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MKL1888:Prag

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Prag“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 13 (1889), Seite 305311
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Prag. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 13, Seite 305–311. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Prag (Version vom 06.12.2024)

[305] Prag (tschech. Praha, hierzu der Stadtplan), Hauptstadt des Königreichs Böhmen, nach Größe und Bevölkerung die dritte Stadt der österreichisch-ungar. Monarchie, liegt unter 50°5′ nördl. Br. und

(Altstadt) (Neustadt)
Wappen von Prag.

14°25′ östl. L. v. Gr. fast in der Mitte des Landes an beiden Ufern der Moldau, 194 m ü. M., hat einen Umfang von 21,6 km und bietet mit den die Stadt umkränzenden Höhenzügen, dem breiten Strom mit seinen Inseln und Brücken, den zahlreichen Kirchen und Türmen, den vielen mittelalterlichen Bauwerken ein eigentümlich malerisches Bild. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt +9,3° C.

[Stadtteile.] Die Stadt besteht aus sieben Stadtteilen. Diese sind: die Altstadt am rechten Moldauufer, ganz in der Thalsohle gelegen, das Zentrum des Verkehrs; die von der erstern eingeschlosse Josephstadt, auf welche (nebst einigen angrenzenden Straßen) die Juden noch bis 1860 beschränkt waren, mit engen und winkeligen Straßen; die Neustadt, welche die Altstadt in weitem Bogen von S. bis O. umgibt und auf beiden Seiten bis zur Moldau reicht, von Kaiser Karl IV. angelegt, mit breiten Straßen und neuern Gebäuden; die Kleinseite am linken Moldauufer, an der Abdachung des Laurentiusbergs und des Hradschins erbaut, und der Hradschin selbst, letztere die ruhigsten Stadtteile mit den Palästen des Adels und Amtsgebäuden, großenteils von Beamten und kleinen Gewerbsleuten bewohnt. Als neue Stadtteile sind seit 1884 der Wyschehrad im S. der Neustadt mit Citadelle über der Moldau und der Fabrikort Holleschowitz-Bubna, im NO. auf weiter, von der Moldau im Bogen umflossener Fläche gelegen, einverleibt worden. Die eigentliche Stadt nebst Wyschehrad ist zum Teil noch mit Festungsmauern umgeben, welche aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. stammen, seit 1875 aber, nachdem P. den Charakter eines festen Platzes längst verloren hat,

[Beilage]

[Ξ]

PRAG.
1 Mariensäule E2
2 Altst. Brückenturm D2
3 Karls Momument D2
4 Nepomuk C2
5 Franzens Monum. D3
6 Radetzky   C2

Alt-Neu-Schule D2
Altstadt DE1–3
Anatom. Institut E4
Böhm. Theater D3
Brennte-Gasse DE3
Brücken-Gasse C2
Buschtiehrader Bahnhof C5
Deutsches Landes-Theater E2
   Neues Theater F3
Eisen-Gasse E2
Elisabeth-Straße E1,2
Ferdinand-Straße DE3
Franzens-Brücke ED3
Franzens-Kai D3
Franz-Josephs-Bahnhof F3
Franz-Josephs-Brücke E1
Graben E2
Großer Ring E2
Heinrichs-Gasse E2,3
Heuwags-Platz F2
Hyberner-Gasse F2
Hofburg B2
Hradschin A–C1,2
Israelit. Friedhof, Alter D1,2
Joseph-Stadt DE1,2
Jungmann-Gasse E3
Karls-Brücke CD2
Karls-Gasse D2
Karls-Hof E5
Karls-Platz DE4
Karolinenthal G1
Kleinseite BC2,3
Klementinum D2
Lust-Schloß C1
Neues Museum (im Bau) F3
Neustadt DE2,4
Nikolaus-Kirche C2
Nordwest-Bahnhof FG1
Obst-Markt E2
Palacky-Brücke D4
Porschitzer-Straße F2
Rathaus E2
Rudolfinum D2
Rudolf-Kai D1
St. Apollinar E5
St. Georg BC1
St. Ignatius E4
St. Veit B1
Schützen-Insel C3
Smichow C4,5
Sophien-Insel D3
Staats-Bahnhof F2
Stadtpark F2,3
Teyn.-Kirche E2
Waldsteinsches-Palais C2
Weinberge FG4
Wenzels-Platz E3
Wyschehrad D5
Wyschehrader-Straße D5
Zeltner-Gasse E2
Žižkow G3

[306] allmählich demoliert werden. Als Vorstädte, jedoch mit administrativer Selbständigkeit, sind zu betrachten: Karolinenthal, im NO. an die Neustadt sich anschließend; Zizkow im O. und Königliche Weinberge im SO. unmittelbar an die Neustadt anschließend; dann die am linken Moldauufer liegende, südlich an die Kleinseite sich anschließende Fabrikstadt Smichow. Als Vororte endlich sind anzusehen: Lieben, Wrschowitz, Nußle, Pankraz, Michle, Podol und Dworetz am rechten, Koschirz, Brzewnow, Trzeschowitz, Dejwitz mit Scharka und Bubentsch am linken Moldauufer. Im Bereich der Stadt bildet die Moldau die Sophieninsel und Schützeninsel, welche beide mit schönen Anpflanzungen, erstere auch mit einem schönen Saalgebäude und Bädern versehen und als Vergnügungsorte sehr beliebt sind, dann die Judeninsel im obern, die Hetzinsel, die Jerusalem-, Rohansche und Holleschowitzer Insel im untern Lauf.

