MKL1888:Schmuck
[568] Schmuck (hierzu die Tafel „Schmucksachen“), Gegenstände aus edlem und unedlem Metall, aus edlen und unedlen Steinen, aus bearbeiteten und unbearbeiteten Naturerzeugnissen, welche seit den ältesten Zeiten des Menschengeschlechts zur Verzierung einzelner Körperteile wie der Tracht dienen, als Hals-, Ohr-, Arm-, Finger- und Beinringe, Halsketten, Agraffen, Haar- und Gewandnadeln, Spangen, Anhänger, Broschen, Gürtelschließen, Diademe u. dgl. m. Die Neigung, den Körper mit S. zu behängen, war bei den ältesten Kulturvölkern des Orients ebenso stark ausgebildet, wie sie es noch heute bei den Orientalen und bei den unzivilisierten Stämmen der farbigen Rassen ist, welch letztere vor ihrer Berührung mit den Europäern zum S. ihres Körpers ausschließlich auf Naturerzeugnisse (Muscheln, Korallen, Perlen, Steine, Federn u. dgl.) angewiesen waren. Im Altertum muß die Verarbeitung des Edelmetalls und der Bronze zu S. schon sehr frühzeitig bekannt gewesen sein, was sich aus den ägyptischen und assyrischen Denkmälern wie aus den Funden in Troja (s. d.) und Mykenä ergibt. Im ganzen asiatischen Orient wurde S., selbst Ohrgehänge, ebensowohl von Männern als von Frauen getragen. In der künstlerischen Ausbildung und technischen Behandlung von S. hatten bereits die Ägypter eine hohe Stufe erreicht (s. Tafel, Fig. 1 u. 2), und ihre Arbeiten sind von Einfluß auf den S. der Römer (Fig. 3, 10 u. 18) und besonders der prachtliebenden Etrusker gewesen, deren Halsketten (Fig. 11 u. 12) nach dem Vorgang von Castellani in Rom von der neuern Goldschmiedekunst nachgebildet werden. Die höchste künstlerische Vollendung erreichte die Verfertigung von S. durch die Griechen, welche dem Gold bereits durch Filigran, Email etc. noch mehr Farbe und Leben zu geben wußten. Insbesondere blühte die griechische Edelmetalltechnik in den Kolonien des südlichen Rußland, wo die Gräber große Mengen von S. aufbewahrt haben. Die Verzierung der obern Enden (Köpfe) der Haarnadeln mit Figuren, Köpfen, Blumen etc. (Fig. 18) soll eine römische Erfindung sein, während der Ursprung der Fibeln (s. d.) od. Gewandnadeln (Fig. 3) auf
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[569] die Etrusker zurückgeführt wird. Die Fibel ist freilich auch der bevorzugte Schmuckgegenstand in dem barbarischen Norden Europas (s. Tafeln „Metallzeit I und II“) in vorchristlicher Zeit und bis in das Mittelalter hinein (Fig. 14) gewesen. Doch ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt worden, woher den nordischen Völkern jene hoch entwickelte Technik gekommen ist, die z. B. an der Fibula von Tuttlingen (Fig. 19), am Goldschmuck von Hiddensöe (Fig. 20) und an zahlreichem S. im nordischen Museum zu Kopenhagen wahrgenommen wird. Es scheint, daß bei Galliern, Germanen und Skandinaviern bereits die Bearbeitung des Edelmetalls eine hohe Stufe erreicht hatte, als sie mit den Erzeugnissen des Südens bekannt wurden, welche dem barbarischen Dekorationsstil des Nordens eine neue Richtung gaben. Die Römer verwendeten bei der Anfertigung von S. sowohl alle ihnen bekannten Edel- und Halbedelsteine als auch Korallen, Perlen etc., und waren auch im Besitz einer äußerst vielseitigen Technik, welche auf die byzantinischen Goldarbeiter und von diesen auf das romanische Mittelalter (Fig. 3) überging. Byzantinische Einflüsse empfingen auch die Goldschmiede der Franken, Ost- und Westgoten und Langobarden, welch letztere auch in der Anfertigung von S. einen eigentümlichen Stil besaßen. Unter den byzantinischen Kaisern wurde der Luxus mit S. so weit getrieben, daß die Gewänder und selbst die Schuhe mit Edelsteinen, Perlen, Goldblech