MKL1888:Lithographīe

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lithographīe“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 836837
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Lithographīe. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 836–837. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lithograph%C4%ABe (Version vom 10.01.2023)

[836] Lithographīe (griech., „Steinzeichnung“, Steindruck), die Kunst, eine Zeichnung mittels chemischer Kreide oder der Feder oder durch Gravieren so auf eine Steinplatte zu entwerfen, daß sie, mit Farbstoff bedeckt, abgedruckt werden kann. Sowohl dem Prinzip als dem Wesen dieser graphischen Technik nach steht die L. zwischen dem Kupferstich und dem Holzschnitt in der Mitte. Denn während der erstere vermittelst Tiefdrucks, der zweite vermittelst Erhabendrucks reproduziert, indem dort die Zeichnung vertieft, hier erhaben erscheint, bleibt sie auf der lithographischen Druckplatte, ausgenommen bei der Radier- und der Graviermanier, in der Ebene, von welcher der Abdruck auf chemischem Weg bewirkt wird. Die naturgemäße Technik der L. ist die vermittelst der lithographischen Kreide zeichnende Manier, weil diese weder von dem Kupferstich und der Zinkographie noch von dem Holzschnitt erreicht, noch durch sie ersetzt werden kann. Das Prinzip der lithographischen Reproduktion beruht auf der Unvermischbarkeit von Wasser und Fett. Wenn ein Stein, der für das Einsaugen von Wasser ebenso empfänglich ist wie für das von Fett, an gewissen Stellen mit Fett getränkt wird, so nimmt er an diesen kein Wasser an, sondern nur Fett, während wieder die andern mit Wasser getränkten Stellen kein Fett annehmen. Entwirft man also auf dem sogen. lithographischen Stein, einer Art Kalkschiefer von poröser Textur, nachdem derselbe eben geschliffen ist, vermittelst der lithographischen Kreide, welche aus seifenartigen, mit Mastix, Terpentin und Kienruß vermischten Substanzen besteht, oder der lithographischen Tinte, welche dieselben Substanzen in flüssigem Zustand enthält, und der Feder eine Zeichnung, und zwar verkehrt, und tränkt alle übrigen Stellen mit Wasser, so wird die aufgetragene Druckfarbe nur auf den Stellen der Zeichnung haften und also auch nur diese beim Abdruck reproduziert werden. Um die Stellen des Steins, welche weiß bleiben sollen, noch mehr gegen die Annahme von Farbe zu schützen, werden sie geätzt und gummiert. Das Ätzen mit verdünnter Salpetersäure reinigt die Oberfläche, erleichtert das Gummieren und trägt auch dazu bei, die alkalische Seifensubstanz der Kreide oder Tinte in einem steten Zersetzungsprozeß zu erhalten, wodurch sie für die Annahme der Druckfarbe empfindlich bleibt. Das Gummieren ist dagegen das eigentliche Schutzmittel gegen die Annahme der Farbe an den leeren Stellen. Der beste lithographische Stein wird bei Solnhofen in Bayern gebrochen, brauchbare Steine werden indes auch in Nordamerika, England, Frankreich, Italien, Rußland und Preußen gefunden. Die Steine werden in 5–10 cm dicke Platten geschnitten und mit Sandstein abgeschliffen. Je gleichförmiger ihre Textur ist, desto besser sind sie. Ihre Farbe ist ein gelbliches oder bläuliches Grau. Gebrauchte Steine können durch Abschleifen der Oberfläche wieder brauchbar gemacht werden.

