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MKL1888:Spinnen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Spinnen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 15 (1889), Seite 147153
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Spinnen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 15, Seite 147–153. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Spinnen (Version vom 07.12.2024)

[147] Spinnen, s. Spinnentiere.

Spinnen (hierzu Doppeltafel „Spinnmaschinen“), aus kurzen Fasern durch Zusammendrehen beliebig lange Fäden (Gespinst, Garn, s. d.) erzeugen. Damit das Garn die größte Gleichmäßigkeit und Festigkeit bekommt, müssen die Fasern nicht nur vor allen etwanigen Verunreinigungen sowie kurzen Härchen befreit, sondern auch gleichmäßig verteilt und in eine parallele Lage gebracht, demnach also gewissen Vorbereitungsarbeiten unterworfen werden, bevor das eigentliche S. stattfinden kann. Je nachdem die verschiedenen Operationen von der Hand mit einfachen Werkzeugen oder von mechanischen Vorrichtungen ausgeführt werden, unterscheidet man Hand- und Maschinenspinnerei.

1) Die Handspinnerei,

durch die Maschinen fast verdrängt, wird nur noch von den Landbewohnern zum S. des Flachses und der Wolle benutzt, zeigt aber bereits deutlich die der

Fig. 1. Handspinnen nach ältester Methode.

Spinnerei zu Grunde liegenden Hauptoperationen. Der gehechelte Flachs oder die gewaschene und gekratzte Wolle werden um einen hölzernen Stock (Rocken) a (Textfig. 1) gewunden, den die Spinnerin neben sich aufstellt oder in den Gürtel steckt. Das Ordnen der Fasern bewirkt sie durch Ausziehen derselben mit der einen Hand, während sie mit der andern die Spindel am obern Ende dreht, an welchem der Faden mit einer Schlinge in einem Häkchen oder einem schraubenförmigen Einschnitt so befestigt ist, daß die Drehung auf ihn übertragen wird. Die Spindel b besteht aus einem hölzernen (selten eisernen) Stäbchen von 20–30 cm Länge, das etwa 8 cm vom untern Ende seine größte Stärke, 0,8–1,5 cm, hat u. sich von da aus nach beiden Enden zuspitzt. Etwas unter der stärksten Stelle befindet sich eine kleine Schwungmasse c (Wirtel) aus Zinn oder Horn, in den ältesten Zeiten aus einem durchbohrten Stein bestehend, durch welche die Drehung der Spindel länger erhalten wird, nachdem sie losgelassen und, an dem sich bildenden Faden hängend, allmählich zur Erde sinkt. Ist dies geschehen, so wird der Faden [148] vom obern Ende der Spindel abgelöst, aufgewickelt und von neuem festgehakt, die Spindel gedreht etc. Viel nutzbringender ist das S. mit dem Spinnrad (Handrad oder Trittrad), durch welches die beiden Operationen des Drehens und Aufwickelns der Hand abgenommen werden, während nur das Ordnen der Fasern (Ausziehen) derselben überlassen bleibt. Bei

Fig. 2. Handrad.

dem Handrad (Textfig. 2) wird die frei schwebende Spindel a durch das von der rechten Hand an der Kurbel b gedrehte Rad c mittels Schnur ohne Ende in Umdrehung versetzt, während man in der linken das Spinnmaterial (meist Wolle) hält und in geeigneter

Fig. 3. Trittrad.

Menge durch die Finger gleiten läßt. Zunächst wird der Faden gedreht, indem man ihn in der Richtung 1, d. h. unter stumpfem Winkel, gegen die Spindel hält und sich allmählich mit der linken Hand von der Spindel entfernt; hierauf bringt man ihn in die Richtung 2, wodurch er aufgewickelt wird. Bei dem Trittrad (Textfig. 3) ist eine Spindel xy vorhanden, die an beiden Enden gelagert und bei y mit einem sogen. Kopfe versehen ist, welcher der Länge nach eine Durchbohrung mit einem Seitenloch sowie zwei Flügel aa besitzt. Auf der Spindel befindet sich eine hölzerne Spule b zum Aufwickeln des Garns ii. Die Spindel xy erhält nun durch die Schnurrolle r (Wirtel) und die Schnur s, die Spule b durch die Schnurrolle u und die Schnur t, beide von dem durch den Fußtritt f, Schubstange e und Kurbel d in Umdrehung versetzten Schwungrad c aus eine Drehbewegung. Der bei y durch den Kopf gehende, von dem Spinnrocken kommende Faden i wird zunächst durch diese Bewegung gedreht, dann aber über kleine Häkchen des Flügels auf die Spule b geleitet. Da nun letztere entweder einen kleinern oder größern Wirtel u hat als die Spindel, also mehr oder weniger Umdrehungen als diese macht, so muß dadurch das Garn aufgewickelt werden. Um hierbei ein regelmäßiges Bewickeln der Spule zu bewirken, wird der Faden der Reihe nach über andre Häkchen geleitet.

2) Die Maschinenspinnerei,

welche jetzt die Regel bildet, erzeugt das Garn in der Weise, daß das Fasermaterial zunächst zum Zweck der Reinigung und Anordnung eine Reihe von Maschinen durchläuft, die dasselbe als ein zusammenhängendes Band abliefern, welches Vorgarn genannt und durch allmähliche Verfeinerung und Drehung in Garn (Feingarn) verwandelt wird.

