MKL1888:Piperazin

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Piperazin“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Piperazin“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 19 (Supplement, 1892), Seite 736
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Piperazin
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Piperazin. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 736. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Piperazin (Version vom 12.04.2022)

[736] Piperazin (Diäthylendiamin, Äthylenimin) C4H10N2, eine chemische Verbindung, die als ein Piperidin C5H11N aufzufassen ist, in welchem eine CH2-Gruppe durch die NH-Gruppe ersetzt ist. Hofmann erhielt sein Diäthylendiamin aus Äthylenbromid und Ammoniak, Ladenburg sein Äthylenimin aus salzsaurem Äthylendiamin. Beide Darstellungsweisen sind außerordentlich schwierig, und erst seitdem Majert eine bequemere angegeben, hat das P. praktische Bedeutung gewonnen. Es bildet glasglänzende Tafeln, ist geschmacklos, sehr hygroskopisch, in Wasser außerordentlich leicht löslich, schmilzt wasserfrei bei 104–107° und siedet bei 145°. Es reagiert stark alkalisch, wird von übermangansaurem Kali wahrscheinlich zu Glykokoll oxydiert, widersteht aber der Chromsäure und der rauchenden Schwefelsäure. Salzsaures P. kristallisiert in langen seidenglänzenden Spießen, ist in Wasser sehr leicht, in Alkohol schwerer löslich. In Dosen von 2 g und mehr ist P. vollkommen ungiftig. Besonders bemerkenswert ist sein Verhalten zu Harnsäure. Die kalte wässerige Lösung von P. löst zwölfmal soviel Harnsäure wie kohlensaures Lithion unter gleichen Verhältnissen. Harnsaures P. ist in Wasser von 17° siebenmal leichter löslich als harnsaures Lithion, auch bildet P. niemals mit Harnsäure ein saures, sondern immer das leicht lösliche neutrale Salz. Im Organismus unterliegt P. nicht oder nur zum Teil der Oxydation, wenigstens läßt es sich nach Einnehmen von 1 g im Harn leicht nachweisen, und zwar noch nach 1,5 Tagen. Das Verhalten gegen Harnsäure läßt es als besonders geeignet zur Bekämpfung der harnsauren Diathese und deren Folgezustände, wie Gicht, Harngries, Harnsteine, erscheinen, und soweit bis jetzt die Erfahrungen reichen, bewährt es sich gegen diese Leiden sehr gut. Versuche mit einprozentiger Piperazinlösung zeigten, daß dieselbe Harngries mit größter Leichtigkeit und Harnsteine in wenigen Stunden löst. Brogniart hatte vor einiger Zeit in Hoden eine Substanz, das Spermin, entdeckt, welches er als Regenerator für geschwächte Naturen empfahl. Die Sache erregte ein gewisses Aufsehen, doch zeigte sich nur zu bald, daß die auf das Spermin gesetzten Hoffnungen eitel waren. Ladenburg sprach dann die Vermutung aus, daß das Spermin mit dem von ihm dargestellten P. identisch sei. Diese Vermutung hat sich später als irrig erwiesen, aber die auf das P. gerichteten Studien ließen in demselben ein Arzneimittel erkennen, welches sehr viel wichtiger erscheint als das Spermin.