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New-Haven, Connektikut, in den Vereinigten Staaten

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XXIV. Washington; – das Capitol Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XXV. New-Haven, Connektikut, in den Vereinigten Staaten
XXVI. Bamborough-Castle, in der Grafschaft Northumberland, in England
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YALE COLLEGE & STATE HOUSE, NEWHAVEN, CONNECTICUT.

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XXV. New-Haven, Connektikut, in den Vereinigten Staaten.




Vom Capitol warfen wir den Blick auf die Union. Die Erscheinungen und Resultate des dortigen Staatslebens zogen an uns vorüber, riesigen Wolkengestalten, die der Sturmwind jagt, ähnlicher, als Wesen der Wirklichkeit. Unser heutiges und künftige Bilder werden uns Gelegenheit geben, das im Einzelnen zu betrachten, was in seiner Gesammtheit unserm an das Kleine gewöhntem Auge fast unerfaßlich schien.

Zwischen Boston und New-York liegt, mit süddeutschem Clima, ein schönes, gesundes, fruchtbares, gut angebautes, etwa 200 Geviertmeilen fassendes Ländchen, vertheilt unter 300,000 Bewohner. Es ist unter den Republiken des Nordamerikanischen Bundes, nächst Rhode-Island, die kleinste. Zahlreiche, mäßig hohe Aeste des Apalachengebirges zerspalten seinen Norden in reizende, geschirmte Thäler; im Süden dehnen sich weite Grasebenen aus, bespült von den Fluthen des Atlantischen Ozeans. Connektikut heißt das Land; ihr Utopien nennen’s, halb im Scherz, halb im Ernste, die freien Menschen da drüben.

Gewiß ist’s, unter allen Staaten auf der weiten Erde gibt es keinen, der, vergleichsweise, so viel Volksglück birgt, als diese kleine Republik; und in keinem ist die vernünftige Idee vom Staate so rein verwirklicht. Er ist im eigentlichsten Sinne ein zu gegenseitigem Wohle verbundener Bürgerverein. Eine fast ganz gleiche Vertheilung des Grundeigenthums, (der Boden ist in Besitzungen von 200, höchstens 300 Morgen zerspalten), hält die Keime der gefährlichsten aller Aristokratien fern; frei von den die Entwickelung eines glücklichen und wahren öffentlichen Lebens hemmenden Fesseln, blühen Ackerbau, Handel und Gewerbe, Künste und Wissenschaften in diesem Unionstheile gleich herrlich, und die dortige Staatsverwaltung, nirgends so einfach, nirgends besser, zweckmäßiger und so wohlfeil eingerichtet, gilt selbst den übrigen Freistaaten als ein noch unerreichtes Vorbild. Der jährliche Gehalt sämmtlicher Staatsdiener beträgt nicht ganz 9000 Dollars; alle Gemeindeämter sind, was sie überall seyn sollten, Ehrenposten, Aemter des Vertrauens und ohne klingende Emolumente. Die gesammten Abgaben betragen jährlich kaum 48,000 Dollars, und ein nicht kleiner Theil besteht aus Beiträgen der Fremden. Vom Ueberschuß dieser kleinen Staatseinnahme haben weise Sparsamkeit und redliche Verwaltung binnen etwa 50 Jahren einen Staatsschatz von fast zwei Millionen Dollars gesammelt, dessen Zinsen jährlich an die Gemeinden des ganzen Landes vertheilt [62] werden. Im vorigen Jahre betrug die also vertheilte Summe an 80,000 Dollars; also fast das Doppelte der sämmtlichen Steuern. So sind die Bürger in Connektikut in Wahrheit nicht blos abgabenfrei; sie beziehen vom Staate, als Produkt ihrer Vereinigung, noch eine Rente. Das einzige Beispiel der Art auf der ganzen Erde.

