MKL1888:Ventīl

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ventīl“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 8586
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Ventīl. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 85–86. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Vent%C4%ABl (Version vom 05.02.2022)

[85] Ventīl (v. lat. ventus, Wind), mechanische Vorrichtung zum Verschließen und Öffnen von Durchgängen, um Flüssigkeiten, Dämpfe und Gase beliebig einzuschließen oder fortzuleiten. Gewöhnlich nennt man speziell Ventile diejenigen Verschlußorgane, welche sich behufs Durchlasses der Flüssigkeit von der zu verschließenden Öffnung (dem Ventilsitz) abheben und sich somit von den Schiebern, Kolben und Hähnen unterscheiden, die von der Öffnung weggeschoben werden, um den Durchgang der Flüssigkeit zu gestatten. Die Ventile können deshalb zum Unterschied von Schiebern, Kolben und Hähnen ihre Bewegung durch das durchzulassende, bez. abzusperrende Medium selbst erhalten, dessen Überdruck von der einen Seite (in Fig. 1 u. 2 von untenher) sie vom Sitz abhebt, also öffnet, während sie einem auf Schluß wirkenden Druck (in Fig. 1 u. 2 von oben) widerstehen (selbstthätige Ventile). Anderseits können sie aber auch durch äußere Kräfte mittels Stangen (Ventilstangen, Ventilspindeln) bewegt werden (Steuerventile, Absperrventile). Erstere Wirkung findet man namentlich bei Pumpen und Gebläsen (s. d.), letztere bei Ventildampfmaschinen (s. Dampfmaschine) und andern ähnlich wirkenden Kraftmaschinen sowie überhaupt überall da, wo Ventile zur willkürlichen Absperrung von Flüssigkeiten benutzt werden. Die Ventile haben entweder eine drehende oder eine geradlinige Bewegung. Im erstern Fall (Fig. 1) heißen sie Klappen oder Klappenventile, im letztern (Fig. 2) Hubventile oder kurzweg Ventile. Die Klappen drehen sich um eine Achse, die entweder durch ein wirkliches Scharnier gebildet, oder, wie in Fig. 1, durch die Biegsamkeit des Klappenmaterials ersetzt wird. Sie werden im Gegensatz zu den andern Ventilen selten ganz aus Metall (Messing, Rotguß, Eisen) hergestellt, sondern entweder an den Sitzflächen mit Leder oder Gummi ausgerüstet, oder noch häufiger ganz aus Leder und Gummi gemacht und nur zum Zwecke größerer Steifigkeit und Schwere mit Metallplatten armiert. Fig. 1 zeigt ein Klappenventil der letztern Art. In dem Ventilkasten g ist auf einem eingeschobenen Hohlkörper (Ventilsitz) eine aus Leder oder Kautschuk geschnittene Klappe k, welche mit beiderseits anliegenden und durch eine Schraube verbundenen Eisenplatten armiert ist, mittels Stifte oder Schrauben s so befestigt, daß sie durch eine von untenher einströmende Flüssigkeit aufgeklappt wird, einer umgekehrt wirkenden Flüssigkeit aber den Weg [86] versperrt. Macht man die Klappen nur aus Leder, Gummi oder Filz, so versieht man die Ventilsitze zur Stützung der Klappen mit Gitterwerk. Doch sind derartige Ventile nur für geringen Druck verwendbar. Überhaupt werden die Klappen nur da angewendet, wo die Flüssigkeit selbst das Öffnen und Schließen zu besorgen hat. – Die Hubventile werden meist aus Messing, Rotguß oder Eisen und ihre Sitze aus gleichem Material oder aus Weißguß hergestellt. Sie werden in der Regel auf die Sitze dicht aufgeschliffen, seltener mit einer elastischen Zwischenlage (Leder,

Fig. 1. Klappenventil. Fig. 2. Tellerventil.
Fig. 3. Absperrventil. Fig. 4. Tometscheksches Ventil.

