MKL1888:Photogrammetrie
[15] Photogrammetrie (griech.), die Methode, aus Photographien auf mathematisch-konstruktivem Weg die Maße der dargestellten Gegenstände abzuleiten, resp. danach Karten oder Grund- und Aufrisse zu konstruieren. Die photographischen Bilder sind genaue „Zentralperspektiven“, d. h. jeder Bildpunkt liegt auf der geraden Linie, welche vom Gegenstand durch den optischen Mittelpunkt der Linse gezogen werden kann. Sind abc (s. Figur, S. 16) drei Gegenstände in der Natur, K eine Camera, l die Linse derselben, so liegen die Bilder der betreffenden Gegenstände auf den verlängerten geraden Linien ao, bo, co, d. h. in a′b′c′, sie haben daher im Bild genau dieselbe Lage zu einander wie in der Natur. Ein gutes photographisches Bild kann daher dazu dienen, die Lage der Gegenstände in der Natur genau zu bestimmen, d. h. Karten des betreffenden aufgenommenen Terrains zu konstruieren. Denkt man sich beispielsweise das Bild, welches in der im Grundriß sichtbaren Camera K senkrecht steht, flach auf das Papier heruntergeklappt, konstruiert man ferner im Mittelpunkt des Bildfeldes (hier bei [16] dem Baum in b′) eine senkrechte Linie, die man gleich der Brennweite ob′ macht, so braucht man nur, der Figur folgend, die Linien c′o a′o und F′o zu konstruieren, um sofort die Richtungen zu finden, in welchen der Turm, die Fahne und die Bäume von dem Platz P aus gesehen werden. Macht man nun eine zweite Aufnahme von einem Punkt P′, dessen Entfernung von P man kennt, so bekommt man ein zweites Bild c″b″a″, welches natürlich wegen Veränderung des Standpunktes ganz anders aussieht
Photogrammetrie. | |
als das erste. Klappt man dieses Bild an dem betreffenden Standpunkt ebenfalls herunter und trägt eine Linie b″o, deren Länge gleich der Brennweite ist, auf, so geben die Linien a″o, b″o, c″o wieder die Richtungslinien von abc an. Wenn diese Linien auf dem Papier hinreichend verlängert werden, so schneiden sie sich in Punkten, deren Lage genau der Lage der Gegenstände entspricht, und somit hat man in zwei Aufnahmen von zwei Punkten ein Mittel, eine Karte zu konstruieren, in welcher die Lage aller Punkte, die in beiden Bildern enthalten sind, genau angegeben ist. Man kann demnach dasjenige, was man in der trigonometrischen Meßmethode mit langwierigen Theodoliten- oder Bussolenmessungen ausführt, durch die Photographie mit Einem Schlag erreichen. Dies ist von hoher Bedeutung im Krieg, wo oft infolge der Beunruhigungen von Feindesseite nicht die nötige Muße vorhanden ist, um Winkelmessungen auszuführen, oder auf Forschungsreisen, wo die Dauer des Aufenthalts an jedem einzelnen Punkt oft viel zu kurz ist, um Messungen zu machen. Bekanntlich kann man aus Grundriß und Aufriß eines Gebäudes konstruktiv ein perspektivisches Bild entwerfen. Ebenso ist es möglich, aus korrekten Photographien eines Gebäudes, welche genaue Zentralperspektiven bilden, durch Rückwärtskonstruktion der Perspektive Grundriß und Aufriß, d. h. die Maße der einzelnen Architekturteile, zu gewinnen. Solches ist von Wert, wenn es an Zeit zu Spezialmessungen fehlt, oder wenn der Gegenstand, z. B. hohe Architekturteile, schwer erreichbar ist. Laussedat in Paris bewies zuerst die praktische Ausführbarkeit dieser Methode für Terrainaufnahmen 1862. Später (1867) wurde sie von Meydenbauer in Deutschland für Terrain- und Gebäudeaufnahmen verwendet. Meydenbauer gab dem Verfahren den gegenwärtigen Namen. Der königlich preußische Generalstab probierte die Methode für Terrainaufnahmen 1867–70, gab sie aber wieder auf. Im J. 1886 wurde sie noch einmal aufgenommen, aber wiederum beiseite gestellt, weil sich eine Erleichterung der Arbeit und größere Genauigkeit gegenüber den gewöhnlichen Meßmethoden für die Zwecke des Generalstabs nicht ergab. Gegenwärtig wird die Methode unter Leitung von Meydenbauer von der königlich preußischen Kommission für Erhaltung der Kunstdenkmäler verwendet. Die Schwierigkeiten der Methode beruhen einerseits in der Thatsache, daß die Photographie die Umrisse der Gegenstände nicht immer mit der wünschenswerten Schärfe und Distinktion wiedergibt, anderseits in der sehr diffizilen Art des Zeichnens nach Photographien. Vgl. Heusinger v. Waldegg, Handbuch der Ingenieurwissenschaften, 1. Teil, S. 89 (2. Aufl., Leipz. 1883); Pietsch in den „Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß“, 1886 (Berl.); Remelé, Landschaftsphotographie (3. Aufl., das. 1884).
