Mikrokokken und Bakterien

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Autor: Dr. St.
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Titel: Mikrokokken und Bakterien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 62–65
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Mikrokokken und Bakterien.


Genau vier Jahrzehnte sind verflossen, seit der Professor der Physiologie an der Universität zu Lüttich in Belgien, Thomas Schwann, den Satz aufstellte, daß der thierische Körper aus einer unendlichen Masse kleiner bläschenförmiger mikroskopischer Gebilde, die sich an einander legen und gegenseitig breit drücken, den sogenannten thierischen Zellen, bestehe. Seit dieser Zeit wurde der Erforschung jener kleinsten Formentheile eine immer größere Sorgfalt zugewandt und die Lehre von den Zellen zu einer vollkommenen [63] Theorie ausgebildet. Man ist zu der unumstößlichen Ansicht gelangt, daß das Leben der Zelle überhaupt die Grundlage aller Lebensfunctionen im Pflanzen-, im thierischen und menschlichen Organismus bilde.

Nicht nur für den gesunden Körper, auch für den erkrankten wurde das Leben der Zelle als Basis angenommen, welche Anschauung insbesondere von dem berühmten Arzte und Naturforscher Rudolph Virchow vertreten wird. Derselbe schuf unter dem Namen Cellularpathologie eine neue Lehre von der Erkrankung der zelligen Gebilde im menschlichen und thierischen Organismus. Verschiedene Arten krankhafter Umwandlung ließen nach dieser Theorie für viele Leiden die Ursachen in den Veränderungen der Zellen erblicken. Diese wissenschaftliche Richtung reichte jedoch zur Erklärung mancher Krankheitsprocesse, besonders zur Ergründung der Ursachen epidemischer Krankheiten nicht aus. Man suchte deshalb in jüngster Zeit nach anderen Krankheitsursachen und fand, durch geeignete Untersuchungsmethoden und treffliche optische Vergrößerungsinstrumente unterstützt, daß die Ursachen vieler, besonders der in Rede stehenden Krankheiten auf Einwanderung von Pilzkeimen in den menschlichen Organismus beruhen. Diese durchleben im Körper des Menschen und der Thiere ihren Entwickelungsgang, indem sie sich zu Millionen und Milliarden vermehren, wodurch Reizzustände und Zersetzung der Säfte in den feinsten Geweben des menschlichen Körpers hervorgerufen werden. Nimmt die Vervielfältigung dieser organisirten mikroskopischen Gebilde so enorm zu, daß der Körper für ihre Beherbergung nicht mehr ausreicht und sie die Säftebildung und Ernährung zu sehr beeinträchtigen, und sind nicht die geeigneten Mittel erkannt, jene Pilzkeime durch Gegengifte zu vernichten, so tritt Siechthum und unter Umständen der Tod ein.

Alle bis jetzt als Krankheitserreger erkannten Pilzformen gehören der Gattung der Spaltpilze oder Schizomyceten an. Im Weltreiche ist ihnen ihre Stellung von den Systematikern zwischen Thier- und Pflanzenreich angewiesen, denn sie wachsen wie die niedrigsten Pflanzen, wie die Algen und Pilze, freilich in bedeutend kleineren Formen, haben aber anderseits zur Zeit ihrer Fortpflanzung, indem sie sich in kleine Stäbe und Punkte auflösen, eine eigentümliche schnellend-taumelnde Fortbewegung, welche sie den Infusorien ähnlich macht. Daher kommt es, daß ein Theil der Naturforscher diese Gebilde dem Pflanzenreich, ein anderer Theil sie dem Thierreiche in seinen niedrigsten Entwickelungsformen zuzählt, viele aber sie weder dem Pflanzen- noch dem Thierreiche zusprechen, sondern für sie ein ganz neues Reich geschaffen haben.

