Nachträgliches vom Büchertisch für die Jugend
[890] Nachträgliches vom Büchertisch für die Jugend. Die „Gartenlaube“ braucht ihrer hohen Auflage wegen allein für den Druck einer Nummer etwa 14 Tage, und darum muß die Redaktion der Nummern in der Regel volle drei Wochen vor dem Erscheinen derselben geschlossen werden – allzufrüh zu einer Zeit wie derjenigen vor dem Weihnachtsfeste, wo jeder Tag die schon aufgezählten Christgaben um neue vermehrt. Das haben wir auch wieder bei unserem diesjährigen Weihnachtsbüchertisch für die Jugend erfahren, der seit dem Erscheinen unseres Berichtes in Nr. 49 einen nicht nur ansehnlichen, sondern auch werthvollen Zuwachs erfahren hat, so daß wir unsere Liste empfehlenswerther Schriften gerechterweise durch einen wenn auch gedrängten Nachtrag ergänzen müssen. Kommt derselbe zum Weihnachtsfeste nicht mehr früh genug, so erinnern wir daran, daß unsere Empfehlungen auch keineswegs für dieses Fest allein gelten wollen. Es giebt im langen Jahre noch so manche Gelegenheit zum Bücherschenken, bei der vielleicht ein Rathgeber erwünscht ist, und da blättere man in der „Gartenlaube“ zurück bis zu denjenigen Nummern, welche unsere Empfehlungen zur Zeit des Weihnachtsfestes, aber nicht für dieses ausschließlich enthalten!
Die Bilderbücher für die Kleinsten hat die Verlagshandlung von J. F. Schreiber in Eßlingen noch um einige sehr „dauerhafte“ Neuigkeiten bereichert: „Neuestes ABC“, „Herzblättchens Bilderbuch“ und „Goldene Zeiten“, alle drei gegen die oft etwas zerstörungslustigen Fäustchen der Kleinen dadurch widerstandsfähiger gemacht, daß die hübschen Bilder auf Leinwand gedruckt sind. Dieselbe wohlangebrachte Vorsichtsmaßregel ist auch bei Lothar Meggendorfers Bilderbuch „In Großpapas Garten“ (ebenda) angewendet. Man sollte kaum denken, daß in einem so zierlichen Buche, das man bequem in die Tasche schieben kann, ein so großer Garten wie der dieses Großpapas verborgen sein könnte. Aber das Büchlein ist zum Ausbreiten eingerichtet und erreicht, völlig entfaltet, wohl die stattliche Länge von zwei Metern. – Ein niedliches Bilderbuch ist „Des Kindes Wunderhorn“ von Fedor Flinzer (Breslau, C. T. Wiskott), mit alten Kinderreimen und vorzüglichen, künstlerisch schönen Bildern. – Zu den werthvollsten Büchern für Kinder im Alter von 6 bis 9 Jahren gehört „Die Fahrt zum Christkind“, ein Weihnachtsmärchenbuch von Julius Lohmeyer, illustrirt von V. P. Mohn (Glogau, Carl Flemming). Die feinsinnige Dichtung und die vollendet schönen, farbenprächtigen Bilder deuten in gleichem Maße auf die Meisterhand. Diesem köstlichen Bilderbuch reihen sich endlich noch drei zierliche Büchlein an, deren überaus anmuthender Bilderschmuck in englischem Geschmack gehalten ist: „Sonnige Tage, wonnige Stunden“, „Vom Himmel her“ und „Laß dir was erzählen“ (München, Theo. Stroefers Kunstverlag), kleine Prachtwerke für Kinder, mit leichtverständlichen Reimen.
Zu den Geschichtenbüchern für die Kleinen nennen wir noch J. A. C. Löhrs „Kleine Erzählungen“ (Stuttgart, K. Thienemanns Verlag), mit acht wirklich herzigen Kinderbildern von L. v. Kramer, und „Herzblättchens Zeitvertreib“ von Th. von Gumpert (Glogau, Carl Flemming), ein Jahrbuch, das bereits im 34. Jahrgang vorliegt.
Die Zahl der Märchensammlungen vermehrt G. Chr. Dieffenbach um eine weitere: „Das Goldene Märchenbuch“, mit vielen Illustrationen von Carl Gehrts (Bremen, M. Heinsius Nachfolger). Neues ist darin nicht enthalten, doch sind die schönen alten Märchen kundig [891] ausgewählt und mit einem reichen Bilderschmuck von Künstlerhand reizvoll ausgestattet. – Auch auf die anmuthigen „Neuen Märchen und Erzählungen“ von A. Godin (Glogau, Flemming) und die eigenartigen „Japanischen Märchen“ von C. W. E. Brauns (ebenda), beide hübsch illustrirt, kann nur empfehlend hingewiesen werden.
Knabenbücher haben wir schon in Nr. 49 der „Gartenlaube“ eine ganze Anzahl genannt, aber dieselben sind damit nicht erschöpft, und wenigstens einige, die in jeder Beziehung Lob verdienen, müssen wir noch anführen, vor allem das stattliche „Buch der Jugend“ (Stuttgart, K. Thienemanns Verlag), ein reichhaltiges Jahrbuch mit trefflichen Erzählungen und belehrenden Beiträgen; dann: „Heimathlos“ (ebenda), eine für die Jugend berechnete und wohl geeignete Bearbeitung von H. Malots gleichnamigem Roman, mit 50 Textillustrationen und 16 ganzseitigen Tonbildern; „Die Gefahren der Wildniß“ (ebenda), von Franz Hoffmann nach dem Englischen des Dr. Bird erzählt und von Hermann Vogel meisterlich illustrirt; ferner: „Eldoradofahrer“ von C. Falkenhorst (Leipzig, F. A. Brockhaus). Der Verfasser führt seine Leser diesmal nicht nach Afrika in das Reich Emin Paschas, sondern versetzt sie um Jahrhunderte zurück in jene Zeit, da die reichen Augsburger Kaufleute, die Welser, von Karl V. das heutige Venezuela zur Gründung einer Kolonie erwarben und ihre Vertreter das fabelhafte Goldland „Eldorado“ zu entdecken suchten, statt dessen aber nicht als „Thäler des Elends“ fanden. Die Erzählung ist farbenreich und spannend und wird unsere Knaben sicher anziehen. Auch Albert Kleinschmidts vier Erzählungen unter dem Titel „Germanisches Heldenschicksal in Sieg und Untergang“ (Leipzig, Friedrich Brandstetter) sind in erster Reihe, obwohl nicht ausschließlich, für Knaben von Interesse. Der Verfasser erzählt markig und fesselnd, ohne gelehrten Aufputz, aber mit genauer Kenntniß und sorgfältiger Berücksichtigung der Geschichte.
Das Verzeichniß der Mädchenbücher wäre nicht vollständig ohne die Anführung des „Töchter-Albums“ von Thekla von Gumpert (Glogau, Flemming), das im 35. Jahrgang vorliegt und wieder, neben zahlreichen künstlerischen Illustrationen in Farbendruck, ansprechende, gemüthvolle Erzählungen und vermischte Beiträge in bunter Reihenfolge enthält.