Zum Inhalt springen

MKL1888:Schraube

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schraube“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Schraube“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 623624
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Schraube
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Schraube
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Schraube. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 623–624. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schraube (Version vom 04.04.2023)

[623] Schraube,[WS 1] Maschinenelement, welches zur Herstellung lösbarer Verbindungen, zum Einstellen von Maschinenteilen und Apparaten, zur Ausübung eines Druckes, zur Übertragung einer Bewegung dient. Wenn auf der Oberfläche eines massiven oder im Innern eines hohlen Cylinders ein Punkt (Fig. 1)

Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 1 u. 2. Schraubenlinie.

unter einem gleichbleibenden Winkel ansteigt, so beschreibt er nach geometrischer Auffassung eine Schraubenlinie, die in der abgewickelten Cylinderfläche (Fig. 2) als gerade Linien ab, cd erscheint, welche unter dem Winkel α gegen die horizontale Linie ae geneigt liegen. Man nennt den Winkel α den Steigungswinkel, einen Umgang ab den Schraubengang (Gang), die Entfernung ac zweier Gänge die Ganghöhe. Legt man längs der Schraubenlinie um den Massivcylinder (Kern) einen prismatischen Stab, so entsteht die eigentliche S. (Massivschraube, Schraubenspindel) mit dem Gewinde; legt man den prismatischen Stab in dem Hohlcylinder herum, so entsteht die Hohlschraube oder Mutter (Schraubenmutter). Spindel und Mutter gehören stets zusammen, so daß das Gewinde der Spindel in die Zwischenräume (vertiefte Gänge) zwischen dem Gewinde der Mutter paßt. Die Mutter dient zur Befestigung der S. und wird selbst wieder durch eine zweite Mutter (Gegenmutter) vor dem Losgehen geschützt. Die Höhe des Prismas über dem Kern bildet die Gangtiefe, seine Dicke am Kern die Gangbreite. Man unterscheidet scharf-, flach- und rundgängige Schrauben und, wenn 2, 3 und mehr Gänge parallel nebeneinander verlaufen, zwei-, drei- etc. gängige Schrauben. Läuft der Gang einer S. von links nach rechts aufwärts, so ist die S. rechtsgängig, umgekehrt ist sie linksgängig (rechte und linke Schrauben); die rechten Schrauben bilden die Regel, die linken die Ausnahmen. Schrauben mit zwei Gewinden von verschiedener Ganghöhe (Differentialschrauben) dienen zur Ausführung beliebig kleiner Bewegungen (Mikrometerschrauben) etc. Schrauben werden hergestellt durch Gießen, durch Schmieden in Gesenken, durch Auflöten des Ganges, durch Ausfeilen oder Aushauen des Ganges, durch Drücken auf der Drehbank (besonders in der Blechverarbeitung, Lampenfabrikation üblich) und vorzüglich durch Schneiden mittels besonderer Werkzeuge. Zum Schneiden von Metallschrauben dienen: 1) Das Schneideisen (Schraubenblech), ein Stahlblech mit einer Anzahl Löcher von verschiedenem Durchmesser und mit Muttergewinden versehen. Man erzeugt damit kleine Schrauben, indem man Drahtabschnitte etc. in diese Muttern hineindreht. 2) Die Kluppe (Schraubenkluppe), welche (Fig. 3) aus einem Rahmen r mit viereckiger Öffnung zur Aufnahme stählerner Muttern (Schraubenbacken, Schneidbacken) b besteht, deren Kanten schneidend wirken, wenn man sie mit gehörigem Druck drehend längs der Schraubenspindel bewegt. Den Druck erzeugt man durch die Schraube s, die Bewegung durch die Arme aa; da in den Backen stets mehrere Gänge sitzen, so erfolgt die Längsverschiebung von selbst, indem die angeschnittenen Gänge sich in den Backen fortschrauben. Unter den zahlreichen Kluppenkonstruktionen

Fig. 3. Schraubenkluppe.
Fig. 4. Amerikanische Kluppe.

verdienen die amerikanischen Kluppen (Fig. 4) besondere Beachtung, weil die Backen b nicht verstellbar, sondern fest aus einem Stück sind und deshalb ein vorzüglich und gleichmäßig ausgebildetes Gewinde liefern.

Fig. 5. Schraub­stähle.

Die Backen bilden eine Scheibe, welche durch die Schraube t in dem Ring s so festgehalten wird, daß sie durch Drehung der Kluppe vermittelst der Arme gg nicht ausweicht. 3) Der Schraubstahl mit der Drehbank. Der Schraubstahl (Fig. 5) besteht aus einem breiten, nach dem Gewinde gezahnten Meißel, der gegen die auf der Drehbank rotierende Spindel gehalten und längs derselben fortgeschoben wird. Die Schraubenmuttern werden wie die Spindeln durch Gießen, Löten, Drücken, gewöhnlich aber auch durch Schneiden erzeugt und zwar 1) mit Schraubenbohrern (Gewindbohrern, Mutterbohrern). Dieses Werkzeug ist nichts andres als eine stählerne Schraube (Fig. 6), deren Gewinde nach dem Ende a zu allmählich abnehmen, nur bei b vollständig

Fig. 6. Schraubenbohrer.

