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Marie Duchatel

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Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Marie Duchatel
Untertitel: Aus der Zeit Maria Stuart’s
aus: Gedichte, Seite 162–166
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Diese Ballade ist Fontanes freie Bearbeitung von Walter Scotts „The Queen’s Marie“ (in „Minstrelsy of the Scottish Border“) in der die Hauptfigur Marie Hamilton heißt.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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[162]
Marie Duchatel.[WS 1]

(Aus der Zeit Maria Stuart’s.)

     „Welchen Hofstaat bringt unsre Königin mit?“
„„Sie bringt mit ihre vier Marien,[WS 2]
Ihre vier Marieen von Frankreich her,
Die müssen mit ihr ziehn.

5
     „„Die müssen ihr plätten und glätten das Bett

Und warten auf der Schwell’,
Ich kenne die jüngste, die schönste,
Das ist Marie Duchatel.““

     Marie Duchatel sprang ans Ufer,

10
Im Winde flog ihr Haar,

Der König sah Marie Duchatel,
Und wie schön und wie schlank sie war.

     Marie Duchatel sprang in den Bügel,
Ihr Haar war blond und licht,

15
Der König sah Marie Duchatel,

Die andern sah er nicht.

     Marie Duchatel sprang aus dem Sattel
Und zur Kirche schritten sie hin,
Der König sah Marie Duchatel

20
Viel mehr als die Königin.


[163]
     Und eh drei Wochen waren in’s Land,

Da sangen sie laut und hell:
Was sind alle Mädchen am Hofe
Gegen Marie Duchatel.

25
     Und eh drei Monde waren in’s Land,

Da sangen sie, Groß und Klein:
Ach, ohne Marie Duchatel
Könnten wir gar nicht sein.

     Marie Duchatel, Marie Duchatel,

30
Wolle nicht in den Garten gehn,

Der König ist da und die Nacht ist nah,
Und du kannst nicht widerstehn!

     Nun pflücket sie heimlich vom Klosterbaum
Und ringt ihre Hände wund,

35
Doch das Leben unterm Herzen

Wird lebendiger jede Stund.

     Und endlich hinaus zum Strande
Schleicht sie und trägt ihr Kind:
„Nun schwimme oder sinke“

40
Flüstert sie in den Wind. –


     Am andern Morgen läuft’s auf und ab:
„Wisset ihr was geschah?
Marie Duchatel[WS 3] hat ein Kleines
Und das Kleine ist nicht da.“

[164]
45
     Und die Königin ruft Marie Duchatel,

Die zittert und kommt geschwind:
„Ich hörte zu Nacht ’was wimmern!
Sag an, wo ist Dein Kind?“

     „„Ich habe kein Kind, Mylady,

50
Denket nicht so schlecht von mir,

Ich hatte Stiche und Schmerzen
Unterm Herzen hier.““

     „Und hattest Du Stiche und Schmerzen,
Wohlan, heut bist Du gesund,

55
Bring mir meinen Mantel von Scharlach,

Wir reiten noch diese Stund;

     Wir reiten von Schloß Stirling
Bis Edinburg ohne Müh,
Und in Edinburg giebt’s Hochzeit

60
Morgen in aller Früh.“


     Die Königin stieg zu Rosse,
Ihre Herren und Damen mit,
Sie ritten all im Trabe,
Marie Duchatel ritt im Schritt.

65
     „Haltet an, liebe Herren und Damen,

Ich kann nicht folgen mehr;“
Sie hörten’s und sprengten weiter,
Sie ritt seufzend hinterher.

[165]
     Und als sie kamen zum Thore,
70
Da wußten sie’s schon in der Stadt,

Alle Mädchen und Frauen schluchzten
So oft sie gegrüßet hat.

     „Was weinet ihr, liebe Frauen?
Kommt mit, es soll Hochzeit sein;“ –

75
Sie schüttelten ihre Köpfe

Und traten in’s Haus hinein. –

     Am Norderthor, wo das Zollhaus steht,
Da saßen sie zu Gericht,
Sie war erst sechszehn Jahre,

80
Das konnte sie retten nicht.


     Durchs Süderthor, am andren Tag,
Ein Zug und ein Karren schlich,
Marie Duchatel wollte lächeln
Und weinte bitterlich.

85
     Sie kamen an den Hügel:

„Leb wohl, liebe Königin,
Von Deinen vier Marieen
Geht eine nun dahin.

     „Oft hab ich Dich angekleidet

90
Und Dir das Bett gemacht,

Daß es so kommen würde,
Das hab ich nie gedacht.

[166]
     „Oft hab’ ich Dir mit Goldband

Dein Scharlachmieder gesäumt,

95
Von diesem Tag und dieser Stund

Ach, hab’ ich nie geträumt.

     „Ihr Schiffer und ihr Matrosen,
Wenn ihr zu Schiffe geht,
Erzählt kein Wort in Frankreich

100
Von allem was ihr nun seht.


     „Erzählt nicht meiner Mutter
Von dem Brett, auf dem ich stand,
Und nichts von meinem Tode
Und nichts von meiner Schand.

105
     „Ach, meine arme Mutter,

Als in der Wieg’ ich lag
Und Du mich herztest und küßtest,
Wie fern war dieser Tag!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Maria
  2. die vier Marien an Maria Stuarts Hof waren: Mary Beaton, Mary Seton, Mary Fleming und Mary Livingston
  3. Vorlage: Duchachtel