Holz, Gummi) versehen. Die gewöhnlichste Form der Hubventile, das Tellerventil, zeigt Fig. 2. Der eigentliche Ventilkörper oder der Teller k ist auf den im Ventilgehäuse angebrachten Sitz s dicht aufgeschliffen und kann von untenher angehoben werden, wobei er sich mit den Lappen f an der Innenfläche des Sitzes geradlinig führt. Ein mit dem Gehäuse irgendwie verbundener Anschlag a begrenzt den Hub. Die Sitzfläche, d. h. die Fläche, in welcher das V. den Sitz berührt, kann eben, kegel- oder kugelförmig sein, wonach man Kegelventile etc. unterscheidet. In der vorliegenden Form ist das V. als selbstthätiges V. verwendbar. Fig. 3 zeigt ein einfaches Absperrventil. a Ventilgehäuse, b Sitz, c V. mit Führungslappen d. Mit c drehbar, aber nicht verschiebbar verbunden ist die Ventilspindel e, welche man durch Drehen am Handrad f auf- oder niederschrauben kann, wodurch c geöffnet oder geschlossen wird. Bei g ist die Spindel durch eine Stopfbuchse abgedichtet. Selbstthätig wirkende Ventile müssen der Flüssigkeit einen möglichst großen Durchgangsquerschnitt bei möglichst geringem Hub darbieten, damit bei dem Wechsel der Bewegungsrichtung der Flüssigkeit ein möglichst schneller Ventilschluß stattfindet. Deshalb müssen entweder hinreichend große Ventile nach Fig. 1 und 2 oder, wo diese als Einzelventile zu groß werden würden, deren mehrere oder besondere Konstruktionen mit vermehrtem Durchgangsquerschnitt angewendet werden (Ringventile, mehrsitzige Ventile), welche im wesentlichen darauf beruhen, daß ein ringförmiger Ventilkörper sowohl an der innern als an der äußern Peripherie eine Durchlaßfläche darbietet und deshalb für die gleiche Größe derselben eines geringern Hubes bedarf als ein Tellerventil von gleichem Durchmesser, welches ja nur am äußern Umfang Durchgang gewährt. Von derartigen Ventilen hat sich als besonders zweckmäßig für größere Pumpen das Tometscheksche V. bewährt (Fig. 4), bestehend aus einem im Ventilkasten a angebrachten mehretagigen Sitzgerüst b, welches mehrere ringförmige Öffnungen cc, dd, ee hat, die durch Ringventile f‌f, gg, hh geschlossen werden. – Steuerventile für Dampfmaschinen etc. müssen möglichst leicht beweglich sein, was man durch Entlastung erreicht. Während es nämlich einer großen Kraft bedarf, um ein gewöhnliches Tellerventil (Fig. 2) dem Flüssigkeitsdruck entgegen anzuheben, da es dem Druck eine große Fläche darbietet, so wirkt der Druck bei dem in Fig. 5 dargestellten entlasteten V. nur auf eine der Projektion der beiden Sitzflächen o und c entsprechende Fläche.

Fig. 5. Entlastetes Ventil.

Der Ventilkörper a ist hier rohrförmig gestaltet (Rohrventil) und wird an der Stange s bewegt. Die Flüssigkeit tritt beim Öffnen von a sowohl zwischen den Sitzflächen o und c als auch durch die Rohrhöhlung hindurch. Andre entlastete Ventile sind das Puppen- oder Dockenventil und das Glockenventil. Vgl. Reuleaux, Der Konstrukteur (4. Aufl., Braunschw. 1882); v. Reiche, Maschinenfabrikation (Leipz. 1876); Pinzger, Maschinenelemente (2. Aufl., das. 1883).

