Mathematische Principien der Naturlehre/Erklärungen

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Vorwort Mathematische Principien der Naturlehre (1872) von Isaac Newton, übersetzt von Jakob Philipp Wolfers
Erklärungen
Grundsätze oder Gesetze der Bewegung


Mathematische Principien der Naturlehre.


ERKLÄRUNGEN.
Erklärung 1. Die Grösse der Materie wird durch ihre Dichtigkeit und ihr Volumen vereint gemessen.

Eine doppelt so dichte Luft im doppelten Raume ist von vierfacher Grösse; dasselbe gilt von Schnee oder Staub, welche durch Flüssigwerden oder Druck verdichtet werden. Dasselbe findet auch bei allen Körpern statt, die durch irgend welche Ursachen auf verschiedene Weise verdichtet werden. Auf das Mittel, welches etwa die Zwischenräume der Theile frei durchdringen kann, nehme ich hier keine Rücksicht.

Diese Grösse der Materie werde ich im Folgenden unter dem Namen Körper oder Masse verstehen, und sie wird durch das Gewicht des jedesmaligen Körpers bekannt. Dass die Masse dem Gewichte proportional sei, habe ich durch sehr genau angestellte Pendelversuche gefunden, wie später gezeigt werden wird.

Erklärung 2. Die Grösse der Bewegung wird durch die Geschwindigkeit und die Grösse der Materie vereint gemessen.

Die Bewegung des Ganzen ist die Summe der Bewegungen der einzelnen Theile. Daher ist sie eine doppelte in einem doppelt so grossen Körper bei gleicher Geschwindigkeit und eine vierfache in einem doppelt so grossen Körper bei doppelter Geschwindigkeit.

Erklärung 3. Die Materie besitzt das Vermögen zu widerstehen; deshalb verharrt jeder Körper, soweit es an ihm ist, in einem Zustande der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung.

Diese Kraft ist stets dem Körper proportional, und unterscheidet sich nur in der Art der Auffassung von der Trägheit der Materie. Die Trägheit der Materie bewirkt, dass jeder Körper von seinem Zustande der Ruhe oder der Bewegung nur schwer abgebracht wird, wesshalb auch diese der Materie eigenthümliche Kraft mit dem sehr bezeichnenden Namen: Kraft der Trägheit belegt werden könnte. Es übt daher der Körper diese Kraft nur bei der Aenderung seines Zustandes aus, der durch eine andere an ihm angebrachte Kraft bewirkt werden soll und erstere wirkt, unter verschiedenen Gesichtspunkten, bald als widerstehende, bald als angreifende Kraft. Widerstehend, in so fern der Körper, zur Erhaltung seines Zustandes, der angebrachten Kraft entgegenstrebt; angreifend, in so fern er, indem er der Kraft des entgegenstehenden Hindernisses nur sehr schwer nachgiebt, den Zustand des letztern zu ändern versucht. Gewöhnlich schreibt man den Widerstand den ruhenden, den Angriff den sich bewegenden Körpern zu; allein Bewegung und Ruhe, wie sie gewöhnlich aufgefasst werden, unterscheiden sich von einander durch die Weise der Beziehung, und es ruhen nicht immer diejenigen Körper, welche man gewöhnlich als ruhend ansieht.

Erklärung 4. Eine angebrachte Kraft ist das gegen einen Körper ausgeübte Bestreben, seinen Zustand zu ändern, entweder den der Ruhe oder den der gleichförmigen geradlinigen Bewegung.

Diese Kraft besteht nur in dem Bestreben und sie verbleibt, nachdem sie dieses ausgeübt hat, nicht im Körper. Dieser verharret nämlich in jedem neuen Zustande nur vermöge der Kraft der Trägheit. Die beigebrachte Kraft ist verschiedenen Ursprungs, wie z. B. durch Stoss, Druck, Centripetalkraft.

Erklärung 5. Die Centripetalkraft bewirkt, dass ein Körper gegen irgend einen Punkt als Centrum gezogen oder gestossen wird, oder auf irgend eine Weise dahin zu gelangen strebt.

