MKL1888:Problēmkunst

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Problēmkunst“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 17 (Supplement, 1890), Seite 674
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Problēmkunst. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 17, Seite 674. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Probl%C4%93mkunst (Version vom 02.04.2023)

[674] Problēmkunst, im Schachspiel die Kunst, Stellungen zu erfinden, von denen aus eine Partei in bestimmter Zügezahl und auf schöne und versteckte Art den Sieg erzwingt. Solche Stellungen werden als Aufgaben (Probleme) veröffentlicht, deren Lösung vielen Schachfreunden großen Genuß bereitet; man sieht sie gegenwärtig in fast allen illustrierten, vielfach auch in Tageszeitungen. Die P. steht zum praktischen Partiespiel in gewissem Gegensatz. Wer Probleme aufstellt (der Problemkomponist oder Problemdichter), hat danach zu streben, daß die das Matt vorbereitenden Züge möglichst gewagt, für das eigne Heerlager gefährlich oder doch unnützlich aussehen, daß sie überraschen, weil Ähnliches im Gang einer Partie selten oder gar nicht vorkommt. Eins der besten und üblichsten Mittel für den Problemkomponisten, in diesem Sinn zu wirken, ist das Opfer hochwertiger Figuren. Das Problem darf nur eine (die vom Verfasser beabsichtigte) Lösung zulassen; „nebenlösige“ Aufgaben haben keinerlei Wert. Die schönsten Erzeugnisse der P. sind durchweg direkte Mattführungen in 3–5 Zügen; in 2 Zügen läßt sich zu wenig Idee unterbringen, auf 6 oder noch mehr Züge aber pflegt man nur selten einen Gedanken auszudehnen, weil man leicht den Überblick verliert, insbesondere Nebenlösungen übersieht. Im „Selbstmatt“ (eine Partei zwingt die andre, das Matt zu geben) sind zwar auch fein erfundene Aufgaben geschaffen worden, doch ist Selbstmatt an sich unnatürlich, und daher darf dieser ganzen Problemgattung nur eine untergeordnete Bedeutung zugestanden werden. Die P., welche man nicht mit Unrecht die „Poesie des Schachspiels“ genannt hat, ist so alten Ursprungs wie das Spiel selbst, aber ihre Pflege blieb eine kümmerliche bis um das Jahr 1850, als plötzlich ein entscheidender Umschwung eintrat. Zugleich mit den Turnieren für die Meister der praktischen Partie wurden auch Wettbewerbungen im Aufgabenfach ausgeschrieben, und 25 Jahre genügten, um die P. in die vollste Blüte zu bringen, ihre Regeln und Gesetze gründlich auszubilden. Es ist unmöglich, die besten Leistungen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit auf diesem Feld zu überbieten. Die berühmtesten Problemkomponisten sind Deutsche oder Österreicher; auch Nordamerika und England haben einzelne Namen ersten Ranges aufzuweisen, aber im allgemeinen ist in diesen beiden Ländern die P. vielfach auf Abwege geraten. In Frankreich und Italien gibt es keine hervorragenden Meister der P. Als solche seien hier genannt: 1) die Deutschen Philipp Klett (Ludwigsburg), Johannes Kohtz (Königsberg) und Karl Kockelkorn (Köln) sowie der Deutsch-Österreicher Johann Berger (Graz); von diesen rühren die größten, variantenreichsten und am tiefsten angelegten Kunstwerke, besonders in vier- und fünfzügigen Aufgaben, her; 2) die Amerikaner Samuel Loyd und W. A. Shinkman, Verfasser zahlreicher, äußerst fein und scharf pointierter, meist dreizügiger Probleme; 3) die Engländer Frank Healey und J. G. Campbell, von denen mehrere der verborgensten Ideen herrühren; 4) die Böhmen Anton König, Johann Drtina, Karl Makovsky, Johann Dobrusky, Georg Chocholouš und andre Mitglieder derselben (böhmischen) Schule, Vertreter eines äußerst eleganten Stils. Als Bahnbrecher in den 50er und 60er Jahren ist neben schon erwähnten Namen Konrad Bayer (Olmütz) berühmt. Vgl. Max Lange, Handbuch der Schachaufgaben (Leipz. 1862); Klett, Schachprobleme das. 1878); J. Berger, Das Schachproblem (das. 1884); H. v. Gottschall, Kleine Problemschule (das. 1885).