Moden über die Welt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Friedrich Gerstäcker
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Moden über die Welt
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, 1853, Band 18, No. 426, S. 137–140; No. 427, S. 145–147
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Braun & Schneider
Drucker:
Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[137]
Moden über die Welt.
Skizze von Friedr. Gerstäcker.

Das Wort Mode hat einen sehr weiten Begriff – es erstreckt sich auch auf den Stoff, ja quält, peinigt, verunstaltet und mißhandelt nicht allein unsere Körper, sondern auch unsere Seelen. Nun ist es allerdings ein ziemlich gleichgültig Ding, ob ich einen spitzen oder breiten Hut, ob ich einen kurzen oder langen Rock trage – es hat sogar nicht viel zu bedeuten, wenn ich von Wolle nach Seide, und von Seide wieder nach einem anderen Stoffe überwechsele; die Sache wird aber schon weit bedenklicher, wenn es darauf hinausläuft, mir Füße oder Rippen zu zerpressen, wie sie’s in den Zopfländern machen, gewisse Zähne auszubrechen, wie in Afrika, die Haut aufzureißen, wie in Australien, oder sich gar den Schädel als kleines Kind schon nach einer gewissen modernen Form einbiegen zu lassen, wie bei Oregonstämmen. – Noch viel tollere Sachen gehören alle mit zur Mode.

Aber selbst die Seele lebt nicht frei und unabhängig in unserer Brust – auch sie ist der Mode unterworfen, denn in dem einen Lande ist es Mode Katholik, in dem andern Protestant zu sein, in dem dritten Schiwa- und Brama-Anbeter – da Wischnu, da Muhamedaner und Gott weiß, was sonst noch, und will man sich da ausschließen, rümpfen die Leute eben so die Nase, als wenn ich mich hier dem Frack und Civil-Czako widersetze, und Alles kann man ja doch nicht sein.

Auch die Art sogar, wie sie ihre Religionen ausdrücken, ist der Mode unterworfen; die Einen singen, die Andern tanzen – die Einen werfen sich auf die Kniee nieder und kreuzen die Hände auf der Brust, wie die Muhamedaner, die Anderen legen sich auf den Rücken und strampeln mit den Beinen, wie die Methodisten in den Vereinigten Staaten; die Einen halten es für eine Grobheit, den Hut aufzubehalten, wie die Christen, die Anderen für dasselbe ihn abzunehmen, wie die Juden – es ist rein zum Verzweifeln, und der liebe Gott da oben muß wahrhaftig manchmal ganz confus werden, wenn er so an einem recht stillen, freundlichen Sonntagmorgen auf den ganzen Wirrwar hier unten herunterblickt. – Doch das ist nicht das, worüber ich heute mit Ihnen sprechen wollte, die Moden der Seele liegen uns auch für das alltägliche Leben zu tief, mit einem Blick da hinein auch gleich ein Urtheil fällen zu können, oder selbst nur einen Ueberblick zu gewinnen, die Nüancen sind zu fein. – Und nebenbei ist es auch bei der frommen Richtung, die unsere Regierungen gegenwärtig genommen haben, eine viel zu kitzliche Sache, sehr genau auf die Mode der Religionen einzugehen, man kommt da auf zu viele Blößen, und der eine Schneider sagt, ich habe recht, während der andere Himmel und Erde zum Zeugen aufruft, daß er die richtige Form gefunden habe – die en gros Handlung selber hat sich aber noch gar nicht darüber ausgesprochen.

[138] So wollen wir uns denn für jetzt auch hier nur mit dem äußeren Menschen beschäftigen, das Andere mag Jeder mit sich selber ausmachen. – „Wenn’s Herz nur schwarz ist,“ sagte ja schon jener Schulmeister, als er Sonntags mit dem himmelblauen Frack in die Kirche kam.