[730] Photogrammetrie (Bildmeßkunst), diejenige Messungsmethode, bei welcher man die für Winkelbestimmung nötigen Maße aus besonders zu diesem Zwecke aufgenommenen Photographien entnimmt, indem das perspektivische Bild bei bekannter Stellung der Bildebene zum Gesichtspunkte die erforderlichen Bestimmungsstücke für alle abgebildeten Punkte enthält, wenn der Winkel bekannt ist, welchen die Richtung nach einem derselben mit der Standlinie einschließt. Denkt man sich das Bild auf einer vertikalen [731] Bildebene entstanden, so läßt sich die Konstruktion von Horizontal- und Vertikalwinkeln für die den Bildpunkten entsprechenden Richtungen ausführen, wenn die vom Gesichtspunkt auf die Bildplatte gefällte Senkrechte ihrer Größe und Lage nach bekannt und der Horizont des Gesichtspunktes im Bilde bezeichnet ist. Diese beiden Größen aber, die Bildweite und die Bildhorizontale, lassen sich ebenso wie die zu letzterer senkrecht stehenden Hauptvertikalen aus dem photogrammetrischen Apparat bestimmen. Man mißt also eine Standlinie in horizontaler Projektion, projiziert mit Hilfe der vertikalen Kippebene des Theodoliten in jedem Standpunkte die Richtung nach dem festzulegenden Punkt auf dem Horizonte der Station und verlängert sie bis zum Schnitte. Dieser bestimmt die Lage des Punktes in der Horizontalprojektion. Sodann berechnet man aus der gefundenen horizontalen Entfernung und aus dem gemessenen Höhenwinkel die Höhe des Punktes über jedem Standpunkt. Bei den photogrammetrischen Messungen kann man nur allein das durch die unmittelbare Aufnahme erhaltene Negativ auf der Glasplatte benutzen, nicht den Abzug desselben auf Papier. Letzterer gibt infolge der Verziehungen, welche das Papier bei dem photographischen Prozeß erleidet, kein perspektivisch richtiges Bild der Gegenstände. Man muß daher die gegenseitige Lage der Bildpunkte in den Glasnegativen durch Koordinaten bestimmen und diese der graphischen Darstellung oder einer Berechnung zu Grunde legen. Die Aufgabe der P. besteht demnach im wesentlichen darin, aus dem photographischen Bilde für bestimmte Richtungen die Horizontal- und Vertikalwinkel abzuleiten. Unter dem Horizontalwinkel zwischen zwei Richtungen versteht man den Winkel, welchen die Vertikalprojektionen derselben auf den Horizont einschließen, unter Vertikalwinkel den Winkel zwischen der Richtung selbst und ihrer Vertikalprojektion auf den Horizont. Bei einem Theodoliten kann man diese Winkel an seinem Horizontal- und Vertikalkreis ablesen. Koppe hat nun einen photographischen Theodoliten oder Phototheodoliten hergestellt, der allen Bedingungen, die man an ein zuverlässiges Winkelmeßinstrument stellen muß, entspricht (s. Abbildung) und zu allen Winkelmessungen für geodätische oder astronomische Zwecke in gewöhnlicher Weise benutzt werden kann. Die einzige Abweichung des Instruments von der gebräuchlichen Form mit exzentrischem Fernrohr ist die in der Mitte erweiterte und konisch ausgedrehte Fernrohrachse, in welche die metallene photographische Camera eingesetzt werden kann. Durch geeignete Vorrichtungen ist dafür gesorgt, daß die optische Achse der photographischen Camera stets in gleicher Lage erhalten wird. Im übrigen kann der Phototheodolit ganz in gleicher Weise wie ein Theodolit gehandhabt werden. Der Apparat hat keine Kassetten, beim Plattenwechsel muß daher die ganze Camera in den Wechselsack gesteckt werden. Die photographische Platte legt sich in der Camera mit ihrer lichtempfindlichen Seite gegen einen metallenen Rahmen, welcher durch kleine Einschnitte in Zentimeter geteilt ist. Bei dem Exponieren wird diese Einteilung mit abgebildet, und die mittlern Marken sind so angebracht, daß ihre Verbindungslinien auf der Platte die Bildhorizontale und die Hauptvertikale angeben.
Koppes Phototheodolit. | |
Durch die allgemeine Anwendung der Trockenplatten ist die Verwertung der Photographie zu Messungszwecken jetzt wesentlich vereinfacht worden. Eine wichtige Rolle dürfte die P. dereinst in der Meteorologie spielen, denn alle sichtbaren Vorgänge in unsrer Atmosphäre lassen sich mit ihrer Hilfe objektiv darstellen und messen, wie z. B. Bildung, Höhe und Bewegung der Wolken, Gestalt und Weg elektrischer Entladungen etc. Ihre Hauptverwendung wird sie aber im Hochgebirge finden, wo sie ein unschätzbares Hilfsmittel abgeben wird, die Topographie nach wirklichen Messungen anstatt nach Handzeichnungen und Skizzen zu gestalten. Als Beispiel für das Verfahren hat Professor Koppe eine Terrainaufnahme des Roßtrappefelsens im Harz auf Grund einer kleinen Triangulation und drei photographischer Bilder veröffentlicht. Diese Aufnahme, welche ein Gebiet von 0,04 qkm umfaßt, ist neben einem [732] etwas ausgedehntern, von Jordan ausgeführten Plane der Oase Dachel in der Libyschen Wüste die einzige in Deutschland veröffentlichte Probe des photogrammetrischen Verfahrens. Dagegen ist in Italien die photographische Terrainaufnahme oder Phototopographie, wie sie dort heißt, schon seit einem Jahrzehnt in Übung, und es sind schon große Strecken alpinen Gebietes photogrammetrisch aufgenommen und verarbeitet worden.