Bei der kaum faßbaren Verbreitung dieser Gebilde im Weltall ist solche Absonderung für sie nicht unbegründet; in jedem Athemzuge, den wir thun, mit jedem Schluck Wasser, welchen wir zu uns nehmen, mit vielen Speisen, die wir als Nahrung zur Erhaltung des Lebens uns zuführen, wandern Tausende und Abertausende solcher Gebilde in den Organismus ein, freilich meist ohne Schaden anzurichten, denn nur bestimmte Gattungen dieser niederen Geschöpfe sind darauf angewiesen, im menschlichen und thierischen Organismus ihr Fortpflanzungsgeschäft auszuüben und durch ihre enorme Vermehrung dort Krankheiten hervorzurufen. Man nennt diese mikroskopischen Lebewesen Bakterien und Mikrokokken. Die Bakterien (Fig. 1a) zeigen sich unter dem Mikroskope, bei

Fig. 1. Verschiedene Bakterien- und Mikrokokkusformen.
(Vergrößerung 700fach linear.)

einer 700fachen linearen, das heißt circa 490,000fachen Flächenvergrößerung, als bewegliche Stäbchen von etwa 1 bis 2 Millimeter Länge und circa 1/5 Millimeter Breite, in Wirklichkeit also von 1/700 bis 1/350 Millimeter Größe. Die Mikrokokken sind weit kleinere, bewegliche Pünktchen (Fig. 1b), welche zu den Bakterien in einer verwandtschaftlichen Beziehung stehen. Der wirkliche Durchmesser einer Mikrokokke variirt zwischen 1/1000 und 3/1000 eines Millimeters.

Die Bakterien vermehren sich durch fortwährende Zweitheilung und sind entweder frei, oder in Reihen an einander gekettet, oder zu gallertartigen Klümpchen vereinigt, welche man mit dem Namen "Zoogloea" bezeichnet (Fig. 1c). Es finden sich in diesen Zoogloea-Massen sowohl rundliche Gebilde (Mikrokokken) als auch Stäbchen (Bakterien), welche sich theils in Ruhe befinden, theils sich drehen und winden und zu bestimmten Zeiten aus ihrer Gallerthülle herausschwärmen. Bei diesem Ausschwärmen hat man häufig die Beobachtung gemacht, daß die Bakterien, sobald sie ausgeschwärmt sind, in spiralige Schlangen, sogenannte Spirillen (Fig. 1d) umgewandelt erscheinen und ungemein hurtig über das Sehfeld des Mikroskopes vorüberhuschen. Wie jene Umwandlung vor sich geht, und welche Bedeutung sie für den Lebensact dieser niederen Gebilde hat, ist bis jetzt noch nicht endgültig gefunden worden.

Die erwähnten Geschöpfe sind meist farblos, äußerst durchsichtig und von unendlicher Kleinheit, wodurch die Untersuchung ihrer Lebensbedingungen bislang sehr erschwert wurde. In neuerer Zeit aber wurden die einschlägigen mikroskopischen Arbeiten durch die Anwendung der Anilinfarben bedeutend erleichtert. Wenn man nämlich zu einem Tröpfchen Flüssigkeit, welche Bakteriengebilde enthält, eine Spur Anilinfarbe zugiebt, so saugen die Bakterien das Anilin sofort mit großer Behendigkeit auf und färben sich je nach der benutzten Farbe grün, blau, roth oder braun. Dadurch werden sie in ihrer Form sehr genau sichtbar und können nicht nur gezeichnet, sondern auch nach der Methode photographirt werden, welche wir vor einiger Zeit (Nr. 41, 1876) in der "Gartenlaube" beschrieben und abgebildet haben.