Sobald wir aber mit dem äußeren Menschen und seiner Urkleidung anfangen, finden wir uns in all unseren verschiedenen Moden und Sitten vollkommen gerechtfertigt, denn selbst der liebe Gott hat da geglaubt, daß ein kleiner Unterschied, der Abwechselung wegen, nicht schaden könne. Er theilte deßhalb die Menschen, nach Linné, in fünf verschiedene Raçen, und strich den einen sauber gelb, den andern schwarz, den dritten braun, den vierten weiß und den fünften olivenfarbig an.

Was für ein Sprung ist von da zu den kurzen Hosen, seid’nen Strümpfen und Goldpuder Louis Napoleons – es ist enorm.

Wir fangen aber auf die natürlichste Weise mit denen an, die sich auf unserem Sonnenstäubchen, das wir die Welt nennen, am natürlichsten und unverdorbensten gehalten haben, und das sind jedenfalls, so weit ich wenigstens das Vergnügen hatte, ihre Bekanntschaft zu machen, die australischen Wilden. Diese vor allen Uebrigen sind mit Gott Vater, was Anzug oder äußeres Aussehen betrifft, so vollkommen einverstanden, daß sie gar Nichts daran zu verbessern fanden – nur auf den Schultern und hie und da oben auf der Brust war ihnen die Haut ein klein wenig zu glatt, und sie rissen dieselbe deshalb in regelmäßigen Streifen und Punkten auf, angenehme Erhöhungen darzustellen – doch das ist eben nur Geschmackssache.

Auch in Afrika und den heißesten Strichen Amerika’s gibt es noch einige solche Völker, die sich dem anschließen; da es aber bei diesen einfach Mode ist, keine Mode zu haben, können wir uns natürlich in einem Artikel über Moden auch gar nicht mit ihnen aufhalten, und sie fangen erst dann an, für uns ein Interesse zu gewinnen, wenn sie sich vervollkommnen, d. h. dem, was wir unter Mode und mit dieser Civilisation gleichbedeutend verstehen, näher kommen.

Daß übrigens gerade die australischen Wilden dieser Cultur fähig sind, davon kenne ich mehrere, wirklich auffallende Beispiele. So habe ich in meinem Leben keinen glücklicheren, selbstgefälligeren Menschen auf der weiten Gotteswelt gesehen, als einst einen solchen Wilden in seinem Naturzustande, dem ein neckisches Menschenbild ein Paar papierne Vatermörder mit einer Cravatte und ein Paar Handmanschetten umgebunden hatte. Gerade solche Stämme wissen sogar die feineren Nüancen unserer Moden zu würdigen, und sehr häufig habe ich die schwarzen, vollkommen nackten Burschen gesehen, wie sie sich mit einer weißen Erde, die sie dort haben, an den Seiten der Beine herunter weiße Streifen malten, um, so gut es unter ihren Umständen anging, eine Art Uniform herzustellen – und nur die Alten, d. h. die Vornehmeren durften das tragen.

Ebenso erinnere ich mich noch mit Vergnügen der wahren innigen Freude, die ich zwei Stämmen derselben, einem am Murray und einem in der Torresstrait bereitete, als ich ihnen die Nasen mit Zinnober roth malte, und ein Beweis, wie sehr sie solche Auszeichnung zu würdigen wissen, war mir der, daß sie den noch Unmündigen oder solchen vielleicht, denen überhaupt nicht gestattet war, die Nationalcocarde zu tragen, die rothe Farbe auf das Sorgfältigste mit ihren Ellbogen wieder von den Nasen entfernten – da könnte Jeder kommen und einen Orden haben wollen.