Hierher gehört die Schwere, vermöge welcher ein Körper sich dem Mittelpunkte der Erde zu nähern sucht; die magnetische Kraft, durch welche das Eisen zum Pole des Magneten hingezogen wird und jene Kraft, welche es auch immer sei, durch welche die Planeten beständig von der gradlinigen Bewegung abgezogen und, in krummen Linien sich zu bewegen, gezwungen werden. Ein in der Schleuder herumgedrehter Stein hat das Bestreben, sich von der herumtreibenden Hand zu entfernen; er spannt durch dieses Bestreben die Schleuder an, und zwar desto stärker, je schneller er herumgedreht wird, und er fliegt davon, sobald man ihn loslässt. Die jenem Bestreben entgegengesetzte Kraft, durch welche die Schleuder den Stein beständig gegen die Hand zurückzieht und ihn im Kreise festhält, nenne ich die Centripetalkraft, weil sie gegen die Hand, als den Mittelpunkt des Kreises gerichtet ist. Dasselbe findet bei allen Körpern statt, welche im Kreise herumgetrieben werden. Sie haben alle das Bestreben, sich vom Mittelpunkte ihrer Bahn zu entfernen, und wenn nicht eine jenem Bestreben entgegengesetzte Kraft da wäre, wodurch sie gebunden und in ihren Bahnen zurückgehalten werden, welche Kraft ich Centripetalkraft nenne; so würden sie längs einer geraden Linie mit gleichförmiger Bewegung fortgehen. Ein Projectil würde, wenn es von der Schwerkraft befreit wäre, nicht zur Erde abgelenkt werden, sondern gradlinig gegen den Himmel fortschreiten und zwar mit gleichförmiger Bewegung, wenn nur der Widerstand der Luft aufgehoben wäre. Durch die Schwere wird es vom gradlinigen Laufe abgezogen und beständig gegen die Erde gelenkt, und zwar stärker oder schwächer nach Verhältniss seines Gewichtes und der Geschwindigkeit seiner Bewegung. Je kleiner sein Gewicht nach Verhältniss der Menge der Materie, und je grösser die Geschwindigkeit ist, mit welcher es fortgeworfen wird; desto weniger wird es vom gradlinigen Wege abweichen und desto länger ihn fortsetzen. Wenn eine Bleikugel mit gegebener Geschwindigkeit längs einer horizontalen Linie von der Spitze eines Berges fortgeschossen wird und auf einer krummen Linie 2 Meilen weit fortgeht, ehe sie auf die Erde fällt; so würde sie mit der doppelten Geschwindigkeit etwa doppelt so weit, mit 10facher etwa 10 mal so weit fortgehen, wenn nur der Widerstand der Luft aufgehoben wäre. Durch Vergrösserung der Geschwindigkeit könnte nach Belieben die Entfernung in welche sie geworfen wird, vergrössert und die Krümmung der beschriebenen Linien vermindert werden; dergestalt, dass sie endlich erst in einer Entfernung von 10°, oder 30° oder 90° niederfiele, oder auch um die ganze Erde herumliefe, oder endlich gen Himmel fortginge und diese abweichende Bewegung in’s Unendliche fortsetzte. Eben so wie das Projectil in eine Bahn gebracht werden und so die ganze Erde umlaufen könnte, kann auch der Mond entweder durch die Schwerkraft, wenn er nur schwer ist, oder durch eine andere ihn gegen die Erde drängende Kraft stets vom geradlinigen Wege zur Erde hingezogen und in seine Bahn gebogen werden. Ohne eine solche Kraft kann er nicht in derselben erhalten werden. Diese Kraft würde ferner, wenn sie angemessen kleiner wäre, ihn nicht stark genug vom geradlinigen Wege ablenken, hingegen, wenn sie zu gross wäre, ihn mehr als hinreichend zur Erde ablenken und gegen diese hinführen. Es ist daher nothwendig, dass sie gerade von der richtigen Grösse sei. Aufgabe der Mathematik ist es, die Kraft zu finden, durch welche ein Körper in einer gegebenen Bahn und mit gegebener Geschwindigkeit erhalten werden könne, und umgekehrt, den krummlinigen Weg zu finden, auf welchen ein von einem gegebenen Orte und mit gegebener Geschwindigkeit ausgegangener Körper durch eine gegebene Kraft abgelenkt wird.

