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MKL1888:Photochromie

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Photochromie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 728730
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Photochromie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 728–730. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Photochromie (Version vom 08.04.2024)

[728] Photochromie, Photographie der natürlichen Farben (vgl. Photographie, Bd. 13, S. 20). Schon bald nach Entdeckung der chemischen Wirkung des Lichtes war man bemüht, die Farben auf photographischem Wege wiederzugeben. Seebeck hatte bereits 1810 nachgewiesen, daß sich auf einer aus Silberchlorür [729] und Silberchlorid gemischten lichtempfindlichen Schicht das Sonnenspektrum mit Farben abbildet, welche den wirklichen Spektralfarben ähnlich sind, und J. Herschel hatte 1839 diese Thatsache bestätigt. Im J. 1848 gelang es Edm. Becquerel, auf mit violettem Silberchlorür überzogenen Silberplatten Bilder zu erhalten, welche ziemlich deutlich die Farben des Spektrums zeigten, jedoch der Einwirkung des Tageslichts nicht standhielten, ebenso wie die 1865 von Poitevin ebenfalls mittels Silberchlorür auf Papier erhaltenen Spektralbilder. Zenker hat 1868 die richtige Erklärung von der Entstehung der Farben bei dem Verfahren Becquerels gegeben, aber auch ihm gelang es nicht, die farbigen Bilder zu fixieren. Zahlreiche seitdem gemachte Versuche zur photographischen Wiedergabe der Farben führten keinen Schritt weiter, bis in neuester Zeit (1891) Gabriel Lippmann haltbare Photographien des Sonnenspektrums mit allen seinen Farben herzustellen lehrte. Als lichtempfindliche Schicht dient ein dünnes, durchsichtiges, auf einer Glasplatte ausgebreitetes Häutchen ans Kollodium, Albumin oder Gelatine, in welchem Bromsilber so äußerst fein und gleichmäßig verteilt ist, daß selbst mit dem Mikroskop keine Körnchen wahrnehmbar sind. Diese Platte und eine zweite mit ihr parallele Glasplatte bilden die Vorder- und Hinterwand eines Troges, dessen Seitenwände und Boden aus Kautschukstreifen bestehen, gegen welche die Platten durch federnde Klammern gedrückt werden. In den Trog wird Quecksilber gegossen, welches sich an das nach innen gewendete empfindliche Häutchen der Vorderplatte dicht anschmiegt. Der Trog wird in dem Photographenapparat mit seiner Vorderfläche an die Stelle der matten Glastafel gebracht, auf welcher man vorher das Sonnenspektrum eingestellt hat. Nachdem die hinreichend exponierte Platte wie gewöhnlich entwickelt, mit unterschwefligsaurem Natron fixiert und getrocknet ist, zeigt sie, vor dunklem Hintergrund im reflektierten Lichte betrachtet, die Farben des Spektrums, jede an ihrer richtigen Stelle; im durchgehenden Lichte aber ist das Bild negativ, d. h. es zeigt die komplementären Farben. Die schon von Zenker gegebene Erklärung der Entstehung dieser Farben ist die folgende: Jeder einfallende Lichtstrahl wird, nachdem er die empfindliche Schicht durchlaufen, an der als Spiegel wirkenden Quecksilberfläche in sich selbst zurückgeworfen. Durch das Zusammenwirken (Interferenz) der Schwingungen des einfallenden und des zurückgeworfenen Strahles bilden