MKL1888:Römer
[922] Römer, eine Art bauchiger, geriefter, gewöhnlich grüner oder braungoldiger Weingläser, welche besonders beim Rheinweintrinken benutzt wird. Der (bis jetzt nicht sicher erklärte) Name R. kommt nachweislich zuerst 1589 vor. Die Form der R. war ursprünglich eine willkürliche, mit und ohne Fuß; erst später hat sich ein feststehender Typus (s. die Abbildungen) entwickelt, welcher aus Fuß, Mittelstück und Kelch besteht. In neuerer Zeit ist das Mittelstück zu einem [923] einfachen Reif oder Knauf zusammengeschrumpft. Die Dekoration der R. erfolgte bisweilen durch Emailmalerei, sehr selten durch Gravierung. Vgl. Friedrich, Die altdeutschen Gläser (Nürnb. 1884). –
Römer | |
R. ist auch Name des Rathauses zu Frankfurt a. M. (s. d.), in welchem ehemals die römisch-deutschen Kaiser gewählt wurden.
Römer, 1) Ole oder Olaf, Astronom, geb. 25. Sept. 1644 zu Aarhus, ging 1561 mit dem französischen Astronomen Picard nach Paris, wo er von Ludwig XIV. eine Pension erhielt, astronomische Beobachtungen anstellte und in die Akademie aufgenommen wurde. Aus dem Umstand, daß die Verfinsterungen des ersten Jupitermondes nicht immer in gleichen Zwischenzeiten beobachtet werden, zog er 1676 den Schluß, daß das Licht sich nicht momentan fortpflanze, sondern daß sich aus diesen Beobachtungen eine endliche Lichtgeschwindigkeit ableiten lasse (s. Licht). 1681 kehrte R. als königlicher Mathematikus nach Kopenhagen zurück, wo er seine astronomischen Beobachtungen fortsetzte, namentlich sich bemühte, Fixsternparallaxen zu finden; er erfand auch und gebrauchte zuerst das Mittagsrohr, den Meridiankreis, den Höhen- und Azimutkreis und entdeckte 1674 die Zweckmäßigkeit einer epicykloidalen Gestalt für die Zähne bei Rädern. Er starb als Bürgermeister von Kopenhagen und dänischer Staatsrat 19. Sept. 1710. Seine Beobachtungen sind ungedruckt geblieben, sein handschriftlicher Nachlaß ging bis auf die von Horrebow veröffentlichten Beobachtungen dreier Tage (21.–23. Sept. 1706, sogen. „Triduum“) bei dem Brand von Kopenhagen 1728 zu Grunde.
2) Friedrich von, württemberg. Staatsmann, geb. 4. Juli 1794 zu Erkenbrechtsweiler auf der Alb, besuchte das theologische Stift zu Tübingen, trat 1814 in das württembergische Militär, studierte dann seit 1816 in Tübingen die Rechte, ward 1819 Auditeur in Stuttgart und 1830 zum Kriegsrat befördert. Seitdem der liberalen Partei sich anschließend und von dem Wahlbezirk Geißlingen in die Kammer gewählt, war er hier ein Wortführer der liberalen Opposition. Da ihm die Regierung für seine parlamentarische Thätigkeit den Urlaub verweigerte, vertauschte er den Staatsdienst mit der Advokatur. 1848 nahm er in dem Ministerium vom 9. Mai das Justizministerium an und bemühte sich in dieser Stellung ebenso eifrig für die Aufhebung der Feudallasten wie für die Aufrechthaltung der Autorität der Regierung den Ausschreitungen der Demokratie gegenüber. Auch trat er als Abgeordneter in die deutsche Nationalversammlung ein, wo er an den Arbeiten des Verfassungsausschusses lebhaften Anteil nahm. Nach der Übersiedelung des Rumpfparlaments nach Stuttgart im Juni 1849 verweigerte er entschieden die Anerkennung der Beschlüsse desselben und ließ dasselbe endlich 18. Juni durch Militär sprengen, wodurch er die Ausbreitung der badischen Revolution nach Württemberg verhinderte. Ehe die neue Kammer, in die er selbst gewählt ward, zusammentrat, nahm er, weil er sich mit seinen Kollegen über den Beitritt zum Dreikönigsbündnis nicht verständigen konnte, im Oktober 1849 seine Entlassung, was die Auflösung des ganzen Ministeriums zur Folge hatte. Er wandte sich darauf wieder der advokatorischen Praxis zu. 1851 ward er in der nach der frühern Wahlordnung berufenen Zweiten Kammer zum Präsidenten gewählt. Er starb 11. März 1864 in Stuttgart.
