Melpomene/Band 2/002 Auf den Tod Ihrer Majestät der Königin Katharine von Württemberg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
<<< 002 Auf den Tod Ihrer Majestät der Königin Katharine von Württemberg >>>
{{{UNTERTITEL}}}
aus: Melpomene
Seite: Band 2, S. 5–15
von: [[{{{AUTOR}}}]]
Zusammenfassung: {{{ZUSAMMENFASSUNG}}}
Anmerkung: {{{ANMERKUNG}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[[Index:{{{INDEX}}}|Wikisource-Indexseite]]
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe

[4]

1. Auf den Tod Ihrer Majestät der Königin Katharine von Württemberg.

Melod. II.

1. O Trauermuse Melpomene!
Du wehmuthsvolle Sängerin!
Erhebe deine Klagetöne
Beim Tode unsrer Königin;
Umflore deinen Thränenblick
Bei unserm hier begrabnen Glück.

2. Denn Ach! hier schlummert Katharine,
Die Vaterlandes Königin;
Sie gab mit heil’ger Göttinmiene
Ihr Leben Gott zum Opfer hin,
Und schwang, zum wohlverdienten Lohn
Der Tugend, Sich zu Gottes Thron. –
[5]
3. Auf Rußlands Kaiserthron entsprossen
War schon von Jugend auf ihr Herz
Von edlem Herrscherblut durchflossen,
Und schlug beständig himmelwerts,
Von reinsten Liebeflammen voll
Zu Gottes Ehr und Menschenwohl.

4. Mit unvergleichlichen Talenten,
Und heissem Weisheitsdurst begabt,
Ward mit der Wahrheit Elementen
Schon frühe dieser Durst gelabt,
Und auch gestillet jederzeit
Ihr Hunger nach Wohlthätigkeit.

5. Dieß war das Werk von ihrer Mutter,
Die Sie erzog mit eigner Hand,
Und Ihr beständig als ihr guter
Schutzengel an der Seite stand,
Und Ihr nach der Erziehung Plan
Vorangieng auf der Tugendbahn.

6. So wallte Sie schon in der Jugend,
Zu Jedermanns Bewunderung,
Die Weisheit-Bahn, den Weg der Tugend,
Und fand doch keine Sättigung,
Und glaubte stets: Sie sey noch viel
Zu weit entfernt von ihrem Ziel.

7. So stellte stets in Ihr lebendig
Sich dar das Evangelium,
Deswegen trug Sie auch beständig
Ein Exemplar mit Sich herum,
[6] Und unterzog mit einem Stift
Die schönsten Stellen in der Schrift.

8. Sie pflegte stets den Blick zu heften
Auf Jesu heil’ge Lebensweis,
Und suchte bei vermehrten Kräften
Auch einen größern Wirkungskreis,
Und reichte nun zum Eheband
Dem Prinzen Oldenburgs die Hand.

9. Allein nach dreien kurzen Jahren,
Wo Sie der Liebe Glück empfand,
War schon von schrecklichen Gefahren
Bedroht ihr theures Vaterland;
Da zog auch Ihr Gemahl als Held,
Und Sie mit ihm zugleich, ins Feld.

10. Ihr Edelmuth organisirte
Ein eigenes Bataillon,
Und ihres Gatten Weisheit führte
Die Landeswehr der Nation;
Da fand Sie nun Gelegenheit
Zur christlichen Wohlthätigkeit.

11. Da gab es Wunden zu verbinden
Für Ihre Samaritinhand,
Und nahe Rettung zu verkünden
Dem schwerbedrängten Vaterland,
Die endlich im erkämpften Sieg
Empor aus Moskaus Asche stieg.

12. So gieng der Sieg auf Rußland über,
In welchem leider ihr Gemahl,
[7] Der, angesteckt vom Nervenfieber,
Die Kranken pflegend im Spital,
Gepflegt von der Gemahlin Hand,
Als Opfer fiel fürs Vaterland. –

13. Jedoch ihr grosser Geist besiegte
Der Trennung namenlosen Schmerz,
Und Gottes weiser Leitung fügte
Sich willig ihr gebeugtes Herz,
Und hob sich an der Hoffnung Stab
Empor bei seinem frühen Grab.