Große Städte gibt es in diesem glücklichen Freistaate nicht, deren Anlage der ächte Freiheitssinn überhaupt wenig begünstigt. New-Haven, die Hauptstadt, hat kaum 8000 Einwohner; ist aber schön, orginell und äußerst freundlich gebaut. Bald Alleen, bald Boskette und Baumgruppen, bald Blumenbeete trennen die schönen Häuser und geben dem Ganzem ein malerisches, parkähnliches Ansehen. Der Tempel vor uns ist das Haus der Bürger-Repräsentanten und zugleich ein Denkmal des Gemeinsinnes; denn er wurde aus freiwilligen Beiträgen errichtet. Das in der Häuserreihe links hervortretende große Gebäude ist die Universität, (Yale-College) auch ein Monument des Patriotismus eines Bürgers Yale, der sie gründete und ihr den Namen gab. Sie ist die berühmteste Hochschule der Union. Unter einem Rektor lehren hier 21 Professoren alle Zweige des menschlichen Wissens. Sie hat eine zahlreiche Bibliothek, Museum, Sternwarte und ward im vorigen Jahre von mehr als 600 Studenten besucht. Von diesen waren 75 Mediziner, 23 Theologen, 16 Juristen; alle Uebrigen Leute, welche eine gelehrte Bildung nicht als Brücke zum Paradies des Staatsdienstes, sondern als den Schmuck des Privatlebens suchten, oder welche die einstige praktische Anwendung der hier erlangten Kenntnisse in Gewerben und Handel beabsichtigten. Außer der Universität hier hat Connektikut eine zweite in Hartford, Washington-College, 1823 ebenfalls aus patriotischen Beiträgen errichtet. 5 Gymnasien, eine große Anstalt für die Erziehung der Taubstummen und Blinden, eine Vorbereitungsschule für Aerzte und Chirurgen, eine Hebammenunterrichtsanstalt, und mehre polytechnische Schulen zeugen von der Sorgfalt, welche in diesem kleinen Ländchen auf Volksbildung verwendet wird. Der Schulfond besteht aus 2 Millionen Dollars und zu dessen Einkünften schießt der Staat noch jährlich 12000 Dollars hinzu. Ueberdieß fließen die patriotischen Beiträge der Bürger so reichlich, daß noch jährlich neue Anstalten für die Verbreitung nützlicher Kenntnisse unter dem Volke gegründet werden können. – Auf die Pflege unfruchtbaren Wissens wird, wie man sich leicht denken kann, bei einem so verständigen Volke hingegen nichts verwendet. Nicht das Hebräische, oder das Griechische, sondern Unterricht in den Pflichten und Rechten des freien Bürgers, in den Landesgesetzen, in der Chemie und Mathematik und deren Anwendung auf Feldwirthschaft, Fabrikation und Gewerbe, Unterricht in den lebenden Sprachen stehen auf den Lehrverzeichnissen der dortigen Gymnasien oben an. Man treibt dort nicht wie bei uns die Wissenschaften, daß man vor lauter Noten den Text nicht mehr sehe. Der Amerikaner lacht unserer erschrecklichen Gelehrsamkeit, unseres tollen Vielwissens, die uns dahin gebracht haben, daß über die wichtigsten Angelegenheiten des Menschen und Bürgers ein Eskimo vernünftiger denkt, als manche unserer Professoren. – – Ich [63] spotte; und der Spott ist bitter; aber er kann, wenn auch Wahrheit, kein Vorwurf seyn wollen; denn, die Armen! sie können nichts dafür. – Uns Allen fällt ein gleiches Loos, das unabwendbar ist. Das alte, sieche, in sich verfallende Europa wird nicht wieder verjüngt. Ein Greis bleibt ein Greis, ob man ihm auch Knabenkleider anziehe. Glauben, daß auf Europa’s hohlem, bemoosten Stamme eine junge Amerikanische Freiheit gedeihen könne, heißt mehr als erwarten, daß der verkrüppelte Schlehdorn Feigen, oder die Haselstaude Cocosnüsse trage. So wenig man Zuckerstoff aus der Essigmutter zieht, so wenig wird man auf die Elemente der europäischen Gesellschaft ein freies bürgerliches Wesen gründen können. Ja wenn es mit den Erklärungen der Rechte des Menschen und des Bürgers, mit Gesetzen und Verfassungen gethan wäre, wie bald wär’s gethan; – denn auch den Dummkopf kann man ja für einen gescheidten Mann, den Schelm für ehrlich erklären; aber ändern darum beide ihre Natur, oder hören sie auf, dumme und schlechte Streiche zu begehen?

Es ist eine herbe aber unumstößliche Wahrheit: Europa’s alter Stamm ist unfähig, junge und gute Frucht-Zweige der Freiheit zu treiben. Nur ihre Wasserreißer schießen hie und da auf, nehmen dem alten Stamm das Bischen Lebenssaft, verdorren, und haben nur gedient, seine Auflösung zu beschleunigen. – Eben so sicher wie die Völker die Ueberzeugung gewonnen haben, daß sie bei der Anarchie ihre Rechnung nicht finden, so sicher wissen alle besseren Regierungen, daß sie ihren Vortheil bei’m Despotismus nicht finden. Aber ein höheres Gesetz führt wahrscheinlich beide gegen ihren Willen einem Ziele zu, das beide gleich fürchten und verabscheuen. –