MKL1888:Weinsäure

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Weinsäure“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 500501
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Weinsäure. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 500–501. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Weins%C3%A4ure (Version vom 12.10.2022)

[500] Weinsäure (Weinsteinsäure) C4H6O6 findet sich weitverbreitet im Pflanzenreich, teils frei, teils in der Form saurer Salze in sauren und süßen Früchten, in geringer Menge in Wurzeln, Rinden, Hölzern, Blättern. Sehr reichlich ist W. im Traubensaft enthalten, und beim Lagern des Weins scheidet sie sich als saures weinsaures Kali (Weinstein) ab. Zur Darstellung neutralisiert man Weinstein mit kohlensaurem Kalk, wobei sich schwer löslicher weinsaurer Kalk und neutrales weinsaures Kali bilden, zersetzt letzteres durch Kochen mit gemahlenem Gips, wäscht den abgeschiedenen weinsauren Kalk mit Schwefelsäure, entfärbt die vom schwefelsauren Kalk getrennte Lösung von W. mit Kohle und verdampft sie vorsichtig, zuletzt bei höchstens 50–75° zur Kristallisation. Auch aus Weintrestern (die ausgepreßten Beeren mit den Stielen), Weingeläger (wesentlich Hefe) und aus dem bei der Reinigung des Weinsteins abfallenden weinsauren Kalk wird W. gewonnen. W. bildet große, farb- und geruchlose, durchsichtige Kristalle, schmeckt stark und angenehm sauer, leuchtet beim Reiben im Dunkeln, löst sich leicht in Wasser, auch in Alkohol, nicht in Äther, dreht die Ebene des polarisierten Lichtstrahls nach rechts, schmilzt bei 110°, getrocknet bei 135° und zerfällt bei anhaltendem Erhitzen auf 180° in Wasser und Weinsäureanhydrid. An der Luft erhitzt, verbrennt W. mit leuchtender Flamme unter Entwickelung von Karamelgeruch; trockne W. hält sich an der Luft unverändert, die Lösung schimmelt unter Zersetzung, und bei anhaltendem Kochen mit Wasser oder verdünnter Schwefelsäure entstehen Traubensäure und optisch inaktive W. Weinsaure Alkalien werden in wässeriger Lösung durch Mandelkleieauszug schnell in Kohlensäuresalze verwandelt; mit schmelzendem Kalihydrat gibt W. Essigsäure und Oxalsäure. Weinsaure Alkalien reduzieren aus erwärmten Silber-, Gold- und Platinlösungen die Metalle, und aus ammoniakalischer Silberlösung wird das Silber als Spiegel abgeschieden. Auf den Organismus wirkt W. ähnlich wie die übrigen Fruchtsäuren, wird aber vom Magen schlechter vertragen als Zitronensäure und wirkt in größern Dosen giftig. Man benutzt sie zu Saturationen, Limonaden, Brausepulvern, gegen Skorbut, Ruhr, Magenkatarrh, [501] äußerlich gegen riechende Fußschweiße, auch in der Konditorei, Färberei und Zeugdruckerei, als Beize beim Türkischrotfärben und beim Rotdruck, zum Verschneiden des Weins, in der Photographie etc. Mit Basen liefert W. zwei Reihen Salze (Tartrate), welche sich zum Teil in Pflanzen finden, direkt aus Säure und den Basen oder deren Kohlensäuresalzen oder, soweit sie unlöslich sind, aus einem löslichen Weinsäuresalz durch Zusatz eines löslichen Salzes der betreffenden Base erhalten werden und sich durch große Neigung, Doppelsalze zu bilden, auszeichnen. Sie sind zum großen Teil kristallisierbar; diejenigen der Alkalimetalle sind in Wasser löslich, die neutralen Salze der übrigen Metalle sind meist schwer oder nicht löslich, lösen sich aber auf Zusatz von Wein-, Salz- oder Salpetersäure, meist auch in überschüssiger Kali-, Natronlauge und in Ammoniak. Am wichtigsten ist das saure weinsaure Kali C4H5O6K, welches als Weinstein (s. d.) im Handel ist. Neutralisiert man Weinstein mit doppeltkohlensaurem Kali, so erhält man neutrales weinsaures Kali (Tartarus tartarisatus) C4H4O6K2. Dies bildet farblose Kristalle, schmeckt salzig bitterlich, ist hygroskopisch, leicht löslich in Wasser, nicht in Alkohol, dient als Abführmittel und zum Entsäuern des Weins, mit dessen W. es Weinstein bildet, der sich alsbald abscheidet. Das sehr ähnliche weinsaure Kaliammoniak (Tartarus ammoniatus) C4H4O6NH4K erhält man durch Neutralisieren des Weinsteins mit Ammoniak. Neutralisiert man mit kohlensaurem Natron, so entsteht weinsaures Kalinatron (Rochellesalz, Seignettesalz, Tartarus natronatus, Natro-Kali tartaricum, Sal polychrestum Seignetti) C4H4O6KNa + 4H2O. Dies bildet große, farblose Kristalle, schmeckt mild salzig, bitterlich kühlend, löst sich leicht in Wasser, kaum in Alkohol, verwittert langsam in warmer Luft, schmilzt bei 38°, dient als mildes, kühlendes Abführmittel. Beim Verdampfen einer Lösung von 2 Teilen Borax und 5 Teilen Weinstein erhält man den Boraxweinstein (Tartarus boraxatus s. solubilis) C4H4O6KBO als amorphe, weiße, hygroskopische, in Wasser leicht, in Alkohol wenig lösliche, stark saure Masse, welche beim Erhitzen schmilzt und als harntreibendes und Abführmittel, auch bei Hautkrankheiten benutzt wird. Weinsaures Natron C4H4O6Na2 bildet luftbeständige, leicht lösliche Kristalle mit 2 Molekülen Kristallwasser und wird erst bei 200° wasserfrei. Das saure Salz C4H5O6Na kristallisiert mit 1 Molekül Kristallwasser, ist viel löslicher als das Kalisalz und wird über 100° wasserfrei. Weinsaurer Kalk C4H4O6Ca findet sich in vielen Pflanzensäften und im rohen Weinstein, wird aus Chlorcalciumlösung durch W. gefällt, ist farb- und geschmacklos, kaum löslich in Wasser, leicht in Säuren, Salmiak und kalter Kalilauge. Das saure Salz findet sich ebenfalls in Pflanzensäften und bildet schwer lösliche Kristalle. Weinsaures Eisenoxydul wird aus Eisenvitriollösung durch W. gefällt, ist farblos, schwer löslich, oxydiert sich beim Erwärmen an der Luft. Weinsaures Eisenoxyd entsteht beim Lösen von Eisenoxydhydrat in W., ist schmutzig gelb, amorph; die Lösung gibt beim Erhitzen unter teilweiser Reduktion unlösliches basisches Salz. Eisenoxydhydrat, mit Weinstein digeriert, gibt weinsaures Eisenoxydkali in glänzenden, schwarzbraunen Schuppen. Dieses Doppelsalz findet sich im Eisenweinstein (Tartarus ferratus), den man als schmutzig grünes Pulver beim Digerieren von Eisenfeilspänen mit Weinstein erhält. Er löst sich großenteils in Wasser, schmeckt säuerlich eisenartig und dient zu Bädern. Weinsaures Antimonoxydkali, s. Brechweinstein.