sich innerhalb der Schicht sogen. stehende Wellen, ähnlich wie innerhalb einer gedeckten Pfeife, in welcher zwei sich begegnende Schallwellen interferieren (vgl. Schall, Bd. 14, S. 397). An jenen Stellen, wo die schwingenden Bewegungen des einfallenden und des zurückgeworfenen Strahles einander entgegengesetzt sind, entstehen Ruhepunkte oder „Knoten“, welche je um eine halbe Wellenlänge voneinander abstehen; die dazwischen liegenden Stellen dagegen, wo beide Schwingungen gleichgerichtet sind und sich unterstützen, sind Punkte stärkster Bewegung oder „Bäuche“; sie sind ebenfalls um je eine halbe Wellenlänge voneinander entfernt (die Existenz solcher „stehenden Lichtwellen“ wurde schon vor den Versuchen Lippmanns von Wiener 1890 nachgewiesen). Es bilden sich also innerhalb der durchsichtigen Schicht und parallel zu ihr Flächen, in welchen die Lichtstärke ein Maximum ist, entsprechend den „Bäuchen“, und abwechselnd mit ihnen solche, in welchen die Lichtstärke Null ist, entsprechend den „Knoten“. Nur die Maxima der Lichtstärke wirken chemisch auf die Platte und lassen an ihren Stellen nach der Fixierung mehr oder weniger stark spiegelnde, aber dennoch durchsichtige, äußerst dünne Silberschichten zurück. Hierdurch wird das Häutchen in eine Reihe sehr dünner übereinander geschichteter Blättchen geteilt, deren Dicke für jede Farbe gleich dem Abstand zweier Maxima (Bäuche), d. h. gleich einer halben Wellenlänge der betreffenden Farbe ist. Fällt nun ein Strahl weißen Lichtes, das sämtliche einfache Farben enthält, auf ein solches dünnes Blättchen, so wird ein Teil des Lichtes an dessen Vorderfläche reflektiert, ein andrer Teil dringt bis zur Hinterfläche und wird dort zurückgeworfen, nachdem er hin und zurück die doppelte Dicke des Blättchens durchlaufen hat. Aber nur für eine einzige der im weißen Lichte enthaltenen einfachen Farben ist der hierdurch bewirkte Wegunterschied der beiden Teilstrahlen eine ganze Wellenlänge, nämlich für diejenige Farbe, welche beim Photographieren auf dieselbe Stelle der Platte gewirkt hat. Indem die beiden Strahlen interferieren, wird nur diese Farbe verstärkt, während sich die übrigen mehr oder weniger schwächen. An jeder Stelle des Bildes haben hiernach die Blättchen genau diejenige Dicke, welche notwendig ist, um durch Interferenz im reflektierten Lichte dieselbe Farbe, welche bei der Exposition dorthin traf, wieder hervorzubringen. Die Farben, welche das Bild zeigt, sind also von derselben Art wie diejenigen der Seifenblasen, d. h. es sind Farben dünner Blättchen, nur sind sie viel reiner und glänzender. Es hat dieses seinen Grund darin, daß innerhalb der empfindlichen Schicht wegen der Kleinheit der Lichtwellen eine sehr große Anzahl solcher Blättchen übereinander gelagert ist, etwa 200, wenn die Schicht z. B. 1/20 mm dick ist. Je mehr aber reflektierende Flächen vorhanden sind, desto reiner und lichtstärker wird die reflektierte Farbe. Denn diese vielen, der Tiefe nach in gleichen Abständen folgenden Flächen bilden eine Art Gitter, welches nur jeweils die Strahlenbündel der Farbe, deren Gangunterschiede eine Anzahl ganzer Wellenlängen ausmachen, verstärkt, diejenigen von andrer Farbe aber durch Interferenz vernichtet.