A. Baumwollspinnerei. Die zum Verspinnen bestimmte Baumwolle (s. d.) kommt in sehr stark zusammengepreßten Ballen in die Spinnereien und muß zur Abscheidung der Schmutzteile geöffnet werden. Dies erfolgt in dem Wolf (Öffner, Willow), der sehr verschieden konstruiert, aber in neuester Zeit hauptsächlich in der durch Fig. 4 dargestellten Einrichtung des vertikalen, konischen Willows angewendet wird. Auf der vertikalen Achse aa befinden sich 6–8 runde Blechscheiben 16, mit einer Anzahl von Stäben c versehen, welche mit der Achse aa sich mit großer Geschwindigkeit (1000–1200 Umdrehungen in der Minute) drehen. Die durch den Kanal A zugeführte Baumwolle wird von diesen Schlägern gefaßt und gewaltsam gegen den konischen Korb op geschleudert, welcher siebartig durchbrochen ist und daher den groben Staub durchläßt, der sich in der Kammer KK ansammelt und zeitweilig entfernt wird. Der feinere Staub dahingegen wird durch eine Trommel E abgesondert, deren Inneres mit dem Ventilator G in Verbindung steht, der dasselbe aussaugt. Obige Trommel G ist nun mit einem Drahtgewebe überspannt, gegen welches durch den Luftzug die aufgelockerte Baumwolle fliegt, um sich von dem Staub zu trennen, der in das Siebinnere und zum Staubturm H gejagt wird. Infolge einer langsamen Drehung der Siebtrommel gelangt die Baumwolle durch D auf das Tuch ohne Ende F, welches sie, im hohen Grad gelockert, aus der Maschine auswirft. Unmittelbar auf dieses Öffnen folgt eine noch weiter gehende Auflockerung und Reinigung in der gewöhnlich doppelten Schlag- oder Flackmaschine (Batteur), deren Einrichtung Fig. 5 im Längsschnitt zeigt. Das Wichtigste an dieser Maschine sind die Schlagvorrichtungen, welche sich in den Kasten c und e befinden und aus einer Welle bestehen, an der mittels Arme zwei Lineale (Schläger) tt befestigt sind, die sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 1500 Umdrehungen in der Minute drehen. Die Baumwolle wird nun auf das Tuch ohne Ende a gelegt und von diesem einem Walzenpaar (Speisewalzen) b übergeben, an dem die Schläger sehr nahe vorbeifliegen, und das sich so langsam dreht, daß auf etwa 1 mm des vorgeschobenen Materials 1 Schlag kommt. Der bei diesem Schlagen frei werdende Staub fliegt zum Teil durch die Roste rs[WS 1], zum Teil durch die Siebtrommel d mit Ventilator k, während die Baumwolle erst auf der Siebtrommel d gesammelt und dann von dieser den Speisewalzen e1 zugeschoben wird, um in e noch einmal geschlagen, durch Rost s, Siebtrommel f‌f mit Ventilator m gereinigt zu werden. Aus f‌f gelangt sie zu den Preßwalzen g und endlich auf eine durch ii gedrehte Walze h zum Aufwickeln zu einem Wickel. Da die Baumwolle mindestens zwei-, oft mehrere Male auf der Schlagmaschine bearbeitet werden muß, so findet man gewöhnlich solche doppelte Schlagmaschinen und benutzt zwei derselben hintereinander. Dabei legt man mehrere Wickel (1, 2, 3) der ersten Schlagmaschine auf das Speisetuch a der zweiten sogen. Wattenmaschine, wodurch eine Mischung und die

[Beilage]

[Ξ]

Spinnmaschinen.
Fig. 4. Konischer Wolf.
Fig. 5. Schlagmaschine.
Fig. 9. Deckelkratze.
Fig. 10. Häkchenstellung der Walzenkarde.
Fig. 11. Walzenkarde (Seitenansicht).
Fig. 23. Wollkämme.

[Ξ]

Spinnmaschinen.
Fig. 13. Vorspinnmaschine (Flyer).
Fig. 15. Mulemaschine.
Fig. 16. Selbstspinner (Self-actor).
Fig. 19. Waterspinnmaschine für Flachs.

[Ξ]

Spinnmaschinen.
Fig. 12. Streckwerk.
Fig. 14. Waterspinnmaschine für Baumwolle.
Fig. 17. Ringspindel.
Fig. 18. Anlegemaschine.
Fig. 20. Schlagwolf.
Fig. 21. Reißwolf.
Fig. 22. Florteiler.
Fig. 24. Igelstrecke.

[149] Bildung einer regelmäßigen Watte erzielt wird (Duplieren). Der Abschluß der Reinigung und Auflockerung erfolgt sodann durch das Kratzen oder Krempeln auf der Kratzmaschine (Krempel, Karde), deren wesentlichster Teil der Auflockerungsapparat ist, welcher der ausgiebigen Wirkung wegen aus zwei Systemen von hakenartigen Zähnchen besteht, die aus hartem Draht, knieförmig gebogen, durch Lederstreifen gesteckt sind, so daß sie in großer Zahl dicht nebeneinander stehen und den Kratzenbeschlag (Textfig. 6) bilden. Zur Verdeutlichung des Vorganges dienen die untenstehenden Fig. 7 u. 8, welche Stücke eines

Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 6–8. Kratzenbeschlag.