Die Grösse der Centripetalkraft ist von dreierlei Art: absolut, beschleunigend und bewegend.

Erklärung 6. Die absolute Grösse der Centripetalkraft ist das grössere oder kleinere Maass derselben, nach Verhältniss der wirkenden Ursache, welche vom Mittelpunkte nach den umgebenden Theilen sich fortpflanzt.

So ist die magnetische Kraft grösser in dem einen, kleiner in dem andern Magneten, je nach der Grösse des Magneten und der Intensität seiner Kraft.

Erklärung 7. Die beschleunigende Grösse der Centripetalkraft ist derjenigen Geschwindigkeit proportional, welche sie in einer gegebenen Zeit erzeugt.

So ist die Kraft desselben Magneten grösser in kleiner, und kleiner in grosser Entfernung. Die Kraft der Schwere grösser in Thälern, kleiner auf den Spitzen sehr hoher Berge (wie Pendelversuche gezeigt haben), und noch kleiner (wie später gezeigt werden wird) in grösseren Abständen von der Erde. In gleichen Abständen ist sie aber überall dieselbe, weil sie alle fallenden Körper (schwere oder leichte, grosse oder kleine) nach aufgegebenem Widerstande des Aethers gleich stark beschleunigt.

Erklärung 8. Die bewegende Grösse der Centripetalkraft ist der Bewegung proportional, welche sie in einer gegebenen Zeit hervorbringt.

So ist das Gewicht grösser in einem grossen, kleiner in einem kleinen Körper, und in demselben Körper grösser in der Nähe der Erde kleiner am Firmament. Diese Kraft ist des ganzen Körpers Streben oder Neigung zum Centrum und (wie man zu sagen pflegt) sein Gewicht. Bekannt wird sie immer durch die ihr entgegengesetzte und gleiche Kraft, durch welche das Herabsteigen des Körpers verhindert werden kann.

Man kann der Kürze wegen diese, auf dreifache Weise betrachtete Grösse der Kraft absolute, beschleunigende und bewegende Kraft nennen, und sie zu gegenseitigen Unterscheidung auf die nach dem Mittelpunkte strebenden Körper, den Ort der Körper und den Mittelpunkt der Kräfte beziehen. Die bewegende Kraft auf den Körper, als ein Streben und Hinneigung des Ganzen gegen das Centrum, welches aus der Hinneigung der einzelnen Theile zusammengesetzt ist. Die beschleunigende Kraft auf den Ort des Körpers, als eine wirkende Ursache, welche sich vom Centrum aus nach den einzelnen es umgebenden Orten, zur Bewegung der in denselben befindlichen Körper, fortpflanzt. Die absolute Kraft auf das Centrum, welches mit einer Ursache begabt ist, ohne welche die bewegenden Kräfte sich nicht durch den umgebenden Raum fortpflanzen würden. Diese Ursache mag nun irgend ein Centralkörper (wie der Magnet im Centrum der magnetischen, die Erde im Centrum der Schwerkraft), oder irgendwie unsichtbar sein. Dies ist wenigstens der mathematische Begriff derselben, denn die physischen Ursachen und Sitze der Kräfte ziehe ich hier nicht in Betracht.

Die beschleunigende Kraft verhält sich daher zur bewegenden, wie die Geschwindigkeit zur Bewegung. Die Grösse der Bewegung entsteht nämlich aus dem Producte der Geschwindigkeit in die Masse, und die bewegende Kraft aus dem Producte der beschleunigenden Kraft in dieselbe Masse, indem die Summe der Wirkungen, welche die beschleunigende Kraft in den einzelnen Theilchen des Körpers hervorbringt, die bewegende Kraft des ganzen Körpers ist. Daher verhält sich in der Nähe der Erdoberfläche, wo die beschleunigende Kraft, d. h. die Kraft der Schwere in allen Körpern dieselbe ist, die bewegende Kraft der Schwere oder das Gewicht, wie der Körper. Steigt man aber zu Gegenden auf, in denen die beschleunigende Kraft der Schwere geringer wird, so wird das Gewicht gleichmässig vermindert und stets dem Product aus der beschleunigenden Kraft der Schwere in den Körper proportional sein. So wird in Gegenden, wo die beschleunigende Kraft halb so gross ist, das Gewicht eines Körpers um die Hälfte vermindert. Ferner nenne ich die Anziehungen und den Stoss in demselben Sinne beschleunigend und bewegend. Die Benennung: Anziehung, Stoss oder Hinneigung gegen den Mittelpunkt nehme ich ohne Unterschied und unter einander vermischt an, indem ich diese Kräfte nicht im physischen, sondern nur im mathematischen Sinne betrachte. Der Leser möge daher aus Bemerkungen dieser Art nicht schliessen, dass ich die Art und Weise der Wirkung oder die physische Ursache erklären, oder auch dass ich den Mittelpunkten (welche geometrische Punkte sind) wirkliche und physische Kräfte beilege, indem ich sage: die Mittelpunkte ziehen an, oder es finden Mittelpunktskräfte statt.