erhalten u. der ganzen Länge nach mit Furchen ab versehen sind, welche die Schneiden (Fig. 7) hervorbringen. [624] Indem man den Bohrer mit einem auf den viereckigen Zapfen c gesteckten Hebel (Wendeisen) in dem Loch der Mutter herumdreht, greifen die Zähne,

Fig. 7. Querschnitt des Schrauben­bohrers.

welche die einzelnen Gänge bilden, allmählich an, so daß bei einem Durchgang des Bohrers die Mutter geschnitten ist. 2) Mit Schraubstählen, an welchen die Schneiden (Fig. 5) seitwärts sitzen, damit sie in das Loch der auf der Drehbank bewegten Mutter eingeführt werden können (inwendiger Schraubstahl). Die fabrikmäßige Massenerzeugung von Schrauben erfolgt auf Schraubenschneidmaschinen, deren Anordnung Ähnlichkeit mit einer einfachen Drehbank hat. Zur Fabrikation der Holzschrauben zerschneidet man Draht mit einer besondern Schere in Stücke von bestimmter Länge. Diese werden sodann wie die Drahtstifte angeköpft und auf Drehbänken geglättet sowie am untern Ende konisch angedreht. Darauf findet auf einer Patronendrehbank das Anschneiden der Gewinde mittels eines passenden Schneidzahns statt. Die letzte Arbeit ist das Einschneiden (Einstreichen) der Köpfe mit Hilfe einer kleinen Kreissäge.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 817
korrigiert
Indexseite

[817] Schraube. Die Gewinde der größern Befestigungsschrauben (für Maschinenbau, Eisenkonstruktionen etc.) sind seit langer Zeit in bestimmte Systeme gebracht, nach welchen jeder S. von bestimmtem Durchmesser ein Gewinde von bestimmter Ganghöhe zukommt. Es hat das den großen Vorteil, daß man innerhalb des Geltungsbereiches eines solchen Gewindesystems überall in jeder Eisenwarenhandlung dieselben Schraubensorten erhält, also z. B. zerbrochene Schrauben leicht durch passende ersetzen kann. Ein allgemein in der ganzen Welt gültiges System gibt es noch nicht, doch haben das Witworthsche und das Sellerssche System weite Verbreitung gefunden. Für die kleinern Schrauben unter 10 mm, wie sie von den Feinmechanikern gebraucht werden, hat es bisher an allgemeiner anerkannten Systemen gefehlt. Nach den Beschlüssen einer Kommission zur Beratung eines einheitlichen Gewindesystems für die Befestigungsschrauben der Feinmechaniker sollen die Schrauben ein scharfkantiges Gewinde mit einem Kantenwinkel von 58°3′ erhalten, so daß Ganghöhe und Gangtiefe übereinstimmen. Die hiernach festgestellten Gewinde haben bei folgenden Durchmessern folgende Ganghöhe:

Durchmesser: 0,5 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,7 2,0 2,3 2,6 3,0 mm
Ganghöhe: 0,15 0,15 0,2 0,2 0,2 0,3 0,3 0,4 0,4 0,5 0,5 mm
Durchmesser: 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 7,0 8,0 9,1 10,0 mm
Ganghöhe: 0,5 0,7 0,8 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 mm

Die Beschlüsse sind jedoch nur als vorläufig anzusehen, endgültige Feststellung soll erst nach Ablauf eines Versuchsjahres erfolgen. Dann soll aber auch zugleich über die Gewinde von Bewegungsschrauben und über Rohrgewinde Beschluß gefaßt werden.

Bei einer neuen S. soll ähnlich wie bei den Kugellagern die gleitende Reibung möglichst durch die rollende ersetzt werden. Die Mutter dieser S. ist nämlich nicht mit Gewinde, sondern mit stählernen Rollkugeln versehen, welche in entsprechenden Aushöhlungen angebracht sind. Der vorstehende Teil dieser Rollkugeln greift in das Gewinde der Schraubenspindel ein. Bei der Bewegung der S. drehen sich die Kugeln, wodurch die Reibung bedeutend vermindert wird. Die S. zeichnet sich demzufolge durch einen sehr leichten Gang aus, so daß sie für Drillbohrer, Schraubstöcke, Pressen und überhaupt für solche Gegenstände mit Vorteil verwendet werden kann, bei welchen Schrauben mit flachem Gewinde angewendet werden. Die Anbringung der Rollkugeln ist sehr einfach und verursacht weniger Arbeit als das Schneiden des Muttergewindes. Es werden entweder mittels einer geeigneten Fräsvorrichtung Aushöhlungen in der Innenwand der Mutterbüchse angebracht, oder es werden von außen Löcher durchgebohrt, mit Gewinden versehen und mit Schraubenbolzen wieder ausgefüllt, in denen vorher die entsprechenden Aushöhlungen für die Kugeln angebracht sind. Mit derartigen Schrauben wurden von A. Weber und A. Schütz in Solingen die verschiedensten Vorrichtungen hergestellt, welche sehr gut arbeiten. Die Anwendung ist jedoch vermutlich auf solche Fälle beschränkt, wo kein starker Druck auftritt, da die Berührung zwischen den Kugeln und dem Gewinde nur in Linien, nicht in Flächen stattfindet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch die Ergänzung unter Schrauben (Band 18).