Eine Schwierigkeit bei der Herstellung einer farbigen Photographie des ganzen Spektrums besteht in dem großen Unterschiede der Wirkungen der verschiedenfarbigen Strahlen auf die lichtempfindliche Substanz. Bekanntlich wirken Rot und Gelb nur äußerst schwach und langsam, Blau und Violett dagegen stark und rasch. Lippmann ließ, um diese Schwierigkeiten zu überwinden, das Sonnenlicht, ehe es zum Apparat gelangte, zuerst durch einen Glastrog mit parallelen Wänden gehen, der eine wässerige Lösung von Helianthin enthielt. Dieser Farbstoff läßt nämlich nur rote und gelbe Strahlen durchgehen und ist undurchlässig für Grün, Blau und Violett. Man exponiert nun so lange, etwa eine Stunde, bis Rot und Gelb die gewünschte Wirkung hervorgebracht haben, ersetzt sodann das Helianthin durch eine konzentrierte Lösung von Kaliumbichromat, welche außer Rot und Gelb auch noch Grün durchläßt, nimmt nach einiger Zeit eine verdünnte Lösung von Kaliumbichromat, welche nur das Violett abhält, während alle übrigen Farben fortfahren zu wirken, und entfernt endlich den Trog ganz, um auch das Violett wirken zu lassen. Das Verfahren ist, wie man sieht, ziemlich umständlich und zeitraubend; auch gelingt mit demselben nur die farbige Darstellung des lichtstarken Sonnenspektrums. In allerneuester Zeit (April 1892) ist es Lippmann gelungen, [730] mittels Bromsilber-Albuminschichten, die mit Azalin und Cyanin orthochromatisch (d. h. für alle Farben empfindlich) gemacht waren, Abbildungen des Spektrums mit seinen richtigen Farben in 5–30 Sekunden zu erhalten. Auch farbige Gegenstände, wie Fahnen, Blumen und Früchte, ein vielfarbiger Papagei, gaben bei 5–10 Minuten Expositionsdauer im elektrischen oder Sonnenlicht Bilder in den natürlichen Farben. Bei Landschaften war das Grün des Laubes, das Grau der Steine vollkommen wiedergegeben, das Himmelblau aber erschien als Indigoblau. Es bleibt also noch übrig, den Orthochromatismus der Platten zu vervollkommnen und ihre Empfindlichkeit beträchtlich zu erhöhen.

