Mathematische Principien der Naturlehre/Buch3-III

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Buch III. Abschnitt II. Mathematische Principien der Naturlehre (1872) von Isaac Newton, übersetzt von Jakob Philipp Wolfers
Buch III. Abschnitt III.
Buch III. Abschnitt IV.


ABSCHNITT III.
Von der Grösse der Meeresfluth.

§. 41. Aufgabe. Man soll die Kraft finden, welche die Sonne auf die Bewegung des Meereswassers ausübt.

Fig. 203.

Wir haben in §. 29., dritten Buches gesehen, dass die Kraft ML oder PT der Sonne, welche störend auf die Bewegung des Mondes einwirkt, sich in den Quadraturen des letzteren zur Kraft der Schwere auf der Erde verhält, wie

1.   1 : 638092,6,

und dass die Kraft TM — ML oder 2PK in den Syzygien des Mondes doppelt so gross ist. Diese Kräfte wurden nun, wenn man zur Oberfläche der Erde herabstiege, im Verhältniss der Abstände vom Mittelpunkte der letzteren, d. h. wie

2.   60,5 : 1

abnehmen. An der Oberfläche der Erde verhält sich daher die erste dieser Kräfte zur Kraft der Schwere, wie

3.   1 : 38604600.

Durch diese Kraft wird das Meer an den Orten herabgedrückt, welche im Winkel um 90° von der Sonne abstehen. Die andere Kraft, welche doppelt so gross ist, erhebt das Meer in den unter der Sonne gelegenen und den ihr entgegengesetzten Gegenden. Die Summe dieser Kräfte, oder 1 + 2 = 3, verhält sich also zur Schwere, wie

4.   3 : 38604600 = 1 : 12868200.
Da nun dieselbe Kraft dieselbe Bewegung hervorbringt, mag sie das Wasser in den um 90° von der Sonne entfernten Gegenden erniedrigen, oder in den unter der Sonne und ihr gegenüberliegenden Gegenden erheben; so wird diese Summe die ganze Kraft sein, womit die Sonne die Gewässer des Meeres in Bewegung setzt und sie wird dieselbe Wirkung hervorbringen, als wenn sie ganz dazu verwendet würde, das Meer in den unter der Sonne und ihr gegenüberliegenden Gegenden zu erhöhen und gar keine Wirkung in den unter 90° von der Sonne abstehenden Gegenden hervorbrachte.

Dies ist die Kraft, womit die Sonne das Meer an einem gegebenen Orte bewegt, wenn sie sich im Zenith desselben und in ihrem mittleren Abstande von der Erde befindet. Für eine andere Lage der Sonne ist diese Kraft dem Sinus versus ihrer doppelten Höhe über dem Horizont direct und dem Cubus ihres Abstandes von der Erde indirect proportional.

Zusatz. Die Centrifugalkraft der Theile der Erde, welche durch die tägliche Umdrehung der letzteren hervorgebracht wird und sich zur Kraft der Schwere wie 1 : 289 verhält, verursacht aber, dass die Höhe des Wassers unter dem Aequator seine Höhe am Pole um 85472 Par. Fuss übertritt, wie wir oben im §. 23. dieses Buches gesehen haben. Es ist daher klar, dass die Kraft der Sonne, wovon hier die Rede ist und welche sich zur Kraft der Schwere wie 1 : 12868200 (Gl. 4.) also zur Centrifugalkraft wie

5.   289 : 12868200 = 1 : 44527

verhält, bewirken wird, dass die Höhe des Wassers in den unter der Sonne und ihr gegenüberliegenden Gegenden, die Höhe in den um 90° von der Sonne abstehenden Gegenden um 1 Fuss 111/30 Zoll Par. Maass übertreffen wird, indem

6.   1 Fuss 111/30 Zoll : 85472 Fuss = 1 : 44527.

§. 42. Aufgabe. Man soll die Kraft finden, womit der Mond die Gewässer des Meeres bewegt.