[Brücken, Plätze und Straßen.] Über die Moldau führen gegenwärtig 7 Brücken, darunter 4 befahrbare, ein Kettensteg und 2 Eisenbahnbrücken. Die älteste derselben ist die steinerne Karlsbrücke (1357–1503 erbaut), 497 m lang, 10 m breit, mit 16 Bogen und zwei Türmen an beiden Enden, von denen insbesondere der Altstädter Brückenturm, ein gotischer Bau aus dem Jahr 1452, in jüngster Zeit restauriert, architektonisch interessant ist. Einen malerischen Anblick gewähren die an den Pfeilern der Brücke angebrachten Statuen; darunter befindet sich auch die Bronzestatue des heil. Johann von Nepomuk, welche an dem Gedenktag des Heiligen (16. Mai) einen Anziehungspunkt für Tausende von Wallfahrern bildet. Die zweite Brücke ist die weiter oberhalb über die Moldau und die Schützeninsel führende Kaiser Franzens-Kettenbrücke (1838–41 erbaut). Der gleichzeitig mit dieser Brücke erbaute schöne Franzenskai an der Moldau erstreckt sich, 622 m lang, von der Kettenbrücke bis gegen die Karlsbrücke und aufwärts bis zum Brückensteg, der die Sophieninsel mit der Neustadt verbindet. Er ist mit dem Franzensmonument geziert, einem 23,7 m hohen gotischen Bau in Form einer Spitzsäule, in der Mitte mit der Reiterstatue des Kaisers von Joseph Max. Unterhalb der Karlsbrücke ist am rechten Ufer in neuester Zeit ebenfalls ein Kai (Rudolfskai) hergestellt worden, welcher sich bis zur dritten Brücke, der 1865–68 erbauten Franz Josephsbrücke, hinzieht. Diese (gleichfalls eine Kettenbrücke) stellt die Verbindung der untern Neustadt mit dem gegenüberliegenden Belvedere und dem Stadtteil Holleschowitz-Bubna her. Zwischen dieser Brücke und der Karlsbrücke befindet sich der nur für Fußgänger bestimmte Kettensteg. Die fünfte Brücke über die Moldau (Palackybrücke) dient zur Verbindung zwischen der obern Neustadt (Podskal) und der Vorstadt Smichow, ist aus Stein hergestellt und wurde 1879 vollendet. Außerdem wird die Moldau von zwei Eisenbahnbrücken überspannt, einerseits dem riesigen Viadukt der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn (Linie P.-Dresden), welcher über die Vorstadt Karolinenthal und über die Moldau führt, 1327 m lang ist und auf 87 Pfeilern ruht, anderseits der zwischen Wyschehrad und Smichow liegenden Kettenbrücke der Franz Josephsbahn, welche die Verbindung zwischen den Bahnhöfen am linken und am rechten Moldauufer herstellt. Die hervorragendsten Plätze von P. und zwar in der Altstadt sind: der Große Ring, fast ein Viereck, mit einer 1650 errichteten Mariensäule; der kleine malerische Kreuzherrenplatz an der Moldaubrücke, mit dem in Bronze gegossenen Standbild Kaiser Karls IV. von Hähnel (bei Gelegenheit des 500jährigen Jubiläums der Prager Universität 1848 aufgestellt); der Kleine Ring mit einem schönen Eisengitterbrunnen; in der Neustadt: der Karlsplatz (Viehmarkt), der größte Platz von P., mit schönen Anlagen und einem Denkmal des tschechischen Dichters Halek; der Wenzelsplatz (Roßmarkt), eigentlich mehr eine breite Straße, mit großartige Perspektive, durch den Neubau des Landesmuseums abgeschlossen und mit einer vierfachen Allee ausgestattet; der Heuwagsplatz; der Jungmannplatz mit der Statue des tschechischen Lexikographen Joseph Jungmann; der Josephsplatz mit dem Pulverturm; auf der Kleinseite: der Ring mit dem am 13. Nov. 1858 enthüllten Monument des Feldmarschalls Radetzky (von Em. Max); endlich der mit Anpflanzungen versehene Hradschiner Platz. Die Straßen sind namentlich in der Alt- und Josephstadt winkelig, eng und düster, in den neuern Stadtteilen dagegen breit und gerade angelegt worden. Die schönsten Straßen sind außer den schon erwähnten Kais: die Karls-, Zeltner- und Eisengasse in der Altstadt; der schöne Straßenzug, welcher in weitem Bogen von der Kettenbrücke bis zur Franz Josephsbrücke die Grenze zwischen der Alt- und Neustadt ausmacht und die Ferdinandsstraße, die Obstgasse, den Graben (auch Kolowratstraße, der eigentliche Korso Prags) und die Elisabethstraße umfaßt; die Brennte- und die Breite Gasse, die Wasser- und Heinrichsgasse, die Hiberner- und die Porzitscher Straße, dann die den großen Stadtpark einfassenden neuen Straßen in der Neustadt; die Brücken-, Karmeliter- und Choteksgasse auf der Kleinseite. Die alten Befestigungen Prags sind seit 1866 aufgelassen worden. Als eigentliche Fortifikationswerke sind nur noch die hoch am Südende der Stadt liegende Citadelle von Wyschehrad, dann das am linken Ufer der Moldau nördlich von der Kleinseite sich erhebende, 1848 umgestaltete Bastion anzusehen.