Die natürliche Uebertragung der Bakterien geschieht vornehmlich durch Feuchtigkeit, besonders durch verdunstendes Wasser. Die kleinen Wesen werden bei der Verdunstung zahlreich mit in die Luft emporgerissen und lassen sich dann, dem menschlichen Auge unerkennbar, als Bakterienwolken da und dort nieder, entweder in harmloser Weise ihr Fortpflanzungsgeschäft in der Natur ausübend, oder den Organismus der Menschen und Thiere befallend, wodurch dann gewisse Krankheiten hervorgerufen werden. Von der leichten Uebertragbarkeit der Bakterien kann man sich einen Begriff machen, wenn man ein mit bakterienhaltiger Flüssigkeit gefülltes Glas mit einer Platte bedeckt; wenn nach einiger Zeit die Unterseite derselben sich mit Dunst beschlagen hat, so kann man mit dem Mikroskop leicht die Bakterienkeime in demselben wieder nachweisen.

Wie sehr die Luft mit Bakterienkeimen und Mikrokokken angefüllt ist, beweist unsere Fig. 2. Dieselbe zeigt eine Anzahl

Fig. 2. Faulendes Blut.
(Photoxylographie-Vergrößerung 700fach linear.)

[64] Blutkörperchen von Schafblut, welches eine Zeit lang im Freien gestanden und der Fäulniß ausgesetzt wurde. Es bildeten sich in diesem Blute eine Unmasse rundlicher Pünktchen von verschiedener Form und Größe. Das nach der Natur photographirte und auf Holz übertragene Bild giebt einen charakteristischen Begriff der so sehr gefährlichen Mikrokokken, welche von den Forschern vornehmlich als Träger der Fäulniß bezeichnet werden.

Daß die Ansteckung bei vielen sogenannten epidemischen Krankheiten auf der Uebertragung von Mikrokokken und Bakterien durch Vermittelung der Luft oder des Trinkwassers beruht, wird von dem größten Theile der Aerzte zugegeben. Die hervorragendsten Vertreter der Ansicht, daß die Infectionskrankheiten auf Übertragung der erwähnten mikroskopischen Gebilde beruhen, sind der Professor der Botanik Dr. Hallier in Jena und der Professor der pathologischen Anatomie Dr. Klebs in Prag. Ersterer hat durch mannigfache Untersuchungen und Experimente für viele Krankheiten der Thiere und Pflanzen, Letzterer für mehrere Krankheiten des Menschen Mikrokokken- und Bakterienformen als Krankheitsursache nachgewiesen. Zu diesen Krankheiten gehören auch solche, deren infectiöse Natur man bisher nicht geahnt hatte, z. B. der Gelenkrheumatismus, eine bekanntlich sehr gefürchtete Krankheit, weil in ihrem Gefolge oft unheilbare Herzfehler entstehen. Professor Klebs hat nun gefunden, daß bei dem Gelenkrheumatismus an den Klappen des Herzens sich Tausende und aber Tausende von Bakterien und Mikrokokken ansetzen, welche die Tätigkeit der Herzklappen beeinträchtigen. Auch für die berüchtigte Syphiliskrankheit will Dr. Klebs den specifischen Parasiten in einer eigentümlichen Bakterienform nachgewiesen haben; auf der jüngsten Naturforscherversammlung zu Cassel hat er die bezüglichen mikroskopischen Präparate vorgelegt.

Uebrigens ist schon in früheren Jahren eine Betheiligung der Bakterien bei verschiedenen Krankheiten erwiesen worden. So ist es z. B. schon lange bekannt, daß bei Lungenfäulniß (gangraena pulmonum) in dem Auswurfe und in den erkrankten Partien Körnchen und Stäbchen, sowie wellig hin und her gewundene Spirillen vorkommen. Außerdem hat man in der Harnblase des Menschen Bakterien in den verschiedensten Entwickelungsstadien gefunden. Der verstorbene berühmte Professor Traube in Berlin hat vor mehreren Jahren gezeigt, daß die Bakterien in der Harnblase sich massenhaft vermehren und den Harnblasenkatarrh in Eiterung umwandeln. Die Bakterien können von der Harnblase aus in die Nieren einwandern und bewirken daselbst eine Nierenentzündung, wobei zuletzt die ganze Niere zu Grunde