Die Kraft des Mondes zur Bewegung des Meeres ergibt sich aus ihrem Verhältniss zur Kraft der Sonne, und man kann dieses Verhältniss aus dem der Bewegungen des Meeres, welche durch diese beiden Kräfte hervorgebracht werden, ableiten.

Vor der Mündung des Flusses Avon unterhalb Bristol, am dritten Steine beträgt die ganze Erhebung des Wassers im Frühjahr und Herbst, um die Zeit der Conjunction und der Opposition von Sonne und Mond, ungefähr 45 Fuss, wie Samuel Sturm beobachtet hat; zur Zeit der Quadratur nur 25 Fuss. Die erste Höhe entspringt aus der Summe beider Kräfte, die letzte aus ihrem Unterschiede. Nennen wir daher die Kräfte der Sonne und des Mondes, wenn sie sich im Aequator und in ihrem mittleren Abstände von der Erde befinden, respective S und L; so hat man

1.   L + S : L — S = 45 : 25 = 9 : 5.

Im Hafen von Plymouth hat Samuel Colepress beobachtet, dass die Fluth in ihrer mittleren Höhe auf etwa 16 Fuss ansteigt, und dass im Frühjahr und Herbst die Höhe in den Syzygien die in den Quadraturen stattfindende Höhe um mehr als 7 oder 8 Fuss übertreffen kann. Nimmt man also 9 Fuss als grössten Unterschied dieser Höhen an, so wird

2.   L + S : L — S = 20½ : 11½ = 41 : 23,

welches Verhältniss dem obigen ziemlich nahe kommt. Die Grösse der Fluth im Hafen von Bristol scheint Sturm’s Beobachtungen grösseres Vertrauen zu verleihen, und bis man etwas Gewisseres gefunden haben wird, wollen wir uns des Verhältnisses 9 : 5 bedienen.

Uebrigens treffen, in Folge der wechselseitigen Bewegungen der Gewässer, die grössten Fluthen nicht genau in den Syzygien der Sonne und des Mondes ein, sondern erst die dritten Fluthen nach den Syzygien sind die grössten, wie bereits gesagt worden ist. Die grössten Fluthen folgen also nahe auf den dritten Durchgang des Mondes durch den Meridian des Ortes nach den Syzygien; oder auch (wie Sturm bemerkt) sie sind die dritten nach dem Tage des Neu- oder Vollmondes, wie auch etwas mehr oder weniger nach der 12. Stunde seit dem Neu- oder Vollmonde. Die grössten Fluthen stellen sich daher nahe in der 43. Stunde nach den Syzygien ein. Sie treten in diesem Hafen etwa um die 7. Stunde nach dem Durchgange des Mondes durch den Meridian ein; sie folgen also am nächsten auf diesen Durchgang, wenn der Mond von der Sonne, oder der Opposition mit der letzteren rechtläufig um beiläufig 18° oder 19° entfernt ist.[1] Wie der Sommer und Winter ihre grösste Macht nicht in den Solstitien selbst, sondern erst dann haben, wenn die Sonne um 1/10 des Kreises oder um etwa 36° bis 37° entfernt ist, eben so tritt die grösste Fluth des Meeres nach dem Durchgange des Mondes durch den Meridian des Ortes ein, wenn der Mond von der Sonne um 1/10 des ganzen Zwischenraumes zweier auf einander folgenden Fluthen entfernt ist. Gesetzt, dieser Abstand betrage etwa 18½°, alsdann wird die Kraft der Sonne in diesem Abstande des Mondes von den Syzygien und Quadraturen geringere Wirkung in Bezug auf die Vergrösserung oder Verkleinerung der durch den Mond hervorgebrachten Bewegung des Meeres ausüben, als in den Syzygien und Quadraturen, und zwar im Verhältniss des Radius zum Cosinus des doppelten Winkelabstandes, oder zum cos 37°, d. h. wie 10000000 : 7986355. In der Proportion 1. hat man also 0,7986355 S statt S zu setzen.