Anmerkung.

Bis jetzt habe ich zu erklären versucht, in welchem Sinne weniger bekannte Benennungen in der Folge zu verstehen sind. Zeit, Raum, Ort und Bewegung als allen bekannt, erkläre ich nicht. Ich bemerke nur, dass man gewöhnlich diese Grössen nicht anders, als in Bezug auf die Sinne auffasst und so gewisse Vorurtheile entstehen, zu deren Aufhebung man sie passend in absolute und relative, wahre und scheinbare, mathematische und gewöhnliche unterscheidet.

I. Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfliesst an sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig, und ohne Beziehung auf irgend einen äussern Gegenstand. Sie wird so auch mit dem Namen: Dauer belegt.

Die relative, scheinbare und gewöhnliche Zeit ist ein fühlbares und äusserliches, entweder genaues oder ungleiches, Maass der Dauer, dessen man sich gewöhnlich statt der wahren Zeit bedient, wie Stunde, Tag, Monat, Jahr.

II. Der absolute Raum bleibt vermöge seiner Natur und ohne Beziehung auf einen äussern Gegenstand, stets gleich und unbeweglich.

Der relative Raum ist ein Maass oder ein beweglicher Theil des erstern, welcher von unsern Sinnen, durch seine Lage gegen andere Körper bezeichnet und gewöhnlich für den unbeweglichen Raum genommen wird. Z. B. ein Theil des Raumes innerhalb der Erdoberfläche; ein Theil der Atmosphäre; ein Theil des Himmels, bestimmt durch seine Lage gegen die Erde. Der absolute und relative Raum sind dasselbe an Art und Grösse, aber sie bleiben es nicht immer an Zahl. Bewegt sich z. B. die Erde, so ist der Raum unserer Atmosphäre, welcher in Bezug auf unsere Erde immer derselbe bleibt, bald der eine, bald der andere Theil des absoluten Raumes, in welchen die Atmosphäre übergeht und ändert sich so beständig.

III. Der Ort ist ein Theil des Raumes, welchen ein Körper einnimmt, und, nach Verhältniss des Raumes entweder absolut oder relativ.

Er ist ein Theil des Raumes, nicht aber der Platz oder die Lage des Körpers oder die ihn umgebende Oberfläche. Denn die Orte gleicher fester Körper sind stets einander gleich, wogegen die Oberflächen, wegen der Unähnlichkeit der Gestalt meistentheils ungleich sind. Die Lage eines Körpers hat aber eigentlich gar keine Grösse und ist nicht so sehr ein Ort, als ein Verhältniss des Ortes. Die Bewegung des Ganzen ist identisch mit der Summe der Bewegungen seiner einzelnen Theile, daher die Ortsveränderung des Ganzen identisch mit der Summe der Ortsveränderungen seiner einzelnen Theile. Er befindet sich daher innerhalb des ganzen Körpers.

IV. Die absolute Bewegung ist die Uebertragung des Körpers von einem absoluten Orte nach einem andern absoluten Orte; die relative Bewegung die Uebertragung von einem relativen Orte nach einem andern relativen Orte.

