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Neues vom „Metall der Zukunft“

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: G. F.
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Titel: Neues vom „Metall der Zukunft“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 795–796
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Neues vom „Metall der Zukunft“.

Kochgeschirr aus Aluminium.

Als es mit Hilfe der Elektricität gelungen war, das Aluminium aus gewöhnlichem Lehm zu annehmbaren Preisen herzustellen, da pries man es als das „Metall der Zukunft“ und prophezeite ihm auch einen siegreichen Einzug in die Küche, wo es nicht nur neben den Emailletöpfen, neben Kupfer- und Nickelgeschirr bestehen, sondern diese gar verdrängen sollte! Man hatte ja von alters her an den bisher üblichen Geschirren aus unedlen Metallen Verschiedenes auszusetzen; sie waren schwer und darum nicht leicht zu handhaben, und besonders gaben sie oft gesundheitsschädliche Verbindungen an die Speisen ab. Das Aluminium, welches sich durch die Eigenschaft, nicht zu rosten, auszeichnet, schien darum auf den ersten Blick recht geeignet, in der Küche dem Menschen gute Dienste zu erweisen. Aber die Industrie und Hygieine waren mit seinen Eigenschaften noch nicht genügend vertraut und so wurde vorläufig nichts aus dem erhofften Siegesfluge; im Gegentheil, als die ersten Aluminiumfeldflaschen und Aluminiumkochtöpfe auftauchten, ließen sich bald Stimmen hören, welche davor warnten, das „Silber aus Lehm“ in der Küche zu verwenden. Es sollte von den Speisen und Getränken angegriffen werden und deren Geschmack verderben; es sollte sich beim Gebrauch und beim Reinigen zu rasch abnutzen; vor allem aber wurde auch ihm wieder der Vorwurf gemacht, daß es die Speisen „vergifte“, sie gesundheitsschädlich [796] mache. Die Warnung verfehlte ihre Wirkung nicht, das Publikum stutzte und wartete das Ergebuiß sorgfältigerer Prüfungen ab.

Diese wurden auch alsbald in Angriff genommen, und was wir nunmehr im folgenden mitzutheilen haben, stützt sich auf die äußerst sorgfältigen und gründlichen Untersuchungen, welche im Kaiserlichen Gesundheitsamt und von der Medizinalabtheilung des preußischen Kriegsministeriums im Friedrich-Wilhelms-Institut zu Berlin angestellt worden sind.

Den wichtigsten Theil dieser Untersuchungen bildete die Klärung der Frage, ob durch Benutzung des Aluminiumgeschirrs Gesundheitsstörungen bei Menschen hervorgerufen werden können. Bestand dieser Vorwurf zu Recht, so verbot sich die Einführung des Aluminiums in unsere Küchen von selbst.

Die Wissenschaft rechnet das Aluminium an sich wie alle anderen Metalle zu den Giften. Dies geschieht aus dem Grunde, weil alle Metallsalze, sobald sie in das Blut eingeführt werden, warmblütige Thiere töten. Unter diesen Umständen, d. h. beim Eintritt in das Blut, erweisen sich auch Aluminiumverbindungen als gefährlich, wenn sie auch im Vergleich zu anderen Metallen wie Blei, Kupfer, Eisen, Nickel etc. am allerwenigsten giftig sind. Nun spritzen wir uns aber ja kein Aluminium in das Blut ein, seine Verbindungen können nur dadurch schädlich wirken, daß sie mit Speisen verzehrt oder in Getränken verschluckt werden. Auf diese Weise werden die Menschen durch Bleiverbindungen vergiftet, indem diese vom Magen und Darme aus in das Blut übergehen. Ist dies nun auch beim Aluminium der Fall? Man durfte diese Frage nicht ohne weiteres bejahen, da es bereits bekannt war, daß einige Metallverbindungen, wie z. B. die des Mangans, vom Darme aus gar nicht in den Körper übergehen. Man mußte es also auf eine Probe ankommen lassen, und diese fiel günstig für das Aluminium aus: seine Verbindungen gehen, wie zahlreiche Thierversuche gezeigt haben, vom Darme aus nicht in den Körper über.