Man muss aber auch die Kraft des Mondes in den Quadraturen wegen seiner Abweichung vom Aequator, vermindern. Die letztere beträgt nämlich in den Quadraturen oder vielmehr im Winkelabstande 18°,5 von den Quadraturen etwa 22° 13'.[2]

Die Kraft eines Gestirns wird aber geringer, in Bezug auf die Bewegung des Meeres, wenn sich dasselbe vom Aequator entfernt, und zwar nahebei im doppelten Verhältniss des Cosinus seiner Declination. Die Proportion 1. geht demnach über in
3.   L + 0,7986355 S : 0,8570327 L — 0,7986356 S = 9 : 5.

Ferner verhalten eich die Axen der Bahn, in welcher der Mond seinen Umlauf ohne Excentricität machen müsste, zu einander wie 69 : 70 (§. 32. dieses Buches).

Der Abstand des Mondes von der Erde in den Syzygien verhält sich daher, unter übrigens gleichen Umständen, zu seinem Abstande in den Quadraturen, wie 69 : 70, und sein Abstand in 18°,5 nach den Syzygien, wo die Fluth am grössten ist, so wie in 18°,5 nach den Quadraturen, wo sie am kleinsten ist, verhält sich zum mittleren Abstände wie respective

4.   69,098747 : 69,5 und 69,897346 : 69,5.[3]

Die Kräfte des Mondes zur Bewegung des Meeres stehen aber im umgekehrten dreifachen Verhältnisse der Abstände, und es verhalten sich die Kräfte im grössten und kleinsten Abstände, zu der im mittleren Abstände, wie

5.   0,9830427 : 1 und 1,017521 : 1.[4]