Fig. 3. Fäulnißproducte bei Blasenkatarrh.
(Vergrößerung 600fach linear.)

geht. In Fig. 3 sehen wir das mikroskopische Bild der Spur eines Tröpfchens Urin von einem am Blasenkatarrh Erkrankten. Es finden sich in diesem Bilde sowohl kleine Haufen von Bakterien wie auch rosenkranzförmige und gehäufte Massen von Mikrokokken, ebenso in Reihen gegliederte pilzfädenförmige Bakteriencolonien; die größeren Gebilde sind abgestoßene Zellen aus der Blasenwand, während die dunkleren rundlichen Formen Eiterkörperchen darstellen.

Weiter wurden von solchen Gebilden durchsetzte Geschwüre im Magen und im Darmcanal beobachtet, wo die Bakterien bis in die Blut- und Lymphgefäße eindrangen, so z. B. bei der sogenannten Darmmykosis, welche meist Leute befiel und tödtete, die mit schmutzigen Roßhaaren oder Schweineborsten zu thun hatten und wahrscheinlich beim Essen die Pilzkeime ihrem Körper einverleibt hatten. Auch konnte man solche in der Darmschleimhaut bei Cholerakranken, besonders aber als Krankheitserreger bei der Pyämie und Septichämie (Blutvergiftung) in Hospitälern und Kriegslazarethen nachweisen. Die Bakterien gelangen aus der umgebenden Luft auf die Wunden, verwandeln eine gesund aussehende Verletzung in einen übelriechenden Eiterherd und wandern von da in den Körper ein, wo sich dieselben zu Milliarden vermehren und die Blutvergiftungserscheinungen bedingen. Da, wo durch Bakterien hervorgerufene Eiterung und Entzündung sich festsetzt, zerfallen die Gewebe. Auch für die so sehr gefürchtete Diphtheritis ist es durch vielfache Untersuchungen wahrscheinlich gemacht, daß ihre Entstehung eine Folge von Uebertragung und rascher Vermehrung von Bakterien ist, welche durch ihre unbegreiflich rasche Entwickelung den rapiden Verlauf und den leider oft vernichtenden Ausgang erklären.

Bis in die feinsten Einzelheiten und auf das Genaueste ist der Entwickelungsgang der Bakterien bei der Carbunkelkrankheit nachgewiesen, welche unter dem Namen „Milzbrand“ bei Thieren häufig beobachtet und von diesen oftmals auf den menschlichen Organismus übertragen wird.

Um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß diese mit dem Mikroskope entdeckten Keime auch wirklich bei diesem oder jenem Thiere Krankheitserscheinungen hervorrufen, wird eine möglichst kleine Spur des Krankheitsstoffes dem Thiere eingeimpft; erkrankt dasselbe dann und findet man in dessen Blut wiederum in weitaus größerer Anzahl die gleichen Bakterienformen vor, so ist der Beweis erbracht, daß in der Bakterie wirklich die betreffende Krankheitsursache besteht. In vollkommenster Weise wurde dies bei der scheußlichen Milzbrandkrankheit nachgewiesen, und sind es hier besonders die verdienstvollen Arbeiten des Kreisphysikus Dr. Koch zu Wollstein, welche den unumstößlichsten Beweis für die parasitäre Ursache jener Infectionskrankheit abgegeben haben. Da aber eine neue Theorie immer Zweifler findet, was Herr Dr. Koch auch voraussah, so hat derselbe durch Verbindung seines Mikroskops mit einem photographischen Apparate die Krankheitskeime in ihren Entwickelungsstadien sofort nach der Natur photographirt, sodaß ein Einwand gegen die Objectivität der betreffenden Forschung nicht mehr gemacht werden kann.

Fig. 4. Milzbrand.
(Photoxylographie-Vergrößerung 700fach linear.)