Kratzenbeschlags in den zwei verschiedenen Stellungen zeigen. Denkt man sich in bb (Textfig. 7) Fasern und aa nach links bewegt, so erfolgt gar keine Wirkung oder ein Aufrollen des Materials zwischen den Kratzflächen; bewegt sich aber aa nach rechts, so findet ein Vorgang wie beim Kämmen, d. h. ein Kratzen, statt, welches in seiner Wirkung noch vermehrt wird, wenn sich zugleich bb nach links bewegt. Geht in Textfig. 8 bb nach links, so spießt es die Wolle von aa auf, während bei der umgekehrten Bewegung, oder wenn aa sich nach links begibt, die Fasern in aa hängen bleiben. Bei dieser Häkchenstellung kann man also, je nach der Wahl der relativen Bewegungsrichtung, die Fasern beliebig von einem Beschlag in den andern überführen (Abnehmen, Wenden). Zur Bethätigung dieser Werkzeuge ist nun ein System stets auf einer großen cylindrischen Trommel (Tambour) von etwa 1 m Durchmesser angebracht, während das zweite System entweder auf Latten sitzt, welche die Trommel konzentrisch umgeben und die Deckel (Deckelkarde) bilden, oder auf passend gelagerten kleinern Walzen (Igel) angebracht ist (Walzenkarde). Die Einrichtung der Deckelkratze zeigt Fig. 9. Die von der zweiten Schlagmaschine kommende Watte wird bei a eingelegt, durch die drehende Walze b allmählich wieder abgewickelt und über die Platte c den Speisewalzen e übergeben, aus welchen sie von der sogen. Vorwalze f herausgezogen und an die große Trommel T abgeliefert wird. Diese dreht sich nun mit großer Geschwindigkeit (100- bis 160mal in der Minute) und kratzt das Material mit Hilfe der Deckel dd, dasselbe zugleich in ein äußerst zartes Vlies verwandelnd, welches vermittelst der mit Kratzenbeschlag garnierten Trommel K von der Trommel T abgenommen wird (Abnehmer, Kammtrommel). Zur Entfernung des Vlieses aus dieser Trommel K dient ein Kamm k (Hacker), welcher, durch eine schnell umlaufende Kurbel m auf und ab bewegt, das Vlies aushackt. Da letzteres sehr zart ist, so zieht man es bei n seitwärts zusammen und leitet es durch einen Trichter t, in dem es die Gestalt eines Bandes erhält, welches, zwischen den Walzen q noch zusammengepreßt, durch den Kopf u in den Topf p geleitet wird, in dem es sich in Spiralen ablagert, welche durch einen in u angebrachten Drehapparat gebildet werden. Statt der Deckelkratzen verwendet man ihrer größern Leistung wegen jetzt ebenso vielfach die Walzenkarden (Igelkrempel), deren Häkchenstellung neben der Haupttrommel a Fig. 10 zeigt, wo b Arbeiter und c Wender heißen, und deren Konstruktion aus Fig. 11 hervorgeht. Um die große Trommel T liegen die Arbeiter a und dazwischen die kleinern Wender n, welche fortwährend die in a sitzen bleibende Baumwolle von a auf T übertragen (wenden), um die Wirkung zu erhöhen. Die Wickel werden wie bei der Deckelkarde durch die Walze z abgewickelt, von dem Zufuhrapparat bc auf die Vorwalze d und von dieser auf die Trommel T gebracht, sodann durch die Walzen 1, 2, 3 gleichmäßiger verteilt, zwischen T und a gekratzt, um endlich auf die Kammwalze K mit Hacker k und auf die Wickelwalze q zu gelangen, oder durch einen Trichter die Bandform zu gewinnen. Die Drehung der Arbeiter erfolgt durch eine endlose, durch das Gewicht g gespannte Kette s von der Scheibe 7, die Drehung der Wender w, n sowie der Walzen d, 1, 2 und 3 durch Riemen r, t, u und Riemenscheiben 5 auf der Achse 4 und 12 auf der Achse B von der großen Trommelwelle A aus. Von 7 wird zugleich die Bewegung durch Kegelräder 8, 9, 10 auf c und weiter auf z übertragen. In der Regel wird die Baumwolle zweimal gekratzt: auf der Vorkarde und nach Behandlung auf der Lappingmaschine auf der Feinkarde, in welchem Fall mehrere Bänder der Vorkarde zusammengewickelt und als Bandwickel auf die Feinkarde gebracht werden. Um im Band eine vollständig gleiche, gestreckte, parallele Lage und gleiche Verteilung der Fasern zu bekommen, passieren sie eine Reihe von Walzen in der Weise, daß immer so viel Bänder vereinigt werden (Duplieren), als jedes Band verlängert (gestreckt) wird. Dazu dient ein Streckwerk (Laminirstuhl, Strecke), dessen Einrichtung (Fig. 12) folgende ist. In einem passenden Bock liegen vier Walzenpaare 1, 2, 3, 4, die die Bänder A dadurch verlängern, daß sie der Reihe nach von 4 nach 1 größere Umdrehgeschwindigkeiten, z. B. auf das Sechsfache gesteigert, erhalten. Die Oberwalzen sind mit Leder überzogen und durch Gewichte qq auf die geriffelten Unterwalzen gepreßt. Die (z. B. 6) gestreckten und vereinigten Bänder laufen als ein Band A durch eine Platte h, Walzen c und den drehenden Kopf T in die Kanne DD, welche sich durch eine Schnecke s mit Schneckenrad r um die Achse dreht, um dem Bande die Spirallage zu geben (Drehkanne). Wegen der Gleichmäßigkeit des Bandes muß die Strecke sofort stillstehen, wenn ein Band reißt. Dazu dienen der Hebel zyx und die Platte h (Bandwächter), die [150] von dem Band gehalten werden und sofort mit x oder p gegen die Zähne des Rades a fallen, wenn das Band bei b oder h reißt. Durch die Arretierung von a wird dann sofort die Strecke abgestellt. In dem gestreckten und duplierten Band sind die Fasern so verteilt und gelagert, daß dasselbe durch weitere Streckung und Drehung in Garn überführt werden kann. Der großen Lockerheit halber muß diese Operation aber in gewissen Abstufungen so erfolgen, daß die Zusammendrehung zunächst dem Band nur eine Festigkeit erteilt, welche das Weiterstrecken nicht hindert; dadurch entsteht das Vorgarn (Vorgespinst). Zur Erzeugung desselben dient der Flyer oder die Spindelbank, welche die früher üblichen Vorspinnmaschinen (Röhrchen-, Eklipsmaschine, Jackmaschine etc.) fast vollständig verdrängt hat. Der Flyer, welcher in mehreren Größenabstufungen (Grob-, Mittel-, Fein-, Feinfein- und Doppelfeinflyer) nacheinander in Verwendung kommt, erhält zuerst das Band aus den Kannen der Streckmaschinen, wickelt aber das Vorgarn auf Spulen, so daß vom Grobflyer abwärts das Garn auf Spulen gewickelt in die Maschine gelangt. Das Wesen eines Flyers zeigt Fig. 13 der Tafel. Von den Spulen aa läuft das Vorgarn in das Streckwerk b, von hier zu den Spindeln cc, mit den Flügeln d, welche durch die am Fuß angebrachten Kegelräder k in Umdrehung versetzt werden und dadurch dem Garn Draht geben. Indem das Garn zugleich durch den hohlen Flügelarm d und den Finger f auf die Spule e geleitet und letztere um die Spindel vermittelst schiefer Kegelräder i gedreht wird, wickelt es sich auf die Spule, welche aus einem hölzernen Rohr besteht und behufs regelmäßiger Bewickelung mit der sogen. Spulenbank (Wagen) g innerhalb der Flügel auf und ab steigt, bis sie gefüllt ist, um nach Abheben des Flügels von der Spindel abgezogen u. der nächstfolgenden Maschine übergeben zu werden. Ein sehr sinnreicher, aber komplizierter Mechanismus mit Differenzialräderwerk (Differenzialflyer) regelt die Aufwickelbewegung, welche sich nach jeder Garnschicht ändern muß. – Nachdem das Vorgarn den letzten (Fein-) Flyer etwa in der Dicke eines gewöhnlichen Bindfadens verlassen hat, empfängt dasselbe die endgültige Streckung und Drehung zur Verwandlung in Garn auf den Feinspinnmaschinen, die entweder nach dem Prinzip des Spinnrades oder des Handrades (s. S. 148) konstruiert sind und danach Watermaschinen oder Mule heißen. Die Watermaschine (Fig. 14) wird immer doppelt gebaut, d. h. es ist an derselben ein Träger (Aufsteckrahmen) für zwei Reihen mit Vorgarn gefüllter Spulen aa, zwei Reihen Streckwerke bb und Spindeln mit Flügeln und Spulen vorhanden. Das Garn geht von a nach b, sodann gestreckt durch ein Führungsauge n nach dem Flügel c und von diesem gedreht auf die Spule zwischen dem Flügel zum Aufwickeln. Die 120 Spindeln no werden von den mit den Wellen gg sich drehenden Trommeln xx vermittelst Schnüre s und Wirtel t 3600–4500mal in der Minute gedreht, während die Spulenbank t mit den Stangen f‌f auf und nieder geht. Zu dem Zweck werden die letztern in den Büchsen z und y geführt und von den Schienen mm getragen, welche an Ketten kk hängen, die über die Rollen rr laufen und an den Winkeln ee befestigt sind, welche sich mit Rollen gegen eine Herzscheibe d legen, die eine solche Form hat, daß sie bei ihrer gleichmäßigen Drehung die Hebel und dadurch die Stangen f‌f abwechselnd auf und ab bewegt. Die Aufwickelung des Garns erfolgt durch ein Zurückbleiben der Spulen infolge einer starken Reibung auf der Bank t. Sämtliche Bewegungen gehen von einer der Wellen g aus, die direkt angetrieben wird, durch Zahnräder die Bewegung dem Streckwerk und durch das Zahnrad 2, Schnecke 3, Schneckenrad 4, Welle h und Schneckengetriebe 5 u. 6 der Herzscheibe d mitteilt. Während bei der Watermaschine Streckung, Drehung und Aufwickelung gleichzeitig und ununterbrochen vor sich gehen, sind bei der Mulemaschine diese Operationen getrennt. Sie besteht nämlich (Fig. 15 der Tafel) aus einem festen Gestell A mit Aufsteckrahmen für die mit Vorgarn gefüllten Spulen aa sowie Streckwerk b und einem Wagen B mit den Spindeln c, mit denen das Garn h verbunden ist. In der ersten Periode fährt der Wagen etwa 2 m vom Gestell weg aus, während sich sowohl die Streckwalzen b als die Spindeln c drehen, um das Garn zu spinnen. In der nun folgenden zweiten Periode fährt der Wagen dem Gestell zu ein, während das Streckwerk stillsteht, um das gesponnene Garn aufzuwickeln, zu welchem Zweck ein Draht gesenkt wird, der in Bügeln g über sämtlichen Fäden der Maschine liegt und deshalb auch durch Bewegung der Bügel g sämtliche (600–700) Fäden in die zum Aufwickeln erforderliche Lage zu den Spindeln bringt (Aufwindedraht). Bei den ersten Mulemaschinen führte ein Arbeiter sämtliche beim Einfahren stattfindende Bewegungen aus, weshalb die Zahl der gleichzeitig gesponnenen Fäden 300 nicht überschritt. Die jetzigen Mulemaschinen arbeiten dahingegen mit wenig Ausnahmen selbstthätig (Selbstspinner, Self-actor), indem nicht nur die Bewegungen, sondern namentlich die so wichtige und äußerst schwierige Regulierung von einer Stelle aus erfolgt; daher ist es möglich, sie mit 800–1100 Spindeln auszustatten. Einen Überblick über den höchst komplizierten Mechanismus eines Selfaktors gewährt Fig. 16 der Tafel. Die Transmissionsriemenscheibe I sitzt fest auf der Welle A und dreht einerseits durch Kegelräder die Strecken b, anderseits die große Schnurrolle R. Von b aus setzt sich die Drehung fort durch die Räder 1, 2, 3, 4 auf die Scheibe M, welche vermittelst der am Wagen B befestigten, durch M1 gespannten Wagenschnur W den Wagen ausfährt. Gleichzeitig dreht die um R und R1 gelegte, um Führungsrollen h und die Trommel f laufende Schnur ss die Trommel f und somit durch Schnüre ee die Spindeln c. Das Einfahren des Wagens erfolgt von der um A drehbaren Riemenscheibe II aus durch Stirn- und Kegelräder ik, Welle l und Schnecke m vermittelst der zweiten um m1 gespannten Wagenschnur w1, die sich auf die Schnecke aufwickelt, um abwechselnd die Geschwindigkeit zu vergrößern und zu verkleinern, weil der Wagen anfangs beschleunigt und dann verzögert wird. Zur Bildung des Garnkörpers (Kötzer) senkt sich der Aufwinder g, während ein zweiter, unten hinlaufender Draht g1 (Gegenwinder) die Fäden gespannt hält, damit sie keine Knoten bekommen. Der Winder g wird dadurch bewegt, daß die Stange o mit einer Nase unter die Zahnstange z schnappt und sich dadurch hebt und senkt, daß ihre Rolle p auf einer an- und absteigenden Schiene qqq (Formplatte) rollt; z überträgt diese Vertikalbewegung durch ein Zahnrad auf eine Welle, an welcher die Arme g befestigt sind. Beim Ausfahren schnappt o wieder aus, wobei ein Gewicht in Wirkung tritt, das mit der Kette r g hebt und z senkt. Zur Bewegung der Spindeln c zum Zweck der Kötzerbildung dient der sogen. Quadrant Q, welcher durch ein mit M1 verbundenes Zahnrad, das in den Zahnquadranten y1 eingreift, hin und her bewegt wird [151] und diese Bewegung vermittelst der Kette t und Zwischenräder auf die Trommel f überträgt. Durch die Quadrantenschraube uu wird diese Aufwindebewegung aufs genaueste geregelt, da durch sie der Angriffspunkt y der Kette beliebig eingestellt werden kann. Neben den Water- und Mulemaschinen kommt immer mehr die Ringspindelbank in Aufnahme, deren Wesen Fig. 17 erkennen läßt. Der Faden gelangt zu der Spule S von einer Führungsöse a und einer kleinen Klammer b (Fliege), welche den Kopf des Ringes rr umfaßt. Indem nun die Spindel mit der Spule S durch den Wirtel w in Drehung versetzt wird, erhält der Faden zwischen a und b Draht, während die Fliege b zugleich auf dem Ring rr hinläuft und dadurch das Aufwickeln des Fadens bewirkt. Die Verteilung des Fadens über die ganze Spule erfolgt durch Auf- und Abbewegung der Ringbank R wie bei der Watermaschine.

