Neujahr 1888!
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Neujahr 1888!
Ob stürmisch sei die Nacht und rauh,
Erfüllt vom wirren Tanz der Flocken,
Ob uns die Nachtluft lind und lau
Zu spätem Schwärmen mag verlocken ―
Der Schlag der mitternächt’gen Stunde,
Mit lang gebändigter Gewalt
Der Jubel aus in weiter Runde.
Und wenn die Gläser hell und klar
So scheint’s, als müsse dieses Jahr
Erfüllung unsern Wünschen bringen,
Den Frieden nach verworr‘nem Streit,
Für alle Unbill volle Rache,
Den schönen Sieg der guten Sache.
Wenn dann ein schmuckes, schönes Kind,
Das Glas entgegen dir gehalten
Und „Prost!“ gerufen in den Wind ―
Wer sähe nicht das neue Jahr
In ihr beim vollen Klang der Glocken,
Mit hellem blauen Augenpaar,
Mit krausen, seidenweichen Locken?
Und gern magst du bei ihm verweilen.
Den Schmerz der Wunde lindert’s mild,
Vermag es sie auch nicht zu heilen.
Sie ist noch jung ― ein blühend Reis,
Und wärest du ein müder Greis ―
So lang du Mensch bist, mußt du hoffen!
Die Hoffnung läßt nicht untergeh’n
Und nimmer senkt sie ihre Fahnen,
So gehen aufwärts doch die Bahnen.
Wohl magst, getroffen bis in’s Mark,
Als Einzelner du unterliegen ―
Die Menschheit aber, groß und stark
Du magst als welkes Blatt verweh’n
In kalter Stürme tollem Wüthen ―
Der Baum wird doch im Lenze steh’n,
In neuem Laub, beschneit mit Blüthen.
Wie oftmals sie auch noch gewinne,
Und wo ein „Prosit Neujahr!“ schallt,
Wir rufen’s mit in unserm Sinne!
R.L.