[Kirchliche Bauwerke.] An Kirchen und Kultusgebäuden ist P. außerordentlich reich. Man zählt daselbst 47 kath. Kirchen nebst 23 Kapellen, 3 evang. Kirchen, eine russisch-orthodoxe Kirche, 22 Klöster und 10 Synagogen (in der Josephstadt), worunter eine sehr alte (die sogen. Altneuschule). Nicht weit von der letztern befindet sich der berühmte alte, seit Joseph II. aber nicht mehr benutzte Judenfriedhof (Beth Chaim) mit Hunderten von Grabsteinen, gruftförmigen, reich ornamentierten Grabmälern berühmter Rabbis, teilweise aus sehr alter Zeit. Zu den hervorragendsten katholischen Kirchen gehört vor allen der leider unvollendete Dom zu St. Veit auf dem Hradschin, dessen Gründung 1344 durch Karl IV. nach dem Plan des Baumeisters Matthias von Arras erfolgte; das Chorgewölbe wurde 1385 unter dem Dombaumeister Peter von Gmünd (Arler) geschlossen. Der Dom ist ein schöner Bau in französischer Gotik mit einem Chorumgang und einem Kranz von fünf Kapellen, mit doppelten Strebebogen und leichtem, mit breiten Fenstern ausgestattetem Oberbau. Nur das fünfschiffige Chor war vollendet, das Schiff der Kirche bloß bis zum Querschiff fortgeführt worden; auch der 1400 begonnene Turm wurde nicht vollendet und mit einem Haubendach abgeschlossen. Der Ausbau des Doms wird seit 1867 durch den zu diesem Zwecke gegründeten Dombauverein energisch betrieben. Zu den Seitenkapellen des Doms gehört die aus der Zeit Karls IV. stammende Wenzelskapelle, deren Wände in origineller Weise mit kostbaren, durch ein Gefüge stark vergoldeten Gipses aneinander gereihten böhmischen Halbedelsteinen verkleidet sind. Unter den zahlreichen Denkmälern im [307] Innern ist hervorzuheben das königliche Mausoleum von weißem Marmor, ein schönes Werk reinen Renaissancestils, welches Rudolf II. 1589 durch Alexander Colins von Mecheln ausführen ließ, mit den ruhenden Gestalten Ferdinands I., seiner Gemahlin Anna und Maximilians II. Außerdem enthält der Dom das 1736 vollendete silberne Grabdenkmal des heil. Johann von Nepomuk (über 2000 kg schwer), mehrere andre Grabdenkmäler böhmischer Herzöge, Könige und Bischöfe, wertvolle Holzschnitzereien, neue Wandmalereien von Swerts sowie die Domschatzkammer und die Kammer, worin die böhmischen Krönungsinsignien bewahrt werden. Dem Alter nach geht dem Dom die gleichfalls auf dem Hradschin befindliche Georgskirche voran, eins der wenigen romanischen Baudenkmäler Prags (1150 erbaut, nach einem Brand 1541 großenteils neu hergestellt), mit der Ludmillakapelle, welche das Grabdenkmal der heil. Ludmilla, aus dem 15. Jahrh., enthält. Nächst dem Dom ist der wichtigste gotische Kirchenbau aus Karls IV. Zeit die 1377 vollendete achteckige Kirche des Karlshofs in der Neustadt, mit kühn gewölbter Kuppel, das Innere jedoch in geschmackloser Weise bemalt und mit Goldbronze bedeckt. Ein stattlicher gotischer Bau ist die gleichfalls in der obern Neustadt gelegene Kirche des Stifts Emaus (1372 unter Karl IV. vollendet). Aus derselben Zeit stammt die Kirche Mariä Verkündigung in Slup, ein kleines Kabinettsstück der Gotik, mit zierlichem Turm, gegenwärtig zur Irrenanstalt gehörend. Einschiffige Kirchenbauten derselben Zeit sind die hohe Franziskanerkirche Maria-Schnee, von Karl IV. 1347 gegründet, und St. Apollinar auf dem Windberg. In den Anfang des 15. Jahrh. fällt der Bau der Teynkirche, welche die Prager Kaufmannschaft aufführen ließ. Sie ist zwar durch Anbauten verstellt, blickt aber über dieselben malerisch auf den Altstädter Ring herab, hat zwei stattliche Türme, ein schönes nördliches Seitenportal, im Innern die Marmorstatuen der Slawenapostel Cyrill und Method (von Emanuel Max), das Grabmal Tycho Brahes und mehrere Kunstwerke. Am Frontgiebel prangten ehemals der utraquistische Kelch und darunter die Statue Georgs von Podiebrad, doch wurde beides unter Ferdinand II. durch ein kolossales Marienbild ersetzt. Interessante Kirchen sind außerdem: die Stephanskirche in der Neustadt, historisch als Ausgangsstätte des Hussitenkriegs denkwürdig, von einfacher Basilikenanlage; die im Barockstil vom Jesuitenorden erbaute Nikolauskirche auf der Kleinseite, mit mächtiger Kuppel, im Innern mit Marmor, Gold, bunten Fresken und Statuen prunkhaft überladen; die Klemenskirche und die sogen. Welsche Kapelle, welche 1602 von den Jesuiten in dem an die Salvatorkirche angebauten Collegium Clementinum vereinigt wurden, das somit drei Kirchen enthält; dann die Ignatiuskirche mit reichen Stukkaturen und Fresken, anstoßend an das ungeheure ehemalige Ordenshaus der Jesuiten am Karlsplatz; die Thomaskirche auf der Kleinseite (Hochaltarbild von Rubens); St. Johann in Skalka; die Altstädter Nikolaikirche (jetzt dem russischen Kultus eingeräumt) mit polygoner Hochkuppel; die langschiffige Jakobskirche; dann die Kuppelkirche der Kreuzherren auf dem Altstädter Brückenplatz und die Prämonstratenserstiftskirche von Strahow am Hradschin mit reichem Barockornament und den Grabmälern des heil. Norbert, des Ordensstifters, und Pappenheims, letztere vier zu den bessern Rokokobauten gehörend. Die alte, im 18. Jahrh. umgebaute Peters- und Paulskirche in Wyschehrad wird gegenwärtig im gotischen Stil wiederhergestellt. Die bemerkenswertesten Klöster sind: das 1140 gegründete, am Hradschin malerisch gelegene Prämonstratenserstift Strahow mit Kirche, prächtigem Bibliotheksaal, Gemäldegalerie, großem Garten etc.; das gleichfalls am Hradschin gelegene Kapuzinerkloster mit einer Nachahmung der Santa Casa zu Loreto im Klosterhof, welche reiche Schätze enthält, und einer Klosterkirche mit Glockenspiel; außerdem der Konvent des Malteserordens auf der Kleinseite, das Kreuzherrenordensstift und das Minoritenkloster St. Jakob (mit gotischem Kreuzgang) in der Altstadt, das Kloster Emaus in der Neustadt u. a.

