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MKL1888:Seeversicherung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Seeversicherung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Seeversicherung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 815816
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Seeversicherung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 815–816. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Seeversicherung (Version vom 14.11.2022)

[815] Seeversicherung (Seeassekuranz, Transportversicherung zur See), Versicherung gegen die Gefahren der Seeschiffahrt. Gegenstand eines solchen Seeversicherungsvertrags kann jedes in Geld schätzbare Interesse sein, welches jemand daran hat, daß Schiff oder Ladung die Gefahren der Seeschiffahrt bestehe; also vor allen Dingen das Schiff selbst (sogen. Versicherung auf Casko) und die Ladung desselben. In letzterer Beziehung bestimmt das deutsche Handelsgesetzbuch (Art. 803), daß im Zweifel derjenige Wert, welchen die Güter am Ort und zur Zeit der Abladung haben, unter Hinzurechnung aller Kosten bis an Bord, einschließlich der Versicherungskosten, als Versicherungswert gelten soll. Unbenommen ist es jedoch dem Kontrahenten, durch Hinzufügen der Zölle und des Betrags der Fracht einen höhern Versicherungsbetrag zu vereinbaren; ja, sogar der sogen. imaginäre Gewinn, welcher von der Ankunft der Güter am Bestimmungsort erwartet wird, kann Gegenstand der S. sein. Letzteres ist allerdings nach französischem Handelsrecht unzulässig, während nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (Art. 805) in diesem Fall im Zweifel 10 Proz. des Versicherungswertes der Güter als mitversichert gelten. Außerdem können aber auch Fracht, Provision, Überfahrtsgelder, Rückversicherung, Bodmerei- und Havariegelder Gegenstand der S. sein. Unzulässig ist dagegen die Versicherung der Heuer des Schiffsvolkes. Übrigens kann man den Versicherungswert auch auf eine feste Summe stellen (fixierte Police). Die S. kann für eigne wie für fremde Rechnung abgeschlossen werden. An allen größern Seehandelsplätzen bestehen Seeversicherungsgesellschaften und -Vereine (Kompakten), doch befassen sich auch und zwar namentlich in England Einzelkaufleute mit dem einträglichen Geschäft des Seeversicherers (Assekuradörs). Die Abschließung des Assekuranzvertrags selbst geschieht zumeist durch Mittelspersonen (Assekuranzbesorger, Kommissionäre, Assekuranzmakler). Es ist gestattet, die Person des Versicherten, zu dessen gunsten die S. abgeschlossen wird, unbestimmt zu lassen, wofür die Wendung „Wen es angeht“ gebräuchlich ist. Der Versicherungsnehmer hat dem Assekuradör die ausbedungene Prämie zu bezahlen; wird die Seereise, auf welche sich die S. bezog, vom Versicherten wieder aufgegeben, so kann die bereits bezahlte Prämie wieder zurückgefordert werden, vorbehaltlich des Rechts des Versicherers, einen Abzug, Ristorno (s. d.), zu machen. Häufig ist der Vorbehalt gewisser Ausnahmen von der Haftpflicht des Assekuradörs, und hierauf beziehen sich die in den Policen wiederkehrenden Klauseln: „Frei von Kriegsverlust“, „frei von Bruch“, „frei von Leckage“, „frei von Beschädigung außer im Strandungsfall“ u. dgl. Für denjenigen Schaden, welcher aus der Seeuntüchtigkeit des Schiffs, durch die natürliche Beschaffenheit oder durch die mangelhafte Verpackung der Güter entsteht, braucht der Versicherer nicht aufzukommen; ebensowenig für denjenigen Schaden, welcher in einem Verschulden des Versicherten sich gründet. Zur Feststellung der Seetüchtigkeit der Schiffe dient die Schiffsklassifikation (s. d.). Die S. wird in der Regel für eine bestimmte Reise geschlossen; sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem die Güter „vom Land scheiden“; sie endigt, wenn sie dieses im Bestimmungshafen wieder erreichen („von Land zu Land“). Sobald der Versicherte Nachricht von einem Unfall erfährt, welcher dem versicherten Gegenstand zugestoßen, ist er zur Anzeige und Mitteilung darüber an den Versicherer (sogen. Andienung des Seeschadens) verpflichtet. Der Schade selbst muß glaubhaft nachgewiesen werden, was durch die sogen. Verklarung und durch die Dispache geschieht (s. Havarie). Der Regel nach kann der Versicherungsnehmer Zahlung der ganzen Versicherungssumme nur verlangen, wenn ein Totalverlust vorliegt; doch ist es unter Umständen dem Versicherten gestattet, gegen Abtretung seiner Rechte am Versicherungsgegenstand an den Versicherer Zahlung der ganzen Versicherungssumme zu beanspruchen (s. Abandon). Die Klagen aus der S. verjähren nach dem deutschen Handelsgesetzbuch in fünf Jahren von der Beendigung der Versicherungszeit an. Vgl. Deutsches Handelsgesetzbuch, Art. 782–905, 911; Benecke, System des Seeassekuranz- und Bodmereiwesens (bearbeitet von Nolte, Hamb. 1851, 2 Bde.); Tecklenborg, Allgemeine Seeversicherungsbedingungen (Brem. 1868); Reatz, Geschichte des europäischen [816] Seeversicherungsrechts (Leipz. 1870); Schneider, Von Havereien und Seeversicherungen (Brem. 1875); Voigt, Deutsches Seeversicherungsrecht (Jena 1884–87, 4 Tle.); Andersen, Die S. (Hamb. 1888); Newson, Law of shipping and marine insurance (2. Aufl., Lond. 1883).