Hiernach geht die Proportion 3. in folgende über

6.   1,017522 L + 0,7986355 S : 0,9830427 · 0,8570327 L = 9 : 5

woraus einfach

7.   S : L = 1 : 4,4815

hervorgeht. Da nun die Kraft der Sonne S sich zur Schwerkraft Σ wie

8.   S : Σ = 1 : 12868200 (§. 41. Gl. 4.)

verhält, so wird

9.   L : Σ = 1 : 2871400.

Zusatz 1. Da das Wasser, vermöge der Einwirkung der Sonne, zu einer Höhe von 1 Fuss 111/30 Zoll ansteigt (§. 41.), so wird es sich in Folge der Einwirkung des Mondes zu einer Höhe von 8 Fuss 75/22 Zoll, und vermöge der vereinten Wirkungen beider Gestirne bis auf 10,5 Fuss erheben. Befindet sich der Mond zugleich in seinem Perigeum, so steigt das Wasser zu einer Höhe von 12,5 Fuss, oder noch höher, besonders wenn die Fluth durch die gerade herrschenden Winde unterstützt wird. Eine so grosse Kraft reicht aber überflüssig hin, um alle Bewegungen des Meeres hervorzubringen, und sie entspricht hinreichend genau der Beobachtung. In den Meeren nämlich, welche eine grosse Breite von Osten gegen Westen haben, wie im Stillen Meere und den, ausserhalb der Wendekreise gelegenen, Theilen des Atlantischen und Aethiopischen Oceans steigt das Wasser gewöhnlich zu einer Höhe von 6, 9, 12 oder 15 Fuss an. Uebrigens behauptet man, dass im Stillen Meere, welches tiefer und breiter als das Atlantische und Aethiopische ist, die Fluthen noch grösser ausfallen. In der That darf, damit die Fluth vollständig werde, die Breite des Meeres von Osten gegen Westen nicht geringer als 90° sein. Im Aethiopischen Meere ist die Erhebung des Wassers innerhalb der Wendekreise geringer, als in den gemässigten Zonen, wegen der geringeren Breite des ersteren zwischen Afrika und Süd-Amerika. Das Wasser kann in der Mitte des Meeres nicht steigen, ohne dass es zugleich an der östlichen und westlichen Küste sinkt; da es doch in unseren engeren Meeren an jenen Küsten wechselseitig sinken müsste. Aus diesem Grunde ist die Ebbe und Fluth sehr gering an denjenigen Inseln, welche vom Festlande sehr entfernt liegen. In gewissen Häfen, wo das Wasser ungestüm ankommt, nachdem es vielen Sandbänken begegnet ist, und wo es hin- und herfliessen muss, um wechselweise den Meerbusen zu leeren und zu füllen, muss Ebbe und Fluth grösser als gewöhnlich sein. z. B. in Plymouth und an der Brücke von Chepstowe in England, am Berge St. Michel und zu Avranches in der Normandie, au Cambaia und Pegu in Ostindien. An diesen Orten kommt und geht das Meer mit einer grossen Geschwindigkeit; es überschwemmt bald das Ufer mehrere Meilen weit, bald lässt es dasselbe wieder eben so weit trocken. Der Stoss des Wassers, wenn es ankommt und sich zurückzieht, hört erst auf, wenn es 30, 40 oder 50 Fuss und mehr gestiegen oder gesunken ist. Dasselbe findet in langen und solchen Meerengen statt, welche voll von Sandbänken sind, wie in der Magellanstrasse und den England umgebenden Meeren. Die Fluth wird in diesen Häfen und Meeren bedeutend grösser durch die Gewalt, mit welcher das Wasser ankommt und sich zurückzieht. An solchen Küsten aber, welche plötzlich zum breiten und offenen Meere abstürzen und wo das Wasser steigen und sinken kann, ohne mit Heftigkeit vor- und rückwärts zu gehen, entspricht die Grösse der Fluth den Kräften der Sonne und des Mondes.

Zusatz 2. Da die Kraft des Mondes zur Bewegung des Meeres sich zur Schwerkraft wie 1 : 2871400 verhält, so ist es klar, dass erstere viel zu klein sein muss, um bei Pendelversuchen und anderen, in der Statik und Hydrostatik anzustellenden Versuchen bemerkt werden zu können. Diese Kraft des Mondes hat nur bei der Fluth eine bemerkbare Wirkung.

Zusatz 3. Die Kraft des Mondes zur Bewegung des Meeres verhält sich zur ähnlichen Kraft der Sonne wie 4,4815 : 1, und diese Kräfte stehen (nach §. 107, Zusatz 14. des ersten Buches) im zusammengesetzten Verhältniss der Dichtigkeiten beider Himmelskörper und der Cuben ihrer scheinbaren Durchmesser. Die Dichtigkeit des Mondes muss sich also zur Dichtigkeit der Sonne verhalten direct wie 4,4815 : 1, und indirect wie der Cubus des Monddurchmessers zum Cubus des Sonnendurchmessers, d. h. (weil der mittlere scheinbare Durchmesser beider resp. 31' 16,"5 und 32' 12" sind) wie 4,4816  : 1 oder wie 4891 : 1000.

Nun verhält sich die Dichtigkeit der Sonne zur Dichtigkeit der Erde wie 1000 : 4000, also die Dichtigkeit des Mondes zur Dichtigkeit der Erde wie 4891 : 4000, oder wie 11 : 9. Die Mondkugel ist also dichter und hat mehr festes Land, als unsere Erde.[5]

Zusatz 4. Da nach den astronomischen Beobachtungen der wahre Durchmesser des Mondes sich zu dem der Erde wie 100 : 365 verhält, so verhält sich die Masse des Mondes zur Masse der Erde wie 1 : 39,788.[6]

Zusatz 5. Die beschleunigende Schwerkraft des Mondes ist fast dreimal geringer, als die an der Oberfläche der Erde.[7]

Zusatz 6. Der Abstand des Mittelpunktes des Mondes vom Mittelpunkte der Erde verhält sich zum Abstande des erstern vom gemeinschaftlichen Schwerpunkte beider Körper wie 40,788 : 39,788.[8]