Was sonstigen Schmuck, Perlen, Glas- oder andere Corallen etc. betrifft, so ist das Tragen derselben über die ganze Welt verbreitet. – Die australischen Wilden, in einzelnen Stämmen wenigstens, tragen nur etwas durch die Nasen gesteckt – unsere lieben Frauen zu Hause – und Gott segne ihre schönen Augen – tragen es nur in den Ohren – und die californischen Wilden, wie auch die meisten brasilianischen Stämme, in Ohren sowohl als Nasen, ja einzelne nordamerikanische Stämme gehen sogar so weit, daß sie sich den ganzen Ohrenknorpel bis oben hinauf durchlöchern, um Schmuck über Schmuck hinein zu hängen.

Der nächste Sprung, denn ich kann leider nur flüchtig über das Ganze hingehen, obgleich der Stoff reichhaltig genug wäre, ein Buch darüber zu schreiben, – ist nach den südseeländischen Indianern. Das Klima fordert sie auf, so wenig Umstände als möglich mit sich zu machen, nichts destoweniger veranlaßt sie ein Gefühl, das die Kirchenväter dem ersten Apfelbiß zuschreiben, ein Stück selbstgefertigtes Zeug um ihre Lenden zu schlagen.

Dies Zeug ist die sogenannte Tapa und wird aus der inneren Rinde verschiedener Bäume, besonders des Brodfruchtbaums und Banians, eine Zeitlang gegohren und dann mit [139] gerieften Klöppeln zu einem förmlichen Stoff auseinander geschlagen.

Diese Stämme sind übrigens der Meinung, daß ihre vom Schöpfer erhaltene Haut ihnen nur als Rohmaterial überliefert und noch einer bedeutenden Verbesserung fähig wäre, sie tättowiren dieselbe deshalb mit dem Ruß der Tuituinuß und stellen dadurch eine, oft selbst nach unseren Begriffen von Schönheit, wirklich geschmackvolle und sauber ausgeführte Zeichnung auf ihrem Leib in solcher Art her, daß z. B. in Europa die Polizei darauf ganz vorzügliche Rücksicht unter der Rubrik „Besondere Kennzeichen“ nehmen würde.

Einige dieser Inseln haben diesen Schurz, der bei den californischen Frauen ebenfalls nur in einer einfachen Schürze von Binsen oder gegerbtem Leder besteht, noch in sofern verfeinert, daß sie ein künstliches Flechtwerk dazu nehmen. Die Indianer des nördlichen Californien an der Grenze von Oregon schneiden sogar dieses Leder in dünne feine Streifen, umflechten dieselben zierlich mit Stroh und schmücken dasselbe noch mit den Schaalen einer langen Haselnußart.

Die nordamerikanischen Stämme, östlich von den Felsengebirgen, gehen noch weiter und sticken sogar diese Schürze mit farbigen Perlen, die sie sich von den Weißen zu verschaffen wissen.

Die Civilisation und das Christenthum hängen jetzt diesen Stämmen, einzelnen davon wenigstens, Cattun um, und wo erst einmal Cattun ist, da rückt die Seide stets leise nach. Wo sie sich selber dabei überlassen bleiben, behalten sie ihre alten Gewohnheiten, trotz dem Cattun, noch so weit bei, daß sie sich ein Stück davon, wie früher ihre Tapa, einfach um die Lenden schlagen, während sie ein anderes lose um die Schultern hängen und auf der einen Schulter oder vorn auf der Brust in einen Knoten schürzen; ein höherer Grad von Cultur ist dann, statt dem Brusttuch ein langes weißes Gewand, eine Art Morgenrock, der am Hals zugeknöpft wird und bis auf die Knöchel herunter fällt.

Aber gerade bei diesem, sonst so einfachen und natürlichen Volke haben Mode und Christenthum, vorzüglich durch das letztere herbeigeführt, einen andern gewaltigen Satz gemacht, der um so auffallender ist, da er gewissermassen isolirt in der Geschichte dasteht.

