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Med. Topographie Gmuend:109

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Franz Joseph Werfer
Versuch einer medizinischen Topographie der Stadt Gmünd
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sich freylich alle Mühe geben mögen, ihrem Nebenmenschen nach Kraft und Einsicht in seinen Krankheiten nützlich und zur Wiedergenesung verhülflich zu seyn. Wie aber hierin am leichtesten und besten zu helfen seye, ohne tüchtige dem Arzneyfach gewachsene Männer hinzustellen, ist eine Aufgabe, an deren Lösung bisher wohl alle Projecte und gemachte Versuche gescheitert sind, und die neuesten die Probe noch nicht bestanden haben. Wo man nicht durchgehens helfen konnte, und doch einigermaßen helfen wollte, ward der Vorschlag gemacht, daß der Landchirurgus in vorkommenden Fällen an den Physikus, oder sonst einen ordentlichen Arzt in der Stadt über die Krankheit, deren Verlauf und die beobachtete Wirkungen des Arzneygebrauchs von Zeit zu Zeit genau und treulich berichten, und somit unter ärztlicher Aufsicht den Kranken besorgen soll. Allein was nicht geschieht, und nur in seltnen Fällen geschehen kann, ist die Ausführung und Beachtung dieses immerhin wohlmeinenden Vorschlags, indem der Landmann nicht Zwey zugleich bezahlen will, und noch öfter nicht kann, sondern lieber im vorkommenden Fall selbst jemand der seinigen mit einer gewöhnlich kurzen, einfachen und meistens gut bezeichnenden Erzehlung seiner Krankheitszufälle an den Arzt um ein Rezept, gar selten um ihn selbst zu schicken pflegt; oder vertrauungsvoll bey seinem ihm schon wohl bekannten Bader, oder bey einem sonst gesuchten und leicht gefundenen Quacksalber bleibt, wohl öfter auch außer seinen Hausmitteln gar nichts braucht, und von einem Doktor nichts sehen und hören will, ja nicht selten vielmehr fürchtet, daß, wenn einmal derselbe

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kommt und gebraucht werden muß, er dann sicher bald sterben müße; ein Vorurtheil, welches seinen Grund bekanntlich darinn hat, daß der Landmann gewöhnlich erst in den letzten und gefährlichsten Stunden seiner Krankheit, und nachdem er schon so manches unzweckmäsige und unzureichende versucht und gebraucht hat, um den Arzt in die Stadt schickt, wo es sich denn auch leicht trifft und treffen muß, daß der Patient bald nach dem Besuch des Doktors stirbt, und mit dem Schluß ist der Bauer dann bald im Reinen, da er es mit den Prämissen nicht so genau nimmt.

Hebammen sind vier für die Stadt aufgestellt, besoldet und daher auch verpflichtet armen und unbemittelten Gebährenden unentgeltlich beyzustehen. Sie werden in der Regel von dem Oberamts-Chirurgen und Accoucheur in der Hebammenkunst unterrichtet, hierauf vom Oberamts-Physikus und Accoucheur geprüft, und nach bestandener Prüfung eidlich verpflichtet und zur Ausübung legitimirt. Unsere zeitliche Hebammen in der Stadt sind, die mancherley Weibervorurtheile abgerechnet, ziemlich in ihrem Fach bewandt, und fleißig in ihren Verrichtungen, geduldig und langmüthig in erforderlichen Umständen zur Zufriedenheit. Zwar kommen hie und da noch Fälle des Zerreißens des Perinäums durch unzeitiges und meistens zweckwidriges zu starkes Abwärtsdrücken desselben, so wie auch von nicht ganz gelößter und weggenommener Plazenta und daraus entstandenen länger anhaltenden Blutflüssen vor; doch sind und waren indessen die an Ort und Stelle gegebenen Belehrungen und Zurechtweisungen für künftige Fälle nicht vergebens