MKL1888:Tinte
[715] Tinte (Dinte), jede zum Schreiben mit der Feder bereitete Mischung. Die gewöhnliche Schreibtinte muß dünnflüssig sein, ohne jedoch zu leicht aus der Feder zu fließen oder zu tropfen, sie darf bei längerm Stehen keinen Bodensatz bilden und nicht dickflüssig, gallertartig werden. Auf der Feder muß sie zu einem firnisartigen Überzug, nicht zu einer bröckeligen Masse eintrocknen. Sie darf das Papier nicht mürbe machen, mit dem Alter nicht vergilben, auch die Feder nicht angreifen und daher weder sehr sauer noch kupferhaltig sein. Das Schimmeln läßt sich durch eine Spur von Karbolsäure leicht verhindern. Da T. nur unter dem Einfluß der Luft verdirbt, so verdienen Tintenfässer den Vorzug, welche die Berührung der T. mit der Luft möglichst beschränken, wie die artesischen. Diese enthalten einen eingesenkten Trichter, in den immer nur eine sehr geringe Menge T. eintritt, während der Vorrat von der Luft fast vollständig abgeschlossen ist. Auch die Tintenfässer mit vom Boden seitlich emporsteigendem Halse sind empfehlenswert.
Die alte schwarze Galläpfeltinte besteht aus einer mit Eisenvitriol versetzten Abkochung von Galläpfeln und enthält gerbsaures und gallussaures Eisenoxydul und Eisenoxyd. Sie bildet keine vollkommne Lösung, vielmehr sind die Eisenoxydsalze nur in der T. suspendiert, und wenn die Eisenoxydulsalze an der Luft vollständig in Oxydsalze verwandelt sind und sich zu Boden gesetzt haben, so ist die T. unbrauchbar geworden. Das Nachdunkeln beruht auf der Umwandlung der Eisenoxydulsalze in schwarze Eisenoxydsalze. Mit der Zeit aber wird die Gerb- und Gallussäure der letztern durch den Sauerstoff der Luft ebenfalls oxydiert, und die Schrift vergilbt, indem nur Eisenoxyd zurückbleibt. Man bereitet die Galläpfeltinte durch Ausziehen chinesischer Galläpfel und Versetzen des Auszugs, welcher 5–6 Proz. Gerbsäure enthalten soll, mit so viel Eisenvitriol, daß von letzterm 9 Teile auf 10 Teile Gerbsäure kommen. Frische Galläpfeltinte, welche fast nur gerb- und gallussaures Eisenoxydul enthält, ist sehr blaß und wird vorteilhaft mit Blauholz gefärbt. Alizarintinte (welche mit Alizarin nichts zu thun hat) ist eine mit Indigo gefärbte Galläpfeltinte, zu deren Darstellung man in einer klaren verdünnten Lösung von Indigo in rauchender Schwefelsäure Eisen löst, um Eisenvitriol zu bilden, worauf die noch vorhandene freie Säure mit kohlensaurem Kalk fast vollständig neutralisiert wird. Die vom ausgeschiedenen schwefelsauren Kalk abgegossene Flüssigkeit wird schließlich mit Galläpfelabkochung versetzt. Diese T. ist völlig klar, seegrün, liefert schön schwarze, fest haftende Schrift, welche tief in das Papier eindringt, wird aber allmählich auch im Tintenfaß schwarz und bildet zuletzt auch einen Bodensatz. Ihre Säure greift die Stahlfedern ziemlich stark an. Sehr gute Tinten werden mit Blauholz dargestellt. Eine klare Abkochung des Holzes oder eine Lösung von Blauholzextrakt mit wenig Soda, dann mit chromsaurem Kali versetzt, gibt eine schön blauschwarze, gut fließende T., welche schnell trocknet, die Federn nicht angreift und sich tief [716] ins Papier zieht. Eine sehr gute Blauholztinte, die unter vielen Namen im Handel ist, erhält man durch Versetzen einer klaren Lösung von Blauholzextrakt mit Ammoniakalaun, Kupfervitriol und wenig Schwefelsäure. Diese T. schreibt anfangs gelbrot, wird aber schnell schön samtschwarz und gibt sofort schwarze Schriftzüge, wenn man sie mit Chromtinte mischt. Auch einfache Lösungen von Nigrosin oder Indulin in Wasser geben gute schwarze Tinten, die nach dem Eintrocknen durch Zusatz von Wasser sofort wieder verwendbar gemacht werden können. Alle diese Tinten, namentlich die Galläpfeltinten, versetzt man, um ihnen mehr Konsistenz zu geben, mit etwas Gummi. Zu Kopiertinten eignen sich am besten die Galläpfel-, Alizarin- und eigentlichen Blauholztinten. Man macht sie aber konzentrierter und versetzt sie mit mehr Gummi und etwas Glycerin.
Das Problem, völlig unauslöschliche Tinten zu bereiten, ist noch nicht vollkommen gelöst; wenn man aber auf einem mit Ultramarin gebläuten Papier schreibt, dessen Farbe durch Betupfen mit Säure zerstört wird, so genügen schon viele unsrer gewöhnlichen Tinten, und auf Papier, welches mit Ultramarin und Chromgelb grün gefärbt ist, genügt jede T., da man die Schriftzüge auf keine Weise entfernen kann, ohne einen der Farbstoffe zu zerstören. Ausgezeichnet ist die T., mit welcher die Nummern in die preußischen Staatspapiere eingeschrieben werden. Dieselbe ist schwach angesäuerte Galläpfeltinte und enthält noch salpetersaures Silberoxyd und chinesische Tusche. Es ist unmöglich, auf dem oben genannten grünen Papier mit dieser T. Geschriebenes unbemerkbar zu vertilgen. Ist auf weißem Papier Geschriebenes ausgelöscht worden, so gelingt es oft, die Schriftzüge wieder hervorzurufen, wenn man das Papier in ganz schwache Salzsäure taucht und dann in eine konzentrierte Lösung von gelbem Blutlaugensalz legt. Enthielt die T. auch nur wenig Eisen, so erscheinen die Schriftzüge blau.