Um zuerst mit dem schönen Geschlechte zu beginnen, wie sich das auch von selbst versteht, so waren den frommen Männern, den Missionären besonders, die heidnischen Blumen in den Haaren ein Gräuel, aber sie wußten nicht wie und auf welche Art die am besten zu verdrängen wären. Sie fielen zuletzt auf ein Mittel, das bewies, wie weit sie in die Tiefen der menschlichen Natur eingedrungen waren – sie beschlossen das durch eine andere Mode zu thun, und octroyirten ihnen eben gleich mit als christliche Vorschrift, als ein sittliches und anständiges Stück menschlicher Bekleidung eine Art Strohhut, wie er unsere Vorväter auf den Locken unserer Vormütter entzückte. Das Ding sieht genau so aus, wie eine umgekehrte Kohlenschaufel, und es versteht sich von selbst, daß es die armen Kinder einer heißen Zone, denen es nicht allein als etwas Frommes empfohlen wurde, sondern denen es auch noch etwas Neues war, vortrefflich fanden.

Blumen und Federn kamen nun allerdings auch auf diesen Hut, aber das konnte unmöglich mehr etwas heidnisches sein, denn darauf waren die frommen Väter ja schon gewöhnt auch zu Hause, von den Kanzeln herunter nieder zu blicken, und der Sieg war in Jahren errungen. –

Ganz ließ sich aber der alte Adam (oder ich sollte hier eigentlich sagen die alte Eva, wenn Damen überhaupt je alt würden) doch nicht ausziehen, und wo die Priester eben nicht hinsahen, da flochten sich die wilden ungeberdigen Menschenkinder doch wieder die frischen duftigen Blumen in das lockige flatternde Haar, und der liebe Gott muß sich das eben mit den anderen Mißbräuchen hier auf unserer verderbten Erde gefallen lassen. – Er hat sie aber doch lieb die stillen freundlichen Menschen, mit den klaren lachenden Augen, und er schüttet da draußen all seine schönsten und herrlichsten Gaben in reichster und unverkümmerter Fülle über sie aus – auch über die Missionäre.

Das wunderlichste Kunststück haben die letzteren aber[1] mit der männlichen Bevölkerung vorgenommen, so weit dieselbe nämlich in den Bereich des Christenthums kam, und ich wünsche meinen schönen Zuhörerinnen wahrlich, ein solches gottgefälliges Menschenkind an einem freundlichen Sonntag Morgen unter den wehenden Palmen aus seiner Kirche kommen zu sehen.

Ich will einen Versuch machen sie zu beschreiben – aber vollständig wird mir das nie gelingen.

[140] Wie bei den Frauen der Hut, wurde von den Männern zuerst der Frack als unumstößlicher Beweis eines christlichen Herzens verlangt – und noch dazu der schwarze Frack, und die Missionare fingen bei der Ausrüstung des neuen Christen von oben an.

Vor allen Dingen bekam er einen schwarzen Cylinderhut aufgesetzt. – Es versteht sich von selbst, daß man seinen Hut abnehmen muß, wenn man in eine christliche Kirche kommt, wenn man aber gar keinen trägt, kann man auch keinen abnehmen, und ein Hut wurde deshalb zur Nothwendigkeit.

Dann bekamen sie ein Hemd an und sie ließen sich das gern gefallen – es war das ein weites bequemes Gewand, ihren Tapa Ueberhängen nicht ganz unähnlich – über das Hemd kam aber erst ein Halstuch, und später eine Weste, in der sie sich schon keineswegs so behaglich mehr fühlten, und eine Zeitlang sträubten sie sich gegen alles Weitere, aber es half ihnen Nichts – ihre Toilette als Christen und Staatsbürger war noch lange nicht beendet, und jetzt kam der Frack, der ihren oberen Menschen und ihre Unbequemlichkeit vollenden sollte. Aber hiemit war ihre Geduld auch zu Ende – in Hosen ließen sie sich unter keiner Bedingung einzwängen, und viele verweigerten selbst jetzt noch hartnäckig den Frack.