In einem segelnden Schiffe ist der relative Ort eines Körpers die Gegend des Schiffes, in welcher der letztere sich befindet, oder derjenige Theil des ganzen innern Raumes, welchen der Körper ausfüllt und welcher daher gleichzeitig mit dem Schiffe fortbewegt wird. Relative Ruhe ist das Verharren des Körpers in derselben Gegend des Schiffes oder demselben Theile des ganzen innern Raumes. Wahre Ruhe hingegen ist das Verharren des Körpers in demselben Theile jenes unbewegten Raumes, in welchem das Schiff selbst mit seinem hohlen Raume und all seinem Inhalt sich bewegt. Wenn daher die Erde ruhete, so würde der Körper, welcher relativ im Schiffe ruhet, sich wirklich und absolut mit derselben Geschwindigkeit bewegen, mit welcher das Schiff sich bewegt. Bewegt sich hingegen die Erde auch, so entsteht die wahre und absolute Bewegung des Körpers theils aus der relativen Bewegung des Schiffes auf der Erde, theils aus der wahren Bewegung der Erde im unbewegten Raume, theils aus den relativen Bewegungen des Schiffes auf der Erde und des Körpers im Schiffe, und aus den beiden letzteren Bewegungen ergiebt sich die relative Bewegung des Körpers auf der Erde.

Bewegt sich z. B. der Theil der Erde, in welchem das Schiff sich befindet, gegen Osten mit einer Geschwindigkeit von 10010 Theilen; das durch Wind und Segel angetriebene Schiff hingegen gegen Westen mit einer Geschwindigkeit von 10 Theilen; geht endlich der Schiffer im Schiffe gegen Osten mit einer Geschwindigkeit von 1 Theile: so bewegt sich der letztere wirklich und absolut im unbewegten Raume gegen Osten mit einer Geschwindigkeit von 10001 Theilen und relativ auf der Erde gegen Westen mit einer Geschwindigkeit von 9 Theilen.

Die absolute Zeit wird in der Astronomie von der relativen durch die Zeitgleichung unterschieden. Die natürlichen Tage, welche gewöhnlich als Zeitmaasse für gleich gehalten werden, sind nämlich eigentlich ungleich. Diese Ungleichheit verbessern die Astronomen, indem sie die Bewegung der Himmelskörper nach der richtigen Zeit messen. Es ist möglich, dass keine gleichförmige Bewegung existire, durch welche die Zeit genau gemessen werden kann, alle Bewegungen können beschleunigt oder verzögert werden; allein der Verlauf der absoluten Zeit kann nicht geändert werden. Dieselbe Dauer und dasselbe Verharren findet für die Existenz aller Dinge statt; mögen die Bewegungen geschwind, oder langsam oder Null sein. Ferner wird diese Dauer von ihren durch die Sinne wahrnehmbaren Maassen unterschieden und, mittelst der astronomischen Gleichung aus ihnen entnommen. Die Nothwendigkeit dieser Gleichung bei der Bestimmung der Erscheinungen wird aber sowohl durch die Anwendung einer Pendeluhr, als auch durch die Verfinsterungen der Jupiters-Trabanten erwiesen.

Wie die Reihenfolge der Zeittheile, ist auch die der Raumtheile unveränderlich. Bewegt man diese von ihrem Orte, so werden sie (so zu sagen) von sich selbst entfernt. Die Zeiten und die Räume sind die Orte ihrer selbst und aller Dinge; in der Zeit, in Bezug auf die Aufeinanderfolge, im Raume, in Bezug auf die Lage aller Dinge. Das Wesen der Räume ist, dass sie Orte sind; dass ein ursprünglicher Ort bewegt werde, ist absurd. Diese sind daher die absoluten Orte, und aus der Uebertragung von einem Orte zum andern entsteht die absolute Bewegung.

Weil aber diese Theile des Raumes weder gesehen, noch vermittelst unserer Sinne von einander unterschieden werden können, nehmen wir statt ihrer wahrnehmbare Maasse an. Aus der Lage und Entfernung der Dinge von einem Körper, welchen wir als unbeweglich betrachten, erklären wir nämlich alle Orte. Hierauf schätzen wir auch alle Bewegungen in Bezug auf bestimmte Orte, insofern wir wahrnehmen, dass die Körper sich von ihnen entfernen. So bedienen wir uns, und nicht unpassend, in menschlichen Dingen statt der absoluten Orte und Bewegungen der relativen; in der Naturlehre hingegen muss man von den Sinnen abstrahiren. Es kann nämlich der Fall sein, dass kein wirklich ruhender Körper existirt, auf welchen man die Orte und Bewegungen beziehen könne.