[Profanbauten.] Unter den weltlichen Gebäuden nimmt den ersten Rang ein die Hofburg, teilweise aus alter Zeit, aber mehrmals (zuletzt unter Maria Theresia) umgebaut und aus zahlreichen regellos aneinander gereihten Gebäuden zusammengesetzt. Den Charakter des alten Burgbaues tragen nur noch der kleine, stark vorspringende Flügel mit der alten Ratsstube, aus deren Fenstern 23. Mai 1618 Slawata, Martinitz und deren Sekretär Fabricius in den Wallgraben hinabgeworfen wurden, und der Trakt des Wladislawschen Saals, eines hohen Rittersaals, mit reich verschlungenem Netzgewölbe. Alles andre ist im italienischen Stil umgebaut. Der Portalbau an der Westfronte wurde 1614 von Scamozzi vollendet und enthält eine schön angelegte Haupttreppe. Die Burg schließt einen äußern, mit einem Gitter eingefaßten Platz, dann drei große innere Höfe ein, enthält eine Hofkapelle, 440 Zimmer und außer den schon erwähnten historischen Sälen zwei große, restaurierte Säle, nämlich den deutschen und den spanischen Saal. In dem Burghof, gegenüber der Domkirche, ist die 1373 gegossene eherne Reiterstatue St. Georgs aufgestellt, ein Kunstwerk der Brüder Clussenberg in Nürnberg. So wie die Burg datiert auch das am Altstädter Ringe gelegene Rathaus aus verschiedenen Bauperioden. Dasselbe enthält eine 1381 geweihte, neuerdings restaurierte Kapelle, welche nach außen ein stark vorspringendes Chor von schönen Verhältnissen und rein stilisierter Ornamentik besitzt. Übergangsformen von der Gotik zur Renaissance zeigt die alte, im J. 1884 restaurierte Ratsstube. Bemerkenswert sind ferner die alte Gerichtsstube, der 1884 vollendete große Festsaal und der Primatorensaal. Der Altstädter Rathausturm stammt von 1475. Ein dem eben genannten sowie dem Altstädter Brückenturm sehr verwandter Bau ist der schöne, am Ende der Zeltnergasse stehende sogen. Pulverturm, eigentlich ein Thorturm zwischen der Alt- und Neustadt (1475 erbaut, 1886 restauriert). Von den ältern Baudenkmälern ist noch das alte Universitätsgebäude (Carolinum) in der Altstadt mit großer Aula und gotischer Erkerkapelle, dann die weitläufige, 1360 angelegte krenelierte Mauer (angeblich während einer Hungersnot von Karl IV. gebaut, um den Armen Erwerb zu schaffen, daher Hungermauer genannt) zu nennen, die, von einigen kastellartigen Türmen unterbrochen, sich über die Höhe des Laurentiusbergs malerisch hinzieht. Ein Muster edelster Renaissance bildet das zierliche, unter Ferdinand I. 1538 erbaute Ferdinandeische Lustschloß oder Belvedere in dem Garten der Kaiserburg, im stattlichen Saal 1850–56 mit Fresken aus der böhmischen Landesgeschichte versehen. Drei interessante, auch durch ihre räumliche Ausdehnung bemerkenswerte Paläste sind: das Czerninsche Palais am Hradschin (zweite Hälfte des 17. Jahrh.), ein ungeheurer Bau (gegenwärtig als Kaserne dienend); das Waldsteinsche Palais von 1623 auf der Kleinseite, eine ausgedehnte Palastanlage mit Nebengebäuden, Gärten [308] etc., die Residenz des Friedländers, im Garten eine heitere, prächtige Loggia, im Innern einen großen Festsaal enthaltend, mit Fresken u. Stuckornamenten an der Decke und großem welschen Kamin von der ursprünglichen Ausstattung des Saals und neuer Marmorverkleidung; endlich das hoch ragende fürstlich Schwarzenbergsche Majoratshaus am Hradschin, im altflorentinischen Stil, mit Sgraffitobemalung. An die von den Jesuiten in P. mit außerordentlichem Eifer und großen Mitteln betriebene Bauthätigkeit mahnen: das gewaltige Clementinum mit den drei oben erwähnten Kirchen (jetzt eins der Universitätsgebäude, in dessen Hof sich seit 1868 das von Joseph Max ausgeführte Denkmal des Prager Studenten in der Kriegstracht des Dreißigjährigen Kriegs erhebt); ferner das ebenfalls schon genannte ungeheure ehemalige Ordenshaus am Karlsplatz (jetzt Militärhospital) mit der Ignatiuskirche; das sich an die Nikolauskirche anschließende sogen. Landhaus (ehemaliges Profeßhaus, jetzt Sitz des Oberlandesgerichts) auf der Kleinseite u. a. Die Paläste der böhmischen Adelsgeschlechter aus dem 17. und 18. Jahrh. zeigen meist einen gemäßigten, edlen und imposanten Stil. Dahin gehören: die Paläste Morzin und Thun in der Kleinseitener Spornergasse, der Palast Toscana am Hradschin, Nostitz am Kleinseitener Malteserplatz, Lobkowitz am Fuß des Laurentiusbergs, Nostitz am Graben, Kinsky am Altstädter Ring, der erzbischöfliche Palast, dann als Perle der Prager Paläste der Palast Clam-Gallas von Fischer von Erlach u. a. Nennenswerte Gebäude aus neuerer Zeit sind: das frühere Gebäude des Museums, das Neustädter Rathaus (jetzt Strafgerichtsgebäude) mit altem Turm, das Hauptzollamt (ehemals Kloster und Kirche des Hibernerordens), das Generalkommando, die Statthalterei, das Landtagsgebäude, das Gendarmeriekommando- und das Landesgerichtsgebäude, das deutsche Landestheater, das allgemeine Krankenhaus, das Provinzialstrafhaus, welches gegenwärtig aufgelassen und in einen nach dem Pavillonsystem angelegten Neubau in dem nahen Pankraz verlegt wird, das Gebäude der Irrenanstalt mit der Katharinenkirche u. a. Aus jüngster Zeit stammen und zwar in der Altstadt: das Altstädter Wasserwerk (mit altem Turm), das gräflich Lazanskysche Palais, die Gebäude der böhmischen Sparkasse und der Polizeidirektion, das für Kunstzwecke erbaute, 1884 vollendete Rudolfinum am Kai und mehrere Schulgebäude; in der Neustadt: das tschechische Landestheater (1881 vollendet, in demselben Jahr durch Brand zerstört, im Wiederaufbau 1883 vollendet), ein schöner Bau im Renaissancestil, im Innern elektrisch beleuchtet, mit Raum für 2200 Personen, das neue Saalgebäude auf der Sophieninsel, das Gebäude der tschechischen technischen Hochschule am Karlsplatz, die Landesgebäranstalt, die neuen anatomischen und chemischen Universitätsinstitute, der Neubau des böhmischen Landesmuseums am Wenzelsplatz, das neue (zweite) deutsche Theater in der Nähe des Stadtparks, das deutsche Kasino am Graben, das Gebäude der Postdirektion etc. Größere Projekte sind: der Bau eines Zentralschlachthauses und eines Moldauhafens in Holleschowitz, die Anlage einer Trinkwasserleitung, der Neubau der Josephstadt, die Regulierung der Moldau. Die öffentliche Beleuchtung der Stadt geschieht durch zwei städtische Gasanstalten.

