Nicht unser Fürst!

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Autor: Leopold Böhmer
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Titel: Nicht unser Fürst!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 96
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Nicht unser Fürst!

Die Sykomore rauscht, ein blondgelockter Knabe
Mit leichtem Schritte rennt durch die Prairie,
Hell klingt sein Lied im Takt mit seinem muntern Trabe,
Im fernen West die deutsche Melodie:

5
„So weil die deutsche Zunge klingt,

Und Gott im Himmel Lieder singt – “
Aus vollem Herzen stimm’ ich ein:
„Das ganze Deutschland soll es sein!“

Nicht weit, an einer klaren Quelle, lehnt im Schatten

10
Ein Mann, nicht alt, doch schon gebleicht das Haar,

Zur Seit’ ein junges Weib, die Hand dem theuren Gatten,
Die treue Brust dem Säugling reichend dar.
Zu Füßen schlummert süß und mild
Ein Mägdlein noch, der Mutter Bild,

15
Zum Pfühl hat’s Nero’s Hals gemacht,

Der knurrend ob dem Liebling wacht.

Der Knabe naht – „ich bringe,“ ruft er, „frohe Kunde
Euch, Vater, Mutter, aus der Hafenstadt;
Der lang’ und heiß ersehnten Heimkehr sel’ge Stunde

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Erscheint, les’t nur dies deutsche Zeitungsblatt.

Ein deutsches Fähnlein weht vom Mast,
Der trug die Botschaft, sonder Rast
Schon eilt, schon drängt man froh zum Strand,
Zur Fahrt in’s liebe Vaterland!

25
Das Aug’ des Mannes strahlt, er möcht’ die Welt umarmen.

Die Gattin schmiegt sich selig an sein Herz.
„So wär’s denn wahr? das Leid, das schwere, fand Erbarmen?
O Kinder, hört’s, vorbei ist aller Schmerz!
Vorbei die namenlose Pein,

30
Ohn’ Vaterland, ohn’ Heimath sein! –

O, reicher Segen, ström’ herab
Auf ihn, der solche Gnade gab!

Die Heimath winkt, schon hör’ ich ihre Eichen rauschen,
Seh’ Burgen, Dome, sehe Dorf und Heerd,

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Den lieben alten Liedern werd’ ich wieder lauschen.

Die schon der Knabe einst so gern gehört!
Auch mancher Hügel wohl im Sand
Mich grüßt statt warmen Drucks der Hand. –
Und ich – das alte Herz bring’ ich,

40
Ob auch die dunkle Locke blich.“ –


Er nimmt das Blatt aus Sohneshand – es zuckt ein Beben,
Dem Auge langsam eine Thrän’ entrollt. -
Dann spricht er leis: „Ein and’rer Fürst ist’s, der vergeben,
Deß Herz, so groß als edel, nicht mehr grollt. –

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Uns gilt dies nicht – ein Traum gar schön,

Ein Irrthum war’s, ein Mißversteh’n.
Geduld’ Dich, Herz, noch sollt’s nicht sein -
Ach, wann wird unser Fürst verzeihn?!“

Die Sykomore rauscht, sonst rings ein tiefes Schweigen,

50
Verstohlen rinnt manch’ Thränlein in den Sand,

Des Säuglings Augen nur ein holdes Lächeln zeigen,
Ihm ist der Mutter Schooß noch Vaterland,
Und was hat wohl der Mann verübt?
Sein Vaterland zu heiß geliebt,

55
Groß sollt’s und einig wieder sein.


„O Gott von, Himmel, sieh’ darein!“

Leopold Böhmer.