MKL1888:Versprechen
[160] Versprechen (Besprechen), das Hersagen bestimmter Formeln (Segens- und Bannformeln) unter Beobachtung gewisser Zeremonien, auch das Aufschreiben derselben auf einen Zettel oder auf hölzerne Teller, z. B. „Fieberverschreiben“, um Krankheiten oder Wunden zu heilen, Blutungen zu stillen, Feuersbrünste zu löschen etc. Das Verfahren wurzelt in dem Glauben der Naturvölker, daß alle Krankheiten durch Bezauberung entstehen, wie er bei einzelnen derselben sogar das Eintreten böser Dämonen und Elben aus Krankheitsursache in den Körper selbst voraussetzte. Der Glaube an die Macht des „gesprochenen Worts“ über jene drohenden Mächte und Gefahren ist beinahe allverbreitet; wir begegnen dem Blutversprechen in der Odyssee (XIX, 457) und dem „Runenzauber“ Odins in der Edda. Das Christentum konnte diesen Aberglauben um so weniger ersticken, als ja die Heilung der Besessenen und alles Exorzisieren, Beschwören und Bannen durch kirchlichen Machtspruch auf demselben Glauben an die Macht gewisser Formeln beruht. Die alten Formeln wurden einfach christianisiert, indem man an die Stelle der Anrufungen heidnischer Dämonen die Namen Christi und der Heiligen setzte. Die beiden ältesten und merkwürdigsten deutschen Segensformeln aus dem 10. Jahrhundert sind die sogen. Merseburger Zaubersprüche (s. d.). Weitere Sammlungen solcher Segen finden sich z. B. im Anhang zur ersten Ausgabe von J. Grimms „Deutscher Mythologie“ (Götting. 1835), in Wolfs „Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde“ (das. 1853–59) und im Anhang zu Wolfs „Beiträgen zur deutschen Mythologie“ (das. 1852). Die in der Provinz Preußen gebräuchlichen Formeln hat H. Frischbier („Hexenspruch und Zauberbann“, Berl. 1870), die russischen L. Maikow (Petersb. 1869) herausgegeben. Vgl. Beschwörung und Feuerbesprechen.