[Bevölkerung, Industrie und Handel.] Die Bevölkerung von P. im jetzigen Umfang belief sich 1880 auf 170,521 Seelen, wozu noch die Garnison mit 6505 Mann kommt. Mit Einschluß der vier Vorstädte Karolinenthal, Zizkow, Weinberge und Smichow dagegen zählte P. samt Garnison 255,303 und mit Einbeziehung der oben aufgeführten Vororte 293,822 Einw. Der Religion nach waren von der Zivilbevölkerung der eigentlichen Stadt 88 Proz. Katholiken, 2 Proz. Protestanten und 10 Proz. Juden. Der Umgangssprache nach wurden 1880 über 81 Proz. Tschechen und mehr als 18 Proz. Deutsche gezählt. In gewerblicher und kommerzieller Beziehung ist P. gleichfalls die wichtigste Stadt Böhmens. Doch hat sich infolge der örtlichen Verhältnisse der Stadt die Großindustrie überwiegend in den vier Vorstädten und in mehreren der Vororte angesiedelt, mit denen P. ein großartiges Industriezentrum bildet. Insbesondere bestanden 1885 in P. und den Vororten hervorragende Fabriketablissements für folgende Industriezweige: Fabrikation von Motoren aller Art, von Werkzeug- und Nähmaschinen, Löschrequisiten, Maschinen, Eisengußwaren, Waggonbau (großes Etablissement in Smichow), Fabrikation von Zement- und Asphaltwaren (6), Thon- und Schamottewaren (3), Porzellan (2), Dampfbrettsägen (3), Parkett- und Möbelfabriken (4), Fabrikation von Gummi- und Guttaperchawaren (2), Lederfabriken (8), Baumwollspinnereien und -Webereien (2), Kattundruckereien (4), Hutfabriken (2), Wäscheerzeugung (33), Papierfabriken (2), Tapetenfabriken (2). Sehr entwickelt ist ferner die Mühlenindustrie (45), Bierbrauerei (38), Schokolade- und Kanditenfabrikation (7); außerdem gibt es Rollgerste- und Malzfabriken (4), Spiritus- und Pottaschefabriken (3), zahlreiche Likörfabriken (50) u. a. Schwunghaft ist auch die chemische Industrie, insbesondere gibt es Fabriken chemischer Produkte überhaupt (6), Stärkefabriken (3), Fabriken für Albumin (2), Farben (8), eine großartige Zündhütchen- und Patronenfabrik (in Zizkow), Fabriken für Kerzen, Seifen und Parfümerien (3), ätherische Öle und Essenzen (6). Neben der Großindustrie hat sich auch das Kleingewerbe zu erhalten gewußt; besondere Erwähnung verdienen die Gold-, Silber-, und Juwelenarbeiter (146 Unternehmer), die Wagenbauer (25), die Ateliers für Instrumente und Apparate aller Art (90), das blühende Handschuhmachergewerbe (116), welches meist für den Export arbeitet, das Baugewerbe etc. Das Kunstgewerbe ist unter anderm durch 24 Buch- und 57 Steindruckereien, 3 Metall- und 3 Kupferdruckereien vertreten. Als Knotenpunkt eines reichverzweigten Eisenbahnnetzes ist P. der Hauptsitz des böhmischen Handels. Außer der nördlichen Linie der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn (Wien-P.-Bodenbach) nehmen von hier ihren Ausgangspunkt: die Österreichische Nordwestbahn mit der Anschlußlinie nach Lissa, die Staatsbahnlinie P.-Wien (Franz Josephsbahn), die Buschtiehrader Bahn, die Böhmische Nordbahn, die Böhmische Westbahn, die P.-Duxer Bahn und die P.-Modrzaner Lokalbahn. Geld- und Kreditinstitute sind: die Börse, welche in Bezug auf das Warengeschäft, namentlich in Zucker, von Bedeutung ist, die Böhmische Sparkasse (mit einem Einlagenstand von 100 Mill. Gulden), die Städtische Sparkasse, 10 Vorschußkassen, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, die Hypothekenbank des Königreichs Böhmen (87 Mill. Guld. Kapital), die Landwirtschaftliche Kreditbank, 4 andre Bankinstitute, schließlich (ungerechnet die Filialen andrer auswärtige Institute) 8 Versicherungsanstalten. Verkehrsmittel bilden für den Lokalverkehr die Pferdebahn (18 km Länge), 6 Dampfboote der Prager Moldau-Dampfschiffahrtsgesellschaft für den Personenverkehr oberhalb P., ein [309] Dampfboot und 10 Propeller einer Privatunternehmung, die Schiffe der Österreichischen Nordwest-Dampfschiffahrtsgesellschaft (28 Dampfer) für den Güterverkehr auf der untern Moldau und Elbe, ferner 3 Omnibusunternehmungen, 190 Fiaker und 260 Droschken. Wohlthätigkeitsanstalten sind: ein k. k. allgemeines Krankenhaus mit 2 Filialen (jährlich 16,000 Verpflegte), außerdem 4 andre öffentliche und ein Privatkrankenhaus, eine Landesgebär- und Findelanstalt, eine Landesirrenanstalt (1800 Pfleglinge), 2 Garnisonhospitäler, ein Militärinvalidenhaus, ein Taubstummeninstitut, ein Blindeninstitut und eine Anstalt zur Beschäftigung erwachsener Blinden, eine Idiotenanstalt, ein städtisches und ein Waisenhaus der italienischen Kongregation, ein israelitisches und 3 andre Privatwaisenhäuser, eine Erziehungsanstalt des Vereins zum Wohl entlassener Sträflinge, 12 öffentliche Kinderbewahranstalten und Kindergärten, 6 Krippen, 10 Kinderasyle, 2 städtische Armenhäuser, ein städtisches Siechenhaus, 3 Pfründneranstalten, ein städtisches Armeninstitut, ein Verein zur Unterstützung der Hausarmen, ein Asylverein, mehrere Suppen- und Theeanstalten, Volksküchen etc. Auch bestehen in P. ein Provinzialstrafhaus und eine Landeskorrektionsanstalt.