Absolute und relative Ruhe und Bewegung unterscheiden sich von einander durch ihre Eigenschaften, Ursachen und Wirkungen. Eine Eigenschaft der absoluten Ruhe besteht darin, dass wirklich ruhende Körper unter sich ruhen. Da es nun möglich sein kann, dass irgend ein Körper in der Nähe der Fixterne oder weit jenseits derselben absolut ruhe, man aber durch die gegenseitige Lage der Körper in unserer Nähe nicht wissen kann, ob einer von diesen gegen jenen entfernten dieselbe Lage behält; so kann die wahre Ruhe aus der Lage dieser unter sich nicht abgeleitet werden.

Eine Eigenschaft der Bewegung besteht darin, dass Theile welche die gegebene Lage gegen das Ganze beibehalten, an der Bewegung des letztern Theil nehmen. Alle Theile sich drehender Körper haben nämlich das Bestreben, sich von der Axe der Bewegung zu entfernen, und der Stoss bewegter Körper entspringt aus den vereinigten Stössen ihrer einzelnen Theile. Wenn daher bewegte Körper sich herumdrehen, so bewegen sich die Theile, welche relativ in den sich drehenden Körpern ruhen. Daher kann man die absolute und wahre Bewegung nicht durch die Uebertragung aus der Nähe von Körpern, welche als ruhende angesehen werden, ableiten. Man kann äussere Körper nicht bloss als ruhende ansehen, sondern sie müssen wirklich ruhen; sonst werden alle eingeschlossenen Theile, ausserdem dass sie aus der Nähe der sich umdrehenden entfernt werden, auch an den wahren Bewegungen der letztern Theil nehmen. Findet diese Entfernung nicht statt, so werden sie doch nicht wahrhaft ruhen, sondern nur als ruhende angesehen werden. Es verhalten sich nämlich die sich umdrehenden Theile zu den eingeschlossenen, wie der äussere Theil des Ganzen zum innern, oder wie die Rinde zum Kern. Wird aber die Rinde bewegt, so bewegt sich auch der Kern, ohne sich aus der Nähe der Rinde zu entfernen, als Theil des Ganzen ebenfalls.

Der vorhergehenden Eigenschaft ist diejenige verwandt, dass, im Fall ein Ort sich bewegt, der in diesem befindliche Körper an dieser Bewegung Theil nimmt; ein Körper, welcher sich aus einem bewegten Orte entfernt, theilt auch die Bewegung seines Ortes. Daher sind alle Bewegungen, welche von bewegten Orten aus erfolgen, nur Theile der ganzen und absoluten Bewegungen. Eine jede ganze Bewegung wird zusammengesetzt aus der Bewegung des Körpers von seinem ersten Orte, aus der Bewegung dieses Ortes von seinem Orte, u. s. w. f., bis man zu einem unbewegten Orte gelangt, wie in dem oben erwähnten Beispiele des Schiffers. Ganze und absolute Bewegungen können daher nur durch unbewegte Orte erklärt werden, und desshalb habe ich diese eben auf unbewegte, die relativen Bewegungen auf bewegte Orte bezogen. Unbewegte Orte sind aber nur solche, welche alle von Ewigkeit zu Ewigkeit dieselbe gegenseitige Lage beibehalten, also immer unbewegt bleiben, und einen Raum bilden, welchen ich unbeweglich nenne.

Die Ursachen, durch welche wahre und relative Bewegungen verschieden sind, sind die Kräfte, welche zur Erzeugung der Bewegung auf die Körper eingewirkt haben. Eine wahre Bewegung wird nur erzeugt oder abgeändert durch Kräfte, welche auf den Körper selbst einwirken, wogegen relative Bewegungen erzeugt und abgeändert werden können, ohne dass die Kräfte auf diesen Körper einwirken. Es genügt schon, dass sie auf den andern Körper, auf welchen man diesen bezieht, einwirken; weicht der andere Körper alsdann zurück, so ändert sich auch die Beziehung, und hierin besteht eben die relative Ruhe und Bewegung des Körpers. Umgekehrt wird die wahre Bewegung des Körpers stets durch auf ihn einwirkende Kräfte geändert, wogegen die relative Bewegung durch diese Kräfte nicht nothwendig geändert wird. Wirken nämlich dieselben Kräfte auch auf die andern Körper, auf welche man jenen bezieht, so ein, dass die relative Lage beibehalten wird, so bleibt die Beziehung, woraus relative Bewegung hervorgeht, unverändert. Jede relative Bewegung kann sich demnach ändern, wenn die wahre unverändert bleibt und ungeändert bleiben, wenn letztere sich ändert. Daher besteht die wahre Bewegung keineswegs in Beziehungen dieser Art.