Fig. 4, nach der Natur von Dr. Koch photographirt, zeigt, auf Holz übertragen, Blut eines am Milzbrande verstorbenen Thieres. Man sieht hier die Milzbrandbakterien, in Reihen geordnet, zwischen den Blutkörperchen stäbchenförmig liegen; die tellerförmigen Gebilde sind die bekannten Träger des Lebens, die Blutkügelchen, welche durch die Bakterienstäbe allmählich zerstört und verdrängt werden.

[65] Die Entwickelung jener Organismen in einem geimpftem Individuum ist eine so schnelle, daß, wenn man z. B. ein Kaninchen am Ohre mit einer Nadel sticht, welche in Milzbrandblut eingetaucht war, schon nach vierundzwanzig Stunden alle Organe des Versuchsthieres Milzbrandbakterien enthalten, ja sogar nach achtundvierzig Stunden alle Gewebe von Milliarden von Milzbrandstäbchen vollgepfropft sind. Der Tod tritt ein, entweder indem auf mechanische Weise die feinsten Blutadern, die sogenannten Capillaren, mit Milzbrandbakterien sich verstopfen und dadurch ihrer Function der Ernährung des Körpers enthoben werden, oder indem jene Gebilde alle vorhandenen Nährstoffe zu ihrer eigenen Erhaltung aus den benachbarten Geweben aussaugen und dadurch diese zum Leben unfähig machen, oder aber auch, indem durch dieses eigenartige Thier-Pflanzenleben im Innern des Organismus zersetzende Fäulniß eintritt und auf diese Weise gleichsam das Thier oder der Mensch von innen heraus verfault und abstirbt.

Bei einer weiteren berüchtigten, den Menschen befallenden Krankheit, dem Typhus recurrens (Rückfalltyphus), sind ebenfalls Bakterien unumstößlich nachgewiesen worden, und zwar von dem Arzte Dr. Obermeier in Berlin, nämlich die sogenannten Spirochäten, schlangenartige Bildungen, welche das gesammte Blut des Erkrankten durchsetzen. Es in sehr wahrscheinlich, daß schlechte und halbverfaulte Nahrungsmittel die Entstehung dieser Gebilde befördern. Obermeier fand im Blute solcher Typhuskranken massenhaft jenen spiralig geformten Parasiten, welchen wir in Fig. 5 abgebildet haben. Derselbe schlängelt sich zu Tausenden zwischen den Blutkörperchen hindurch und ist bei steigendem Fieber in größerer Anzahl vorhanden, als bei sinkendem. Die Botaniker theilen auch diese parasitische Form den Bakterien zu und halten dieselbe für eine Abart jener. Es ist jedenfalls leicht begreiflich, daß Gebilde, welche so massenhaft im Blute vorkommen, wie die in Fig. 4 und 5 wiedergegebenen, die Lebensthätigkeit herabsetzen und das Leben beeinträchtigen müssen.

Fig. 5. Rückfalltyphus.
(Photoxylographie-Vergrößerung 700fach linear.)

Noch nicht erwiesen, aber höchst wahrscheinlich sind parasitäre Krankheitsursachen in Form von Mikrokokken und Bakterien bei den Masern, dem Scharlachfieber und den Blattern, welche Krankheiten bekanntlich alle durch directe Uebertragung vom Menschen auf den Menschen Verbreitung finden. Bei einer weiteren Gruppe von Krankheiten findet eine Uebertragung des Krankheitsstoffes vom Kranken auf den Gesunden nicht direct statt, sondern die Bedingungen zur Entstehung des Giftes liegen mit großer Wahrscheinlichkeit in den Bodenverhältnissen, indem unter gewissen Temperaturen sich die Krankheitskeime erst entwickeln und durch die Luft dem Menschen zugeführt werden. Während man die erste Gruppe von Krankheiten die „contagiösen“ nennt, bezeichnet man die zweite Gattung von Krankheiten mit dem Ausdrucke die „miasmatischen“. Zu diesen gehören außer dem Unterleibstyphus: die Cholera, das gelbe Fieber, die Pest und das Wechselfieber.

