Med. Topographie Gmuend:108
Franz Joseph Werfer Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd | |
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[208] Unser von Staat aus bestelltes ärztliche Personal besteht gegenwärtig – und wie es auch schon bey reichsstädtischer Verfassung von lange her bestanden hat – aus zwey Stadtphysicis, von denen der erste jetzt zugleich Ober-Amts-Physikus ist, dem auch in der Regel die Besorgung der vorfallenden Geschäfte der Medicinae forensis in der Stadt und auf dem Lande übertragen ist; und aus einem Ober-Amts-Chirurgen, der zugleich Accoucheur ist. Nebst diesen ist aber auch noch ein praktischer Arzt und ein Chirurg, der ebenfalls die Geburtshülfe ausübt, hier; und es mögen sich daher hiesige Einwohner nicht wohl über Mangel an Aerzten, Chirurgen und Geburtshelfern zu beklagen haben, da die Landpraxis ihnen dieselben auch gar wenig entzieht, und Wochen und Monate vergehen, ehe ein solcher auf mehrere Stunden auf das Land berufen wird; ja es wird vielmehr in unsern Tagen bey dem immer mehr sinkenden Wohlstand so mancher Familien, und bey der sich stets mehrenden Anzahl unvermöglicher Bürger, zumal unter unsern Manufakturisten, theils aus Mangel der Arbeit, theils des kärglichen und unzureichenden Verdienstes wegen, dem ordentlichen Arzt seine Existenz als solche oft erschwert und nicht selten erbittert; und es lassen sich beynebst wohl auch noch manche Quacksalber, diese schädliche Blut und Geld saugenden Insecten der menschlichen Gesellschaft, hie und da in unserer Gegend finden, weil sie gerne gesucht werden. Unterchirurgen, die zugleich die Badgerechtigkeit haben und ausüben, haben wir zehen in der Stadt, unter denen sich aber auch einige befinden, die einen [209] ordentlichen Unterricht auf irgend einer öffentlichen chirurgischen Schule genossen und benutzt haben, und daher in chirurgischen Geschäften auch wirklich nicht unbrauchbare Männer sind; leider aber haben auch solche bey der übersetzten Anzahl wenig Verdienst, und müssen sich um des daher erschwerten Broderwerbs willen gar manches gefallen lassen. Die übrigen sind eigentlich blose Barbierer, deren ganze erlernte Fertigkeit in Ausübung der niedern chirurgischen Geschäften, als: Aderlassen, Schröpfen, Barbieren, Klystiren, Pflasterstreichen u. dgl. besteht. Uebrigens aber muß man unsern Chirurgen, besonders den mehr einsichtsvollen nachsagen, daß sie nicht leicht ein Aderlaß, zumal an kränklichen Personen vornehmen, ehevor sie nicht das Gutachten und die Erlaubniß eines ordentlichen Arztes eingeholt haben, und noch viel weniger lassen sie sich das Medikastriren zu schulden kommen. Unter unsern Landchirurgen giebt es ebenfalls gute und schlechte, obwohl in der Regel daselbst lauter tüchtige und ihrem Fach ganz gewachsene Männer seyn sollten, indem der Landmann in allen kränklichen Vorfallenheiten zuerst an seinen Bader geht, gar selten, und das gewöhnlich nur der vermöglichere zu einen Arzt in die Stadt schickt, wozu man ihn natürlich aus mehrern Gründen, theils der größern Entfernung, theils der bedeutendern Kosten, und oft auch der nicht zu verzögernden nöthigen Hülfe wegen u. s. w. nicht so leicht zwingen kann und darf, und wo folglich somit die Gesundheit und das Leben des größern Theils der nützlichen und arbeitenden Menschenklasse des Staates der in den meisten Fällen unzureichenden Kunst dieser Männer anvertraut ist, die |