Unter den verschiedenen Manieren der L. steht die Steinkreidezeichnung obenan. Sie bringt eine der Zeichnung mit schwarzer Kreide auf Papier ähnliche Wirkung hervor und besitzt als charakteristische Merkmale Weichheit und malerischen Effekt. Damit das Bild nicht zu weich und verwaschen aussieht, muß die Oberfläche des Steins etwas rauh gemacht, gekörnt werden, wodurch die Zeichnung eine punktartige Textur erhält. Die Federzeichnung, welche mittels der lithographischen Tinte ausgeführt wird, hat einen ähnlichen Charakter wie die Radierung in Kupfer; aber ihre Strichlagen erscheinen beim Druck selten so rein wie bei der letztern. Die Technik ist im übrigen dieselbe wie bei der Kreidezeichnung. Verschieden hiervon ist die Radiermanier auf Stein, bei welcher dieser ähnlich wie eine Kupferplatte behandelt wird (vgl. Kupferstecherkunst, S. 329). Zuerst wird der Stein, welcher bei diesem Verfahren nicht gekörnt sein darf, sondern glatt sein muß, mit einer Mischung von Phosphorsäure u. Gummi angeätzt, zum Schutz gegen Annahme der Farbe, worauf man ihn grundiert, d. h. vermittelst des Pinsels schwärzt, was durch eine Auflösung von Asphalt, Mastix und weißem Wachs geschieht. Nachdem der Grund trocken ist, wird die Zeichnung mittels der stählernen Radiernadel so eingegraben, daß der Stein an diesen Stellen bloßgelegt wird. Dann wird derselbe Stein mit einem Wachsrand umgeben und die Ätzung vermittelst Scheidewassers ausgeführt. Eine Abart davon ist die Graviermanier, bei welcher nicht geätzt, sondern auf dem schwarzen Grunde, der hier nur aus Kienruß und Gummiwasser besteht, mit der Radiernadel oder bei tiefern Stellen mit dem Stichel die Zeichnung eingraviert wird. Wenn dann diese gravierten Stellen mit Öl eingerieben worden sind, so daß sie später allein die Druckfarbe annehmen, wird der Deckgrund weggewaschen, und der Druck kann beginnen. Der lithographische Hochdruck ist eine jetzt außer Gebrauch gekommene Nachahmung des Holzschnitts; es wurden hierbei die Lichter weggeätzt, bis die Zeichnung [837] sich erhaben und für den Druck auf der Buchdruckpresse geeignet darstellte. Eine sehr interessante, aber bisher wenig geübte Manier ist die lithographische Schabkunst, wobei der ganze Stein mit lithographischer Tusche eingeschwärzt und dann die Lichter mit der Nadel und dem Schabmesser herausgekratzt werden. Der Tondruck unterscheidet sich von der gewöhnlichen L. nur dadurch, daß dazu mehrere Platten nötig sind, welche verschiedene Partien derselben Zeichnung in verschiedenen Tönen gefärbt darstellen und nacheinander gedruckt werden. Der einfache Tondruck, welcher seine Entstehung dem Umstand verdankt, daß die Zeichnung auf der gelblichen Farbe des Steins eine andre, saftigere Wirkung hervorbringt als auf dem kalten Grunde des weißen Papiers, besteht darin, daß ein der Steinfarbe ähnlich gefärbter Grund, vielleicht mit Aussparung der höchsten Lichter, untergedruckt und auf diesen dann die eigentliche Zeichnung gedruckt wird. Bei drei und vier Platten enthält eine den Grundton, die zweite die eigentliche Zeichnung, die andern die Mitteltonpartien. Aus diesem Tondruck ist endlich der chromolithographische Druck (Chromolithographie, auch Lithochromie und, wenn zur Nachbildung von Aquarellgemälden verwandt, auch Aquarelldruck genannt) entstanden, indem man die bloße Betonung in wirkliches Kolorit verwandelte und Gemälde durch eine Reihe farbiger Platten, die sämtlich Teile derselben Zeichnung darstellten, zu reproduzieren versuchte. Man bedient sich dieser Manier auch zur Vervielfältigung, resp. Nachahmung von Ölgemälden, in welchem Fall man das Verfahren als Ölgemäldedruck oder Ölfarbendruck (s. d.) bezeichnet. Eine Abart der L. ist die Zinkographie, richtiger Lithozinkographie genannt zum Unterschied von der Typozinkographie (s. Zinkographie); bei ersterer werden als Surrogat für den lithographischen Stein Zinkplatten angewandt, die durchaus wie dieser behandelt werden. Auf einer Verbindung der L. mit der Photographie beruht die Photolithographie (s. d.), für faksimileartige Reproduktion von Kupferstichen, Holzschnitten oder Lithographien, von Handzeichnungen, Manuskripten, Autographen etc. Man überzieht den Stein mit einer Chromgelatineschicht und belichtet ihn unter einem Negativbild, worauf sich auf dem Stein eine Positivzeichnung bildet, die man, nachdem sie noch verschiedenen chemischen Prozessen unterzogen worden, auf der lithographischen Presse abdrucken kann. Der Druck gravierter Platten wird nur bei kleiner Auflage von dem Originalstein hergestellt, bei größern Auflagen überträgt man den Originaldruck mehrmals auf einen zweiten Stein (Umdruck, Überdruck) und behandelt diesen wie bei der Kreidemanier. Nach dem von Eberle in Wien angegebenen Brennätzverfahren wird der Umdruck durch Aufbrennen von Kolophoniumstaub widerstandsfähiger gemacht, so daß er sich stark ätzen läßt. Während die gewöhnlichen Umdrucke höchstens 3–4000 Abzüge lieferten, kann man nach dem Brennätzverfahren die drei- oder vierfache Auflage drucken, ohne daß der Umdruck wesentlich leidet.