Außer diesem direkten heliochromischen Verfahren, das aber leider nur ein einziges Bild liefert und zu den photographischen Vervielfältigungsprozessen ungeeignet ist, gibt es nun noch ein zweites, welches die photographischen Vervielfältigungsprozesse als Grundlage nimmt.

Schon 1865 äußerte Ransonnet in Österreich die Idee, farbige Photolithographien herzustellen. Er wollte drei Aufnahmen nach demselben farbigen Gegenstand fertigen, eine durch ein rotes, eine zweite durch ein blaues, eine dritte durch ein gelbes Glas, die er nach photolithographischer Manier auf Steine zu kopieren gedachte. Das Resultat würden dann drei abdruckbare Steine sein, wo bei dem ersten nur die roten, bei dem zweiten nur die gelben, bei dem dritten nur die blauen Strahlen gewirkt haben sollten, und die dann, mit zweckmäßig gewählten Farben nach Art des Farbendruckes auf dasselbe Blatt übereinander gedruckt, Photographien in Naturfarbe liefern sollten („Photographische Korrespondenz“, VI, S. 199). Dasselbe Prinzip stellten 1869 Cros und Ducos du Hauran in Paris auf (diese wählten als sogen. Grundfarben Rotgelb, Violett und Grün). Die praktische Durchführung desselben scheiterte aber zunächst daran, daß es keine photographische Schicht gab, welche für Gelb und Rot genügend empfindlich war. Solche ließ sich erst herstellen nach der Entdeckung der farbenempfindlichen Verfahren durch H. W. Vogel 1873, und nun versuchten Cros und Ducos das von Waterhouse vorgeschlagene Eosin zur Durchführung ihrer Farbenphotographie. Ihnen folgte Albert in München, der den Lichtdruck in das Verfahren einführte und im J. 1876 sehr interessante Leistungen damit erzielte. Bei dem gedachten photographischen Buntdruckverfahren verlangt man eigentlich drei negative Platten: eine, in welcher alle Töne gewirkt haben außer Rot, diese liefert die Lichtdruckplatte für Rot; eine zweite, in welcher alle Töne gewirkt haben außer Blau, diese liefert die Lichtdruckplatte für Blau; und endlich eine, in welcher alle Töne gewirkt haben außer Gelb, diese liefert die Lichtdruckplatte für Gelb. Das Prinzip wird sofort verständlich, wenn man an die gewöhnliche schwarze Photographie denkt. Diese verlangt ein Negativ, in welchem alle Töne gewirkt haben außer Schwarz, und solches Negativ liefert, in Schwarz kopiert, ein richtiges positives Bild (vgl. Vogel, Lehrbuch der Photographie, 3. Aufl., S. 158). Der große Übelstand bei diesem genial erdachten Verfahren war aber die Wahl der Druckfarben Rot, Gelb und Blau. Welches Rot, welches Gelb genommen werden sollte, blieb dem Belieben des Druckers überlassen (die Angabe Ducos’, die „Komplementärfarben“ zu dem angewendeten Strahlenfilter zu nehmen, wurde bereits 1885 von H. W. Vogel als eine gänzlich haltlose hingestellt; s. dessen „Photographie farbiger Gegenstände“, Berl. 1885, S. 137). Der Drucker wählte das, was ihm am besten paßte, und so konnte von Naturähnlichkeit keine Rede sein. Dieser Fehler trat dann in den Resultaten auch in sehr auffallender Weise hervor. Albert publizierte ein Stück buntgemusterten Kattuns in diesem „heliochromischen Verfahren“. Es wurde viel bewundert, weil man das Original nicht daneben sah; bei Vergleich des letztern mit der Kopie merkte man aber die Farbenunterschiede in der auffallendsten Weise. Keine Farbe stimmte mit der Naturfarbe überein. Der Grund dieser Abweichungen lag aber nicht nur in der willkürlichen Wahl der Druckfarben, sondern in dem lichtempfindlichen Material. Als solches wendeten K. Ducos und Albert ausschließlich Eosinkollodium an, welches im wesentlichen grüngelbempfindlich ist, dagegen viel weniger blauempfindlich und ganz schwach rotempfindlich. Damit konnte man dem geschilderten Prinzip nicht gerecht werden, selbst nicht bei Anwendung von sogen. Strahlenfiltern, d. h. blauen, roten und gelben Gläsern, durch welche die Originale aufgenommen wurden. H. W. Vogel, welcher diese Fehler bereits 1885 erkannte, veröffentlichte a. a. O. ein verbessertes, heliochromisches Verfahren, welches darin besteht: 1) daß anstatt eines einzigen optischen Sensibilisators (wie bei Ducos) deren mehrere angewendet werden, und zwar jeder für sich in besonderer Platte, so z. B. ein Sensibilisator für Rot, einer für Gelb, einer für Grün, einer für Blaugrün (für Blau ist keiner nötig, da Bromsilber ohnehin blauempfindlich ist). Fünf Jahre später stellte Ives ein analoges Prinzip auf, wobei er freilich zuerst nur Darstellungen durch die Laterna magika im Auge hatte, und ließ sich dasselbe patentieren; 2) daß die optischen Sensibilisatoren zugleich die Druckfarbe für die damit gewonnenen Platten bilden, oder aber, wenn die Sensibilisatoren selbst nicht als Druckfarbe dienen können, eine ihnen spektroskopisch möglichst ähnliche gewonnen wird.

Die letzte Bedingung ist verständlich, wenn man in Betracht zieht, daß die Druckfarbe die Farbenstrahlen reflektieren muß, welche von der betreffenden farbenempfindlichen Platte nicht verschluckt werden, oder umgekehrt die Farben nicht reflektieren darf, welche von der farbengestimmten Platte absorbiert werden.

Dieses Verfahren ist nicht, wie so viele andre, Vorschlag geblieben. Es ist von Ulrich praktisch versucht worden, und dieser erzielte damit schon bei den ersten Versuchen Erfolge, die auf der Kongreßausstellung in Berlin 1890, im Verein zur Förderung der Photographie und auf der deutschen Ausstellung in London 1891 ungeteilte Anerkennung fanden. Die neuesten Resultate, die Ulrich im Verein mit E. Vogel erlangte, der neue „Strahlenfilter“ und neue Sensibilisatoren einführte, sind bereits in die Praxis gedrungen (vgl. „Photographische Mitteilungen“ 1891).

Jetzt ist das Verfahren in Händen einer Gesellschaft für Naturfarbenlichtdruck (Direktion: N. Paechter, Berlin), die bereits hervorragende Meisterwerke von Menzel, Knaus, Graeb etc. damit vervielfältigt hat.