Bei Blasinstrumenten heißen Ventile mechanische Vorrichtungen, welche dem Wind einen Weg verschließen oder öffnen. Über die Bedeutung der Ventile der Blechblasinstrumente vgl. Pistons. Die Ventile der Orgel sind zu unterscheiden in solche, welche durch den Orgelwind selbst geöffnet und geschlossen werden, und solche, die wie die Pistons durch Federdruck in einer Ruhelage gehalten und durch einen Hebelmechanismus bewegt werden. Ventile der ersten Art sind die Pumpenventile des Gebläses, nämlich die Saug- oder Schöpfventile der Bälge und die Kropfventile nach den Kanälen hin. Dagegen werden die Spielventile, die dem Winde den Zugang zu den Pfeifen öffnen, durch eine Hebelvorrichtung bewegt, deren letztes Glied eine Taste der Klaviatur ist.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 810
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[810] Ventil. Die Ventile, welche, wie bei den Pumpen und Gebläsen, durch Strömung der durchzulassenden, bez. abzusperrenden Flüssigkeit geöffnet oder geschlossen werden (selbstthätige Ventile), müssen, um in geöffnetem Zustand dem Durchfluß der Flüssigkeit möglichst geringen Widerstand zu leisten, eine geringe Durchflußgeschwindigkeit zulassen, also einen großen Durchflußquerschnitt darbieten, zugleich aber, um einen rechtzeitigen und stoßfreien Schluß während des Hubwechsels des Pumpen- oder Gebläsekolbens zu ermöglichen, einen geringen Hub (d. h. Erhebung über den Ventilsitz) haben (bei Pumpen etwa 3–10 mm, bei Gebläsen 20–25 mm). Hiernach ergeben sich für Pumpen, bez. Gebläse, welche, dem wachsenden Bedürfnis entsprechend, bei größern Förderquanten und Förderhöhen, bez. Windmengen und Windpressungen mit großer Hubzahl, also mit raschem Hubwechsel arbeiten, Ventilanordnungen, welche bezüglich ihrer Komplikation, ihrer Größenverhältnisse und ihrer Kosten an der Grenze der praktischen Verwertbarkeit stehen (z. B. hat eine ausgeführte doppeltwirkende Wasserwerkspumpe für 9 cbm Wasser pro Minute bei 50 m Förderhöhe 360 Ventile mit 5000 qcm Sitzfläche, und ein ausgeführtes Zwillingsgebläse von 1,56 m Durchmesser und 1,7 m Hub hat 296 Ventile mit 23,000 qcm Sitzfläche, und das sind durchaus nicht außergewöhnliche Verhältnisse). Diese Übelstände veranlaßten Riedler zur Konstruktion seiner selbstthätigen Ventile mit gesteuerter Schlußbewegung (Zwangschluß). Das Wesen dieser Ventile besteht in folgendem: Sie arbeiten bei ihrer Öffnung als selbstthätige Ventile, wobei ihr Hub ein so großer ist, daß auf jeder Seite eines Pumpen- oder Gebläsecylinders für die Saug- und Druckwirkung nur ein einziges V. von entsprechenden Dimensionen erforderlich wird. Gewöhnlich reicht je ein einfaches Tellerventil aus, dessen Durchmesser demjenigen der Saug- oder Druckrohre gleich ist, und dessen Hub zur Erlangung eines diesen Rohren entsprechenden Durchflußquerschnitts ein Viertel vom Durchmesser betragen muß (bei Doppelsitzventilen wird der Hub entsprechend geringer). Der hier erforderliche große Ventilhub (bis 100 mm und mehr), welcher einen selbstthätigen Ventilschluß unmöglich machen würde, wird dadurch unschädlich gemacht, daß er vor dem Hubwechsel durch eine Steuerung auf einen Bruchteil eines Millimeters verkleinert wird, während der wirkliche Ventilschluß beim Hubwechsel der Pumpe etc.

Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 1 u. 2. Riedlers Ventil mit Zwangschluß.

