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MKL1888:Psychologische Gesellschaften

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Psychologische Gesellschaften“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Psychologische Gesellschaften“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 19 (Supplement, 1892), Seite 753
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Psychologische Gesellschaften. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 753. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Psychologische_Gesellschaften (Version vom 28.01.2022)

[753] Psychologische Gesellschaften sind in den letzten Jahren mehrfach gegründet worden. Ihr Arbeitsgebiet umfaßt nicht die gesamte Wissenschaft von den seelischen Vorgängen, sondern nur einen schwer zu beschreibenden und schlecht zu umgrenzenden Teil der Gesamtpsychologie, nämlich den, der sich mit den ungewöhnlichen Erscheinungen des Seelenlebens beschäftigt und sein Musterbeispiel im Hypnotismus hat. An diesem Teile sind nicht nur die Psychologen, sondern auch Ärzte und Juristen interessiert und alle diejenigen, welche dem bis in das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrh. fortwuchernden Aberglauben (Spiritismus u. dgl.) entgegentreten wollen. Vornehmlich Mitglieder der psychologischen Gesellschaften waren es, die sich 1889 beim internationalen Kongreß für physiologische Psychologie zusammenfanden, und die sich 1892 zu einer zweiten Versammlung vereinigen wollen. Die älteste der bestehenden Gesellschaften ist die 1882 gegründete Londoner Society for Psychical Research. An der Spitze dieser 700 Mitglieder zählenden Gesellschaft steht Professor Henry Sidgwick in Cambridge. Die Gesellschaft hat die besten Untersuchungen über das streitige Gebiet der Telepathie und über Halluzinationen (s. d.) veröffentlicht; sie hat sich aber auch durch sorgfältige Experimentalarbeiten um die Theorie der Hypnose und durch umfassende Recherchen um die Bloßlegung des theosophischen Schwindels verdient gemacht. In engster Fühlung mit ihr steht die American Society for Psychical Research, deren Generalsekretär, Rich. Hodgson, in Boston seinen Sitz hat. In Paris ist 1884 durch den Professor der Physiologie Ch. Richet und durch den Neuropathologen Charcot eine Société de psychologie physiologique gegründet worden, deren Bulletins hauptsächlich von hypnotischen Phänomenen, ja sogar von Fällen eines Fernsehens u. dgl. berichten. Als Ergänzung der Bulletins dienen die von Dariex geleiteten „Annales de science psychique“, indem sie das im Auslande veröffentlichte einschlägige Material zusammenstellen und eine kritische Bücherschau enthalten. Rußlands psychologische Gesellschaft (Präsident Professor Nicolas Grot in Moskau) ist litterarisch ungemein thätig und hat den Rahmen ihres Arbeitsgebietes am weitesten gespannt. Sie gibt eine Vierteljahrsschrift und außerdem von Zeit zu Zeit starke Sammelbände heraus. In Deutschland ist die seit 1886 zu München bestehende Psychologische Gesellschaft die älteste. Unter v. Schrencks Ägide hat sie sich in wahrhaft wissenschaftlichem Sinne bethätigt, während eine von ihr abgezweigte kleinere Vereinigung aus einer Gruppe von Männern zusammengesetzt ist, die an ein magnetisches Agens neben der Suggestion, an die von der Medizin geleugneten somnambulen Fähigkeiten und an Spiritismus in der eigentlichen Bedeutung des Wortes glauben. Ganz im Sinne der ältern Münchener Gesellschaft arbeitet die Gesellschaft für Experimentalpsychologie zu Berlin. Daher haben sich 1891 beide Vereine zu einer Gesellschaft für psychologische Forschung zusammengethan, welche in Fortsetzung eines früher von der Berliner Sektion allein geführten Unternehmens eine Reihe von Schriften (redigiert von v. Schrenck und Dessoir) herausgibt.