschäftsbetriebs, daß er sich auf verschiedene Jahreszeiten verteilt, so die Baumschulenartikel auf Frühjahr und Herbst, Blumenzwiebeln hauptsächlich auf August und September; Florblumen und Teppichpflanzen werden im spätern Frühjahr, neue Pflanzen immer, mit Ausnahme des Winters, abgesetzt. Die in Deutschland gezogenen Gummibäume, Dracänen, Palmen etc. werden meist im Spätsommer und Herbst verschickt, um die Anzuchtslokale zu räumen; Kamelien und indische Azalien versendet man im Sommer und Herbst, seltener blühende im Frühling. – In neuerer Zeit hat man angefangen, lebende Blumen, besonders Rosen, zu färben, teils um Ersatz für kostbarere Sorten aus billigern Rosen zu schaffen, teils um die Blumen in Einklang mit der Toilette der Damen zu bringen. In Wien werden weiße Rosen durch Einhängen in eine alaunhaltige Lösung von Pikrinsäure und etwas Anilinorange in Theerosen verwandelt. Blasse Rosen werden mit einer alaunhaltigen Lösung von Eosin und Safranin purpurrot gefärbt, und mit Jodviolett färbt man jede Rose blauviolett. Nelken werden mit Safranin und Kurkuma hell scharlachrot gefärbt, und mit einer heißen Lösung von Fuchsin oder Methylviolett erhalten Blumen und Gräser Kupferbronze. Vgl. Braunsdorf, Das Trocknen und Färben natürlicher Blumen etc. (Wien 1888).