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Mein Bruder

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Joachim Ringelnatz
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Titel: Mein Bruder
Untertitel:
aus: Allerdings, S. 61–62
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Ernst Rowohlt Verlag
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in Die Weltbühne, 22. Jg., Nr. 3, 19. Januar 1926, S. 113 Siehe Commons
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MEIN BRUDER


Mein Bruder löst immer Probleme.
Mein Bruder verfolgt ein Ziel.
Mich nennt er eine bequeme
Schlawinernatur ohne Stil.

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Mein Bruder wohnt – Ehrensache –

Und sagt, er habe Niveau.
Doch wenn ich darüber lache,
Beschimpft er mich: ich sei roh.

Mein Bruder muß Rechnung tragen

10
Und spricht gern über Kultur.

Mich hat er einmal geschlagen,
Weil mir dabei was entfuhr.

Mein Bruder haut mich sehr häufig.
Er nennt das dann „aus Prinzip“.

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Solche Worte sind ihm geläufig.

Ich hab ihn deshalb so lieb.

Ich würde ihn auch gern mal hauen.
Doch er ist leider sehr stark.
Nur wenn er Glück hat bei Frauen,

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Dann schenkt er mir immer zwei Mark.


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Ich bin zwar ein saudummes Luder,

Meine beiden Beine sind schief.
Im übrigen ist mein Bruder
Gar nicht verwandt, sondern stief.

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Doch wenn ich „gestiefelter Kater“

Ihn nenne, dann schäumt er wie Most
Und schreibt Beschwerden an Vater,
Und die trage ich dann zu Post.

Ich trage ihm alle Pakete,

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die größer sind, als er denkt.

Jetzt hat er meine Trompete
Hinter meinem Rücken verschenkt.

Ein Bischof hat einen braunen
Frack meinem Bruder verehrt.

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Sie würden überhaupt staunen,

Mit wem mein Bruder verkehrt.

Dagegen lebe ich – meint er –
Ganu stur wie ein Vieh in den Tag.
Manchmal, wo Damen sind, weint er;

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So einer stirbt mal am Schlag.