Die wirkenden Ursachen, durch welche absolute und relative Bewegungen von einander verschieden sind, sind die Fliehkräfte von der Axe der Bewegung. Bei einer nur relativen Kreisbewegung existiren diese Kräfte nicht, aber sie sind kleiner oder grösser je nach Verhältniss der Grösse der Bewegung.

Man hänge z. B. ein Gefäss an einem sehr langen Faden auf, drehe dasselbe beständig im Kreise herum, bis der Faden durch die Drehung sehr steif wird; hierauf fülle man es mit Wasser und halte es zugleich mit dem letzteren in Ruhe. Wird es nun durch eine plötzlich wirkende Kraft in entgegengesetzte Kreisbewegung versetzt und hält diese, während der Faden sich ablöst, längere Zeit an, so wird die Oberfläche des Wassers anfangs eben sein, wie vor der Bewegung des Gefässes, hierauf, wenn die Kraft allmählig auf das Wasser einwirkt, bewirkt das Gefäss, dass dieses (das Wasser) merklich sich umzudrehen anfängt. Es entfernt sich nach und nach von der Mitte und steigt an den Wänden des Gefässes in die Höhe, indem es eine hohle Form annimmt. (Diesen Versuch habe ich selbst gemacht). Durch eine immer stärkere Bewegung steigt es mehr und mehr an, bis es in gleichen Zeiträumen mit dem Gefässe sich umdreht und relativ in demselben ruhet. Dieses Ansteigen deutet auf ein Bestreben, sieh von der Axe der Bewegung zu entfernen, und durch einen solchen Versuch wird die wahre und absolute kreisförmige Bewegung des Wassers, welche der relativen hier ganz entgegengesetzt ist, erkannt und gemessen. Im Anfange, als die relative Bewegung des Wassers im Gefässe am grössten war, verursachte dieselbe kein Bestreben, sich von der Axe zu entfernen. Das Wasser suchte nicht, sich dem Umfange zu nähern, indem es an den Wänden emporstieg, sondern blieb eben, und die wahre kreisförmige Bewegung hatte daher noch nicht begonnen. Nachher aber, als die relative Bewegung des Wassers abnahm, deutete sein Aufsteigen an den Wänden des Gefässes das Bestreben an, von der Axe zurückzuweichen, und dieses Bestreben zeigte die stets wachsende wahre Kreisbewegung des Wassers an, bis diese endlich am grössten wurde, wenn das Wasser selbst relativ im Gefässe ruhte. Jenes Streben hängt nicht von der Uebertragung des Wassers in Bezug auf die umgebenden Körper ab, und deshalb kann die wahre Kreisbewegung nicht durch eine solche Uebertragung erklärt werden. Einfach ist die wirkliche kreisförmige Bewegung eines jeden sich umdrehenden Körpers, dem einfachen Streben gleichsam als eigenthümliche und angemessene Wirkung entsprechend. Die relativen Bewegungen sind nach den mannichfachen Beziehungen auf äussere Körper unzählig, als Schatten der Beziehung sind sie aller wahren Wirkungen baar; ausser insofern, als sie an jener einfachen und wahren Bewegung Theil nehmen.

Daher werden nach den Ansichten derjenigen, welche unser Sonnensystem innerhalb des Fixsternhimmels sich umdrehen und die Planeten mit sich führen lassen, die Planeten und einzelnen Theile des Himmels, welche relativ in den ihnen zunächst gelegenen Theilen ruhen, in Wahrheit sich bewegen. Sie ändern nämlich ihre gegenseitige Lage (anders als es bei den wahrhaft ruhenden geschieht) und nehmen, zugleich mit den Theilen des Himmels fortgetragen, an der Bewegung der letztern Theil; sie haben, als Theile rotirender ganzer Systeme, das Bestreben, sich von ihren Axen zu entfernen.