3) Friedrich Adolf, Geolog, geb. 14. April 1809 zu Hildesheim, studierte 1828–31 Jurisprudenz in Göttingen und Berlin, wurde 1831 Bergamtsjustizbeamter in Hildesheim, 1840 nach Bevenden bei Göttingen und 1843 an das Bergamt zu Klausthal versetzt, wo ihm 1845 das Lehramt für Mineralogie und Geologie und 1862 die Direktion der dortigen Bergschule übertragen wurde. Er trat 1867 in den Ruhestand und starb 25. Nov. 1869 in Klausthal. Seine größern Werke waren epochemachend, indem sie zum erstenmal das Auftreten der betreffenden Formationen (Übergangsformationen, Jura u. Kreide) in Deutschland in einer Weise behandelten, die eine Parallelisierung mit außerdeutschen Entwickelungen zuließ. Es sind folgende: „Die Versteinerungen des norddeutschen Oolithengebirges“ (Hannov. 1835, nebst Nachtrag 1839); „Die Versteinerungen des norddeutschen Kreidegebirges“ (das. 1840–41); „Die Versteinerungen des Harzgebirges“ (das. 1843); „Beiträge zur geologischen Kenntnis des nordwestlichen Harzgebirges“ (Kassel 1850–66). Für Leunis’ „Synopsis“ schrieb er 1853 den geologischen Teil.
4) Hermann, Bruder des vorigen, Senator in Hildesheim, geb. 4. Jan. 1816 daselbst, veröffentlichte: „Geognostische Karte von Hannover und den angrenzenden Ländern“ (1852), Erläuterungen dazu (Berl. 1851) und „Geologische Verhältnisse der Stadt Hildesheim“ (das. 1883). Er ist seit 1867 nationalliberales Mitglied des norddeutschen, später des deutschen Reichstags.
5) Ferdinand, Bruder des vorigen, Geolog, geb. 5. Jan. 1818 zu Hildesheim, studierte 1836–42 in Göttingen, Heidelberg und Berlin, bereiste 1845–48 Nordamerika, namentlich Texas, habilitierte sich 1848 in Bonn für Mineralogie und Geologie und wurde 1855 Professor an der Universität Breslau. Er schrieb: „Das rheinische Übergangsgebirge“ (Hannov. 1844); „Texas, mit besonderer Rücksicht auf deutsche Auswanderung und die physikalischen Verhältnisse des Landes“ (Bonn 1849); „Die Kreidebildungen von Texas und ihre organischen Einschlüsse“ (das. 1852); „Die silurische Fauna des westlichen Tennessee“ (Bresl. 1860); „Die fossile Fauna der silurischen Diluvialgeschiebe von Sadewitz bei Öls“ (das. 1861); „Geologie von Oberschlesien“ (das. 1870, 2 Bde.); „Lethaea palaeozoica“ (Stuttg. 1876–83, 2 Bde. mit Atlas); „Lethaea erratica“ (Berl. 1885).
6) Robert, Jurist und Politiker, Sohn von R. 2), geb. 1. Mai 1823 zu Stuttgart, studierte in Tübingen und Heidelberg die Rechte, ließ sich 1846 in Stuttgart als Advokat nieder, habilitierte sich 1852 zu Tübingen als Privatdozent und ward 1856 außerordentlicher, 1857 ordentlicher Professor der Rechte daselbst. 1864 an Stelle seines Vaters in die Zweite Kammer gewählt, gehörte er von Anfang an zu den Anhängern einer Einigung Deutschlands unter Preußens Führung und war einer der Begründer der nationalliberalen Partei in Württemberg. 1871 wurde er [924] zum Mitglied des Reichsoberhandelsgerichts in Leipzig ernannt, 1871–76 und 1878 war er Mitglied des deutschen Reichstags. Er starb 29. Okt. 1879 in Stuttgart. Seine Schriften sind: „Die Beweislast hinsichtlich des Irrtums nach gemeinem Zivilrecht und Prozeß“ (Stuttg. 1852); „Das Erlöschen des klägerischen Rechts nach der Einleitung des Prozesses“ (das. 1852); „Die bedingte Novation nach dem römischen und heutigen gemeinen Recht“ (Tübing. 1863); „Die Leistung an Zahlungsstatt“ (das. 1866); „Die Verfassung des Norddeutschen Bundes und die süddeutsche Freiheit“ (1.–3. Aufl., das. 1867); „Grundzüge des württembergischen Erbrechts“ (das. 1872); „Das württembergische Unterpfandrecht“ (Leipz. 1876); „Abhandlungen aus dem römischen Rechte, dem Handels- und Wechselrecht“ (Stuttg. 1877, Heft 1).