14. Sie hüllte Sich mit ihren Schmerzen
In einen dichten Trauerflor,
Und sah mit sehnsuchtvollem Herzen
Mit heissem Thränenblick empor
Zum Himmel, wo ihr Gatte schon
Geniesst des Heldenmuthes Lohn.

15. Indessen schlugen die Allirten
Den Feind bei Leipzig und Paris,
Bis wo das Herz der Tiefgerührten
Der Trennung Wehmuth nie verließ,
Sie legte erst die Trauer ab,
Als ihnen sich Paris ergab.

16. Sie suchte nun Sich zu zerstreuen
Durch Reisen auf dem Kontinent,
Und Sich des Friedensfeurs zu freuen,
Das auf dem Herd Europas brennt,
Und flocht, mit einem Blick voll Glanz,
Den Siegern einen Lorberkranz.
[8]
17. So wand Sie auch zum Siegeslohne,
Als ihres Dankes Unterpfand,
Dem Erben unsrer Königskrone
Den Lorberkranz mit sanfter Hand
Um seine Stirn, die in der Noth
Des Krieges Er dem Feinde both.

18. Sie sah in Ihm den tapfern Krieger
Voll Edelsinn und Heldenmuth,
Und liebend wallte für den Sieger
Im Riesenkampf ihr edles Blut;
Und dankend küsste Er die Hand
Die Er so liebenswürdig fand. –

19. Die beiden gleichgestimmten Seelen
Entschlossen Sich aus freyer Wahl:
Sich miteinander zu vermählen;
Der Kronprinz wurde ihr Gemahl,
Sie gab ihm liebend Herz und Hand
Zum Wohl für unser Vaterland.

20. Da war Es nun an seinem Ziele
Das hochentzückte Fürstenpaar,
Wo von dem Seligkeitgefühle
Ihr großes Herz durchdrungen war,
Und gnädig sehnte sich ihr Blick
Voll Liebe auch nach unserm Glück.

21. Wir flehn mit hoffnungvollen Blicken:
Gott wolle Sie noch viele Jahr
Gesund erhalten und beglücken,[1]
Und Sie beschützen vor Gefahr:
[9] Denn unsres Glückes Gründe stehn
Und ruhn auf ihrem Wohlergehn.

22. Auf einmal kam ganz unvermuthet
Die schrecklichste Katastrophe:
Der König starb, und schmerzlich blutet
Ihr Herz, und seufzet ach und weh!
Da ward in tiefsten Trauerstand
Versetzt das ganze Vaterland.

23. Doch schon an seinem Sterbetage,
Der ihre Stirn mit Flor umwand,
Versüsste Sie des Gatten Klage
Durch Ihrer Liebe Unterpfand,
Und Beide drückten voll der Lust
Den ersten Säugling an die Brust.

24. Zugleich bestieg der Erb’ des Reiches,
Der Kronprinz, den verwaisten Thron,
Und Katharine that ein gleiches:
Da huldigte die Nation,
Mit ihrem deutschen Biedersinn,
Dem König und der Königin.

25. Durch dieses wurde unsre Trauer
Gemässigt, und zu unserm Glück,
Was fehlte noch, als lange Dauer?
Die Freude kehrte bald zurück,
Indem das neue Königspaar
Uns Vater nun und Mutter war.

26. Und dessen waren wir gerade
Am dürftigsten zur Zeit der Noth,
[10] Und wären ohne ihre Gnade
Bedroht vom bittern Hungertod;
Denn nichts ist in der theuren Zeit
So nöthig, als Wohlthätigkeit.

27. Es fühlte Mitleid und Erbarmen
Mit uns die beßte Königin,
Und wie zu helfen sey den Armen:
Das lag Ihr Tag und Nacht im Sinn;
Da legte Sie den ersten Stein
Zu dem Wohlthätigkeitsverein.

28. Den Armen flösste Sie Vertrauen
Auf Gottes weise Vorsicht ein,
Und lud die Herren und die Frauen
Zu dem Wohlthätigkeitsverein,
Und wies auf Jesu Lehr und Rath,
Der für die Armen Wunder that.

29. Sie ordnete für die Wohlthaten
Die allerbeste Leitung an,
Und ohne daß die Armen bathen,
Erhielten sie nach ihrem Plan,
Zur Stillung ihrer Hungersnoth,
Im ganzen Königreiche Brod.