B. Flachsspinnerei. Das Verspinnen des Flachses (s. d.) beginnt damit, daß man Bündel des je nach der Feinheit des Garns weniger oder mehr (bis fünfmal) gehechelten Flachses, sogen. Risten, zu einem Band vereinigt, wozu die in Fig. 18 skizzierte Anlegemaschine dient. Dieselbe besteht der Hauptsache nach aus zwei Walzenpaaren bei C und A mit einem dazwischenliegenden Hechelapparat E (Nadelstabstrecke). Das Einziehwalzenpaar C, dessen Oberwalze o durch ein Gewicht q mit 150 kg auf die untere Walze gepreßt wird, empfängt die auf einem Zuführtuch regelmäßig ausgebreiteten Risten über die Platte b, um sie den bei E sichtbaren, in der Pfeilrichtung bewegten Hechelstäben zu übergeben, welche sie dem Streckwalzenpaar A zutragen, dessen Oberwalze o mit 550 kg durch das Gewicht q belastet ist. Da die Streckwalzen A sich schneller drehen als C, so wird der Flachs nicht nur gestreckt, sondern auch fortgesetzt gehechelt und zu einem Band vereinigt, das über die sogen. Bandplatte B durch das Abzugswalzenpaar F in eine Kanne geleitet wird. Zu bemerken ist noch, daß die Schaber n und m die Oberwalzen, eine rauhe Walze mit rotierender Bürste die untere Streckwalze von Fasern frei halten, daß ein Gewicht p die untere Abzugswalze nachgiebig in der Schwebe hält, und daß die Hechelstäbe ihre obere Vorwärts- und untere Rückwärtsbewegung durch Schrauben erhalten (Schraubenstrecke). Auf ganz ähnlichen Maschinen (Durchzug, Flachsstreckmaschinen) mit immer feiner werdenden Hecheln erfolgt dann ein weiteres Strecken und Duplieren der Bänder und hierauf die Verwandlung in Vorgarn auf einer Vorspinnmaschine, welche sich von dem Flyer (s. oben) nur durch das Streckwerk unterscheidet, welches genau so eingerichtet ist wie bei der Anlegemaschine. Zum Feinspinnen dienen ausschließlich Watermaschinen, welche oft die Einrichtung haben, welche Fig. 19 zeigt. Bei a werden die Spulen mit Vorgarn aufgesteckt; b und d sind die Streckwalzen mit Zwischenwalzen cc zum Leiten des Garnes; die Flügelspindeln werden von der Schnurtrommel e durch die Schnüre f und Wirtel g gedreht, die Spulen h stecken lose auf den Spindeln und erhalten die zum Aufwickeln erforderliche Bremsung durch eine mit dem Gewicht i belastete Schnur, welche in einer um den untern Spulenrand laufenden Nute liegt. Das Heben und Senken der Spulen erfolgt wie bei der oben beschriebenen Watermaschine. Um den Flachsfasern im Augenblick des Zusammendrehens die eigentümliche Starrheit zu benehmen und dadurch ein sehr glattes, schönes Garn spinnen zu können, führt man jetzt ganz allgemein das Garn vor der Drehung durch einen Trog mit etwa 80° warmem Wasser (Naßspinnen), der vor den Spindeln liegt. Solche Garne müssen gehaspelt und dann noch getrocknet werden.