Die lithographische Presse unterscheidet sich wesentlich von der Buchdruckpresse (s. d.) und der Kupferdruckpresse. Die früher gebräuchliche Stangenpresse (Reiberpresse) bestand in einer Vorrichtung, vermittelst deren eine fest aufdrückende Leiste (Reiber) über die Rückseite des auf dem Stein liegenden Papiers oder vielmehr der dasselbe bedeckenden Pappdecke fortgezogen wurde. Später wurde die Rollenpresse (Sternpresse) angewandt, bei welcher der auf einer beweglichen Unterlage ruhende Stein vermittelst des Sterns, so genannt nach den sternartig um die Achse stehenden Speichen eines Triebrades, unter dem feststehenden Reiber hindurchgetrieben wird. Die Walzenpresse ist eine Vervollkommnung der Rollenpresse, indem statt des feststehenden Reibers eine sich um eine Achse drehende Druckwalze angewandt wird, die den Druck erleichtert. Als eine große Vervollkommnung erwies sich die lithographische Schnellpresse, deren Konstruktion Ähnlichkeit mit der des Buchdrucks (s. auch Schnellpresse) hat. Soll zum Druck eines Steins geschritten werden, so ist derselbe nach vollendeter Zeichnung durch Anätzen und Gummieren druckfähig zu machen, nach welcher Vorbereitung er in die Presse gebracht und dann mit Druckschwärze vermittelst der Walze eingerieben wird. Von größern Steinen sind auf der Handpresse täglich höchstens 200–300 Abdrücke herzustellen, von kleinern bis 1000; die Leistungen der Schnellpresse können auf das Sechs- bis Achtfache der Leistungen der Handpresse veranschlagt werden.

Die L. ist, nachdem der bayrische Hofkaplan Simon Schmidt bereits 1788 einige Versuche mit dem Solnhofener Stein gemacht haben soll, 1796 von Aloys Senefelder (s. d.) erfunden worden und hat seitdem große Fortschritte in der Technik gemacht. In künstlerischer Beziehung hoch steht sie in Frankreich, doch auch Deutschland und Österreich besitzen vorzügliche Lithographen. Ebenso ist die Chromolithographie, womit Professor Zahn bereits 1827 Versuche für sein großes Werk „Pompeji, Herculanum und Stabiä“ anstellte, namentlich durch die Bemühungen von Storch, Kramer, Leuillot, Bach, Hölzel, Seitz, Prang u. a. sehr gefördert worden, und heutzutage wird sie überall geübt, in vorzüglicher Weise besonders in Deutschland, Frankreich, Österreich, England und Nordamerika. Vgl. Senefelder, Lehrbuch der L. (Münch. 1818; in kürzerer Bearbeitung, Regensb. 1834); Neubürger, Der Farbendruck auf der Steindruckpresse (Leipz. 1867); Weishaupt, Das Gesamtgebiet des Steindrucks (5. Aufl., Weim. 1875); Richmond, Grammar of lithography (6. Aufl., Lond. 1886; deutsch von Franke, Leipz. 1880).