30. Zu diesem End verschaffte ihnen
Zur Arbeit Sie Gelegenheit,
Damit sie selbst ihr Brod verdienen,
Und gut verwenden ihre Zeit,
Und ihnen ihre eigne Kraft
Durch Fleiß und Arbeit Brod verschafft.
[11]
31. Besonders war ihr Herz den Waisen
Und armen Wittwen zugethan,
Sie kam, und prüffte selbst die Speisen,
Und nahm Sich ihrer thätig an,
Weil Ihr die Industrieanstalt
Für arme Kinder Alles galt.

32. So gieng sie stets nach Jesu Lehren
Und That umher, um wohlzuthun,
Und that es, ohne aufzuhören,
Und ohne auch nur auszuruhn,
Daß ja nichts Gutes unterblieb,
Und auf die Zukunft sich verschieb.

33. Sie dachte ahnungsvoll der Stunde
Des Tods, wo Niemand wirken kann,
Und hatte stets im Liebebunde,
So viel Ihr möglich war, gethan,
Und oft bedaurte Sie sogar:
Daß Ihr so wenig möglich war.

34. Dabei vergaß ihr Herz nicht minder,
Was Sie dem Gatten schuldig war,
Und die Erziehung ihrer Kinder
Lag Ihr am Herzen immerdar,
Und als die Hungersnoth verschwand,
Blieb Mutter Sie fürs Vaterland.

35. So gieng in Liebe nur vorüber
Ihr Leben voll Wohlthätigkeit;
Doch ein bedeutungsloses Fieber
Befiel Sie schon in kurzer Zeit,
[12] Und ward, beim hellsten Aerztelicht,
Zur bösen Rose im Gesicht.

36. Man suchte freilich die Entzündung
Zu hemmen schon im ersten Lauf,
Und both, die große Schmerzempfindung
Zu stillen, allen Mitteln auf:
Auf einmal warf sich ihre Glut
Auf das Gehirn mit größter Wuth.

37. Da lag Sie nun betäubt von Sinnen,
Von einem Nervenschlag bedroht;
Trotz allem ärztlichen Beginnen,
Um zu entreissen Sie dem Tod,
Ward immer größer die Gefahr,
In der ihr theures Leben war.

38. Auf einmal trat, o welch Entsetzen!
Die fürchterlichste Krisis ein,
Ihr Leben in Gefahr zu setzen,
Und drohte Sie dem Tod zu weihn;
Es kam der angedrohte Schlag,
Und ach! mit ihm ihr Sterbetag.

39. Sie lag in ihren letzten Zügen
Und fiel in Zuckungen und Krampf,
Und mußte endlich unterliegen
Dem mörderischen Todeskampf,
Und schloß zur ewig wahren Ruh
Die liebevollen Augen zu.

40. So ward in hoffnungvollster Jugend,
Und noch in vollster Lebenskraft,
[13] Im Laufe auf der Bahn der Tugend
Vom Tode plötzlich hingerafft
Des Vaterlands Wohlthäterin,
Die allerbeste Königin.

41. Der König stand bei ihrer Leiche
Durchwühlet von der Trennung Schmerz,
Als wenn von einem Donnerstreiche
Erschüttert wär sein Heldenherz,
Erloschen war in seiner Brust
Die letzte Spur der Lebenslust.

42. Nun fühlte Er ein leises Wehen,
Als wie vom West im Blüthenstrauch,
Es lispelte: »Auf Wiedersehen«
Ihm zu ihr sanfter Geisteshauch,
Und mit dem holden Engelston
War auch ihr Geist zu Gott entflohn.

43. Dieß trostesvolle Geisteswehen
War Balsam für sein wundes Herz;
Er rief Ihr nach: »Auf Wiedersehen«,
Und hob voll Sehnsucht himmelwerts
Durch seinen Thränenflor den Blick
Entzückt zu ihrem ew’gen Glück.