Wichtiger aber sind die Ergebnisse der Versuche am Menschen. Zwei Aerzte, 26 und 35 Jahre alt, gesund und von kräftiger Körperbeschaffenheit, nahmen im Laufe eines Monats täglich vormittags 11 Uhr 1 Gramm weinsaures Aluminium mit dem zweiten Frühstück. Beide beobachteten weder unmittelbar nach dem Einnehmen des Salzes noch im Verlaufe der ganzen Versuchszeit die geringste Störung des Appetits oder des Wohlbefindens. Auf Grund dieser Thatsache ist das Gesundheitsamt zu der Schlußfolgerung gelangt, „daß eine Schädigung der Gesundheit durch den Genuß von Speisen und Getränken, welche in Aluminiumgeschirr gekocht oder aufbewahrt worden sind, bei den hierbei gewöhnlich in Betracht kommenden Verhältnissen nicht zu erwarten ist.“

Im Friedrich-Wilhelms-Institut wurden anderthalb Jahre lang Kochversuche mit Aluminiumgeschirre angestellt, und während dieser Zeit verzehrten die beiden Laboratoriumsdiener sämtliche in den Aluminiumgeschirren bereitete Speisen und Getränke – täglich Fleisch, Gemüse und Kaffee in zwei vorschriftsmäßigen Friedens-, zeitweise auch Kriegsportionen. Hierbei ist niemals irgend eine üble Folge hervorgetreten. Die beiden Leute haben sich völlig wohl und normal befunden und namentlich beim Genuß der bekanntlich sehr reichlich bemessenen Kriegsportionen an Körperumfang und Gewicht sichtlich zugenommen. So gelangte auch die Medizinalabtheilung des preußischen Kriegsministeriums zu dem Ergebniß, „daß Bedenken gegen Verwendung von Trink- und Kochgeschirren aus Aluminium in sanitärer Hinsicht nicht bestehen“.

Nun ging ein weiterer Vorwurf dahin, daß durch Benutzung des Aluminiumgeschirrs der Geschmack der Speisen und Getränke ungünstig beeinflußt werde. Dies war in der That bei der Benutzung der Feldflaschen, die man zuerst in Gebrauch genommen hatte, der Fall. Es stellte sich aber heraus, daß daran das Aluminium selbst nicht schuld war. Bei der Anfertigung von Aluminiumfeldflaschen wurde früher eine fettige Füllungsmasse aus Hammeltalg und Schweineschmalz oder Rüböl und Schmierseife verwendet. Es leuchtet ein,,daß auch die geringsten Rückstände dieser Stoffe geeignet waren, den Getränken einen schlechten Beigeschmack zu verleihen. Thatsächlich ist auch wiederholt beobachtet worden, daß der fatale Beigeschmack bei fortgesetztem Gebrauch immer schwächer wurde und sich schließlich ganz verlor. Seitdem man aber Aluminiumgeschirre ohne Anwendung der Füllmasse durch Drücken und Ziehen aus einem einzigen Blechstück herstellt, sind auch diese Klagen verstummt, und eine Geschmacksveränderung der Getränke und Speisen konnte selbst bei wochenlanger Aufbewahrung nicht festgestellt werden.

Hier möchten wir gleich einschalten, daß Obst und Sauerkraut und dergleichen, die in Aluminiumtöpfen gekocht oder stehen gelassen werden, ihre natürliche Färbung nicht verändern, daß also die Appetitlichkeit der Speisen nicht leidet.

Der zweite Theil der Untersuchungen betraf die sehr wichtige ökonomische Frage. Ist diese leichte Ware auch dauerhaft? Widersteht sie den Angriffen des Kochens, Reinigens etc., oder wird sie in verhältnißmäßig kurzer Zeit abgenutzt?

In dieser Hinsicht brachten namentlich die Arbeiten im Friedrich- Wilhelms-Institut sehr lehrreiche und erfreuliche Ergebnisse.