Als rote T. benutzt man Lösungen von Teerfarbstoffen, eine mit Gummi versetzte Lösung von Karmin in Ammoniak oder einen mit Sodalösung bereiteten, dann mit Weinstein und Alaun versetzten Kochenilleauszug, welchem noch etwas Gummi und Alkohol zugesetzt wird. Die rote T. der Alten bestand aus einer Mischung von Zinnober mit Gummilösung. Als blaue T. dient eine mit Gummi versetzte Lösung von Anilinblau oder Indigkarmin. Auch eine Lösung von Berliner Blau hält sich sehr gut und greift die Stahlfedern nicht an, was die durch Auflösen von Berliner Blau in Oxalsäure bereitete T. in hohem Grade thut. Violette T., unter verschiedenen Namen im Handel, ist eine Lösung von Blauviolettanilin in Wasser; grüne T. erhält man durch Lösen von Jodgrün in Wasser, sie ist leuchtend blaugrün und kann durch Pikrinsäure nüanciert werden. Gold- und Silbertinte ist eine Mischung von Gummilösung (die etwas Wasserglas enthalten kann) mit Blattgold oder Blattsilber, welches auf einer Porphyrplatte mit Honig zerrieben, ausgewaschen und getrocknet wurde. Sympathetische Tinten sind Spielereien, da alle mit denselben ausgeführten Schriftzüge sichtbar werden, wenn man das Papier stark erhitzt oder mit Kohlenpulver reibt oder mit verschiedenen Reagenzien prüft. Verdünnte Kobaltchlorürlösung gibt unsichtbare Schriftzüge, welche beim Erwärmen blau werden und beim Erkalten wieder verschwinden. Enthält die Lösung auch Nickelsalz, so werden die Schriftzüge grün. Bleisalz- und Quecksilbersalzlösungen geben unsichtbare Schriftzüge, die durch Schwefelwasserstoff braun oder schwarz werden. Kupfervitriolschriftzüge werden durch Ammoniak schön blau. Verdünnte Blutlaugensalzlösung eignet sich sehr gut als sympathetische T. auf eisenfreiem Papier. Die Schriftzüge werden durch Eisenoxydsalze blau. Beachtung verdienen solche Tinten für den brieflichen Verkehr mit Postkarten. T. zum Zeichnen der Wäsche muß der wiederholten Einwirkung von Seife, Alkalien, Chlor und Säuren widerstehen. Am häufigsten wendet man Silbermischungen an, die recht dauerhafte Schriftzüge liefern, zuletzt aber auch braun werden und verblassen. Man mischt eine Lösung von Höllenstein (salpetersaures Silberoxyd) in Ammoniak mit einer Lösung von Soda und Gummi in destilliertem Wasser und erwärmt die Schriftzüge mit einem Plätteisen, bis sie vollständig schwarz geworden sind. Man extrahiert auch die Schalen der Elefantenläuse (Anakardien) mit einem Gemisch von Äther und Weingeist und läßt das Filtrat verdunsten, bis es die zum Schreiben geeignete Konsistenz hat. Die Schriftzüge werden nach dem Trocknen mit Kalkwasser befeuchtet und erscheinen dann tief braunschwarz. Sehr praktisch ist Anilinschwarz, zu dessen Herstellung man ein grünlichgraues Pulver kauft, welches, feucht auf die Wäsche aufgetragen, beim Erwärmen über kochendem Wasser den sehr echten Farbstoff liefert. Rote Schriftzüge erhält man, wenn man die Wäsche mit einer Lösung von kohlensaurem Natron und Gummi arabikum in destilliertem Wasser befeuchtet, auf der getrockneten und geplätteten Stelle mit einer Lösung von Platinchlorid in destilliertem Wasser schreibt und die getrockneten Schriftzüge mit einer Lösung von Zinnchlorür in destilliertem Wasser sorgfältig nachzieht. Waren, welche der chemischen Bleiche unterworfen werden sollen, stempelt man mit einer innigen Mischung von Eisenvitriol, Zinnober und Leinölfirnis. Auf Weißblech schreibt man mit einer Lösung von Kupfer in Salpetersäure und Wasser. Pflanzenetiketten schreibt man auf blank gescheuertes Zinkblech mit einer Lösung von gleichen Teilen essigsaurem Kupferoxyd und Salmiak in destilliertem Wasser. Die Schriftzüge werden bald tiefschwarz und haften sehr fest. T. zur Bezeichnung kupferner und silberner Geräte bereitet man durch Kochen von Schwefelantimon (Spießglanz) mit starker Ätzkalilauge. Über lithographische Zeichen- oder Schreibtinte s. Lithographie. Vgl. Andreae, Vollständiges Tintenbuch (5. Aufl. v. Freyer, Weim. 1876); Lehner, Tintenfabrikation (3. Aufl., Wien 1885).