MKL1888:Reichsmarineamt
[701] ✽ Reichsmarineamt. Die Kriegsmarine des Deutschen Reichs steht nach der Reichsverfassung unter dem Oberbefehl des Kaisers, indem sie, aus der Flotte und aus der Seewehr bestehend, einen Teil der bewaffneten Macht des Reichs bildet. Die Kommandogewalt des Kaisers ist bei der Kriegsmarine, ebenso wie bei dem Landheer, eine unverantwortliche, von der Volksvertretung unabhängige, während für die Marineverwaltung der Reichskanzler dem Reichstag gegenüber verantwortlich ist. Die Verwendung der Streitkräfte im Krieg und im Frieden, die Sicherstellung der militärischen Leistungsfähigkeit der Marine, Mobilmachung, Ersatz- und Invalidenwesen und die Ausbildung des militärischen Personals der Reichskriegsmarine bilden die Aufgabe des Oberkommandos der letztern. Die nötigen Mittel für diese Zwecke zu beschaffen, ist Sache der Marineverwaltung. Beide Funktionen, Kommando und Marineverwaltung, wurden bisher von der kaiserlichen Admiralität wahrgenommen. Ihr Chef führte den Oberbefehl nach den Anordnungen des Kaisers und leitete die Verwaltung unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers. Ein Nachtragsgesetz zum Reichshaushaltsetat für das Etatsjahr 1889/90 führte jedoch eine Scheidung und eine getrennte Organisation des Oberkommandos auf der einen und der Marineverwaltung auf der andern Seite herbei. Letztere ist nunmehr dem R. in Berlin übertragen, an dessen Spitze ein Staatssekretär steht. Dagegen ist in dem Oberkommando der Marine eine Zentralstelle geschaffen, welcher die Kommandoführung über die im Dienst befindlichen Geschwader und Schiffe sowie über die Kommandobehörden am Land obliegt. An der Spitze des Oberkommandos steht der kommandierende Admiral der Kriegsmarine des Reichs.