Wie alle unedlen Metalle, so wurden auch Geschirre aus Aluminium von den Speisen und Getränken angegriffen. Das Alnminium hat aber einen besonderen Feind, die Gerbsäure, welche z. B. bei Benutzung der Aluminiumflaschen unangenehme Folgen mit sich bringt. Bewahrt man in solchen Flaschen gerbsäurehaltige Getränke wie z. B. Cognac auf, so bemerkt man im Innern der Flasche die Bildung eigentümlicher schwarz- brauner Flecken und schließlich wird die Flüssigkeit trüb und flockig. Gesundheitsschädlich sind diese Flocken nicht, aber sie machen das Getränk unappetitlich. Zur Aufbewahrung von Flüssigkeiten, die Gerbsäure enthalten, eignen sich also die Aluminiumflaschen nicht unbedingt.

Von den Gerbstoffflecken bildenden Getränken kommt vor allem der Kaffee, das Normalgetränk des marschierenden Soldaten, in Betracht; indes ist hier die Fleckenbildung so unerheblich – bei vierundzwanzigstündiger Aufbewahrung nur einige wenige stecknadelkopfgroße Pünktchen - daß bei dem in der Regel nur nach wenigen Stunden bemessenen Aufenthalt des Kaffees in den Flaschen praktische Bedenken nicht entstehen. Salzlösungen und gewöhnliches Trinkwasser bilden bei längerem Stehen weiße Flecken, die jedoch belanglos sind und ebenso wie die schwarzen durch Reinigung der Flasche mit heißem Wasser und etwas Sand entfernt werden können.

„Das Urtheil über Aluminiumfeldflaschen,“ heißt es in den „Veröffentlichungen aus dem Gebiete des Militärsanitätswesens“, „muß nach den im Laboratorium angestellten Versuchen recht günstig lauten. Ihre großen Vorzüge, Leichtigkeit, Rostfreiheit, Ungiftigkeit gegenüber anderen Metallkompositionen, Unzerbrechlichkeit, besonders auch beim Einfüllen heißer Getränke (Kaffee), gegenüber den bisherigen Glasflaschen liegen auf der Hand.“

Kocht man salzige und sauere Speisen in Aluminiumtöpfen, so wird von diesen ein Theil des Metalls gelöst. Als man Kochversuche mit Essigsäure anstellte und das gelöste Aluminium berechnete, waren die Mengen anfangs so groß, daß man eine baldige Abnutzung des Materials befürchtete. Als man aber aus diesem Grunde die Essigkochversuche noch viele Wochen lang fortsetzte, bestätigte sich jene Voraussetzung nicht; vielmehr ergab sich die wichtige Thatsache, daß eine sehr deutliche und ziemlich rasch fortschreitende Abnahme der in Lösung gehenden Aluminiummengen stattfand. In gleichem Maße aber, wie im Laufe des Versuchs der Angriff der Essigsäure auf das Aluminiumgefäß nachließ, bedeckte sich die Oberfläche des letzterem soweit sie mit dem Essig in Berührung kam, mit einer zusammenhängenden, glatten, anfangs ganz dünnen, später immer dicker werdenden hellbraunen und fast wie Emaille aussehenden Haut, die wir offenbar als eine Art Schutzschicht anzusehen haben. Wie kommt nun diese Schutzschicht zustande?

Das Alnmininm ist so, wie es in den Handel gebracht wird, nicht chemisch rein, sondern enthält Spuren von Eisen und geringe Beimengungen von Silicium, dem harten Stoffe, welcher die Kiesel bildet und selbst den stärksten Säuren zu widerstehen vermag. Der Gehalt an Silicium schwankt in verschiedenen Aluminiumblechen von 1/2 bis 2 Prozent. Der harte Stoff ist in dem Metall in feinsten Theilchen vertheilt. Wirkt nun eine schwache Säure auf das Blech ein, so wird das Metall langsam gelöst; die Siliciumtheilchen werden dadurch in ihrer oberen Hälfte bloßgelegt, mit der unteren aber bleiben sie im Metall eingebettet. Wenn wir ein solches Blech unter starker Vergrößerung betrachten könnten, so würde es einem Pflaster ähnlich sehen, in welchem das Silicium die Steine, das Aluminium den Boden bilden würde. Jedes Siliciumtheilchen schützt nun die unter ihm befindliche Aluminiumschicht vor weiteren Angriffen der Säuren und Salzlösungen, und je dichter das Pflaster ist, desto vollkommener der Schutz, desto besser die sich selbst bildende Emaille.