Man konnte an ihnen daher das Stadium ihres christlichen Glaubens leicht erkennen, je nachdem sie noch im Hemd, oder im Halstuch, oder gar schon in der Weste waren, denn den Frack trugen erst die wenigen Auserwählten. Aber selbst diese hatten sich bis jetzt nicht von ihren Lendentüchern getrennt oder wären zu bereden gewesen, Hosen und Schuhe und Strümpfe zu tragen, und ich habe wirklich noch nie etwas Komischeres in der Welt gesehen, als diese Zwittergeschöpfe zwischen Civilisation und Wildniß.

Ihr Kopf war bei den Aelteren nicht selten halb geschoren, die Haare wenigstens ganz kurz abgeschnitten, darauf saß der schwarze Hut, dann kam der schwarze Frack, und unter diesem und der Weste vor, hing das gewöhnlich grellrothe und gelbe Lendentuch bis ziemlich an, oft bis über die Kniee nieder. Die Füße waren aber von der alten Heidenzeit her noch tättowirt, und die beiden christlichen Frackzipfel, die hinten herunter hingen, schauten mißtrauisch und drohend auf die blauen heidnischen Linien der Beine nieder, als ob sie hätten sagen wollen: „Na, wartet nur, ihr sollt nur noch bald genug in Hosen kommen.“

[145] Die Mädchen jener Inseln, die besonders aus Tahiti mit Hilfe der neuen Eroberer, das alte Joch ziemlich abgeschüttelt haben und sich jetzt in einer Art Uebergang vom protestantischen zum katholischen Glauben befinden, tragen oft auch einen ganz eigenthümlichen Schmuck in den Locken, der ihnen zu dem dunklen Haar vortrefflich steht. Es ist das eine Art Geflecht aus der silberweißen Bastfaser der Arrowroot, den sie in eine Art von Diadem formen, an dem kleine Büschel und Troddeln flattern und wehen.

Höchst eigenthümlich ist aber, daß diese Stämme ächtes Gold vom unächten sehr genau zu scheiden wissen, und sich aus unächten Sachen wenig oder gar Nichts machen. Sie nennen das Geld Perú.

Ein Gleiches findet in Indien statt und auf Java verschmähen selbst die gewöhnlichen Malayen unnächte Sachen, selbst unächte Steine zu tragen.

Auf Java ebenfalls hat die Civilisation noch wenig von der Urtracht verdrängt, und die Eingeborenen dort haben höchstens dann und wann ihre eigens gewebten Stoffe, wenn ihnen diese zu theuer kommen, mit den billiger hergestellten Cattunen vertauscht.

Die Holländer sind auch darin weit vernünftiger als fast alle anderen Nationen, und lassen den Stämmen, die sie unterjocht haben, ihren Glauben sowohl, als ihre ihnen am besten zusagende Tracht, weil sie eben aus dem Klima und den natürlichen Bedürfnissen auch natürlich hervorgegangen.

Die Tracht der Javanen hat Aehnlichkeit mit der der Südseeländer, nur der Stoff ist verschieden und mehr verfeinert, denn was der Südseeländer aus der Rinde seiner Bäume mit einem hölzernen Klöppel herausschlägt, webt der Javane erst aus baumwollenen Fäden, und gibt ihm dann in der nur erdenkbar mühsamsten Art geschmackvolle und oft wirklich künstliche Muster. Frauen allein fertigen meist all diese Arbeiten, und es gehört auch wirklich die sorgliche Geduld und Ausdauer einer Frau dazu, das complizirte Muster dieser Stoffe mit heißem Wachs, Strich für Strich, erst auf der einen, dann auf der anderen Seite aufzuzeichnen, und dann zu färben, bei Stücken aber, die mehrere Farben haben sollen, solche ganze Arbeit zwei und dreimal zu wiederholen. –

Diese Stoffe nennen sie sarongs und tragen sie um die Hüften ganz in derselben Art, wie die Südseeländer ihre Tapatücher, nur daß die sarongs bis auf die Knöchel hinunter gehen. Zu diesem sarong gehört dann ebenfalls noch eine cabaya, oder ein genähter Ueberwurf mit Aermeln; die Landmädchen aber, die diesen Ueberwurf nicht haben, nehmen dann den sarong so hoch unter die Arme hinauf, als sie ihn bekommen können, und stecken ihn über die Brust zusammen, während einzelne Stämme der Berge, besonders in den Preanger Regentschaften, mit dem Oberkörper ganz nackt gehen.