C. Hanfspinnerei stimmt ganz mit der Flachsspinnerei überein.

D. Hede- (Werg-) Spinnerei unterscheidet sich von der Flachsspinnerei nur durch die Bildung des ersten Bandes, welche nach Art der Baumwollspinnerei auf einer groben Walzenkarde vorgenommen wird.

E. Jutespinnerei erfolgt nach zwei verschiedenen Methoden. Nach der einen werden die 2–3 m langen Risten in kürzere, 760 mm lange Teile zerschnitten und dann genau wie Flachs verarbeitet, d. h. gehechelt, auf der Anlege in ein Band verwandelt, gestreckt, dupliert, in Vorgarn übergeführt und auf Watermaschinen trocken versponnen. Diese in England vorwiegend für feinere Garne gebrauchte Methode liefert das sogen. gehechelte oder Jute-Linen-Garn und verarbeitet nur ausgesuchte Fasern. Die zweite Methode, welche in Deutschland und Österreich allgemein eingeführt ist, liefert das sogen. kardierte oder Towgarn, weil die Fasern auf Karden bearbeitet und in Hede (Tow) verwandelt werden. In beiden Fällen geht dem Verspinnen eine Vorbereitungsarbeit voran, welche ein Geschmeidigmachen der Fasern bezweckt und darin besteht, daß man die aufgestapelten Risten mit Wasser und Thran besprengt, um sie einzuweichen (Einweichprozeß), und dann in einer Maschine quetscht, in der 20–40 Paar grob geriffelte Walzen auf einem horizontalen oder cylindrischen Gestell nebeneinander liegen und infolge einer drehenden Bewegung die Juteristen durchziehen, welche dabei derart geknetet werden, daß sie diese Quetschmaschine weich und geschmeidig verlassen. Nur die Wurzelenden bleiben mitunter hart und müssen abgerissen werden, was auf der Schnippmaschine geschieht, welche mit einer Hechelmaschine Ähnlichkeit hat. Nach dem Quetschen gelangen die bandartig zusammenhängenden Fasern auf eine Walzenkratze (Fig. 11) mit grobem Beschlag, um in kurze Faser zertrennt zu werden, welche sich zu einem Band vereinigen und in eine Kanne einlegen. Nach zweimaligem Kratzen folgt das Duplieren und Strecken auf 3–5 Nadelstabstrecken (Fig. 18), darauf die Bildung des Vorgarns auf Flyern und das Feinspinnen auf Watermaschinen (trocken), wie beim Flachsspinnen angegeben ist.