44. Als aber Famas Mund dem Volke
Von ihrem Tode Kunde gab,
Da wars, als fuhr aus lichter Wolke
Ein Feuerstrahl auf uns herab,
Der jedes Unterthanen Herz
Durchzückte wie der Todesschmerz.
[14]
45. Denn ach! mit unsrer Mutter starben
Auch unsre Hoffnungen dahin,
Und nicht mehr werden sie vernarben
Die Wunden, welche uns durchglün;
Denn ach! was wird uns zum Ersatz
Für den in Ihr verlohrnen Schatz?

46. Wer wird die Wittwen, wer die Waisen
Und Armen retten in der Noth?
Wer wird sie kleiden, tränken, speisen,
Und schützen vor dem Hungertod?
Denn ach! es liegt mit Ihr im Grab
Gebrochen unsrer Hoffnung Stab.

47. Doch nein! noch lebet unser König,
Es lebt in Ihm ihr edler Sinn;
Verlohren haben wir nicht wenig
An unsrer theursten Königin,
Doch Alles nicht, indem ja noch
Der König lebt. – Er lebe hoch!

48. Er wird das Gute stets erhalten,
Das ihre Hand gegründet hat,
Und es mit gleicher Lust verwalten,
Wie Er mit Ihr schon vorher that.
Und im Wohlthätigkeitsverein
Beständig unser Vater seyn.

49. So lebt Sie fort in ihrem Werke,
In dem Wohlthätigkeitsverein,
Und wird durch ihrer Liebe Stärke
In seinen Gliedern thätig seyn;
[15] Denn seht: an seiner Spize steht,
Statt Ihr, des Königs Majestät.

50. So tröstet euch in euerm Leide,
Und trocknet eure Thränen ab,
Und öffnet euer Herz der Freude,
Da sich aus ihrem frühen Grab
Ihr Geist, zum wohlverdienten Lohn,
Erhob zu Gottes Gnadenthron.

51. Mit Wohlgefallen wird Sie immer
Herab auf ihre Werke sehn,
Bey unserm Flehn und Klaggewimmer
Bey Gottes Thron um Gnade flehn
Fürs Königshaus und Vaterland,
Wofür Sie liebend Sich verband.

52. Geniesse nun, zu früh Verklärte!
Bei Gottes höchster Majestät,
Du in der Tugend treu Bewährte!
Die Früchten, die Du hier gesät,
Wo Du mit liebevollem Sinn
Regierest als Wohlthäterin.

  1. WS: korrigiert, Umlaut ü in der Vorlage nicht erkennbar

Anmerkungen (Wikisource)

Königin Katharina von Württemberg, 1817

Trauergedicht auf Königin Königin Katharina von Württemberg, geb. Jekaterina Pawlowna Romanowa (* 10. Mai 1788 in Zarskoje Selo; † 9. Januar 1819 in Stuttgart), die Tochter des russischen Zaren Paul I. und seiner Ehefrau Maria Fjodorowna (geb. Sophie Dorothea Augusta Herzogin von Württemberg). In erster Ehe heiratete sie 1809 Herzog Georg von Oldenburg, mit dem sie in Russland lebte. 1812 organisierte sie eine eigene Armee gegen die Invasion Napoleons in Russland. Im gleichen Jahr starb ihr Ehemann an einer Typhuserkrankung, die er sich bei einem Spitalbesuch zugezogen hatte. Ihre Trauerkleidung legte sie 1814 demonstrativ ab, als sie von der endgültigen Niederlage Napoleons erfuhr. In der Folgezeit reiste sie durch zahlreiche Länder Europas. Im Januar 1816 heiratete sie ihren Cousin, den württembergischen Kronprinzen Wilhelm. Am 30. Oktober 1816 wurde das erste Kind des Paars geboren, am gleichen Tag starb Wilhelms Vater Friedrich I. und er wurde in dessen Nachfolge König von Württemberg. Als es 1816 und 1817 in Württemberg zu Hungersnöten kam, organisierte Katharina einen Wohltätigkeitsverein zur Linderung der Not und setzte ihr soziales Engagement auch nach der guten Ernte 1817 auf verschiedenen Gebieten fort. Am 3. Januar 1819 trat ein Ausschlag in ihrem Gesicht auf, der sich zu einer Gesichtsrose entwickelte, an der Katharina sechs Tage später starb.

Jungs Errata (Bd. 2, S. 294) wurden in den Text eingearbeitet.