Zum Inhalt springen

MKL1888:Pistōja

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pistōja“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Pistōja“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 13 (1889), Seite 92
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Pistoia
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Pistōja. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 92. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pist%C5%8Dja (Version vom 02.11.2024)

[92] Pistōja, Kreishauptstadt in der ital. Provinz Florenz, am Fuß der Apenninen in fruchtbarer Ebene, an der Eisenbahn von Florenz nach Bologna (mit Abzweigung nach Lucca) gelegen, im Viereck erbaut und von einer Stadtmauer mit fünf Thoren nebst einer im SO. gelegenen Citadelle umgeben, trägt noch ganz das Gepräge der altflorentinischen Republik. Auf dem großen, mit der Statue des Kardinals Forteguerri geschmückten Domplatz erhebt sich die Kathedrale San Jacopo, ein romanischer Bau aus dem 12. und 13. Jahrh., mit Glockenturm, Vorhalle mit Terrakotten von A. Robbia, im Innern in drei Schiffe gegliedert (mit Grabmälern des Dichters und Rechtsgelehrten Cino da P. und des Kardinals Forteguerri, Gemälden von Lorenzo di Credi u. a. und einem 1286 begonnenen, erst 1407 vollendeten prachtvollen Silberaltar mit zahlreichen Reliefs und Statuen). Auf demselben Platz steht die Taufkirche (Battisterio, 1300 nach der Zeichnung Andrea Pisanos erbaut) mit schönen Statuen über der Hauptthür. Andre bemerkenswerte Kirchen sind: San Bartolommeo (im 12. Jahrh. im toscanisch-romanischen Stil neuerbaut) mit schöner, von Guido da Como 1250 vollendeter Kanzel aus weißem Marmor; Sant’ Andrea mit der prächtigen, 1301 vollendeten Kanzel von Giovanni Pisano; Madonna dell’ Umiltà (1495–1509 erbaut) mit schöner Vorhalle und großem viereckigen, mit einer Flachkuppel gedecktem Zentralraum; San Giovanni Fuoricivitas mit interessanter Nordfassade (von 1180), im Innern mit schöner Kanzel von 1270, einem Weihwasserbecken von Giovanni Pisano und Terrakotten von A. Robbia u. a. Hervorragende weltliche Gebäude sind: der Palazzo del Pretorio (jetzt Justizpalast) mit prächtigem Hof und altem steinernen Richtersitz; der Palazzo del Comune (1295–1353 im italienisch-gotischen Stil erbaut); das große Spitalgebäude (Ospedale del Ceppo, 1277 gegründet), mit Säulenhalle und einem schönen Relieffries von einem Robbia (1525); der bischöfliche Palast; die Privatpaläste Panciaticchi (von 1313), Cancellieri; das Theater u. a. Die Zahl der Einwohner beträgt (1881) 20,190, mit Einschluß des ländlichen Gemeindegebiets 51,552. Ihr Dialekt gilt als einer der reinsten Italiens. P. hat Eisen-, Stahl- und Quincailleriemanufakturen, bedeutende Büchsenmacherei (in P. sollen die Pistolen erfunden und hiernach benannt worden sein), eine Nadel- und eine Orgelfabrik, dann Leinweberei, Gerberei, Papier- und Glasfabrikation. P. ist der Sitz eines Unterpräfekten und eines Bischofs, hat ein Seminar, eine chirurgische Lehranstalt, ein Lyceum mit Bibliothek von 15,000 Bänden, ein Gymnasium, eine Akademie der Wissenschaften und eine zweite Bibliothek (Fabroniana) von 13,000 Bänden. Die schöne, gegen die Apenninen ansteigende, mit zahlreichen Villen geschmückte Umgebung von P. ist wegen ihrer gesunden, erfrischenden Temperatur als Sommeraufenthalt beliebt. – Im Altertum hieß P. Pistoria und war besonders durch die Niederlage Catilinas und seiner Genossen (62 v. Chr.) bekannt. Von dem Langobardenkönig Desiderius wurde es mit Mauern umgeben. Nachdem es sich im Mittelalter zu ziemlichem Ansehen erhoben hatte, wurde es 1306 von Florenz und Lucca erobert, die Mauern geschleift und sein Gebiet geteilt. Später errang es zwar seine Unabhängigkeit wieder, aber die bürgerlichen Unruhen brachten der Stadt großen Nachteil. In der Folge kam P. an Toscana und mit diesem an das Königreich Italien. P. zählte unter seine Bürger unter andern: die Dichter Cino da P., dann Francesco und Niccolò Bracciolini.