F. Wollspinnerei umfaßt die Herstellung von Streichgarn, Kammgarn und Halbkammgarn aus Wolle von verschiedener Beschaffenheit (s. Wolle), welche zunächst gewaschen, gespült und getrocknet wird. Die Streichwolle erfährt sodann eine gründliche Auflockerung im Wolf, der als Schlag- und Reißwolf angewendet wird. Ersterer hat in der Regel die in Fig. 20 skizzierte Einrichtung. Auf zwei Wellen aa befinden sich sechs Reihen von je sechs Stäben, welche mit den Wellen in der Pfeilrichtung sich mit 500–600 Umdrehungen in der Minute drehen, die durch das Tuch c zugeführte Wolle von dem Walzenpaar de empfangen, durcheinander schlagen und aus h herauswerfen, während die Schmutzteile durch die Roste gf und fe fliegen. Der Reißwolf (Fig. 21) besteht der Hauptsache nach aus einer großen sich drehenden Trommel a, deren Oberfläche mit 5 cm langen radialen Zähnen besetzt ist, welche die auf das Zuführtuch z gelegte Wolle aus dem durch Verteilungswalze u, Speisewalze m und Klaviatur o gebildeten Speiseapparat herausreißen, zerteilen und bei q aus dem Gehäuse werfen, während der Schmutz durch den Rost p in den Raum k fällt. Nach dem Wolfen oder [152] während desselben wird die Streichwolle mit Olivenöl oder Petroleumrückständen gefettet, damit sie geschmeidig wird (Schmälzen). In diesem Zustand gelangt sie zum Krempeln, Kardätschen oder Streichen auf die Kratzmaschine (Krempel), um einen Pelz (Vlies, Fell) zu bilden, in dem die Fasern regelmäßig angeordnet sind, und durch dessen Teilung einzelne Bänder entstehen, die ohne weiteres Vorgarn liefern. Zum Krempeln dienen ausschließlich Walzenkratzen, 2–4mal hintereinander, welche mit einer Vorrichtung verbunden sind, die das vom Hacker abgenommene Vlies in Bänder teilen. Gewöhnlich besteht ein solcher Florteiler nach Fig. 22 aus einer Anzahl (z. B. 120) Riemchen ohne Ende, welche abwechselnd um die Walzen a und b sowie oqt und rpm laufen, das durch den Hacker K von der Kammwalze T genommene Vlies c in 120 Bänder zerlegen und diese durch A und B sowie Führer l auf Spulen leiten, welche in vier Reihen C, D, E, F angeordnet sind. Die Apparate A und B bestehen aus zwei kurzen Riemen ohne Ende, welche sich nicht nur in der Richtung des Pfeils zum Transport der Bänder drehen, sondern auch in der Richtung der Walzenachsen sehr schnell hin und her bewegen und dadurch die Bänder kräftig rollen (Würgeln, Nitscheln) und auf diese Weise sofort in Vorgarn überführen, das ohne weiteres auf Mulemaschinen oder auf der Ringbank zu Feingarn versponnen wird.

Die Kammwolle wird nach dem Entschweißen zuerst einem Prozeß unterworfen, der die parallele Lage der Wollhaare, die Ausscheidung kurzer Haare (Kämmlinge), die Bildung eines Bandes (Kammzug) bezweckt und Kämmen genannt wird. Man benutzt dazu entweder ein Paar heiß gemachter Handkämme (Wollkämme, Fig. 23), indem man eine Portion wenig geölter Wolle in einen der Kämme einschlägt, mit dem zweiten kämmt und dann mit der Hand auszieht, dieselbe zugleich in ein kurzes Band verwandelnd, das mit andern vereinigt wird, oder die Kammmaschine, welche die Handarbeit in vollkommener Weise nachmacht, aber sehr kompliziert ist. Das aus einzelnen kurzen Zügen gebildete Band erhält eine weitere Gleichförmigkeit durch Strecken und Duplieren auf sogen. Igelstrecken, welche (Fig. 24) aus zwei Paar Streckwalzen A und B besteht, zwischen welchen eine mit Stacheln besetzte Walze E angebracht ist. Die Kammzüge treten aus Kannen D über die Schiene a in die Strecke, werden von E zurückgehalten, um die Fasern glatt zu streichen, im Trichter t vereinigt und durch das Vorziehwalzenpaar C in die untergestellte Kanne D′ geliefert. Zur Entkräuselung und Entölung passieren sie dann in einer Plättmaschine eine Seifenlösung und eine Reihe heißer Walzen. Das Verspinnen der Streckbänder zu Garn erfolgt stufenweise, indem erst Vorgarn auf dem Flyer oder einer Strecke mit Würgelzeug (Fig. 13), darauf das Feingarn auf Water- oder Mulemaschinen, neuerdings auch auf der Ringspindelbank hergestellt wird. Die Halbkammgarnspinnerei, welche hauptsächlich die Kämmlinge verarbeitet, benutzt zum Anordnen der Fasern die Krempel und die Igelstrecken, zum Vorspinnen die Strecke mit Würgelzeug und zum Feinspinnen die Watermaschine.

G. Seidenspinnerei beschränkt sich auf die Verarbeitung von Seidenabfall und heißt demgemäß auch Florettspinnerei. Sie beginnt damit, daß man die Abfälle (Strusi, Bourrette, Flockseide etc.) einem Macerationsprozeß zur Zerstörung des Seidenleims unterwirft, wozu ein Verweilen in warmem (60–70°) Wasser während 3–7 Tagen ausreicht, dann folgt ein Waschen mit warmem Wasser in einem Stampfwerk, ein Ausschleudern in einer Zentrifuge und ein Trocknen in luftigen, warmen Räumen. Zur weitern Verarbeitung feuchtet man die Masse mit Seifenwasser schwach an und öffnet sie in einer Art Reißwolf. Von hier gelangen sie auf eine Kämmmaschine zur Abscheidung kurzer und zur Parallellegung der langen Fasern. Die letztern werden auf einer Anlege (Fig. 18) gemischt und in Vliese verwandelt, welche vermittelst einer sogen. Wattenmaschine (einer Art Nadelstabstrecke) zu Bändern verzogen werden, die nunmehr auf Nadelstabstrecken eine weitere Streckung und Duplierung erhalten, um sodann auf einer Spindelbank mit Nadelstäben in Vorgarn überzugehen, das auf Waterspinnmaschinen zu Florettgarn fertig gesponnen wird. Der größte Teil der Florettgarne kommt übrigens gezwirnt in den Handel.

Geschichtliches.

Das S. gehört zu den ältesten Handbeschäftigungen, wie neben erhaltenen Resten von Geweben aus gesponnenem Garn aus den Nachrichten der ältesten Schriftsteller hervorgeht. Insbesondere nehmen Wollengewebe und somit -Gespinste schon im Altertum einen hohen und unter allen Gespinsten den ersten Rang an, denn unmittelbar auf die Bekleidung mit Tierfellen folgt jene mit Geweben aus Wollgarn. Zum S. bediente man sich derjenigen einfachen Geräte, die noch heutzutage bei vielen Völkern angetroffen werden, nämlich des Wockens oder Rockens und der Spindel in der oben beschriebenen Art,

Fig. 25. Griechische Spinnerin (Vasenbild).