Die Entdeckung dieser Thatsache ist für die Aluminiumindustrie von der höchsten Bedeutung; es ist ihr damit ein Weg vorgezeichnet, wie sie die Gefäße mit einer Schutzschicht versehen soll. Bisher sind allerdings nur die Grundzüge dieses Prozesses bekannt, und der Industrie bleibt die Aufgabe, die besten Methoden ausfindig zu machen. Dann wird sie in der Lage sein, Kochgeschirre, die bereits mit einer Schutzschicht versehen sind, in den Handel zu bringen. Vorderhand können wir uns mit der Thatsache begnügen, daß diese wichtige Emaille sich von selbst im Kochgeschirr bildet, wenn wir in ihm die üblichen Speisen kochen, und die Hausfrau lernt daraus, daß sie die Schutzschicht schonen muß und das Geschirr im Innern nicht blank scheuern darf. Wird es einmal gelingen, die Schutzschicht in guter Haltbarkeit fabrikmäßig herzustellen und mit ihr auch die Feldflaschen zu versehen, so werden auch deren letzte geringfügige Mängel, die Bildung der Flecken und die Trübung gerbsäurehaltiger Getränke, beseitigt sein.

Aus allen Versuchen, die im Friedrich-Wilhelms-Institut angestellt wurden, ergab sich, „daß Aluminiumkoch- und -trinkgefäße zwar von den meisten Speisen und Getränken angegriffen werden, aber nur in geringem und bei fortgesetztem Gebrauch rasch abnehmendem Maße“.

Was nun den Einfluß der Reinigung auf die Aluminiumgefäße anbelangt, so ist mit allen bekannten Reinigungsarten ein verhältnißmäßig großer Verlust an Material verbunden. Nur soll man auch die Folgen dieser Abnutzung nicht übertreiben. Das übliche Reinigungsverfahren mit warmer Sodalösung ist nur mit Vorsicht anzuwenden; am zweckmäßigsten erweist sich die Reinigung mit reinem heißen Wasser und nicht zu harter Bürste. C. Winkler stellte z. B. Versuche an mit einem Speiselöffel aus Aluminium, der in täglichem Gebrauche war, und kam dabei nach einer Mittheilung in der „Zeitschrift für angewandte Chemie“ zu dem Ergebniß, daß Speisegeräthschaften aus Aluminium sich vielleicht etwas, aber nicht viel stärker als solche aus legiertem Silber, dagegen weniger als solche aus Neusilber abnutzen.

Bei der ökonomischen Werthschätzung des Aluminiumkochgeschirrs ist jedoch noch ein Umstand in Betracht zu ziehen. Nutzt sich das Geschirr ab, was schließlich bei jedem Geräthe einmal der Fall ist, so ist es durchaus nicht so werthlos wie altes Eisen, es wird vielmehr wie das Kupfergeschirr vom Kupferschmied, von Aluminiumfabrikanten für den Metallwerth wieder eingelöst.

Ob das „Silber aus Lehm“ den richtigen Stoff für das „Kochgeschirr der Zukunft“ bildet, das läßt sich heute noch nicht sicher sagen. Das glänzende Metall, das aus der elektrischen Gluth hervorgeht, muß noch wie jede Neuerung die weit heißere Feuerprobe des praktischen Lebens bestehen. Von dem Vorwurf der Giftigkeit ist es glänzend gereinigt; auch über seine Abnutzung lautet heute das sachverständige Urtheil günstiger als vor wenigen Jahren. Ob es für den Haushalt paßt? Diese Frage kann in keinem Laboratorium, sondern nur im Hause entschieden werden. Hygieiniker und Chemiker haben ihren Spruch gethan, nun ist es an den Frauen, über das Aluminiumkochgeschirr zu Gericht zu sitzen. C. F.