Med. Topographie Gmuend:052

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
« Zurück Vorwärts »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[100]

Großer Mißbrauch wird auch mit dem Kaffe, der jetzt gewöhnlich nur eine schmacklose, den Magen erschlaffende warme Brühe ist, oft schon bey den kleinsten Kindern getrieben, der für die Gesundheit derselben nicht anders als sehr nachtheilig seyn kann. Man glaubt ihnen etwas gutes zu thun, und eben dadurch wird schon in den ersten Jahren der Grund zur schwächlichen Gesundheit und der Keim zu manchen spätern Leiden gelegt und gepflanzt. Solche Kinder gleichen gewöhnlich Treibpflanzen, die schnell blühen und kurz wieder verwelken. Dazu kommt noch das häufige Einsperren in kleine, dumpfe Stuben, zumal bey Geringen und Unbemittelten, wo alles bey einander lebt und schläft, und wo gewöhnlich auch zur Winterszeit die Kinderwasch getrocknet wird, deren Dünste für die Augen der Kleinen so nachtheilig sind. Jedem Vater, der seine Kinder liebt, sie groß und gesund erziehen will, ist zu rathen, daß er ihnen, wenn es ja möglich ist, das geräumigste Zimmer seines Hauses[1] anweise; denn Kinder von gesunden Eltern erzeugt, stark und kräftig gebohren, welken in einer engen dumpfen Kinderstube erst in der 20–30 Woche dahin, die in ein gesundes mit frischer Luft erfülltes Zimmer versetzt ohne alle Arzney von selbst wieder aufleben. Eben so nützlich und nöthig ist es, die Kinder von Anfang an täglich in die freye Luft zu bringen; denn es ist eines der sichersten Mittel, die Lungen abzuhärten, gesund zu organisiren, und dadurch der Lungensucht vorzubeugen. Allgemein üblich ist noch das feste Einwickeln oder Pfätschen der neugebohrnen Kinder in den ersten drey bis vier Wochen, wodurch dieselben aller natürlichen

[101]

Bewegung und leichtern Entwicklung ihrer Gliedmassen beraubt sind, und was ihnen, zumal in den heißen Sommertage äußerst beschwerlich fallen muß. Auch die Schlozzer oder Schnuller sind durchgehens stark gebräuchlich, und werden den Kindern oft bis ins zweyte und dritte Jahr noch gereicht, was ihnen nicht nur häufig die Mundfäule und andere Uebel verursacht, sondern auch ihre ersten Zähne gewöhnlich kariö’s, oder vor der Zeit ausfallen macht. Das Anlegen der Hände an die Wiege ist fast ganz außer Gebrauch gekommen; aber das Wiegen der Kinder ist noch sehr allgemein, was übrigens, wenn es sanft und mit Maaß geschieht, meines Erachtens als eine zweckmäßige Bewegung der Kleinen nicht ganz zu verwerfen ist. Bey etwas Vornehmen und Wohlhabenden werden die Kinder auch oft zu viel getragen, woher es auch zum Theil rühren mag, daß solche Kinder gewöhnlich später laufen lernen. Die Reinlichkeit, eines der ersten und nothwendigsten Bedürfnissen für Kinder, wird von vielen, am meisten aus der niedern Klasse sehr vernachläßiget, so sehr dagegen von dem größern Theile aus der mittlern Bürgerklasse und besonders von Wohlhabenden darauf gehalten und gesehen wird. Das für die Gesundheit und Reinlichkeit so nöthige und ersprießliche Baden der Kinder wird selten lange fortgesetzt, und gerne auf einmal, statt nach und nach unterlassen. Die Kleidung und Bedeckung ist im allgemeinen, mit Ausnahme der vielen Armen und Unbemittelten, wo es in diesem Punkt meistens gar sehr fehlt, reinlich und hinlänglich vor Kälte schützend, und gerne sehen putzliebende Eltern ihre Kinder auch schön geputzt,


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hanses Vorlage