[Bildungsanstalten.] Unter den Unterrichts- und Bildungsanstalten steht obenan die Karl Ferdinands-Universität (1348 von Karl IV. nach dem Muster der Pariser gegründet). Geraume Zeit die einzige Hochschule Deutschlands, zählte sie zu Anfang des 15. Jahrh. über 10,000 Studierende, geriet aber infolge der Streitigkeiten zwischen den Einheimischen und Fremden zur Zeit des Reformators Huß in Verfall. Unter Ferdinand III. ward sie mit der inzwischen von den Jesuiten gegründeten katholischen Hochschule vereinigt, aber 1882 in eine deutsche und eine tschechische Universität geteilt. Von diesen zählt die erstere (mit 4 Fakultäten) 1886: 146 Lehrer und 1483 Studierende, die letztere (mit 3 Fakultäten, keine theologische) 112 Lehrer und 2191 Studierende. Die beiden Hochschulen sind mit klinischen und andern wissenschaftlichen Instituten ausgestattet und besitzen gemeinschaftlich eine Bibliothek von 195,000 Bänden, 3800 Handschriften und 1500 Inkunabeln und einen botanischen Garten. Außerdem besitzt P. eine deutsche und eine tschechische technische Hochschule, 1806 als die älteste derartige Anstalt in Österreich und Deutschland gegründet, 1863 in zwei gesonderte Institute geteilt, mit zusammen 95 Lehrenden und 600 Hörern; 7 Staatsobergymnasien (darunter 4 deutsche), ein staatliches und ein städtisches Realgymnasium (beide tschechisch), 3 Oberrealschulen (2 deutsche), je eine deutsche und eine tschechische Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt, höhere Töchterschule und Handelsakademie, ein erzbischöfliches Seminar, eine Staatsgewerbeschule, eine Kunstgewerbeschule, eine Fortbildungsschule mit zehn Spezialkursen, eine Gremialhandelsschule und 3 private Handelsschulen, eine Bierbrauerfachschule, eine Akademie der bildenden Künste, ein Musikkonservatorium, die Sophienakademie (gleichfalls für musikalische Ausbildung), eine Lehranstalt für Kirchenmusik, ein wendisches Seminar, Schulen des Prager Deutschen und Tschechischen Frauenerwerbvereins, 6 Bürger- und 31 öffentliche Volksschulen nebst 22 Privatschulen. Außer 6 bedeutenden öffentlichen Bibliotheken, nämlich der Universitätsbibliothek (s. oben), jener des Landesmuseums (s. unten), der beiden technischen Hochschulen, des Landeskulturrats, des Gewerbevereins und des Naprstekschen Gewerbemuseums, befinden sich in P. noch verschiedene wertvolle Privatbibliotheken, namentlich die Domkapitelbibliothek mit vielen wertvollen Handschriften und Inkunabeln, die Strahower Stiftsbibliothek (60,000 Bände und 1000 Manuskripte), die fürstlich Kinskysche (46,000 Bände), ferner mehrere ansehnliche Vereins- und Klosterbibliotheken. Unter den sonstigen Sammlungen steht obenan das 1818 gegründete böhmische Nationalmuseum mit Bibliothek (71,000 Bände und 2900 Manuskripte), Archiv, archäologischer, ethnographischer und naturwissenschaftlicher Sammlung, Münzkabinett etc.; ferner sind hier zu erwähnen: die Gemäldesammlungen der Hofburg, der Gesellschaft der Kunstfreunde und des Kunstgewerbemuseums, die Sammlungen der Universitäten und der technischen Hochschulen, des städtischen Museums und mehrerer Privaten (darunter die Gemäldesammlung des Fürsten Nostitz und das Gewerbemuseum von A. Naprstek). Das Vereinsleben hat sich in P. sehr entwickelt. Ende 1885 zählte man daselbst (ohne Vororte) 834 Vereine, darunter 123 Aktiengesellschaften. Den Bedürfnissen des geistigen Lebens dienen außerdem (1884) 120 in P. erscheinende Zeitungen und Zeitschriften (30 in deutscher Sprache), darunter 18 politische. Neben den beiden Landestheatern bestehen in P. ein Sommertheater, 2 Arenen (in den Vorstädten) und mehrere Dilettantentheater.

[Behörden.] P. ist der Sitz der obersten Landesbehörden und zwar der Statthalterei, des Oberlandesgerichts, eines Landes- und Handelsgerichts und mehrerer Bezirksgerichte, der Finanzlandesdirektion, Steueradministration und Landeshauptkasse, des Landesausschusses als Exekutivorgans des hier tagenden Landtags von Böhmen, des 8. Korps- und des Landwehrkommandos, einer Berghauptmannschaft, eines Landeskulturrats, einer Postdirektion, Handels- und Gewerbekammer sowie eines Fürsterzbischofs mit Domkapitel und Konsistorium.

[Umgebung.] Zu den beliebtesten Spaziergängen und Vergnügungsorten in der Stadt und deren Nähe gehören: der Kaisergarten am Hradschin, der Volksgarten zwischen dem rückwärts liegenden Teil des Hradschins und der Kleinseite (auch nach dem Oberstburggrafen Chotek benannt); der Kinskysche Garten vor der Kleinseitener Stadtmauer, welcher sich über den südlichen Abhang des Laurentiusbergs bis zur sogen. Hungermauer erstreckt. Auch die andern, gegen die Kleinseite sich absenkenden Lehnen des Laurentiusbergs enthalten hübsche Gartenanlagen (Hasenburg-, Schönborn- und Lobkowitz-Garten). Die ehemals kahle Berglehne des Belvedere am linken Moldauufer ist gleichfalls zu einem ausgedehnten Park umgeschaffen worden (Kronprinz Rudolfs-Anlagen), welcher sich namentlich durch seine schöne Aussicht auf die Stadt auszeichnet. Eine umfassende Parkanlage bildet ferner der außerhalb der Kleinseite beim Dorf Bubentsch befindliche Baumgarten, ein von der eleganten Welt bevorzugter Vergnügungsort Prags, mit schönem kaiserlichen Lustschloß. Zu erwähnen sind endlich noch die oben angeführten Moldauinseln mit schönen Anlagen, ferner auf dem rechten Ufer der Moldau der neue, geschmackvolle, an Stelle der ehemaligen Neustädter Basteien errichtete Stadtpark (Kriegerdenkmal für 1848/49 von J. Max), der Zdekauersche, der Heinesche Garten und einige andre kleinere Anlagen und Squares. Die von P. aus am häufigsten besuchten entferntern Partien sind das Scharkathal, an der Moldau etwa 6 km unter P. mündend; der Sternwald, an der Buschtiehrader Bahn und am Weißen Berg (Schlachtfeld 1620) gelegen, [310] mit dem ehemaligen Jagdschloß „Stern“; das Prokopiusthal, Kuchelbad (reich an Petrefakten), Königsaal-Zawist, Wschenor, schöne Berg- und Waldpartien südlich von P. an der Moldau, der Kundratitzer Wald und Nußle östlich von P., an der Böhmischen Westbahn die merkwürdige Burg Karlstein (s. d.) u. a.