Zusatz 7. Der mittlere Abstand des Mittelpunktes des Mondes vom Mittelpunkt der Erde ist in den Octanten des ersteren sehr nahe = 60,4 Halbmessern der Erde. Man hat nun die halbe grosse Axe der Erde = 19658600 Pariser Fuss gefunden; mithin wird der mittlere gegenseitige Abstand der Mittelpunkte beider Körper = 1187379440 Fuss. Dieser Abstand verhält sich (nach Zusatz 6.) zur Entfernung des Mond-Mittelpunktes vom gemeinschaftlichen Schwerpunkte beider Himmelskörper wie 40,788 : 39,788; mithin wird die letztere Entfernung = 1158268534 Fuss. Da nun der Mond seinen siderischen Umlauf in 27d 7h 43,m8 zurücklegt, so ist der Sinus versus des Winkels, welchen er in einer Minute zurücklegt, = 12752341 Fuss für den Radius = 1000 Billionen, und = 14,7706353 Fuss für den Radius = 1158268534 Fuss. Fällt daher der Mond gegen die Erde vermöge derselben Kraft, welche ihn in seiner Bahn erhält, so wird er in 1 Minute 14,7706353 Fuss zurücklegen. Vergrössert man diese Kraft im Verhältniss 178 : 177, so erhält man (nach §. 3, Zusatz) die ganze Kraft der Schwere in der Mondbahn, und der, vermöge dieser Kraft fallende, Mond wird in einer Minute den Weg 14,8538067 Fuss zurücklegen. In 1/60 der Entfernung des Mondes von der Erde, d. h. im Abstande von 19789657 Fuss, wird ein fallender Körper auch in 1 Secunde einen Weg von 14,8538067 Fuss durchlaufen. Im Abstande von 19615800 Fuss, d. h. in einer dem mittleren Halbmesser der Erde gleichen Entfernung, wird er beim Falle in 1 Secunde einen Weg von 15,11175 Fuss = 15 Fuss 1 Zoll 41/11 Linie zurücklegen. Dies ist die Grösse des Falles schwerer Körper in einer Breite von 45°. Nach der Tabelle, welche wir in §. 24. gegeben haben, wird die Grösse dieses Falles in der Breite von Paris um etwa ⅔ Linie zu vergrössern sein. Nach dieser Rechnung würden also schwere Körper, welche im leeren Raume und in der Breite von Paris herabfielen, während 1 Secunde einen Weg von ungefähr 15 Fuss 1 Zoll 425/33 Linie zurücklegen. Subtrahirt man von der Schwere die Centrifugalkraft, welche durch die tägliche Umdrehung der Erde in dieser Breite hervorgebracht wird, so würden die dort fallenden schweren Körper während 1 Secunde einen Weg von 15 Fuss 1 Zoll 1,5 Linie zurücklegen. Wir haben in §§. 4. und 23. gesehen, dass schwere Körper in der Breite von Paris wirklich diesen Weg während 1 Secunde zurücklegen.

Zusatz 8. Der mittlere gegenseitige Abstand der Mittelpunkte des Mondes und der Erde ist in den Syzygien des ersteren gleich 5929/30 und in den Quadraturen 605/6 halben grossen Axen der Erde. Diese beiden Abstände verhalten sich nämlich (nach §. 32.) zu dem mittleren Abstände des Mondes in den Octanten, wie 69 : 69,5 und wie 70 : 69,5.[9]

Zusatz 9. Der mittlere Abstand beider Mittelpunkte von einander ist in den Syzygien des Mondes = 60,1, in seinen Quadraturen = 6029/30 mittleren Halbmessern der Erde.

