MKL1888:Schleiden

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schleiden“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 507508
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Wiktionary: Schleiden
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Schleiden. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 507–508. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schleiden (Version vom 12.12.2023)

[507] Schleiden, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Aachen, an der Oleff, Knotenpunkt der Linien Kall-Hellenthal und Aachen-Jülich der Preußischen Staatsbahn, 357 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Schloß, ein Bergrevier, 2 Oberförstereien, ein Dampfsägewerk, Holzdrechslerei und (1885) 501 meist kath. Einwohner. S. war ehemals Hauptort einer eignen Grafschaft.

Schleiden, 1) Matthias Jakob, Botaniker, geb. 5. April 1804 zu Hamburg, studierte in Heidelberg die Rechte, praktizierte als Advokat zu Hamburg, studierte aber seit 1833 in Göttingen und Berlin noch Naturwissenschaft, besonders Physiologie u. Botanik. 1839 erhielt er die Professur der Botanik in Jena, und 1863 ging er als Professor der Botanik und Anthropologie nach Dorpat. Seit 1866 lebte er im Ruhestand, anfangs in Dresden, dann in Wiesbaden. Er starb 23. Juni 1881 in Frankfurt a. M. Sein Hauptwerk sind die „Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik“ (Leipz. 1842–43, 2 Bde.; 4. Aufl. 1861). Dies Werk, wie Schleidens ganze Thätigkeit, zeichnet sich nicht nur durch eine Fülle neuer Beobachtungen, sondern vielmehr noch durch das Bemühen aus, der Botanik auf Grundlage der Kant-Friesschen Philosophie eine wissenschaftliche Grundlage zu geben. Er stellte die ganze Botanik als induktive Wissenschaft sofort auf eine viel höhere Stufe, erweiterte den Gesichtskreis und setzte der Forschung ein großartiges Ziel. Er betonte überall die Entwickelungsgeschichte als die Grundlage jeder morphologischen Einsicht und machte zum erstenmal den Versuch, die Hauptabteilungen des Pflanzenreichs morphologisch und entwickelungsgeschichtlich zu charakterisieren. Die „Methodologische Einleitung“ seiner „Grundzüge“ hat einen bedeutenden Einfluß geübt und besitzt dauernden Wert für alle Naturforscher, während seine Theorien, um welche lebhaft gestritten wurde, längst widerlegt sind. Sonst schrieb er: „Über Ernährung der Pflanzen und Saftbewegung in denselben“ (Leipz. 1846); „Handbuch der medizinisch-pharmazeutischen Botanik“ (das. 1852–57, 2 Bde.); „Die Pflanze u. ihr Leben“ (das. 1848, 6. Aufl. 1864); „Studien“ (das. 1855, 2. Aufl. 1857), eine Sammlung populärer Vorträge; „Zur Theorie des Erkennens durch den Gesichtssinn“ (das. 1861); „Die Landenge von Sues“ (das. 1858); „Über den Materialismus der neuern deutschen Naturwissenschaft“ (das. 1863); „Das Meer“ (Berl. 1865, 3. Aufl. 1884–88); „Das Alter des Menschengeschlechts“ (Leipz. 1863); „Die Umwandlung der Weltordnung am Ende des Mittelalters“ (Dresd. 1866); „Für Baum und Wald. Eine Schutzschrift“ (Leipz. 1870); „Die Rose, Geschichte und Symbolik etc.“ (das. 1873); „Das Salz“ (das. 1875); eine Biographie Linnés (in Westermanns „Monatsheften“, Bd. 30, Braunschw. 1871); „Die Bedeutung der Juden für Erhaltung und Wiederbelebung der Wissenschaften im Mittelalter“ (Leipz. 1877); „Die Romantik des Martyriums bei den Juden im Mittelalter“ (das. 1878). Auch bearbeitete er die Pflanzen- und Tierphysiologie sowie die Theorie der Pflanzenkultur für die „Encyklopädie der theoretischen Naturwissenschaften“ (Braunschw. 1850), gab mit Nägeli die „Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik“ (Zürich 1844–46) und mit Schmid die „Geognostische Beschreibung des Saalthals bei Jena“ (Leipz. 1846) heraus. Auch als Lyriker bethätigte er sich und gab zwei Sammlungen „Gedichte“ (Leipz. 1858 u. 1873) unter dem Pseudonym Ernst heraus.

2) Rudolf, Jurist, Vetter des vorigen, geb. 22. Juli 1815 zu Ascheberg bei Plön, studierte die Rechte, bekleidete dann an der Generalzollkammer zu Kopenhagen mehrere wichtige Posten, ward zum Justizrat ernannt und bei der Zollgrenzregulierung Holsteins beschäftigt. Nach der Erhebung der Herzogtümer 1848 stellte er sich der dortigen provisorischen Regierung zur Verfügung. Diese sandte ihn als Mitglied des Vorparlaments nach Frankfurt, dann als ihren Agenten nach Berlin. Nach der Okkupation der Herzogtümer durch die Österreicher 1850 wandte er sich nach Bremen, wo er 1853 die Stelle eines Ministerresidenten in Washington erhielt. Seit 1863 vertrat er daselbst die drei Hansestädte. Im Januar 1865 ging er [508] als hanseatischer Ministerresident nach London, gab diese Stellung jedoch 1. Juli 1866 auf und lebt als Privatmann in Freiburg i. Br. 1867–73 gehörte er als Mitglied der deutschen Reichspartei dem norddeutschen, dann dem deutschen Reichstag an. Von Schleidens Schriften sind zu nennen: „Das staatsrechtliche Verhältnis der Herzogtümer Schleswig-Holstein“ (anonym, Hamb. 1849); „Zum Verständnis der deutschen Frage“ (desgl., Stuttg. 1867); „Reiseerinnerungen aus den Vereinigten Staaten in Amerika“ (New York 1873); „Jugenderinnerungen eines Schleswig-Holsteiners“ (Wiesb. 1886) u. a.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 728
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[728] Schleiden, 2) Rudolf, Jurist, veröffentlichte eine neue Folge seiner „Jugenderinnerungen“, die Zeit 1841–48 umfassend (Wiesb. 1889).