Die Männer tragen hier auch, als einen ihrer religiösen Gebräuche das Kopftuch, das sie Turbanartig nicht selten mit den Haaren zusammen winden, und darüber meistens einen breiten, flachen, backschüsselartigen Hut von Bambus geflochten.

Die Frauen tragen Nichts auf dem Kopfe oder doch nur sehr selten einen dem ähnlichen Hut, wie ich denn auch überhaupt bei allen uncivilisirten Völkern gefunden habe, daß die Frauen stets im bloßen Kopfe gehen, und nur einzelne Sachen, Kränze oder Blumen, immer jedoch nur zur Zierrath, in die Haare flochten.

In den Spanischen Ländern jedoch tragen sie meist Strohhüte wie die Männer, und ich brauche wohl nicht hinzu zu setzen, daß sie sich vortrefflich darunter ausnehmen.

Die Spanische Tracht hat überhaupt in den fremden [146] Welttheilen sehr viel Malerisches, besonders für die Männer, und ich habe wirklich nie im Leben einen pittoreskeren, kleidsameren Anzug gesehen, als den der Südamerikanischen Gauchos, wenn sie zu Pferde sitzen, wohin sie auch eigentlich nur gehören.

Die Füße stecken bei den gentlemen gauchos in feinen Lederstiefeln, bei den gewöhnlichen in der abgezogenen Haut eines jungen Pferdes, die Beine in weißen gestickten Unterhosen und eine cheripa – ein großes Tuch, das hinten im Gürtel befestigt, zwischen den Knieen durchgezogen und vorn wieder ebenfalls in den Gürtel eingesteckt ist, – fällt an der Seite in offenen Falten nieder. Ein breiter Ledergürtel, reich gestickt und statt der Knöpfe mit großen Spanischen Dollarn, ja bei recht reichen Gauchos sogar mit Unzen besetzt, umschließt seine Taille, und eine kurze tuchene Jacke, mit kleinen silbernen Knöpfen, schließt oben über dem feinen weißen Hemd, über das hin noch ein rothseidenes Tuch lose gebunden theils den Staub abhält, theils zur Zierrath dient; die langen schweren Sporen dabei an den Hacken, am Handgelenk die gewichtige Revenka und das oft zwei Fuß lange Messer, mit seinem Elfenbein oder Perlmuttergriff hinten im Gürtel, daß es die herumgreifende rechte Hand leicht erreichen kann, das Alles steht den schlanken, schwarzhaarigen, dunkeläugigen Söhnen der Pampas vortrefflich – wenn sie sich nur nicht, zu förmlichem Hohn des unteren Menschen einen schwarzen Cylinderhut oben darauf stülpten, und damit die ganze Poesie förmlich zum Fenster hinauswürfen.

Auch die Tracht der Mexikanischen Männer ist in der Art mit den an den Seiten aufgeschlitzten und mit silbernen Knöpfen und Hacken bedeckten Oberhosen und der buntfarbigen Serage, kleidsam und malerisch und wird durch den breiträndigen Hut auch keineswegs entstellt.

Ueberhaupt haben die Mexikaner die größte Fertigkeit ihre Seragen oder Ponchos zu weben und die feinsten, denen sie herrliche Farben zu geben wissen, und die nicht selten mit Goldfaden durchwoben sind, kosten oft bis zu drei und vierhundert Dollar das Stück.