wie besonders aus alten Vasenbildern (Textfig. 25) und Wandgemälden zu entnehmen ist. Als Erfinderin der Wollarbeit galt Athene und als Ort der Erfindung Athen. Auch die Zubereitung des Flachses war im Altertum bekannt. 1530 erfand Joh. Jürgen in Watenbüttel bei Braunschweig das Trittrad, welches langsam Verbreitung fand. Im vorigen Jahrhundert tauchten die ersten Bemühungen auf, den Spinnprozeß mittels Maschinen zu vollziehen. Die wichtigste Erfindung, die der Streckwalzen, wurde 1738 Lewis Paul in England patentiert, der sie mit Flügelspindeln des Spinnrades in Verbindung brachte und so die erste Spinnmaschine 1741, die zweite mit 250 Spindeln 1743 durch Esel in Bewegung setzte. Diese Maschine wurde von Arkwright in vielen Teilen verbessert, sodann durch noch andre Vorbereitungsmaschinen, Kratzmaschine mit Bandabgabe, Streckmaschine mit Duplierung und eine Vorspinnmaschine, [153] ergänzt und 1775 durch Wasserkraft betrieben, woher ihre Bezeichnung Watermaschine rührt. Um dieselbe Zeit erfand Hargreaves in Standhill die nach seiner Tochter genannte Jennymaschine, die statt der Streckwalzen die sogen. Presse (zwei zusammengepreßte horizontale Latten) besaß, welche das Band festhielt, während die nach Art des Handrades konstruierten Spindeln vertikal auf einem bewegten Wagen standen, das Ausziehen und Drehen besorgten und beim Rückwärtsfahren das gedrehte Produkt aufwickelten. Im J. 1779 endlich vereinigte Crompton in Firnwood das Streckwerk der Watermaschine mit dem Spinnwerk der Jennymaschine zu jener Maschine, welche unter dem Namen Mule (Maulesel, als Bastard zwischen der Water- und Jennymaschine), später, namentlich von Roberts zu Manchester 1825, als Selfaktor ausgebildet, als die größte Erfindung auf dem Gebiet der Spinnerei zu gelten hat, da sie das S. der feinsten Garne gestattet, wozu die Watermaschine ungeeignet ist. Um das Jahr 1830 erfand Jenks in Amerika die sogen. Ringspindel, welche die Grundlage der immer mehr in Aufnahme kommenden Ringspindelbank bildet. Erst nachdem die mechanische Baumwollspinnerei zu hoher Entwickelung gekommen war, vollzog sich ein ähnlicher Prozeß auf den Gebieten der Flachs- und Wollspinnerei, wenn auch viel langsamer, weil die Beschaffenheit dieser Materialien bezüglich der mechanischen Verarbeitung bedeutend größere Schwierigkeiten bietet, die zum Teil noch jetzt nicht überwunden sind. Die wichtigste Erfindung machte hier Girard in Paris durch Lösung der von Napoleon I. 1810 gestellten Aufgabe, „den Flachs auf Maschinen zu spinnen“, indem er noch in demselben Jahr ein Patent auf eine Flachsfeinspinnmaschine erhielt, welche in der Anwendung von Hechelkämmen zum Ausziehen als auch in der Benutzung von Wasser (Naßspinnen) die Lösung des Problems darbot und in der Grundlage unverändert geblieben ist. In der Kammwollspinnerei war die Erfindung der Kämmmaschine epochemachend, welche nach unzähligen, zum Teil beachtenswerten Versuchen erst 1829 von Opelt zu Hartau und Wieck zu Schlema brauchbare Gestalt annahm, bis einerseits Lister und Donisthorpe (1850), anderseits Heilmann und Schlumberger zu Mühlhausen (1851) die schwierige Aufgabe des Maschinenkämmens auf zwei verschiedenen Wegen glänzend lösten. Vgl. B. Nieß, Baumwollspinnerei (2. Aufl., Weim. 1885); Leigh, Science of modern cotton spinning (3. Aufl., Lond. 1875, 2 Bde.); Grothe, Technologie der Gespinstfasern, Bd. 1 (Berl. 1877); Lohren, Kämmmaschinen (Stuttg. 1875); Kronauer, Atlas der Spinnerei und Weberei (2. Aufl., Hannov. 1878); Marshall, Der praktische Flachsspinner (deutsch, Weim. 1888); Pfuhl, Die Jute und ihre Verarbeitung (Berl. 1888); Hoyer, Spinnerei und Weberei (2. Aufl., Wiesb. 1888).[WS 2]


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 860861
korrigiert
Indexseite