Geschichte.

Die Gründung von P. wird von der Sage der Libussa zugeschrieben. In Wirklichkeit ist es eine Gründung deutscher Ansiedler, die sich um 1100 am Fuß der Schwelle (prah) des Wyschehrad, des Fürstensitzes, niederließen. Sobieslaw II. erteilte 1178 den ersten Freiheitsbrief der Deutschen. Seine Größe und Blüte wurde aber vom Kaiser Karl IV. (1346 bis 1378) begründet. Dieser legte die jetzige Neustadt (anfangs Karlsstadt genannt) an, daher später die ältere Neustadt Kleinseite genannt ward. Derselbe zog eine feste Mauer um den Lorenzberg, Strahow und den Hradschin und baute die steinerne Moldaubrücke. Karl IV. machte P. zum Sammelplatz des Handels und Verkehrs, ordnete Messen an, verwilligte den Kaufleuten viele Freiheiten und zog dadurch sowie durch seine beständige Hofhaltung in P. eine Menge Fremde, besonders Deutsche und Welsche, dahin. Auch die Stiftung der Universität (1348) trug viel zum Aufblühen der Stadt bei. P. wurde daher der Mittelpunkt der lebhaften geistigen und politischen Bewegung, welche zu den hussitischen Unruhen führte. In P. brachen dieselben 30. Juli 1419 aus, und die Bürger von P. spielten in den Hussitenkriegen eine bedeutende Rolle. Vor P. scheiterte im Juli 1420 das erste deutsche Kreuzheer; hier wurden die vier Prager Artikel, das Glaubensbekenntnis der Hussiten, verfaßt. Doch litt P. auch sehr unter den Kriegen und den Parteikämpfen, und das deutsche Bürgertum der Altstadt wich immer mehr der tschechisch-hussitischen Bevölkerung, die an der Spitze einer eignen politischen Partei, die „Prager“ genannt, meist im Hader mit den Taboriten lebte. 1436 unterwarf sich P. dem Kaiser Siegmund, der am 23. Aug. in P. gekrönt wurde. Seit den Jagellonen Wladislaw und Ludwig (1471–1526) kam die Kleinseite, jetzt der Hauptsitz deutscher Bevölkerung, empor. Die vereinigte Alt- und Neustadt, Kleinseite und Hradschin bildeten dann die „drei Städte“ Prags. Eine Blütezeit hatte die Stadt wieder unter Kaiser Rudolf II. (1576–1612), der in P. auf dem Hradschin residierte, und unter dem zahlreiche Vornehme prächtige Paläste daselbst bauten. Große Drangsale erlitt P. im Dreißigjährigen Krieg, der am 23. Mai 1618 in P. seinen Anfang nahm und mit dem Sturz des Königtums Friedrichs V. in der Schlacht am Weißen Berg 8. Nov. 1620 auch die Bürgerschaft von P. in das Strafgericht verwickelte, welches Ferdinand II. über ganz Böhmen verhängte. Die evangelische Religion wurde unterdrückt, die Stadt durch zahlreiche Auswanderungen entvölkert. Am 15. Nov. 1631 ward sie durch die Sachsen besetzt, im Mai 1632 aber wieder von Wallenstein eingenommen. Am 30. Mai 1635 kam hier der Friede zwischen dem Kaiser und Kursachsen zu stande, und 5. Aug. 1648 überrumpelte der schwedische General Königsmark die Kleinseite von P. und räumte dieselbe erst nach geschlossenem Frieden. Während des österreichischen Erbfolgekriegs wurde P. 1741 durch die Bayern, Franzosen und Sachsen überrumpelt und 16. Sept. 1744 durch Kapitulation von Friedrich II. genommen, der es aber im November d. J. wieder räumte. Am 6. Mai 1757 lieferte Friedrich II. dem Prinzen Karl von Lothringen die Schlacht von P. (s. unten), mußte aber die Belagerung der Stadt infolge der Schlacht bei Kolin aufgeben. Im Juli und August 1813 fanden hier erfolglose Verhandlungen statt, um zwischen Österreich, Preußen und England einerseits und Frankreich anderseits den Frieden zu vermitteln. Ende Mai 1848 trat hier ein Slawenkongreß zusammen, welcher aber bei Dämpfung des am 11. Juni ausgebrochenen slawisch-demokratischen Aufstandes durch die bewaffnete Macht zerstob. Bei dieser Gelegenheit wurden die Alt- und die Neustadt von dem Fürsten Windischgrätz zwei Tage lang beschossen und dann der Belagerungszustand über die Stadt verhängt. Am 8. Juli 1866 wurde P. ohne Schwertstreich von den Preußen besetzt, und 23. Aug. wurde hier der Prager Friede unterzeichnet, welcher dem preußisch-österreichischen Krieg ein Ende machte. Tummelplatz der tschechischen Agitationen wurde P. wieder seit 1862, als der erste böhmische Landtag nach der neuen Verfassung zusammentrat und die Tschechen die Wiederherstellung der Wenzelskrone zum Ziel ihrer Bestrebungen machten. Die Gemeindeverwaltung von P. wurde aus Tschechen zusammengesetzt, welche die deutschen Bewohner nach Kräften terrorisieren, und der Übermut und die Streitlust der slawischen Bevölkerung machten sich bei jeder Gelegenheit in lärmenden Demonstrationen geltend. Vgl. Schottky, P., wie es war und ist (Prag 1831, 2 Bde.); Klutschak, Führer durch P. (13. Aufl., das. 1887); Tomek, Geschichte der Stadt P. (das. 1856 u. ff., noch nicht vollendet); Derselbe, Geschichte der Prager Universität (das. 1849); Frind, Gedenkbuch des 900jährigen Jubiläums des Bistums P. (das. 1874); „Statistisches, Handbuch der königl. Hauptstadt P.“ (das. 1882–86, 3 Bde.).