Fragen wir, was die ärztliche Kunst bis heute gegen jene schrecklichsten Feinde der Menschheit, die Bakterien, zu thun vermocht hat, so können wir mit Befriedigung auf die in so kurzer Zeit gewonnenen Resultate zurückblicken. Der ärztliche Heilschatz besitzt nämlich in zwei Präparaten, der Carbolsäure und der Salicylsäure, specifische Mittel zur Tödtung der Bakterien und Mikrokokken. Die heilsame Einwirkung der genannten Medicamente bei Diphtheritis, bei Gelenkrheumatismus, bei der pyämischen Blutvergiftung, beim Typhus, bei Lungengangräne und vielen anderen verwandten Krankheiten scheint allenthalben auf Zerstörung der Bakterien zu beruhen. Entschieden erwiesen ist solches bei den Wundkrankheiten. Es wird wohl heutzutage kaum einen rationellen Arzt mehr geben, welcher auf der Höhe seiner Wissenschaft steht und der nicht die sogenannte antiseptische Wundbehandlung, das heißt die directe Anwendung bakterienzerstörender Medicamente auf die Wunde verordnen würde. In der That sind die bezüglichen Resultate so erstaunlich, daß man mit Fug und Recht sagen darf, bald werden die früher bei Operationen und Wunden so allgemein gefürchteten accidentellen Wundkrankheiten zu den größten Seltenheiten gehören. Das hervorragendste bezügliche Verdienst gebührt dem englischen Chirurgen Dr. Lister zu Edinburg, welcher auf die Idee kam, während des Wundverbandes die der Wunde benachbarte Luft mittelst Carbolsäure von den Bakterien zu reinigen und nur in einem die Bakterien tödtenden Carboldunste den Verband vorzunehmen. Durch diese Methode ist besonders in den jüngsten Jahren in der kriegschirurgischen Praxis Tausenden und aber Tausenden von Menschen das Leben gerettet worden, ohne dieselbe wären viele der geretteten Verwundeten im russisch-türkischen Kriege dem Tode durch Blutvergiftung nicht entronnen.

Außer specifischen Heilmethoden ist es aber auch vornehmlich die sich immer mehr ausbreitende Lehre von der öffentlichen Gesundheitspflege, welche die Krankheitsursachen zu ergründen und dieselben zu beseitigen sucht. Reinhaltung der Luft und des Bodens, Beschaffung gesunder Wohnungen und gut ventilirter Schulräume, Canalisation der Städte, strenge Controle der Nahrungsmittel, besonders der Milch, des Weines, der Gemüse, der Fleischpräparate, sowie aller anderen zu Markte gebrachten Producte, Beschaffung gesunden Trinkwassers in den Städten sind die Aufgaben, welche die öffentliche Gesundheitspflege auf ihre Fahne geschrieben hat. Alles dieses wird dazu beitragen, die fäulnißerregenden Keime zu zerstören und epidemische Krankheiten von Stadt und Land fernzuhalten, besonders jene Seuchen, welche in früheren Jahrhunderten in Folge des engen Zusammenwohnens der Menschen und der dadurch bedingten enormen Vervielfältigung der Krankheitskeime mit einer solchen Heftigkeit auftraten, daß viele Städte die Hälfte ihrer Einwohner verloren und ganze Länderstriche entvölkert wurden.

Nachdem die so sehr gefürchteten und seither unerklärt gewesenen Begriffe „Contagium“ und „Miasma“ nun zum Theil als ein greifbares, durch das Mikroskop nachweisliches Etwas in den Ansteckungsorganismen erkannt worden sind, wird es der beharrlichen Forschung auch gelingen, allmählich die Träger der Ansteckungsstoffe, die Bakterien und Mikrokokken, zu vernichten.

Dr. St.