Zusatz 10. In den Syzygien des Mondes hat man für seine mittlere Horizontalparallaxe folgende Werthe;

In der Breite Mittlere Horizontalparallaxe

30
38
45
52
60
90
57' 20"     
16
14
12
10
8
4

Bei diesen Rechnungen habe ich auf die magnetische Anziehungskraft der Erde, deren Grösse sehr klein und unbekannt ist, keine Rücksicht genommen. Wenn man aber einst dahin gelangen sollte, dieselbe zu erforschen, und wenn die Gradmessungen im Meridiane, die Längen isochronischer Pendel in verschiedenen Breiten, die Gesetze der Bewegungen des Meeres, die Parallaxe des Mondes und die scheinbaren Durchmesser der Sonne und des Mondes durch Beobachtungen genauer bestimmt sein werden; kann man diese ganze Rechnung genauer wiederholen.

§. 43. Aufgabe. Man soll die Gestalt des Mondes finden.

Wäre der Mond flüssig, wie unser Meer, so würde die Kraft, mit welcher die Erde die ihr am nächsten und am entferntesten liegenden Theile jener Flüssigkeit anzöge, sich zu derjenigen Kraft, womit der Mond die ihm am nächsten und am fernsten liegenden Theile unseres Meeres anzieht, zusammengesetzt wie die beschleunigende Schwerkraft des Mondes gegen die Erde, zur beschleunigenden Schwerkraft der letzteren gegen den ersteren und wie der Durchmesser des Mondes zu dem der Erde verhalten, d. h. wie 39,788 · 100 : 1 · 365 = 1081 : 100.[10] Da nun die Kraft des Mondes unser Meer zu einer Hohe von 8,6 Fuss erhebt (§. 42., Zusatz 1.), so würde die Flüssigkeit des Mondes durch die Kraft der Erde zu einer Höhe von 93 Fuss erhoben werden. Aus diesem Grunde müsste die Gestalt des Mondes die eines Sphäroides sein, dessen verlängerte grosse Axe durch den Mittelpunkt der Erde ginge, und die andere auf sie perpendikuläre Axe um 186 Fuss überträfe. Der Mond hat also diese Gestalt, und muss sie von Anfang an gehabt haben.

Zusatz. Eine Folge hiervon ist, dass der Mond der Erde stets dieselbe Seite zuwendet, indem er in keiner andern Lage sich in Ruhe befinden kann, sondern stets oscillirend zu ihr zurückkehren muss. Indessen erfolgen diese Schwingungen sehr langsam, weil die Kräfte, durch welche sie hervorgebracht werden, sehr klein sind, dergestalt dass dieser Theil des Mondes, welcher immer gegen die Erde gerichtet sein sollte, auf den andern Brennpunkt der Mondbahn zurückblicken muss (respicere), aus dem in §. 21. angeführten Grunde, und nicht sogleich davon abgezogen und gegen die Erde zurückgeführt werden kann.


Bemerkungen und Erläuterungen [des Übersetzers][Bearbeiten]

  1. [641] No. 283. S. 450. Ein Theil dieses Satzes ist nicht recht klar dargestellt. Die dritte Fluth nach der Syzygie tritt etwa 36 Stunden [642] später ein, in welcher der Mond sich rechtläufig im Mittel um 19° 35' und die Sonne nur 1° 28' bewegt, so dass ihr gegenseitiger Abstand 18° 7' beträgt. Legt man zu den vorstehenden 36 Stunden die sogenannte Hafenzeit in Bristol von 7 Standen, so kommen die im Text aufgeführten 43 heraus.
  2. [642]
    Fig. 268.

    No. 284. S. 450. Befindet sich die Sonne in S, d. h. im Widderpunkte, ist L ein Solstitialpunkt, also SL = 90°, LL' = 18,°5, also der Mond um 18,°5 von der Quadratur entfernt; so ist sin L'a = sin 108°,5 sin 23° 27' = 22° 14'. Einmal ist die Kraft des Mondes in L' im Verhältniss cos L'a : 1 kleiner, ab wenn jener sich im Aequator befände. Ferner in demselben Verhältniss die Centripetalkraft und

    Fig. 269.

    daher auch die Centrifugalkraft in L kleiner als in a; mithin durch Zusammensetzung die Kraft des Mondes in L' im Verhältniss (cos L'a)² : 1 = (cos 22° 14')² : 1 kleiner als im Aequator.