etc. über und über besetzt wurden. Männer und Frauen wetteiferten in der Überladung aller sichtbaren Kostümstücke mit S. (s. Tafel „Kostüme I“, Fig. 9 u. 10), wobei der Schwerpunkt auf möglichste Buntheit gelegt wurde. Von S. romanischen Stils haben sich nur wenige Proben erhalten, obwohl nicht zu zweifeln ist, daß die Anfertigung von S. ebenso in Blüte gestanden hat wie diejenige von Prachtgeräten und -Gefäßen für den Kirchenschmuck. Schon der bischöfliche Ornat forderte einen reichen Aufwand von S. (Ringe, Mantelschließen, Brustkreuze u. dgl.). Auch aus gotischer Zeit ist nur wenig S. auf uns gekommen, darunter die angebliche Mantelschließe Ludwigs IX. im Louvre zu Paris (Fig. 6). Doch lernen wir aus den wenigen Überresten, aus Urkunden und figürlichen Darstellungen, daß im 15. Jahrh. die Gewänder wieder reich mit allerlei Ornamenten aus Gold- oder Silberblech besetzt wurden, daß man die Hüte mit Agraffen aus Edelsteinen verzierte (Fig. 4 u. 13), und daß man namentlich in der Besetzung der Frauengürtel mit Edelsteinen und Goldschmiedewerk, oft in zierlichster Filigranarbeit (Fig. 15), seit dem 14. Jahrh. großen Luxus trieb. Eine genaue und sichere Vorstellung kann man sich dagegen von dem S. der Renaissancezeit, insbesondere des 16. Jahrh., machen, von dem zwar auch keine große Zahl übriggeblieben ist, da der in fürstlichem und sonstigem alten Familienbesitz erhaltene S. der Mehrzahl nach, je nach der wechselnden Mode, in andre Fassungen gebracht worden ist, dessen Charakter man aber aus Gemälden und Entwürfen hervorragender Künstler genügend kennen lernt. Von deutschen Künstlern hat besonders H. Holbein der jüng. während seiner Thätigkeit in England zahlreiche phantasievoll und edel komponierte Entwürfe für S. geliefert (Fig. 27). In Frankreich hat Du Cerceau (Fig. 30) eine ähnliche Thätigkeit entfaltet. Der S. der Renaissance (Fig. 16, 22 u. 28) ist ebensosehr durch die feine Stilisierung des Ornaments wie durch eine reiche farbige Wirkung unter Hinzuziehung von Email, farbigen Edelsteinen, Perlen etc. ausgezeichnet, während seit dem 17. Jahrh. eine mehr naturalistische Behandlung des Schmucks anhob, welche im Lauf des 18. Jahrh. sich vollends der naturalistischen Neigung des Rokokostils ergab (Fig. 21, 29, 33–38). Seit dem Beginn des 19. Jahrh. trat mit der Vorliebe für Diamanten der farblose S. in den Vordergrund, bis die allgemeine Reform des Kunstgewerbes durch den Anschluß an die Renaissance auch hier einen Umschwung herbeiführte. Eine besondere Gattung von S. bildet derjenige der orientalischen Völker und derjenige europäischer Nationen, bei welchem sich eine Volkstracht und eine sogen. Hausindustrie erhalten hat. Mit der Volkstracht steht S., zumeist silberner, in enger Verbindung, für welchen die reiche Anwendung von Filigranarbeit charakteristisch ist. Solcher nationale Hausschmuck, dessen Formen und ornamentale Motive zum Teil bis in das Altertum zurückreichen, hat sich besonders in Nordfrankreich, Holland, Schweden und Norwegen, Rußland, Ungarn, in den Donauländern und in der Schweiz erhalten (Fig. 9, 25, 26 u. 32). Für den orientalischen Frauenschmuck (Ohrringe, Halsbänder, Ketten, Broschen, Kopfzierate etc.) ist das Hängewerk von runden und zugespitzten Plättchen, Halbmonden, Bommeln, Kettchen u. dgl. m. charakteristisch, welche bei Bewegungen ein klingendes Geräusch verursachen. Auch in diesem S. (Fig. 7, 8, 9, 17, 23, 24 u. 31) haben sich alte nationale Überlieferungen erhalten. Vgl. Bijouterien, Juwelierkunst und Goldschmiedekunst sowie die dort angegebene Litteratur und die einzelnen Artikel „Armband“, „Halsband“, „Halsschmuck“, „Ring“ etc.