durch den Flüssigkeitsdruck erfolgt. Die gewöhnlichste und einfachste Art der Steuerung solcher Ventile ist aus Fig. 1 u. 2 ersichtlich. Auf der von der Schwungradwelle der Pumpe etc. angetriebenen Welle a ist die unrunde Scheibe b festgekeilt, welche bei der Öffnung des Ventils zu Anfang des Kolbenhubes die in Fig. 1 gezeichnete Stellung einnimmt, so daß das V. c durch die von untenher drückende Flüssigkeit ungehindert bis auf den vollen Hub geöffnet werden kann. Wenn nun der Kolben der Pumpe mehr als die Hälfte seines Hubes zurückgelegt hat, ist die Scheibe b in eine Stellung gekommen, bei welcher ihr ansteigender Teil eben beginnt, das V. mittels der Stange d abwärts zu drücken, um es während der Vollendung des Kolbenhubes nahezu bis auf den Ventilsitz e zu pressen (Fig. 2), worauf es beim Hubwechsel durch die nunmehr von oben drückende Flüssigkeit sofort stoßfrei geschlossen wird. Die Feder f dient zur Ausgleichung des Ventilgewichts und zur Überwindung der Reibung der Stange d in der Stopfbuchse, kann aber auch mit Vorteil so stark gemacht werden, daß sie das V. beim Hubwechsel mit überschüssiger Kraft ohne Mitwirkung des Flüssigkeitsdruckes sofort und vollkommen öffnet. Natürlich wiederholt sich die Steuerung bei einer Pumpe (Gebläse) entsprechend der Zahl der Ventile. Der bei diesen Ventilen erforderliche Steuermechanismus kommt gegenüber ihren Vorteilen nicht in Betracht. Diese sind ein vollkommen stoßfreier, geräuschloser Ventilschluß, eine sichere, Klemmungen und schiefe Ventilstellungen ausschließende Ventilführung, eine sehr starke Verminderung der

Fig. 4. Fig. 3.
Fig. 3. Selbstthätiges Ventil.
Fig. 4. Riedlers Ventil. Abmessungen für gleiche Leistung.

Abmessungen und Gewichte der Ventile und Ventilgehäuse, leichtere und weniger kostspielige Herstellung, Aufstellung und Instandhaltung der Maschinen. Zur Veranschaulichung der Dimensionsverminderungen mögen die Figuren 3 und 4 dienen, von denen erstere einen Ventilkasten einer ausgeführten Wasserhaltungsmaschine mit selbstthätigen Ventilen, letztere einen Ventilkasten darstellt, wie er für dieselbe Maschine bei Verwendung der Riedlerschen Ventile erforderlich wäre. Vgl. Riedler, Konstruktionsgrundlagen der Pumpen- und Gebläseventile („Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“ 1885); Derselbe, Pumpen mit gesteuerten Ventilen (ebenda 1888).


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 941
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[941] Ventil. C. E. Rost u. Komp. in Dresden fabrizieren unter dem Namen Reformventil ein neues Absperrventil, speziell für Dampf (D. R.-P. Nr. 54,790), bei dessen Konstruktion sie davon ausgingen, daß die gebräuchlichen Absperrventile nicht auf die Dauer vollkommen dicht sind und bald Dampf, wenn auch nur in geringen Mengen, entweichen lassen, welcher die Ursache von allerhand Unzuträglichkeiten und Belästigungen ist. Das neue Absperrventil (Fig. 1 u. 2) soll nun einen sichern, dichten Verschluß auf lange Zeit gewähren. Der Kegel a des Ventils (in Fig. 2 in vergrößertem Maßstab dargestellt) ist mit einem starken Kupfermantel b umgeben, welcher mit sehr genau und beinahe schneidenförmig gedrehten Rippen c versehen ist. Durch das Niederschrauben des Kegels werden die Kupferrippen in einen ebenfalls genau ausgedrehten, aber glatten Sitz d gepreßt und dabei flach gedrückt, was zur Folge

Fig. 1. Reformventil von C. E. Rost u. Komp.

hat, daß sich der Kegel der Form des Sitzes genau anpaßt und so eine außerordentlich dauerhafte Dichtung ermöglichen soll. Jede Nachhilfe, wie Nach- und Einschleifen, soll ausgeschlossen und die Abnutzung eine so geringe sein, daß erst nach Jahren das Einsetzen eines neuen Mantels erforderlich wird. Diese Arbeit läßt sich in kürzester Zeit ausführen, ohne daß dabei das V. aus der Leitung entfernt zu werden braucht. Auf der obern Fläche ist der Ventilkegel ebenfalls mit kreisförmigen Dichtungsrippen ee versehen, wodurch erreicht wird, daß der Kegel in hochgeschraubtem Zustande, d. h. bei geöffnetem V., den Dampfraum desselben dicht abschließt,

Fig. 2. Ventilkörper.

so daß es möglich ist, die Stopfbüchse der Ventilspindel f auch während des Betriebes ohne jede Belästigung durch ausströmenden Dampf neu lidern zu können.