Die Schlacht bei P. 6. Mai 1757 war die zweite Schlacht im Siebenjährigen Krieg. Als Friedrich II. Ende April 1757 mit seinem Heer in Böhmen einrückte

und seinen Marsch auf P. richtete, vereinigten die überraschten Österreicher unter dem Oberbefehl des Prinzen Karl von Lothringen rasch 60,000 Mann bei P. und nahmen auf der Ostseite der Stadt, auf dem Ziska- und dem Taborberg, eine nach ihrer Meinung unangreifbare Stellung, da sie im Norden in eine Schlucht steil abfiel und im Osten durch eine feuchte, von Bächen durchschnittene Niederung gedeckt wurde. Der König, der nach seiner Vereinigung mit Schwerin am Morgen des 6. Mai 64,000 Mann bei sich hatte, beschloß dennoch den sofortigen Angriff. Derselbe, von Schwerin befehligt, richtete sich vor allem gegen die rechte Flanke des Feindes. Zwar bot der sumpfige Boden dem Vordringen unerwartete Hindernisse; die österreichischen Batterien streckten die preußische Infanterie reihenweise zu Boden, und dieselbe [311] wich zurück. Vergeblich stellte sich Schwerin mit der Fahne in der Hand an die Spitze der wieder gesammelten Bataillone. Er selbst fiel, von fünf Kugeln durchbohrt, und die Bataillone gingen abermals zurück. Aber auf der österreichischen Seite nahm man diesen Vorteil nicht wahr, da jede Oberleitung fehlte, Browne tödlich verwundet, der Prinz Karl aber vom Brustkrampf befallen war und die versäumten Dispositionen zur Schlacht nicht geben konnte. Als Friedrich jetzt einen neuen Angriff des zweiten Treffens befahl und den rechten Flügel der Österreicher warf, zugleich der Herzog von Bevern im Zentrum und die Prinzen Ferdinand von Braunschweig und Heinrich auf dem rechten Flügel siegreich vordrangen, ward die Schlacht zu gunsten der Preußen entschieden, die Österreicher teils in die Stadt P., teils über die Sazawa gedrängt. Letztere verloren 5000 Gefangene, den größten Teil ihrer Bagage, 60 Kanonen und 12,000 Mann an Toten und Verwundeten. Der Verlust auf preußischer Seite belief sich auf wenigstens 12,500 Mann. Unter den Toten befanden sich der Feldmarschall Schwerin, der Prinz von Holstein, Goltz und mehrere andre Generale. Österreich verlor den Feldmarschall Browne, welcher einige Tage nachher in P. an seinen Wunden starb. Friedrich II. hielt mit seinem 60,000 Mann starken Heer P. eingeschlossen und hoffte, es durch Hunger bald zu bezwingen; doch gab die Schlacht von Kolin (s. d.) den Ereignissen plötzlich eine andre Wendung. Vgl. Ammann, Die Schlacht bei P. (Heidelb. 1887).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 734
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[734] Prag. Das Hochwasser in den ersten Tagen des Septembers 1890, welches das Niveau der Moldau in einer Weise erhöhte, wie dies seit 1845 nicht der Fall war, hat am Morgen des 4. Sept. den Einsturz von drei Brückenbogen der herrlichen steinernen Karlsbrücke aus dem 14. Jahrh. zur Folge gehabt. Auch sonst hat das Hochwasser in P. und in Böhmen überhaupt großen Schaden angerichtet.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 745
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[745] Prag hat (1890) 4277 Häuser, 35,933 Haushaltungen und 183,085 Einw. Vom 15. Mai bis 15. Okt. 1891 wurde in P. zur Erinnerung an die vor 100 Jahren daselbst anläßlich der Krönung Leopolds II. zum König von Böhmen veranstaltete gewerbliche Ausstellung, welche zugleich die erste Industrieausstellung überhaupt bildete, eine allgemeine Landesausstellung abgehalten. Dieselbe sollte ursprünglich als Besiegelung des zwischen den Tschechen und Deutschen abgeschlossenen Ausgleichs gelten, ist aber durch die Nichteinhaltung des Ausgleichs seitens der Tschechen und den hierdurch veranlaßten Rücktritt der Deutschböhmen von dem Unternehmen zu einer fast ausschließlich tschechischen Gewerbe-, Kunst- und landwirtschaftlichen Ausstellung geworden. Immerhin bot sie aber ein gelungenes Bild der wirtschaftlichen Entwickelung Böhmens, speziell des tschechischen Landesteils. Der Ausstellungsplatz befand sich im Baumgarten, zu welchem vom Belvedere aus eine elektrische Eisenbahn geführt wurde. An Baulichkeiten umfaßte die Ausstellung eine Industriehalle, vor welcher sich das Reiterstandbild Georgs von Podiebrad und einerseits die Kunsthalle und die retrospektive Ausstellung, anderseits die Pavillons des Landesausschusses und der Stadt P. erhoben; hinter der Industriehalle parallel zu dieser lag die Maschinenhalle, die Perle der Ausstellung. Zwischen beiden Hauptgebäuden war eine fontaine lumineuse errichtet. Die Parkanlage des Ausstellungsplatzes barg zahlreiche Pavillons. Außer der Maschinenhalle zeigte besonders die Schulabteilung eine sehr gelungene Anordnung. Die Ausstellung wurde übrigens zu einer Reihe fortgesetzter nationaler, insbesondere panslawistischer Demonstrationen mißbraucht, so daß der Kaiserbesuch ernstlich in Frage stand und erst gegen Ende der Ausstellungszeit stattfand. Am 1. Sept. 1891 wurde in P. eine Zuckerbörse eröffnet, welche dem bedeutenden Zuckerhandel (in P. werden jährlich ca. 5 Mill. metr. Ztr. Roh- und 11/2 Mill. metr. Ztr. raffinierter Zucker in den Verkehr gebracht) die notwendige Organisation bieten soll.