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Madame Adèle (Wolzogen)

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Textdaten
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Autor: Ernst von Wolzogen
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Titel: Madame Adèle
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 45–46
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Commons = Google-USA*
Kurzbeschreibung:
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[45]

Madame Adèle.

Je suis Adèle, la reine blonde –
On me connait, messieurs, parbleu!
Je suis la reine, la reine, la reine du Demimonde.
Adèle est là – faites votre jeu!

5
Oh jeh, oh ji, hab’ nur ka Angst –

Ich sing’ auch deutsch, wenn’s d’ es verlangst,
Denn mein Franzö’sch g’langt nur – oh jeh!
Zum Hausgebrauch fürs Variété!
Ein Franzos’ ist nur mein Schneider –

10
Echt Paris sind diese Kleider.

Und drunter, das ist auch kein Quark:
C’est un jupon pour achtzig Mark,
Die seid’nen Strümpf’ kriegst schon für acht –
Trulala, Trulala –

15
Was glaub’n Sie, wie das glücklich macht!


Nicht immer wühlt’ ich so in Spitzen,
Einst trug ich Barchent und Flanell –
Ich musste tipp-tipp-tipp an der Maschine sitzen,
Und auch die Feder führt’ ich schnell,

20
Ole, Oli – ’s war wenig da –

Und ein Korsett verbot Mama,
Doch unverfälscht und g’sund dazu,
Wie warme Milch, frisch von der Kuh!
Abends kriegt’ ich Käs’ und Rettich,

25
Und dann kroch fein satt ins Bett ich – – –

Jetzt jede Nacht im Separé
Mit feschen Herren ein Souper!
Da schleck’ ich, bis das Mieder kracht – –
Trulala, Trulala –

30
Was glaub’n Sie, wie das glücklich macht!


Ich zählte eben siebzehn Jahre,
Da nahte schon sich mein Geschick:
Ein Herr vergaffte sich in meine blonden Haare
Und in den veilchenblauen Blick.


[46]
35
Halli! Hallo! Wie war ich froh!

Er fragt’ nicht lang und nahm mich so …
Im vierten Stock haust’ mein Poet …
Und da geschah’s – wie das so geht! –
Himmelhoch und himmelweit –

40
Heimlich süsse Seligkeit!

Ach! Wenn ich an seinem Halse hing,
War ich ihm alles – ich dummes Ding – –
Da ward ich wissend über Nacht – –
Trulala, Trulala –

45
Was glaub’n Sie, wie das glücklich macht!


Goldkehlchen mein und Sonnenscheinchen,
Sein süsses Mädel, lieb und dumm –
So nannt’ er mich und lobte meine Elfenbeinchen
Und trug mich buckelkrax herum.

50
O Gitt, o Gott! ’s ist jammervoll,

Dass solche Lieb’ auch enden soll! –
Doch vom Talent wird man nicht satt,
Wenn man nicht eine Rente hat! – –
Der Zweite war ein Herr Assessor,

55
Der stand sich schon erheblich besser …

Ja, meine Herr’n – die Jugend flieht!
Ein kluges Kind wird früh solid!
Treu’ hat noch nie was eingebracht – –
Trulala, Trulala –

60
Was glaub’n Sie, wie das glücklich macht!


Der Erste nahm sich nicht das Leben,
Als ich zum Zweiten mich gewandt,
Er liess mich schleunigst nur die Trepp’ hinunterschweben – –
Worauf er aus der Stadt verschwand.

65
Trali! Trala! ’s ist lang schon her,

Bin längst kein dummes Mädel mehr! –
Ich fahr’ zum Rennen viere lang
Und hab’ mein Conto bei der Bank!
Flog ins Licht als graue Motte –

70
Doch jetzt bin ich grande Cocotte!

Je m’en fiche de tout ce que m’accuse!
Hein! Messieurs, je vous amuse?
Vlan les volants! Heh! Kreischt und lacht!
Trulala, Trulala –

75
Was glaub’n Sie, wie das glücklich macht!
Ernst von Wolzogen.