Aber wollte ich nach all den verschiedenen Richtungen abzweigen, auf alle die Einzelheiten eingehen, ich würde nicht fertig – und noch schlimmer, ich würde langweilig und nun zum Schluß will ich noch ein paar Worte über den Moment im Leben des Wilden sagen, wo ihm die Mode zum ersten Mal dämmert und er sich dem Wahn hinzugeben beginnt, daß die Tracht, in der er bis jetzt – er fürchtet fast zum Skandal der Menschheit umhergegangen, – noch einiger Verbesserung fähig sei. Fast alle Stämme entwickeln darin, wie das ja auch sehr leicht erklärlich ist, die nämlichen Symptome, und ich bin fest davon überzeugt, daß sich unsere Vorväter, die alten biederen Cherusker und Hetrusker, ebenso linkisch benommen haben, als sie ihr Schild und ihre Streitaxt an einen Baum lehnten und in das erste paar Hosen, natürlich verkehrt – hineinfuhren, als es all die anderen Stämme noch heut zu Tage, und unter ähnlichen Verhältnissen thun.

Die Wilden sind dabei wie die Kinder, und der Beweis schon, daß ihnen all diese fremden Kleidungsstücke nicht nöthig, daß sie nur ein Bedürfniß sind, welches die weißen Männer erst nach und nach in ihnen erwecken, damit sie ihnen später desto weniger entgehen können, ist der, daß sie all derartige Sachen von Anfang an nur als eine Art von Schmuck betrachten, den sie dahin binden, wo er ihnen am besten gefällt. So habe ich einst einen Californischen Wilden gesehen, der vollkommen nackt, sich ein Vorhemdchen mit Perlmutterknöpfchen wie einen Bergmannsschurz umgebunden hatte, und der Australische Wilde, der sich aus einer Hose eine Jacke gemacht, indem er ein Loch in’s Kreuz geschnitten und den Kopf dahindurchgesteckt, ging mit seinem neuen Kleid eben so ernsthaft und gravitätisch umher, als ob er in alle möglichen unsinnigen Kleidungsstücke zum Ersticken eingezwängt, hoffähig angezogen hinter dem Stuhle eines unserer Allerhöchsten gestanden hätte.

Nach und nach erst gewöhnt er sich daran; der kleine Wilde sieht seinen Vater eine Jacke tragen und er denkt sich, gerade wie es bei uns die Kinder machen – wann Du doch auch erst ein Vater wärst und eine Jacke tragen könntest. So pflanzt sich’s von Geschlechtern zu Geschlechtern, jede Generation will ein Verdienst haben und ein Stück dazu thun, bis nachher zuletzt ein Menschenkind daraus wird, das mehr verschiedene Kleidungsstücke und Stückchen an sich trägt, als Deutschland Staaten hat.

Wir und die Wilden tragen denn auch unseren Staat und unsere Staaten mit Würde, nur daß bei den Wilden noch der natürliche Sinn zu leicht die Oberhand gewinnt, und ein paar Südseeländer, die sich unverhofft im Frack begegnen, fast [147] stets einander anfeixen, während mir gesagt ist, daß die Minister des neuen Kaisers z. B. in seidenen Strümpfen und gestickten Röcken gar ernsthaft und ehrbar an einander vorüber gehen, ohne auch selbst nur eine Miene zu verziehen.

Das Alles thut die Mode, die uns eben so zum Bedürfniß geworden, daß wir sie zuletzt vom eigentlichen Bedürfniß gar nicht mehr unterscheiden können, aber sie sitzt bei uns im Kopf, nicht etwa im Herzen, und Gewohnheit und Sitte, Religion, Kunst, Phantasie, Politik und Wissenschaft – es sind Alles ihre Dienerinnen; ja selbst im Tode noch läßt sie nicht von uns, denn sogar der Sterbende verlangt: „anständig begraben zu werden.“

Anmerkungen (Wikisource)


  1. Vorlage: ader