  3. [642]
    Fig. 270.

    No. 285. S. 451. Ist A der Ort des Mondes in der Syzygie, C der in der Quadratur, so hat man nach den Angaben im Texte, wenn die Erde sich in T befindet, die halbe grosse Axe TA = a = 70, die halbe kleine CT = b = 69. Wenn nun der Winkel ATa = CTc = 18,°5, aT = z, cT = a gesetzt wird, so wird unmittelbar nach den Formeln der Ellipse z² sin² 18,°5

    = (a² — z² cos² 18,°5) und

    z² = . Substituirt man hier die Werthe von a und b, so ergibt sich z = aT = 69,897530 nahe mit dem Text übereinstimmend. Mutatis mutandis, wird u² = und u = 69,098740.

  4. [642] No. 286. S. 451. Ich erhalte aus den Werthen im Texte die Verhältnisse 0,9827797 : 1 und 1,0172410 : 1.
  5. [643] No. 287. S. 452. Nach Hansen a. a. O. ist, wenn D(s), D(e), D(m) bezüglich die Dichtigkeit der Sonne, der Erde und des Mondes bezeichnet, D(m) : D(s) = 0,619 : 0,252 = 2679 : 1000, D(s) : D(e) = 0,252 : 1,000, also D(m) : D(e) = 0,619 : 1,000 = 1000 : 1615 und im Gegensatz zum Text der Mond weniger dicht als die Erde. Vermittelst des Verhältnisses von D(m) : D(s) und der bezüglichen Werthe der scheinbaren Durchmesser 31' 7,"0 und 32' 1,"8 erhalten wir nach der Vorschrift im Texte die Kraft des Mondes zur Bewegung des Meeres zur Kraft der Sonne wie
    = 2,456 : 1.
  6. [643] No. 288. S. 252. Nach den Werthen im Text wird die Masse des Mondes zu derjenigen der Erde, wie
    = 1 : 39,76,

    während nach Hansen 1 : 87,73 sich ergibt

  7. [643] No. 289. S. 453. Nach den im Text aufgeführten Werthen ist die Schwerkraft des Mondes = l, wenn die der Erde zukommende Schwerkraft durch t bezeichnet wird, l : t = ; l = 13329/39788 t nahe = ⅓t. Nach den neuern Werthen (Hansen a. a. O.) wird l : t = ; l = 1/6,561 t.
  8. [643] No. 290. S. 453. Aus der Gleichheit der statischen Momente
    1.   (1 — x) = 39,788 · x folgt x = 1/40,7888

    und daher

    1 : 1 — x = 40,788 : 39,788.

    Nach den neuem Werthen wird 1 : 1 — x = 88,73 : 87,73.

  9. [643] No. 291. S. 454. Wir haben in den Syzygien den Abstand
    = 5929/30 = 1799/30
    in den Quadraturen den Abstand = 605/6 = 1825/30
    und daher in den Octanten den Abstand = 1812/30.

    Dabei ist log 1825 — log 1812 = 0,00310 log 1812 — log 1799 = 3,00314, log 70 — log 69,5 = 0,00312 log 69,5 = log 29 = 0,00313.

  10. [643] No. 292. S. 454. Ich finde 39,788 · 100 : 1 · 365 = 1090 : 100 und daher statt 93 Fuss deren 24. Nach den früher angeführten neuern Werthen hätten wir das Verhältniss 87,73 · 109 : 1 · 400 = 2391 : 100, und daher statt 93 Fuss deren 205,6 und den Unterschied der grossen und kleinen Axe 411 Fuss. Wohl verstanden, wenn der Mond flüssig wäre.


Buch III. Abschnitt II. Nach oben Buch III. Abschnitt IV.
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