[860] Spinnen[WS 3] gelten im allgemeinen als recht häßliche Tiere, und doch gibt es unter ihnen auch sehr prachtvolle Erscheinungen, die nach Ansicht des amerikanischen Spinnenforschers Peckham besonders schlagende Beweise für die Darwinsche Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl abgeben. Nach dieser Erklärungsweise werden bekanntlich die glänzenden Farben und der sonstige Schmuck, den bei einer sehr großen Anzahl von Tieren die Männchen den Weibchen gegenüber zeigen, von dem Gefallen der letztern an diesen Auszeichnungen und von dem Vorzuge hergeleitet, den sie in dieser Weise hervortretenden Männchen angedeihen lassen, so daß immer die schönsten Männchen vorzugsweise zur Fortpflanzung gelangen. Gegen diese Theorie hat Wallace seit langen Jahren und auch wieder in seinem neuen Werke („Der Darwinismus“, Braunschw. 1891) energischen Widerspruch eingelegt. Er behauptet nämlich, die Entstehung der verschiedenen Färbungen bei den Tieren sei eine naturgemäße Erscheinung, die gar keiner besondern Erklärung bedürfe. Die prächtigere Färbung der Männchen bei vielen Tierarten müsse, wie schon Bacon von Verulam ausführte, der größern Kraft und Lebhaftigkeit dieses Geschlechtes zugeschrieben werden, und wenn während der Brunstzeit der Glanz der Farben sich erhöhe, so sei dies davon abzuleiten, daß die Lebhaftigkeit der Männchen zu dieser Zeit den höchsten Grad erreiche. Dagegen sei die dunklere Färbung der Weibchen keine unmittelbare, sondern eine sekundäre, wegen der größern Schutzbedürftigkeit derselben durch natürliche Auslese hervorgebrachte Erscheinung, weil die Weibchen (z. B. der Vögel) nötig hätten, während der Brutzeit weniger leicht gesehen zu werden. Obwohl in dieser Erklärung der Widerspruch hervortritt, daß die prächtige Farbe grundlos, die dunkle durch Zuchtwahl erworben sein soll, und solche Schutzerwerbungen doch auch in unzähligen Fällen bei den Männchen nachgewiesen sind, hat diese Auffassung doch in weiten Kreisen Beifall gefunden. Peckham zeigt nun an vielen Beispielen, daß sie für die S. jedenfalls nicht zutrifft. Denn bei diesen Tieren ist eine Beziehung zwischen besonderer Lebhaftigkeit und äußerm Schmuck keineswegs nachzuweisen, weil erstens das hier in der Regel meist kräftigere Weibchen viel weniger lebhaft gefärbt ist als das verhältnismäßig schwache Männchen, und zweitens, weil viele langsame und seßhafte Arten, z. B. unter den Kreuzspinnen (Epeiridae), viel glänzender als andre lebhafte und ruhelose Arten, z. B. die schnelllaufenden Wolfsspinnen (Lycosidae), gefärbt sind. Daß die Weibchen ihre Färbungen des Schutzbedürfnisses beim Nisten wegen abgeschwächt hätten, kann man hier nicht behaupten, denn gerade bei den Sprungspinnen (Attidae), bei denen die geschlechtlichen Farbenunterschiede am stärksten ausgesprochen sind, haben die Weibchen bedeckte Nester. Der männliche Schmuck bedarf daher einer besondern Erklärung. Bei den Attiden fällt sogleich auf, daß die Geschlechtsauszeichnungen der Männchen in Formänderungen der Klauen, der Taster, des ersten Beinpaares oder des Schildes bestehen, d. h. von lauter solchen Teilen der vordern Körperhälfte, welche sich am besten präsentieren, wenn das Männchen sich dem Weibchen nähert, und daß die begleitenden Formänderungen auf eine für die Entwickelung prachtvoller, oft stark irisierender Farben günstige Oberflächenvergrößerung hinauslaufen. So sind beim Weibchen unsrer Ameisensprungspinne (Salticus formicarius) die Klauen kurz, senkrecht, rötlichschwarz; beim Männchen horizontal, stark verbreitert, kupfergrün. Beim Männchen von Icius palmarum sind die Klauen groß, dunkel bronzerot mit weißen Fransen; den Weibchen fehlen dieselben. Was die Taster und Vorderbeine betrifft, so werden in Kayserlings „Arachniden Australiens“ 34 Attidenmännchen mit wohlentwickelten Fransen oder Haarbüscheln an den Tastern beschrieben, während solche bei Weibchen nur in fünf Fällen und auch dann nur in beschränktem Maßstabe auftreten. Bei den Männchen von Synageles picata und Phalaeus metallescens sind die Vorderbeine schön stahlblau mit Ringen, Flecken und Fransen verziert, während die Weibchen einfach erscheinen. Man könnte einen ganzen Band füllen, wenn man diesen Schmuck der männlichen Sprungspinnen genauer beschreiben wollte, allen gemeinsam ist, daß die lebhaft gefärbten Haare oder metallglänzenden Schuppen ebenso wie die plastischen Auszeichnungen entweder an der Vorderseite liegen oder derartig angebracht [861] sind, daß sie in der Vorderansicht am vollkommensten ins Auge fallen.

Wenn es nun darauf ankommt, für die Entstehung dieser Geschlechtsauszeichnungen eine Erklärung zu finden, so muß zunächst hervorgehoben werden, daß keine derselben ihrem Besitzer irgend welchen Vorteil bei der Erwerbung der Nahrung, der Vermeidung von Feinden, beim Kampfe mit Nebenbuhlern etc. zu gewähren vermag. Sie können daher auch nicht als Erzeugnisse der Naturauslese betrachtet werden. Wohl aber werden sie nach der Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl verständlich, besonders wenn man die Art, wie die Männchen um die Weibchen werben, genauer betrachtet. Bringt man z. B. zu einem reifen Weibchen von Saites pulex oder Dendryphantes elegans ein Männchen, so beginnt letzteres bei seiner Annäherung eine Reihe von Bewegungen, welche als ein Umtanzen bezeichnet werden müssen, wobei die besonders glänzend gefärbten und stärker entwickelten Vordergliedmaßen des Körpers stets dem Weibchen zugekehrt und am vorteilhaftesten präsentiert werden. Diese Stellungen und Gaukeleien der Männchen führen wie bei den Hühnervögeln zu dem Schluß, daß das Weibchen dasjenige Männchen auswählt, welches ihm am besten gefällt, und daß daher der geschlechtliche Schmuck des Männchens von der Bevorzugung der am schönsten geschmückten Bewerber durch die Weibchen herrührt.

Über die Brutpflege der Wolfsspinnen haben Henking und andre Beobachter einige zugleich vom psychologischen Gesichtspunkte lehrreiche Versuche angestellt. Diese S., von denen Lycosa amentata und Tarantula clavipes beobachtet wurden, trugen ihren am Hinterleibe befestigten Eikokon mit sich herum, nahmen aber auch willig fremde Kokons, ja mit demselben umhüllte Papierkugeln an und befestigten sie an ihrem Hinterleibe, während sie unbedeckte Papierkügelchen von der Größe ihres Kokons verschmähten. Die bloße Papierkugel vermag die S. also vom Kokon zu unterscheiden; es dürfte demnach der Geruchssinn sein, der sie den künstlichen Kokon annehmen läßt, wenn er nur mit dem entsprechenden Gespinst überzogen ist. Sogar so vorgerichtete Schrotkugeln von dem 20fachen Gewicht der normalen Kokons wurden, wenn mit Papier und Kokonhaut überzogen, angenommen und mehrere Tage herumgeschleppt. Ähnliche Versuche wurden mit gleichem Erfolge von Georg und Elisabeth Peckham mit Pardosa pallida angestellt, und sie sahen sowohl Schrotkugeln, welche die S. kaum schleppen konnten, als Holundermarkkügelchen von der dreifachen Größe der natürlichen Kokons angenommen, ein Verhalten, aus welchem auf ziemliche Schwäche der Verstandeskräfte und Sinne, namentlich des Auges, geschlossen werden muß. Indessen ist doch ein gewisses Bewußtsein und Gedächtnis vorhanden, welches die S. nach der üblichen Tragzeit (3 Wochen) daran zu erinnern scheint, daß die jungen S. nun ausgekommen sein und ihre Bürde erleichtert haben müßten. Denn sie begaben sich nach Ablauf dieser Zeit nach dem Wasserbehälter ihres Käfigs und tauchten die vermeintlichen Kokons hinein, vielleicht um die jungen S. zum Auskriechen zu veranlassen; andre erkannten den ihnen gespielten Betrug auch schon früher und warfen die Scheinkokons ab.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: rd
  2. Siehe auch den Nachtrag in Band 17 unter Spinnerei.
  3. Im Hauptteil im Artikel Spinnentiere behandelt.