Die relativen Grössen sind daher nicht die Grössen selbst, deren Namen sie tragen, sondern deren wahrnehmbare Maasse (wahre oder irrthümliche), deren man sich gewöhnlich statt der gemessenen Grössen bedient. Sollen aber aus dem Gebrauche die Bedeutungen der Worte definirt werden, so hat man unter den Namen: Zeit, Raum, Ort und Bewegung eigentlich diese wahrnehmbaren Maasse zu verstehen, und die Rede fällt ungewöhnlich und rein mathematisch aus, wenn die gemessenen Grössen hierunter verstanden werden.

Ferner thun diejenigen der heiligen Schrift Gewalt an, welche diese Namen aus den dort aufgeführten gemessenen Grössen übersetzen, aber nicht weniger besudeln diejenigen die Mathematik und die Naturlehre, welche die wahren Grössen mit den relativen und den gewöhnlichen Maassen derselben verwechseln.

Die wahren Bewegungen der einzelnen Körper zu erkennen, und von den scheinbaren scharf zu unterscheiden, ist übrigens sehr schwer, weil die Theile jenes unbeweglichen Raumes, in denen die Körper sich wahrhaft bewegen, nicht sinnlich erkannt werden können. Die Sache ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos. Es ergeben sich nämlich die erforderlichen Hülfsmittel, theils aus den scheinbaren Bewegungen, welche die Unterschiede der wahren sind, theils aus den Kräften, welche den wahren Bewegungen als wirkende Ursachen zu Grunde liegen. Werden z. B. zwei Kugeln in gegebener gegenseitiger Entfernung mittelst eines Fadens verbunden und so um den gemeinschaftlichen Schwerpunkt gedreht, so erkennt man aus der Spannung des Fadens das Streben der Kugeln, sich von der Axe der Bewegung zu entfernen und kann daraus die Grösse der kreisförmigen Bewegung berechnen. Brächte man hierauf beliebige gleiche Kräfte an beiden Seiten der Kugeln zugleich an, um die Kreisbewegung zu vergrössern oder zu verkleinern; so würde man aus der vergrösserten oder verminderten Spannung des Fadens die Vergrösserung oder Verkleinerung der Bewegung erkennen und hieraus endlich diejenigen Seiten der Kugeln erkennen können, auf welche die Kräfte einwirken müssten, damit die Bewegung am stärksten vergrössert würde, d. h. die hintere Seite oder diejenige, welche bei der Kreisbewegung nachfolgt. Sobald man aber die nachfolgende und die ihr entgegengesetzte vorangehende Seite erkannt hätte, würde man auch die Richtung der Bewegung erkannt haben. Auf diese Weise könnte man sowohl die Grösse als auch die Richtung dieser kreisförmigen Bewegung in jedem unendlich grossen leeren Raume finden, wenn auch nichts Aeusserliches und Erkennbares sich dort befände, womit die Kugeln verglichen werden könnten. Würden nun in jenem Raume einige sehr entfernte Körper aufgestellt, welche unter sich eine gegebene Lage beibehalten, wie die Fixsterne in der Gegend des Himmels, so könnte man aus der relativen Bewegung der Kugeln unter den Körpern nicht erkennen, ob diesen oder jenen die Bewegung zuzuschreiben sei. Achtet man aber auf den Faden, und findet man seine Spannung so, wie die Bewegung der Kugeln sie erfordert; so kann man daraus schliessen, dass die Kugeln sich bewegen und die Körper ruhen, und wird dann endlich aus der Bewegung der Kugeln unter den Körpern die Richtung der Bewegung folgern. Auf die wahren Bewegungen aus ihren Ursachen, Wirkungen und scheinbaren Unterschieden zu schliessen, und umgekehrt, aus den wahren oder scheinbaren Bewegungen die Ursachen und Wirkungen abzuleiten, wird im Folgenden ausführlicher gelehrt werden. Zu diesem Ende habe ich die folgende Abhandlung verfasst.

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